Zusammenfassung
Zur Rationalisierungspolitik der Kartelle zählen alle Kartellmaßnahmen, die das Ziel haben, eine Senkung der Kosten der Mitgliedsbetriebe herbeizuführen. Wenndie Rationalisierung in der Regel auch nicht als die primäre Aufgabe der Kartelle angesehen werden kann, (1) so liegt eine Ermäßigung der Kosten ihrer Mitglieder doch vielfach in ihrem Interesse. Das Rationalisierungsstreben der Kartelle ist in erster Linie eine Folge davon, daß ihre Monopolstellung begrenzt ist. Kartelle, deren Mitglieder hohe Kosten aufweisen, sind in besonderem Maße der Außenseitergefahr ausgesetzt; (2) je niedriger die Kosten der Kartellmitglieder sind, um so größeren Spielraum haben die Kartelle außerdem bei ihrer Preispolitik. Eine gesetzliche Bindung der Kartellpreise an die Selbstkosten kann in Kartellen mit starker Marktstellung die Rationalisierungsbereitschaft vermindern, wenngleich, wie bereits im Abschnitt über die Preispolitik ausgeführt wurde, durch die Anwendung des Prinzips der Durchschnittskosten vielfach ein Anreiz und Zwang zu wirtschaftlichem Arbeiten aufrechterhalten wird.
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Referenzen
Unmittelbar wird eine Senkung der Rohstoffkosten von Einkaufskartellen angestrebt: bei der Syndizierung und bei Kontingentierung durch Marktspaltung steht mitunter auch eine Verminderung der Vertriebskosten im Vordergrund des Interesses.
Vgl. Tschierschky (Kartelle und Trusts, a. a. O., S. 58). Der Verband der deutschen Kuvertmaschinenfabriken war beispielsweise der Ansicht, daß sich nach Aufhebung des Exklusivvertrags mit den Briefumschlagfabriken und nach Beendigung der Kontingentierung Außenseiter nur deswegen schlecht entwickelten, weil durch die vorausgegangene Spezialisierung eine starke Rationalisierung der Erzeugung erreicht worden war (Enquetebericht, I. Unterausschuß, 3. Arbeitsgruppe, 2. Teil, 1. Abschnitt, a. a. O., S. 305).
Gruntzel (a. a. O., S. 115) führte in seinem Werk beispielsweise die folgenden Gründe an, weshalb die kartellierte Industrie im allgemeinen billiger arbeite : Ersparung überflüssiger Frachtkosten, Ausschaltung des Zwischenhandels, Verminderung der Vertriebskosten, zweckmäßige Spezialisierung, größere Produktionsstabilität, Ausdehnung der Produktion durch rationelle Pflege des Exports, Verminderung des Kapitalrisikos.
Vor allem Müllensiefen (Kartelle als Produktionsförderer, Berlin 1926) und Metzner (letzte Veröffentlichung: Kartelle als Träger der Rationalisierung, Berlin 1955).
WagenfÜihr (a. a. O., S. 119) unterschied z. B. folgende Vereinigungsformen im Maschinenbau: Vereine als allgemeine Interessenvertretungen, betriebsregulierende Gemeinschaften und marktregulierende Verbände. Viele Rationalisierungs-Vereinigungen müssen in die Gruppe der Gemeinschaften gereiht werden. Vgl. auch Lucae (Außenseiter von Kartellen, Berlin 1929, S. 6), der Interessengemeinschaften, Fertigungsverbände und den Verein Deutscher Maschinenbauanstalten als Beispiele für Verbände ohne Kartellcharakter anführt.
Wolfers (Ober monopolistische und nicht monopolistische Wirtschaftsverbände, Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, 1928, S. 291 ff.) ist der Ansicht, daß durch die Kar- telle eine Abschwächung der Politik der Kostensenkung eintritt, da das damnum emergens erfahrungsgemäß ein viel stärkerer Antrieb ist als das lucrum cessans (zit. bei Becker, a. a. O., S. 154).
Es soll nicht geleugnet werden, daß bei freiem Wettbewerb nicht immer Unterschiede in der echten Leistungsfähigkeit den Ausschlag geben und daß auch ausgesprochen unwirtschaftliche Transporte vorkommen; häufig hat dies allerdings irgendwelche behördliche Eingriffe in den Marktmechanismus zur Ursache.
vgl. Wolfers, Kartellproblem, a. a. O., S. 80.
Ein relativer Rationalisierungserfolg liegt dann vor, wenn durch die Rationalisierungsmaßnahmen zwar eine Kostensenkung erreicht wird, die Kosten trotz dieses Erfolgs aber nicht niedriger sind, als sie es ohne Kartellierung wären. Ein Nachweis, ob eine Rationalisierungshandlung eine absolute oder nur eine relative Rationalisierung bewirkt, dürfte sich in der Regel nicht erbringen lassen; die begriffliche Trennung ist jedoch für die Beurteilung der Rationalisierungspolitik notwendig, da ein Erfolg dieser Sparte der Kartellpolitik bereits vorliegt, wenn eine relative Rationalisierung erreicht wird, ohne daß damit das Kartell selbst als wirtschaftlichkeitsfördernde Institution bezeichnet werden könnte.
Industrialismus, a. a. O., S. 316.
Mitunter wird die Qualität der Kartellerzeugnisse durch das Kartell sogar unter de mn technisch m ö g l l c h e n optimalen Stand gehalten.
Unter Umständen werden Unternehmungen und Betriebe nur mit der Absicht neu errichtet, sie an das Kartell zu verkaufen und dabei Gewinne zu erzielen.
Die Arbeitsgemeinschaft deutscher Handelsmühlen, die in ihrer Konvention aus dem Jahre 1955 eine Quotenübertragung bei Stillegung des übertragenden Betriebs vorsah, rechnete damit, daß insbesondere Betriebe, welche in Zahlungsschwierigkeiten geraten sind, durch einen solchen freiwilligen Abbau erfaßt werden können. Es wurde erwartet, daß die Gläubiger eine Abfindung aus einem Stillegungsfonds einer niedrigeren Konkursquote vorziehen würden (Mühlenkartell und Kapazitätsausbau, Wirtschaft und Wettbewerb 1956, S. 141).
Gegen einen Verkauf stillgelegter Anlagen nach Ländern, welche weder als Abnehmer noch als allfällige Lieferanten auf dem Kartellmarkt in Betracht kommen, sowie gegen einen Verkauf an kartellfremde Betriebe ist nichts einzuwenden.
Diese Gefahr besteht insbesondere nach einer Periode sinkenden Geldwerts, solange eine Neubewertung des Vermögens durch die Aufstellung von Eröffnungsbilanzen mit steuerlicher Wirkung nicht gestattet wird.
Nicklisch (Handwörterbuch, a. a. O., S. 553) weist darauf hin, daß der Abnehmer in nicht gebunden wirtschaftenden Geschäftszweigen nicht gezwungen werden kann, den Verlust des schlechten Wirtschafters auf dem Wege über andere Betriebe des Geschäftszweigs zu ersetzen
Ein mittelbarer Einfluß auf die Beschaffungspreise für Rohstoffe kann ferner durch Produktionskartelle erzielt werden, da durch die Einschränkung der Erzeugung in der Regel auch die Nachfrage auf den Beschaffungsmärkten zurückgeht.
Sie haben den Charakter von Bezugsgenossenschaften und unterscheiden sich von Einkaufskartellen dadurch, daß sie keine monopolistische Beherrschung des Beschaffungsmarktes anstreben (Tschierschky, Kartellorganisation, a. a. O., S. 30).
Z. B. durch Ausweitung des Beschaffungsradius (Importe, Außenseiterbezüge), durch verbesserte Marktübersicht, durch Drohung mit Selbstversorgung.
Über die Problematik der Rationalisierungswirkung von Einkafsverb änden des Handels vgl. S.95.
Eine reine Preisbindung kann anderseits dort, wo die Qualität der Anlagen (wie z. B. in Verkehrsbetrieben) ein Wettbewerbsinstrument darstellt, auch den Ersatz der Anlagen beschleunigen, da die hohen Preise eine rasche Abschreibung ermöglichen.
Sie stellt jedoch umgekehrt keine Voraussetzung für eine vernünftige Verminderung der Anzahl der hergestellten Erzeugnisse und Sorten dar.
Tschierschky, Kartellpolitik, S. 90 ff., weist auf die Vorteile der Sortenbeschränkung hin; als Hilfsmittel dafür führt er die Entwicklung einer Verbandsmarke an.
Vgl. Müllensiefen, Kartelle als Produktionsförderer, Berlin 1926, S. 31.
Wenn Betriebe menreren Kartellen angehören, kann eine Spezialisierung auch dadurch gefördert werden, daß ein Quotentausch zwischen den Verbänden ermöglicht wird (vgl. Becker a. a. O., S. 56).
In der deutschen Druckmaschinenindustrie bildete beispielsweise der ausländische Wettbewerb infolge niedrigen Zollschutzes den Hauptanstoß zur Spezialisierung (Enquetebericht, I. Unterausschuß, 3. Arbeitsgruppe, 2. Teil, 1. Abschnitt, a. a. O., S. 95).
Ein Beispiel dafür, daß durch die Festsetzung von Mindestpreisen die Spezialisierung mitunter aber auch ausgelöst wird, bietet die Textilfärberei : Ist eine Preisunterbietung nicht möglich, dann müssen die Betriebe bestrebt sein, qualitativ hochwertige Leistungen zu erbringen, was in diesem Wirtschaftszweig eine Spezialisierung der Erzeugung voraussetzt (Enquetebericht, I Unterausschuß, 3. Arbeitsgruppe, 2. Teil, Abschnitt 3a, S. 40).
Die Gefahr einer Kartellauflösung verstärkt vielfach die Hemmungen der Betriebe vor einer Spezialisierung des Erzeugungsprogramms. Ein breites Erzeugungsprogramm gibt eine breitere Startbasis und eine bessere Risikoverteilung, anderseits kann die Spezialisierung einem Unternehmen für einen solchen Fall auch eine Einzel-Monopolstellung sichern.
In der Papierindustrie muß z. B. außerdem das Papierformat berücksichtigt werden, da davon die Ausnutzungsmöglichkeit verschieden breiter Papiermaschinen abhängt.
Vgl. Klebs, a. a. O., S. 80; nach Klebs ist ein solcher Beschäftigungsausgleich in erster Linie in einem Trust möglich, da in den Konzernen nicht wie in den Kartellen die Preispolitik, sondern die Senkung der Kosten im Vordergrund des Interesses steht.
Diese Annahme dürfte in den seltensten Fällen voll zutreffen, da die Errechnung der Grenzkosten in der Regel wesentlich schwieriger ist als die Ermittlung der durchschnittlichen Vollkosten.
Wo in der Praxis eine differenzierte Betriebseinschränkung vorkommt, entspringt sie daher oft eher einer unabdingbaren technischen Notwendigkeit (z. B. große Ofenanlagen) als einem bewußten Rationalisierungsstreben.
Vershofen (Statistik, a. a. O., S. 48) betont, daß der technische und geschäftliche Wettbewerb unter den Verbandsmitgliedern durch statistische Vergleiche, aus denen sie ihre Stellung entnehmen können, beträchtlich angespornt werde.
Kartelle können auch Außenseiter zwingen, ihr Erzeugungsprogramm auszuweiten; wenn sie versuchen, den Absatz der Außenseiter zu sperren, müssen diese in der Lage sein, ein komplettes Sortiment anzubieten (vgl. Lehnich, a. a. O., S. 200).
Dies gilt insbesondere für Quotenkartelle höherer und niedriger Ordnung und bis zu einem gewissen Grad auch für Kundenschutzkartelle. Die Mitglieder von G e- bietskartellen und Spezialisierungskartellen sind hingegen daran interesiert, ihren Absatz durch verstärkte Vertriebsanstrengungen in sachlicher bzw. räumlicher Beziehung auszuweiten. In Spezialisierungskartellen können sich die Unternehmungen zur Senkung der Vertriebskosten zu Verkaufsgemeinschafte n zusammenschließen; die Unternehmungen, die auf Grund ihres spezialisierten Erzeugungsprogramms in keinem unmittelbaren Wettbewerb stehen, bearbeiten räumlich getrennte Marktgebiete und leiten Aufträge für Erzeugnisse, die von anderen Mitgliedern der Gemeinschaft hergestellt werden, gegen eine Verkaufsprovision an diese weiter. Wagenführ (a. a. O., S. 118) erwähnt eine Verkaufsgemeinschaft von vier spezialisierten Drehbankerzeugern. Die Bildung derartiger Gemeinschaften setzt großes gegenseitiges Vertrauen in die Qualität der Erzeugnisse voraus.
Auch eine Vereinfachung der Aufmachung und Verpackung der Kartellerzeugnisse kann zu Kosteneinsparungen beitragen. Ein Erfahrungsaustausch auf diesem Gebiet wurde beispielsweise von Mitgliedern des österreichischen Papierkartells durchgeführt.
Vgl. Wiedenfeld, a. a. O., S. 141.
Beckerath (Industrialismus, a. a. O., S. 272). Vershofen geht noch weiter; er erblickt eine wesentliche Rationalisierung des Wirtschaftsverkehrs darin, daß durch die Marktverbände die Preisbildung vom eigentlichen Umsatzakt getrennt und von ihnen als abgesonderte Leistungsspezialität übernommen wird (Marktverbände, a. a. O., S. 33 ff.).
Vgl. Nicklisch (a. a. O., S. 5). Kartelle können beispielsweise durch Bereitstellung geeigneterLagerräume und durch gegenseitige Bürgschaftsübernahme eine Verminderung der Lombardierungskosten erwirken. Die Verbilligung der Lagerung (einschließlich der Kreditkosten für die Vorräte) ist für manche Kartelle -- vor allem für Produktionskartelle für pflanzliche Rohstoffe — von größter Bedeutung für die Erreichung des Kartellzwecks, da auf diese Weise nach der Ernte ein stoßweises Angebot auf dem Markt verhindert werden kann.
So kann durch eine progressive Staffelung der Lizenzgebühren die Erzeugung der Außenseiter in einem bestimmten Rahmen gehalten werden.
Es kann auch nicht a priori jede Ausweitung des Aufwands für die Forschung und Entwicklung als wirtschaftlich angesehen werden. Ebenso wie bei materiellen Investitionen, die aus Gewinnen finanziert werden, besteht auch bei solchen Aufwendungen die Gefahr, daß sie sich als Fehlinvestitionen erweisen.
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Mayer, L. (1959). Die Rationalisierungspolitik der Kartelle. In: Kartelle, Kartellorganisation und Kartellpolitik. Gabler Verlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-02615-0_10
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