Zusammenfassung
Wirtschaftspolitik auf iiberbetrieblicher Stufe wird nicht allein vom Staat und anderen öffentlichen Organisationen und Körperschaften betrieben. Auch privatwirtschaftliche Verbände wirken durch Planung und Lenkung auf den Wirtschaftsablauf ein und beeinflussen durch ihre Tätigkeit nicht nur die Entwicklung und den Wirtschaftserfolg der ihnen angeschlossenen Unternehmungen, sondern bilden unter Umständen die Struktur und Wirtschaftsverfassung der gesamten Volkswirtschaft in nachhaltiger Weise um.
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Referenzen
Passow (Kartelle, Jena 1930, S. 38 ff.) vertritt die Meinung, daß konkurrenzbeschränkende Maßnahmen überall ergriffen wurden, wo sich die Konkurrenz im Wirtschaftsleben besonders verschärfte und wo nicht die Obrigkeit konkurrenzregulierend eingegriffen hat.
Nach Liefmann (Kartelle, Konzerne, Trusts, 8. Aufl., Stuttgart 1930, S. 23) ist die moderne Kartellbewegung als eine Reaktion auf das Prinzip des freien Wettbewerbs anzusehen; sie findet ihre Ursache in erster Linie in dem erhöhten Kapitalrisiko des modernen Großbetriebs.
Isay (Die Geschichte der Kartellgesetzgebungen, Berlin 1955, S. 4) folgert aus der Tatsache, daB Kartelle in unserem Sinne erst mit dem Frühkapitalismus auftauchen, daB sie das Vorhandensein von Unternehmern und eines Marktes mit Wettbewerb voraussetzen. Sie stellen eine Gegenwirkung zum freien Wettbewerb dar.
Metzner, Kartelle und Kartellpolitik, Berlin 1926, S. 7.
Wagenführ, Kartelle in Deutschland, Nürnberg 1931, S. 19.
A. a. O., S. 23.
Nach Schmalenbach (Der freien Wirtschaft zum Gedächtnis, 2. Aufl., Köln-Opladen 1949) ist der Marktpreis ein Grenzkostenpreis, während der angemessene Preis, der einen privatwirtschaftlichen Zug hat, ein V o 1 1 k o s t e n p r eis ist (S. 23). Bei Überkapazität drängt dieser Umstand zur Kartellbildung; das Kartell stellt die Preise auf die Vollkosten ab (a. a. O., S. 89). Die privatwirtschaftliche Problematik für die Politik vieler Kartelle besteht, wie noch gezeigt werden wird, u. a. darin, daß der optimale Preis nicht nur nicht eindeutig bestimmbar ist, sondern auch für einzelne Mitglieder verschieden hoch liegt.
Zweifellos hatten auch die Zünfte gegen individualistisch-kapitalistische Bestrebungen und Tendenzen zu kämpfen. Die Kämpfe beeinflußten jedoch die Politik der Zünfte nicht in dem Maße wie die Politik der Kartelle.
A. a. O., S. 4.
Stocking-Watkins, Cartels or Competition, New York 1948, S. 25.
Das erhöhte Kapitalrisiko in der modernen Wirtschaft ist nicht allein auf die Ausweitung des Anlagevermögens zurückzuführen. Durch den Übergang von der Auftragsfertigung zur Marktfertigung ergaben sich in vielen Wirtschaftszweigen auch für das in den Vorräten gebundene Kapital zusätzliche Risiken; zu ihrer Erhöhung trug die zunehmende Wechselhaftigkeit der Bedürfnisse mit bei.
Vershofen sieht die zunehmende Nezessität des Umsatzes, den Marktzwang, unter dem jeder einzelne steht, als Hauptursache für die Notwendigkeit der Marktverbände an. Dadurch, daß sie die Preisbildung vom Umsatzakt loslösen und als Leistungsspezialität übernehmen, bedeuten sie für die Einordnung der Marktsubjekte dasselbe wie das Geld für die Fungibilität der Umsatzobjekte (Die Marktverbände, Nürnberg 1928, S. 25; Wettbewerb als System der Gegenkräfte, 1955, S. 9 f.). Gegen diese Feststellung kann eingewendet werden, daß auch ohne Marktverbände nicht mit jedem Umsatzakt ein Feilschen um den Preis verbunden ist.
Die Bedeutung der Fixkosten für die Wettbewerbsordnung wurde erstmalig von Schmalenbach 1928 in seiner Wiener Rede (Die Betriebswirtschaftslehre an der Schwelle der neuen Wirtschaftsverfassung) hervorgehoben. Vorher waren die Unbeweglichkeit des Kapitals und die Tatsache, daß Großunternehmungen im Wettbewerbskampf praktisch nicht ausgemerzt werden können, als die hauptsächlichsten Hindernisse für die Ordnung der Wirtschaft durch den freien Wettbewerb angeführt worden. (Vgl. Wolfers, Das Kartellproblem im Lichte der deutschen Kartelliteratur, Schriften des Vereins für Sozialpolitik, München 1931, S. 22 ff., und Dohm, Die wirtschaftlichen Voraussetzungen der Kartellierung, Aschaffenburg 1930, S. 57 ff.)
Ein solcher Kampf wäre vielfach sehr langwierig, wenn nicht aussichtslos, da der Schwache nach Wiedenfeld (Gewerbepolitik, Berlin 1927, S. 71) eine sehr unangenehme Waffe besitzt, nämlich seinen eigenen Konkurs oder, freundlicher ausgedrückt, die kapitalmäßige Reorganisation, bei der der Betrieb weiter bestehen bleibt.
Liefmann, a. a. O., S. 28.
Stocking-Watkins, a. a. O., S. 22; J. Dohm, a. a. O., S. 32, 38, 73, unterstreicht dagegen unter Berufung auf Levy und Macrosty die Bedeutung des Fehlens eines wirksamen Zoll- und Frachtschutzes für die langsamere und schwächere Entwicklung des Kartellwesens in England; Beckerath (Der moderne Industrialismus, Jena 1930, S. 288) führt dies auf das Überwiegen der Einzelund Familienunternehmungen in der alten englischen Industrie, also auf subjektive Ursachen, zurück, während Wiedenfeld (Kartelle und Konzerne, Berlin 1928, S. 23) dafür die beherrschende Stellung des auf Selbständigkeit und Beweglichkeit bedachten Großhandels gegenüber der Industrie verantwortlich macht.
Vgl. Beckerath, Industrialismus, a. a. O., S. 289; für diese Entwicklung im stillen mag auch das formelle Kartellverbot im Art. 419 Code Pénal verantwortlich gewesen sein.
Aus diesem Grund beschränkt sich der Verfasser in dieser Arbeit bei seinen Untersuchungen über die Kartellpolitik neben seinen eigenen Erfahrungen mit einer größeren Anzahl österreichischer Kartelle in der Hauptsache auf die überaus umfangreiche deutsche Kartelliteratur.
Nicklisch (Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, Stuttgart 1939, 2. Band, Spalte 529) meint dazu, es müsse sich nicht um eine Geschäftszweignot handeln; es könne sich auch, wie in Kriegsund Nachkriegszeiten, um Aufgaben handeln, die gemeinschaftlich gelöst werden müssen, weil sie der einzelne nicht lösen kann. Sombart bezeichnet dagegen die Kartelle als Kinder des Glücks, da die meisten Gründungen in Aufschwungszeiten festzustellen seien (vgl. J. Dohm, a. a. O., S. 18).
Der deutsche Kartellgesetzentwurf, der zunächst die bevorzugte Behandlung von konjunkturellen Krisenkartellen vorsah, wollte die Kartelle auf diese Weise offenbar wieder auf ihre ursprüngliche Aufgabe, Selbsthilfeorganisationen in Krisenzeiten zu sein, zurückführen. Im Verlauf der Verhandlungen über den Entwurf wurde diese Bestimmung allerdings wieder fallen gelassen. Konjunkturelle Krisenkartelle dürfen nach § 8 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen nur in besonderen Ausnahmefällen durch den Bundesminister für Wirtschaft zugelassen werden.
Es steht außer Zweifel, daß die oft recht unterschiedlich gelagerten Interessen der einzelnen Unternehmer am ehesten dann auf einen gemeinsamen Nenner gebracht werden können, wenn die Existenz aller oder zumindest der meisten Betriebe bedroht ist. Eine rückläufige Konjunkturentwicklung stellt jedoch jede Kartellorganisation auf eine schwere Probe, da in diesem Fall das Kartell einen Rückgang des Wirtschaftserfolgs seiner Mitglieder nicht verhindern kann und jedes Mitglied bestrebt ist, seine eigene Stellung möglichst unbeeinträchtigt aufrechtzuerhalten. Die Kartellbildung steht daher oft am Ende und nicht am Anfang der Krise und hat somit eher Präventivcharakter gegen eine allfällige Wiederholung krisenhafter Erscheinungen.
Vgl. Verhandlungen und Berichte des Unterausschusses für allgemeine Wirtschaftsstruktur (Enquetebericht), I. Unterausschuß, 3. Arbeitsgruppe, 4. Teil, 1. Abschnitt, S. 5 f.
Konnte man vor dem Krieg die Kenntnis des Kartellwesens als Spezialität einiger weniger Juristen und Volkswirte ansehen, so rückten jetzt Syndici und Geschäftsführer in breiter Front in die Industrie ein (Enquetebericht, a. a. O., S. 6).
Das Schwergewicht der Kartellpolitik lag in Deutschland während der Inflation auf der Regelung der Konditionen (Valutaklauseln) : andere Wettbewerbsbeschränkungen (besonders Kontingentierungen) hatten geringere Bedeutung. Die Politik der Kartelle wurde in dieser Zeit durch die starke Marktstellung der Verkäufer infolge Warenmangels und Geldentwertung natu rgemäß sehr erleichtert (vgl. Lehnich, Die Wettbewerbsbeschränkung, Köln-Berlin 1956, S. 320 ff.).
Beispielsweise wurden nach Stocking-Watkins (a. a. O., S. 57) Zollerhöhungen im Zusammenhang mit dem Ottawa-Übereinkommen von der Zustimmung des Imports Duties Advisory Committee im Board of Trade abhängig gemacht; dieses Committee gab seine Zustimmung nur dann, wenn die betreffende Industrie auf ihrem Inlandsmarkt eine Marktordnung und Stabilisierung durchgesetzt hatte.
NIRA = National Industry Recovery Act. Die zur Konjunkturbelebung erlassenen Gesetze, die Wettbewerbsbeschränkungen in gewissem Ausmaß tolerierten, werden mit dem Sammelbegriff NIRA-Gesetzgebung gekennzeichnet.
Vergleiche hierzu die Aufsätze, Abhandlungen und Diskussionen in der seit dem Jahre 1950 in Düsseldorf erscheinenden Zeitschrift „Wirtschaft und Wettbewerb“.
Vershofen (Wettbewerb, a. a. O., S. 12) bezeichnet diesen indirekten Wettbewerb als die vollkommene, die „totale“ Konkurrenz.
In diesem Sinne kann auch die Entschließung der Internationalen Han- delskammer in Paris, welche im Jahre 1952 dem Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen überreicht wurde (Internationale Kartelle), verstanden werden. In dieser wird zwar die Überlegenheit der sogenannten Marktwirtschaft und des freien Wettbewerbs außer Zweifel gestellt, doch wird darauf hingewiesen, daß die Kartelle nur in seltenen Fällen die Auswirkungen eines Monopols haben. Die theoretischen Argumente für und wider die Kartelle werden abgelehnt; es wird hingegen die Unterschiedlichkeit der Auswirkungen dieser ibereinkommen je nach der Art, in der sie aufgezogen werden, und je nach dem Wirtschaftsraum, in dem sie sich geltend machen, hervorgehoben.
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Mayer, L. (1959). Ursachen und Entwicklung des Kartellwesens. In: Kartelle, Kartellorganisation und Kartellpolitik. Gabler Verlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-02615-0_1
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