Zusammenfassung
Überblickt man die mannigfachen Strömungen des Sozialismus seit dem 18. Jahrhundert, so läßt sich nicht verkennen, daß sie von einem starken Antrieb zur humaneren Formung der Gesellschaft im Begriff der sozialen Gerechtigkeit beseelt sind, daß sie die sie erfüllende Idee zum vielseitigen Ausdruck brachten und der Vorstellungswelt der europäischen Völker zutiefst einpflanzten. Die Auseinandersetzung um die Erneuerung der Gesellschaftsverfassung ist seitdem nicht mehr zum Schweigen gekommen. Sie hat das soziale Gewissen der bürgerlichen Schichten aufgerüttelt, zu zahlreichen Maßnahmen zum Schutze der Arbeitskraft Anlaß gegeben, in der industriellen Arbeiterschaft den Willen zur Bildung ihres organisatorischen Kraftpotentials geweckt und lebendig erhalten. Jedoch die Entspannung der gesellschaftlichen Situation ist dem Sozialismus nicht gelungen, und die Grundlagen der privatwirtschaftlichen Ordnung hat er nicht zu erschüttern vermocht. Aus dem bewegten Meere des sozialistischen Schrifttums stieg nicht die Morgenröte einer neuen, zukunftsträchtigen Gesellschaft auf. Das Verfahren des konstruktiven Experiments und des Einbaus sozialistischer Stützen in das Gebäude der kapitalistischen Wirtschaft hatte sich als von nicht genügender Effizienz erwiesen. So lag es für den im deutschen Raum sich ausbreitenden Marxismus nahe, jene Methode grundsätzlich zu verwerfen und von einer gänzlich anders gerichteten Perspektive aus an die ökonomische Problematik heranzugehen. Es ist der kardinale Gesichtspunkt der Marxschen Betrachtungsweise, die sozialistische Wirtschaft der Zukunft nicht als Ergebnis konstruktiver Formung durch des Menschen Geist und Vernunft, sondern als notwendiges Resultat der immanenten Gesetzmäßigkeit des geschichtlichen Prozesses zu demonstrieren, einer apriorischen Determiniertheit, die den historischen Gang der Gesellschaft jenseits alles menschlichen Strebens und Wollens in die ihm vorgesehenen Bahnen zwingt.
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© 1955 Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler, Wiesbaden
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Muhs, K. (1955). Der entwicklungsgeschichtliche Sozialismus Der Marxismus. In: Kurzgefaßte Geschichte der Volkswirtschaftslehre. Gabler Verlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-02652-5_13
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