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Die „Philosophische Anthropologie“ Max Schelers, Helmuth Plessners und Arnold Gehlens

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Instinkt, Psyche, Geltung
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Zusammenfassung

Während — mit dem ersten Weltkrieg und den folgenden Erschütterungen als der großen Zäsur — die Evolutionstheorie sich besonders als Mutationstheorie und Theorie des Organischen in stetiger Forschung aufbauend weiterentwickelte und der ontogenetische Ansatz Freuds in unablässiger therapeutisch-analytischer Einzelarbeit mit der mehr und mehr milieuorientierten Psychologie verbunden wurde, blieb eines der großen traditionalen Themen der Philosophie sozusagen am Rande der psychologisch-naturwissenschaftlichen Diskussion liegen: die Körper-Geist-Problematik. Wurde von der einen Seite her der Aufbau der komplizierten Psyche des Menschen als Ergebnis teils zufälliger, teils konsequenter Evolution, z. B. von zunehmender Zerebralisation, Vergehirnlichung, angesehen, und damit als wenig geheimnisvoller Vorgang (dessen Einzelheiten nur noch nicht bekannt waren), so wurde von der anderen Seite auf eben diesem phylogenetischen Hintergrund12 der Aufbau der Psyche in seinem individuellen Ergebnis als Fazit der Ontogenese des Menschen mit der Betonung frühkindlicher Erfahrungen angesehen. Der. Geist« war damit — in der evolutionistischen Auffassung — sozusagen einfach mitentstanden oder wurde — in der Sicht der Psychoanalyse — als Chance des werdenden Menschen angenommen, die sich dann in den sich aus ihr oder vermittels ihrer bildenden Instanzen der Psyche (Es, Ich, Überich) irgendwie dokumentiert. »Geist« war also bei den Evolutionisten höhere Lernfähigkeit und bei den Psychoanalytikern ein die Psyche in Auseinandersetzung mit Trieben organisierendes Prinzip.

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Literatur

  1. Wenn man von der großen Spekulation Freuds in »Totem und Tabu« absieht; s. hierzu Wolfgang Schoene, Über die Psychoanalyse in der Ethnologie, Dortmund 1966.

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  2. Siehe »Der Formalismus in der Ethik und die materiale Wertethik«, 1. A. 1913 und 1916; 4. A. als Bd. 2 von Max Scheler, Gesammelte Werke, Bern 1954; »Der Genius des Krieges und der deutsche Krieg«, Leipzig 1915; »Zur Idee des Menschen«, zuerst in Abhandlungen und Aufsätze, 2. Bd., Leipzig 1915; dann ab 2. A., in: Vom Umsturz der Werte, Leipzig 1919, 4. A., als Bd. 3, Ges. Werke, Bern 1955; ferner »Erkenntnis und Arbeit«, in: Die Wissensformen und die Gesellschaft, Leipzig 1926, 2. A., als Bd. 8, Ges. Werke, Bern 1960; und »Die Formen des Wissens und die Bildung«, Bonn 1925, 4. A., in Philos. Weltanschauung, Bern 1954.

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  3. A. Darmstadt 1928. Diese Studie war erstmalig 1927 in dem Jahrbuch »Der Leuchter« unter dem Titel »Die Sonderstellung des Menschen« erschienen.

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  4. M. Scheler, Die Stellung des Menschen im Kosmos, 4. A., München 1947, S. 11; im folgenden beziehen sich die Zitate auf diese Ausgabe.

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  5. »Instinkt« wird ab hier verstanden als: 1. typisch für die Art; 2. angeboren; 3. auf vitale Ziele gerichtet und unter normalen Umständen für die Erreichung dieser Ziele zweckmäßig; 4. von den Tieren nicht verstanden; Ziel von ihnen nicht gekannt. Nach Bierens De Haan, Die tierischen Instinkte und ihr Umbau durch Erfahrung, Leiden 1940, S.36.

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  6. Diese von Scheler über Plessner zu Gehlen durchgehende Behauptung, daß Pflanzen und Tiere »sicherer« seien als Menschen, wird noch eingehend behandelt werden.

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  7. Paul Alsberg, »Das Menschheitsrätsel«, Dresden 1922, S. 377: »Wenn man immer wieder die Meinung vertreten hört, daß es das 〉Gehirn〈 gewesen sei, welches den Menschen geschaffen habe, so kann nach allem Gesagten eine solche Meinung hier keinen Widerhall finden... gerade die Entwicklung des Gehirns wird länger auf sich haben warten lassen als die Entwicklung des übrigen Körpers zur menschlichen Form hin.«

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  8. Zur Vorgeschichte dieser Einsicht s. M. Landmann, De Homine, Freiburg-München 1962.

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  9. Hans Driesch, Der Begriff der organischen Form, Abhandlungen zur theoretischen Biologie, Heft 3, Berlin 1919.

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  10. Zu Diltheys Abhängigkeit von der Biologie des 18. und 19. Jahrhunderts s. Hans-Joachim Lieber, Die Struktur der Psyche bei Dilthey, unveröff. Diss., Berlin 1948.

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  11. Siehe Walter B. Cannon, The Wisdom of the Body, New York 1940.

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  12. Wie hoffnungslos es ist, den »terminus post quem« für solche Aussagen zu finden, zeigt, daß Henrik Steffens schon 1822 in seiner »Anthropologie« fast dasselbe sagte (Stuttgart 1922, S. 181 passim). Bei Hans Driesch, Philosophie des Organischen, 19213, S. 40, haben Tiere »geschlossene« Formen (sind »fertig«), aber Pflanzen sind »offen« (erreichen evtl. nie ihre »fertige« Gestalt).

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  13. G. W. Allport, Becoming, Yale University Press, New Haven 1955, deutsch: Werden der Persönlichkeit, Bern—Stuttgart 1958.

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  14. Siehe neuerdings Friedrich Jonas, Die Institutionenlehre Arnold Gehlens, Tübingen 1966.

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  15. Die eingeklammerten Zahlen beziehen sich auf A. Gehlen, Der Mensch, 6. A., Bonn 1958.

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  16. Siehe hierzu die späteren, einschränkenden Bemerkungen, S. 32 und S. 111 f.

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  17. Siehe A. Portmann, Zoologie und das neue Bild vom Menschen, rde. 20, Reinbek bei Hamburg 1959;

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  18. D. Claessens, Familie und Wertsystem, Berlin 1962.

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  19. Das hierbei auftretende Lustgefühl wird von Gehlen betont; leider führt diese Beobachtung nicht zu einer Theorie der Befreundung mit der Welt! Von hier aus wäre eine Stellungnahme zu Arbeit und Weltvertrauen möglich gewesen, und zu der Feststellung, daß die Marxsche — zweite! — Entfremdung erst mit Herrschaft kommt!

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  20. Hier setzt übrigens bereits 1943 die Kritik an Gehlen an. Siehe Otto Mather »Das Problem der Umwelt bei Mensch und Tier«, Diss. Karls-Univ. Prag, 1943.

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  21. Vgl. S. 282, einige der wenigen Stellen, an denen der andere Mensch explizite bei Gehlen auftritt; hier typisch mit Zitat aus George H. Mead, Mind, Self and Society, 6. A., Chicago 1947. Auch der Konstatierung eines »Bedürfnisses nach Soziabilität« (Urmensch und Spätkultur, Bonn 1956, 2. neubearb. Aufl. Frankfurt—Bonn 1964, S. 45), und dem Phänomen der Reziprozität, S. 197 ff., traut Gehlen nur sehr bedingt. Er hat in seiner philosophischen Habilitationsschrift »Wirklicher und unwirklicher Geist« (Leipzig 1931), die er »Eine philosophische Untersuchung in der Methode absoluter Phänomenologie« nannte, die Bedeutung des anderen Menschen betont: »Der allein adäquate Gegenstand des Menschen ist der Andere, und in den Beziehungen der Menschen untereinander realisiert sich das Sein in seinen wesentlichsten Formen.« (S. 30 f.), von der dialektischen Seite der Individuation gesprochen: »Dies ist der Abgrund der Besinnung: ohne den Anderen wäre ich nichts und nicht, meine Handlungen gelten ihm und bringen mich dennoch zu mir, meine Eigenschaften sind nur im Sichäußern zu ihm;...« (S. 37). Gerade im letzten Zitat steht der Andere an jenem Ort, den später die Institutionen einnehmen werden, in denen der Mensch, sich entäußernd, sich wiederfindet. (»Über die Geburt der Freiheit aus der Entfremdung« in: Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie XL [1952], 3.) Gehlen hat sich von seiner Habilitationsschrift später allerdings distanziert, »als ihm klar wurde, wie leicht es war, sie zu beziehen und zu verteidigen: gegen die rückhaltslose Selbstdarstellung gibt es keine Argumente«. (Theorie der Willensfreiheit und frühe philosophische Schriften, Einleitung. Neuwied und Berlin 1965, S. 7 f.) Die Konzeption des »Anderen« erscheint für Gehlen mit einem erst später überwundenen »Subjektivismus. (op. cit., S. 8) verknüpft; beide weichen einer Theorie der Institutionen.

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  22. Diese Stelle hat hohe Verwandtschaft mit Max Schelers Ansicht, daß »Glücksgefühle tieferer Schicht nur zu erreichen (seien), wenn man sie nicht willkürlich sucht.« Die Wissensformen und die Gesellschaft, 1926, S. 236. Das ist der Topos der Lebensphilosophie. Bei Ludwig Klages heißt es: »Wo aber eine nicht reflektierte Unmittelbarkeit des Sichgebens offenbar dem Walten sicher führender Instinkte zu Hilfe kommt, erscheint der verhältnismäßige Mangel an Selbstkenntnis im Lichte sogar eines Vorzuges...« Ursprünge der Seelenforschung, Leipzig 1942, S. 16.

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  23. Plessner wird ausführlicher erst von der 4. Auflage ab (Siehe S. 90, 280 ff., 388) zitiert, allerdings ohne daß seine Kultur-Entlastungsthese auch nur angedeutet wird!

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  24. Leider verbindet Gehlen nicht die These vom Überschuß an Gegebensein (Massen von Welteindrücken) mit der vom Triebiiberschuß.

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  25. Siehe A. Gehlen, Nichtbewußte kulturanthropologische Kategorien, Z. f. Phil. Forsch. IV (1950), S. 321–346.

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  26. Das Konzept stammt von Pareto. Siehe § 1089, in: G. Eisermann, Vilfredo Paretos System der allgemeinen Soziologie, Stuttgart 1962, und §§ 1090 und 1092, in: Vilfredo Pareto, The Mind and Society, New York 1963.

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  27. Siehe hierzu unten, im Abschnitt über »Affinität«. Neuere Untersuchungen, z. B. von Kavanau und Brant, Univ. v. Kalifornien, Los Angeles, bestätigen diese alte These: Tiere höherer Intelligenz (Ratten) bevorzugen z. B. das schwierigere Spielzeug.

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  28. Bereits Charles Darwin hatte begonnen, diesen Gedanken zu entwickeln. Wir treffen ihn bei Hugh Miller wieder.

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  29. Siehe z. B. Ralph Linton, The Study of Man, 1936, neu London 1965, zusammenfassend bei Wolfgang Schoene, Ober die Psychoanalyse in der Ethnologie, a.a.O.

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  30. A. Gehlen, Urmensch und Spätkultur, Bonn 1956, 2., neubearb. Aufl., Frankfurt— Bonn 1964.

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  31. Siehe hierzu und zum folgenden: D. Claessens, Status als entwicklungssoziologischer Begriff, Diss. Berlin 1956, S. 20, neu Dortmund (Ruhfus) 1965, S. 49 ff.

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  32. Die Möglichkeit ursprünglich kompletterer und stärkerer, dann abgeklungener Instinktausstattung könnte erwogen werden; die Stellvertretung inhaltlicher Orientierung der Instinkte durch deren formale Prinzipien ist Inhalt dieser Arbeit.

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  33. Urmensch und Spätkultur, 1. Aufl., S. 25.

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  34. Die Versuche quasi evolutionärer Abmilderung dieses Konzeptes in »Urmensch und Spätkultur« mindern, besonders angesichts der gleichzeitig entstandenen und der späteren Aufsätze zum Thema, diesen Ansatz gar nicht. Was den Elan, die Geschlossenheit und die Aussicht auf Weiterführung betrifft, steht »Urmensch und Spätkultur. (1956) hinter der Schrift »Sozialpsychologische Probleme in der industriellen Gesellschaft. (1949) und der 4. Auflage von »Der Mensch. (1950) zurück. Der Elan wird gebrochen durch dauernde Rückgriffe auf schon bekannte Thesen des Verfassers und durch eine gewisse Inkonsequenz im Aufbau der Kapitel. Die Geschlossenheit wird vermißt, da die Arbeit gerade an denjenigen Stellen »offen.bleibt, wo man eine Weiterführung erhofft hatte, z. B. beim Problem des »Geistes« oder der Frage, ob nicht auch in rational konstruierten Institutionen (hier nicht mehr — wie in »Sozialpsych. Probleme.... — »Organisationen« genannt!) eine sekundäre objektive Zweckmäßigkeit walten könne: »Rational« bleibt als Begriff auch ungeklärt! Wie das »ideative (institutionenschaffende) Bewußtsein« entsteht und vergeht, bleibt unberührt. Auch die damit zusammenhängende Elitenfrage wird nicht erörtert. Dafür drängt sich die große Vorliebe des Autors für archaische Zustände, d. h. solche, in denen »sympathetisches Einverständnis« herrscht, vor, und nur noch im Hintergrund bleibt die ungenügende Möglichkeit der Selbstinstitutionalisierung durch freiwilligen Verzicht (Umkehr der Antriebsrichtung unter Herrschaft des Willens): übrigens in den »Sozialpsychol. Problemen.... auf S. 42 ff. sehr viel besser ausgesagt als hier. — Die analytischen Einsichten in die Interdependenz zwischen Mensch, sozialer und Sachumwelt bleiben auch hier außerordentlich wertvoll. Es scheint hier nur mehr als bisher das verbindende Band zu unserer Kulturstufe zu fehlen.

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© 1968 Westdeutscher Verlag, Köln und Opladen

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Claessens, D. (1968). Die „Philosophische Anthropologie“ Max Schelers, Helmuth Plessners und Arnold Gehlens. In: Instinkt, Psyche, Geltung. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-02594-8_2

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  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden

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