Zusammenfassung
Die Macht ist ein zentrales Anliegen der politischen Wissenschaft. Sie ist ein Phänomen, das zwar allgemein anerkannt wird, aber nur schwer zu verstehen ist. Wie alle Gegebenheiten der realen Welt läßt sie sich nicht eindeutig definieren 1. Am berühmtesten ist die Definition von Hobbes; für ihn ist „Macht das gegenwärtige Mittel zur Erlangung eines zukünftigen Gutes“2. Eine solche Definition ist zugleich zu weit gefaßt und, zu begrenzt. Zu weit gefaßt, weil sie es unmöglich macht, Macht von Reichtum zu unterscheiden; denn was ist Reichtum anderes als ein gegenwärtiges Mittel zur Erlangung eines künftigen Gutes? Hobbes hätte auf einen derartigen Einwand natürlich geantwortet, daß Reichtum eine „Form“ der Macht sei. Das sagt er ja auch in den Ausführungen, die auf seine Definition folgen. Wie immer man dazu auch auf Grund philosophischer Erwägungen stehen mag, es ist heute aus praktischen Gründen wichtig, diese Unterscheidungen zu treffen, um die politischen von den wirtschaftlichen Angelegenheiten und damit die Politik von der Wirtschaft zu trennen. Im Grunde setzt eine so allgemeine Definition wie die Hobbessche die Macht mit der Gesamtheit der einem Menschen zur Verfügung stehenden Mittel gleich, d. h. der Mittel, mit denen ein Mensch seine Werte oder Zwecke verwirklichen kann. Wenn Macht so definiert wird, was bedeutet es dann, daß „das Leben nur ein fortwährendes und rastloses Verlangen nach Macht und abermals Macht ist, das erst mit dem Tode endet“ — Hobbes’ berühmter Ausspruch, der bis in unsere Tage immer wieder zitiert wird? Es besagt ganz einfach, daß die Menschen zu erlangen suchen, was sie begehren, eine Feststellung, die einer Tautologie sehr nahekommt.
A leader is best when men barely know he is there, not so good when men obey and acclaim him, worst, when they despise him...
Lao-tzu
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Literatur
Das Problem der Macht (power) ist in neuerer Zeit sehr viel diskutiert worden. Zu den umfangreicheren über political power gehören Catlin, 1927 und 1930; Merriam, 1934; Russell, 1938; Lasswell, 1936 und 1948; B. de Jouvenal, 1945; Hunter, 1953. Daneben gibt es eine Reihe von wichtigen Beiträgen in Artikeln und Büchern, die mit anderen Gegenständen befaßt sind (siehe hierzu die sorgfältige Bestandsaufnahme bei Franz Neumann, A, 1950). Daneben ist aus den letzten Jahren besonders zu erwähnen Karl Deutsch, 1962.
Hobbes, Leviathan, 1651, Kap. 10.
II. Buch, Kap. 21. Es ist eigenartig und oft kommentiert worden, daß Locke in seinen Essays an Civil Government (II. Buch, S. 4) seine Beweisführung auf dem Machtbegriff von Hobbes aufbaut, obwohl die andere in seiner allgemeinen Philosophie enthaltene Auffassung ebenfalls eine Rolle spielt.
Die Vorgänge bei der Gründung von politischen Ordnungen sind in neuerer Zeit besonders s einsichtig von Bertrand de Jouvenel erörtert worden.
Ähnliche Definitionen sind von einer Reihe anderer Autoren entwickelt worden. Sehr unterschiedlich dagegen die Auffassung von Easton, 1953, S. 144, und Lasswell und Kaplan, 1950, S. 74 ff. Easton erklärt: „Power ist present to the extent to which one person controls by sanction the decisions and actions of another.“ Lasswell und Kaplan dagegen erklären, Macht sei „a relationship in which one person or group is able to determine the actions of another in the direction of the former’s own ends”. Siehe hierzu auch Goldhammer und
Shils, A, 1939; H. Simon, A, 1953; March, A, 1955; und Dahl, A, 1957.
Lasswell und Kaplan, 1950, wollen den Begriff der Kontrolle (control) als Synonym für power verwandt wissen, während Banfield, 1961, S. 309, Kontrolle mit Lenkung (direction) gleichsetzt. Siehe hierzu auch Oppenheim, 1961, Kap. 2–3.
Hobbes’ Erörterung der „Freiheit“ (op. cit.,Buch II, S. 21) enthält alles Wesentliche späterer Darlegungen dieser Art. Siehe unten, Kap. 12 und 13.
Die ideologischen und psychologischen Zusammenhänge sind glänzend von Djilas, 1957, geschildert worden.
Friedrich und Sayre, 1940; Llewellyn White, 1947; Siepman, 1946; Friedrich und Sternberg, A, 1943.
Doob, 1948; Lasswell und Blumenfeld, 1939; siehe auch Friedrich, 1968 I, Kap. 24, und Lasswell, Casey und Smith, 1935, 1946.
Friedrich und Brzezinski, 1965, Kap. 11.
Friedrich, 1938, passim; Morgenthau, 1948; Schelling, 1960. Siehe unten, Kap. 3 und 19.
Siehe Friedrich, 1967 I, Kap. 3, und Scheler, 1916; N. Hartmann, 1926; Perry, 1926.
Lasswell und Kaplan, 1950, S. 152 ff., betonen besonders „activity“.
Eine umfassende Theorie gesellschaftlicher Rollen gibt Parsons, 1951, S. 236 ff. Seine Systematisierung ist hier nicht übernommen.
Für eine Analyse totalitärer Führung siehe Franz Neumann, 1942. Siehe für eine Korrektur dieser Mißverständnisse Friedrich und Brzezinski, 1965, Kap. 3, S. 31 ff; siehe auch Friedrich, A, 1961.
Krige und Krige, 1943, zeigen, daß die „Regenkönigin“ (rain queen) der Lovedu rein geistlich zu verstehen ist.
Zur Frage des afrikanischen Königtums vgl. Busia, 1951; Gluckman, 1940; und Richards (Hrsg.), 1960, die die Ashanti, Zulu und Bantu beschreiben.
Friedrich, A, 1961. Zur Bürokratie siehe außerdem unten, Kap. 10 und 18.
Brinton, 1930, hat ein Bild der pseudo-religiösen Kulte der Jakobiner gezeichnet. Vgl. Auch Voegelin, 1938.
Aus dem Blickwinkel ihrer Bemühung um Funktion kommt Dorothy Emmet, 1958, Kap. 8, zu Schlußfolgerungen, die der in Fn 36 angedeuteten kritischen Auffassung nahekommen.
Da diese Gesetzmäßigkeit quantitative Vergleiche ausspricht, so wäre eine empirische Bestätigung mit Hilfe quantitativer Methoden erwünscht: Doch begegnet die Konstruktion der 4 dafür erforderlichen Index-Zahlen sehr erheblichen Schwierigkeiten.
Galbraith’ bekanntes Buch, 1952, beschreibt einen spezifischen Fall, nämlich die amerikanische Gesellschaft.
Acton, 1948, S. 365. Acton fährt dann fort: „If we may debase the currency for the sake of genius, or success, or rank, or reputation, we may debase it for the sake of man’s influence, of his religion, of his party, of the good cause which prospers by his credit and suffers by his disgrace.“
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Friedrich, C.J. (1970). Macht und Führung. In: Politik als Prozeß der Gemeinschaftsbildung. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-02720-1_2
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