Zusammenfassung
Die Technik, genauer die moderne Krafttechnik, die Verwandlerin unserer Welt, ist sich selbst unter unseren Augen zur Frage, zum Thema, zum Problem geworden. Die Verwandlerin selbst ist offenbar in tiefer Verwandlung begriffen, deren Ende noch niemand absehen kann. Und das Wissen um diese Verwandlung ist neu und hat uns wie über Nacht überfallen. Gewiß ist diese Technik, seit sie im vorigen Jahrhundert sich auszuwirken und auszubreiten begann, gelegentlich unter Frage gestellt worden, von Jakob Burck-hardt über Friedrich Nietzsche zu Rainer Maria Rilke, Oswald Spengler und Ernst Jünger ist die neue Welt dieser Technik von Denkern und Dichtern auf verschiedene Weise als problematisch empfunden und beurteilt worden. Heute aber ist diese Technik nicht von außerhalb ihrer, sondern in ihrem eigenen Bereich zum Problem geworden. Und im Zusammenhang damit geht es heute letztlich nicht mehr um Wertungs-, sondern um Seinsfragen. Der Verein deutscher Ingenieure hat nun schon zum vierten Mal die anthropologische Relation der Technik, den Fragezusammenhang „Mensch und Technik“ zum Gegenstand von Sondertagungen gemacht. Es ist kennzeichnend, daß am Ende der letzten Tagung, die 1955 in Münster stattfand, die entscheidenden Fragen kaum geklärter, sondern eher verwirrter erschienen.
Γνωμοσύνης ἀφανὲς χαλεπωτατόν; ἐστι; νοῆσαι; Мέτρον;, ὃ; δῂ; πάντων; πείρατα; μοῦνον; ἐχει;. Solon
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Literatur
Zu Prometheus vgl. vor allem K. Kerényi, Die Mythologie der Griechen 1951,978-3-663-02716-4 S. 222 ff.
ders., Prometheus, das griechische Mythologem von der Existenz des Menschen, 1956.
Zu Hephaistos s. bes. L. Malten, Hephaistos, Arch. Jahrbücher XXVII, 1912, S. 232 ff.
M. P. Nilsson, Geschichte der griechischen Religion Bd. I. S. 496 ff.
Auf den engen Zusammenhang zwischen Prometheus und den Kabiren hat bes. K. Kerényi, Prometheus S. 37 ff. hingewiesen.
s. K. Kerényiy Prometheus S. 33 ff.
Zur Interpretation des Prometheusmythos vgl. jetzt vor allem auch Friedrich Wagner, Wissenschaft in unserer Zeit, Die Gestalt, Abhandlungen zu einer allgemeinen Morphologie, Heft 27, 1957, S. 12 ff.
Ich möchte hier, soweit es in Kürze möglich ist, auf eine Frage eingehen, die Herr Jachmann in der Aussprache gestellt hat. Er meinte, wenn man diese Art, den Mythos zu verstehen, einmal als berechtigt unterstelle, so müsse dann jedenfalls ein Kriterium dafür angegeben werden können, welche mythischen Erzählungen in diesem Sinne als wahr-heitshaltig und welche nur als Erzeugnisse fabulierender Phantasie anzusprechen seien. Diese Frage ist gewiß berechtigt, und die antike Mythenkritik hat sie, worauf Herr Jachmann selbst hinwies, in ihrer Weise schon gestellt. Die Schwierigkeit betrifft die Art und Weise, wie man zu dieser Unterscheidung gelangen kann. Mit einem formalen, von vornherein angebbaren und anwendbaren „Kriterium“ ist nur da durchzukommen, wo es sich um empirische Objekterkenntnis handelt, nicht aber da, wo es um Verständnis von Aussagen und um Wahrheit von Gedanken geht. Hier kann man nur so verfahren, daß, wo immer ein Zug an einem mythischen Geschehen Strukturen des Daseins zu enthüllen scheint, man dies Verständnis an das Ganze der mythischen Erzählung und alles sachlich mit ihr Zusammenhängende exponiert und dadurch als echt zu erweisen sucht. Voraussetzung für dies Verfahren ist natürlich, daß die Grundlagen (Texte und sonstige Urkunden) kritisch gesichert sind und bewährte hermeneutische Methoden beobachtet werden. Es war sicher einer der Mängel von F. Creuzers symbolischer Mythendeutung in seiner „Symbolik und Mythologie der alten Völker“ (1810–12), daß in ihr sowohl die Sicherung der Grundlagen, wie das hermeneutische Verfahren auch nach dem damaligen Forschungsstand mancherlei zu wünschen übrig ließ. Aber trotz aller Mängel solcher Art, wie sie sich auch später wieder bei dem tiefsinnigen J. J. Bachofen finden, bleibt die Aufgabe einer existentialen Interpretation des antiken Mythos durch diesen selbst gestellt, auch wenn sie von der Natur der Sache her notwendig immer ein Wagnis bedeutet, dessen Risiko nicht ausgeschaltet werden kann. Plato, der selbst den Mythos so interpretiert hat, hat das sehr deutlich ausgesprochen: „Diese Annahme scheint mir ... wert, es mit ihr zu wagen. Denn das Wagnis ist schön, und man muß derartiges gleichsam sich selbst zusingen, und darum spinne ich auch so lange an dem Mythos.“ Phaidon 114 d, Übers, von R. Guardini. Was den Prometheusmythos im besonderen anlangt, so stimme ich Herrn Jachmann durchaus darin zu, daß nach antiker Auffassung das Feuer, die Gabe des Prometheus, als eine Wohltat für die Menschheit zu verstehen ist. Aber das entscheidende in diesem Mythos ist nicht die Bewertung des Feuers als solche, sondern die Einsicht, daß man die Wohltat des Feuers nicht nutzen kann, ohne damit an dem Frevel teil zu gewinnen, den die Tat des Prometheus bedeutet. Es geht nicht um Bewertungen, sondern um die Seinssituation, in der sich der Mensch im Bereich der Tat des Prometheus findet.
K. Kerényi hat gleich zu Beginn seiner Analyse der Prometheustexte bei Hesiod und Aischylos eindrücklich auf das einzigartige Verhältnis des Prometheus zu den Menschen hingewiesen: „Prometheus steht für die Menschheit ein, macht gemeinsame Sache mit ihr, wie kein anderer Griechengott“ (Prometheus S. 9). Vgl. dazu neuestens die Ausführungen von Josef Kroll über die eigentümliche Menschenbezogenheit des Hermes in seinem noch ungedruckten Festvortrag vor der Arbeitsgemeinschaft für Forschung „Der Gott Hermes“.
S. dazu besonders das Werk von Friedrich Dessauer, Streit um die Technik, 1956, auf das wir uns im folgenden noch beziehen werden. Besonders wertvoll sind die reichen bibliographischen Angaben des Literaturverzeichnisses.
In „Die Künste im technischen Zeitalter“, 3. Folge des Jahrbuches „Gestalt und Gedanke“, herausgegeben von der Bayerischen Akademie der Schönen Künste 1954 Seite 70 ff., auch abgedruckt in Martin Heidegger, „Vorträge und Aufsätze“, 1954, Seite 15 ff.
Vgl. dazu die Kritik Friedrich Dessauers in seinem oben erwähnten Werk „Streit um die Technik“ Seite 348 f., die manches Beachtliche enthält, wenn sie auch dem von Heidegger Gemeinten nicht immer gerecht wird.
a. a.O. Seite 81.
a. a. O. Seite 93.
a. a. O. Seite 91.
a. a. O. Seite 96.
a. a. O. Seite 97
a. a. O. Seite 99.
a. a. O. Seite 95.
a. a. O. Seite 105.
Vgl. dazu Friedrich Wagner, Wissenschaft in unserer Zeit. Heft 27 der Reihe „Die Gestalt, Abh. zu einer allgemeinen Morphologie“, hrsg. von Fr. K. Schumann, Wilhelm Troll und K. Lothar Wolf, 1957, Seite 22 ff.
Diesen Wesenszug moderner Technik hat R. Oppenheimer in seinem Verhör in unfreiwilliger Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht mit der Wendung: „Ich hätte alles gemacht, was man von mir verlangt hätte, einschließlich Bomben aller verschiedenen Formen, wenn ich sie nur für technisch herstellbar gehalten hätte.“ Vgl. Friedrich Wagner, Wissenschaft in unserer Zeit, S. 81 und Anm. 57 bis 59.
Ovid. Met. VIII, 729 ff.
Vgl. Josef Kroll, Der Gott vor dem Höllentor, Karl-Arnold-Festschrift 1955 S. 71 ff.
Vgl. dazu meine Abhandlung, Bemerkungen zur Lehre vom Gesetz, Ztschr. f. syst. Theol. 1948, jetzt auch in „Wort und Gestalt“ Ges. Aufsätze 1956, S. 141 ff. bes. S. 197 ff.
Vgl. bes. M. Dibelius, An die Philipper, Kolosser und Philemon, Handb. z. Neuen Test. 12, 3. neubearbeitete Auflage von Heinrich Greeven 1953, Exkurs στoιχεῖα Seite 27 f.
Vgl. dazu E. Lohmeyer, Die Briefe an die Philipper, an die Kolosser und an Philemon, 10711. Auflage 1954/56 z. Stelle; ferner Dibelius/Greeven a.a.O., z. Stelle.
„modico verbi indicio soloque auditu“, Luthers Vorlesung über den Hebräerbrief, hrsg. v. J. Ficker, 1929, II, p 99.
Zur Bedeutung der Angefochtenheit des Glaubens vgl. E. Vogelsang, Der angefochtene Christus bei Luther, 1932
Friedrich K. Schumann, Gottesglaube und Anfechtung bei Luther, 1937, jetzt in „Wort und Gestalt“, 1956, S. 126 ff. und neuestens (in umfassendem systematischem Rahmen)
Carl Heinz Ratschow, Der angefochtene Glaube, Anfänge und Grundprobleme der Dogmatik, 1957.
Vgl. Friedrich Wagner a. a.O., Seite 22 ff.
Vgl. Etwa Phaidon 114 d.
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Schumann, F.K. (1958). Mythos und Technik. In: Mythos und Technik. Arbeitsgemeinschaft für Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen, vol 49. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-02716-4_1
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