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»Anthropologie«, heute

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Instinkt Psyche Geltung
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Zusammenfassung

Der ursprüngliche Titel dieser Arbeit wurde mit der Aneinanderreihung der Begriffe Instinkt, Psyche, Geltung wegen seines Anspruchs nur zögernd, aber unter fast zwingendem Druck gewählt. Ein immer wieder neuer Anlaß zur Beschäftigung mit dem »Menschen« in Abhebung vom »Tier« war und ist offenbar die Frage nach jenen Sicherungen des Lebens, die mit den Begriffen »Authentizität«, »Kompetenz«, »Legitimation« oder »Geltung« gemeint sind. Daher ist vom Menschen dem Tier dessen instinktive Sicherheit immer geneidet worden. In der Sicherheit angepaßt — sich anpassender — Bewegungsführung trägt das Tier, sich in der Welt behauptend, seine Legitimation, seine Geltung mit sich, ist sie sozusagen selbst. Jene tierische Behauptung gegen die Fährnisse des Lebens, die, wenn erfolgreich, sich selbst legitimiert und bereits insofern »gilt«, kann aber als der eine Endpunkt einer Strecke angegeben werden, an deren anderem Ende die menschliche »Behauptung« der Gültigkeit weltaufschließender Mittel und Begriffe steht. Diese Art der Behauptung (man denke an den Doppelsinn des Wortes) ist zwar unendlich abstrakter als die erstere, dient aber letztendlich demselben Zweck: nur soll hier geistiges Überleben einer Gruppe von Menschen legitimiert werden; das kann auch eine Lebensfrage sein, ist es in der Menschheitsgeschichte unentwegt gewesen.

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Literatur

  1. Mit Nachdruck sei darauf hingewiesen, daß hier zwei Linien leicht verwechselt werden: einmal die Aussage über die anthropologische Gefährdetheit des Menschen aus der Irritierbarkeit seiner Emotionen und Psyche überhaupt heraus; und zweitens diejenige Gefährdung, die durch fahrlässigen Einsatz technischer Mittel oder hypertropher Technisierung entstehen kann und durch die Atombombe bereits entstanden ist. Beide Aussagen hängen nur sehr bedingt zusammen, werden aber ständig miteinander vertauscht!

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  2. Das Werk Hans Drieschs wurde erstmalig — nach langer Pause — wieder gewürdigt von Reinhard Mocek, Zum Lebenswerk von Hans Driesch, in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie, XII (1964), Heft 10, S. 1191 ff.

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  3. Siehe G. Günther, »Logik, Zeit, Emanation und Evolution», Köln und Opladen 1967.

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  4. Gerhard Heberer sagte dazu schon 1931: »Soviel ist aber klar, daß der Mensch und die Menschenaffen die gleiche phyletische Wurzel haben müssen.« In: Das Abstammungsproblem des Menschen…, S. 196, aus: R. Thurnwald (Hrsg.): Arbeiten zur biologischen Grundlage der Soziologie, Leipzig 1931, II. Halbband. Siehe neuerdings G. Heberer, Homo — unsere Ab-und Zukunft, Stuttgart 1968.

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  5. Bernhard Delfgaauw, »Teilhard de Chardin und das Evolutionsproblem«, München 1964, und Armin Müller, »Das naturphilosophische Werk Teilhard de Chardins«, Freiburg—München 1964, sind ausführlichere Stellungnahmen.

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  6. Siehe z. B. Walter Friedrich, Einige Aspekte der Verhaltensdetermination, D. Z. f. Philosophie, XIV (1966), H. 1, S. 45–61.

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  7. So geschieht das z. B. bei W. Friedrich, op. cit., S. 49.

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  8. Siehe hierzu Julian Huxley, The Uniqueness of Man, London 1941; Friedrich Engels sagte schon zur Zeit Darwins: »Schmeicheln wir uns indessen nicht zu sehr mit unseren menschlichen Siegen über die Natur. Für jeden solchen Sieg rächt sie sich an uns. Jeder ( Sieg) hat in erster Linie zwar die Folgen, auf die wir gerechnet, aber in zweiter und dritter Linie hat er ganz andre, unvorhergesehene Wirkungen, die nur zu oft jene ersten Folgen wiederaufheben.« Dialektik der Natur, Berlin 1952, S. 190.

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  9. Siehe Wolf Lepenies, Melancholie und Gesellschaft, Frankfurt 1969, einerseits, Arnold Gehlen, Moral und Hypermoral, Frankfurt—Bonn 1969, andererseits.

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  10. Eine amüsante Umgehung dieses Problems ist bei Ortega y Gasset im Aufsatz »Kosmopolitismus«, in: Buch des Betrachters, Stuttgart und Berlin 1934, zu finden. Zur höfischen Vorgeschichte siehe Norbert Elias, Die höfische Gesellschaft, Neuwied—Berlin 1969.

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  11. Rolf Löther, Philosophische Probleme der Biologie, Deutsche Zeitschrift für Philosophie, XIV (1966), H. 3, S. 326.

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  12. Siehe hierzu die vorzügliche Arbeit von Alfred Schmidt, Der Begriff der Natur in der Lehre von Marx, Frankfurt 1962, S. 967.

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  13. Siehe Ernst Mayr, Zufall oder Plan, das Paradox der Evolution, in: G. Kurth (Hrsg.), Evolution und Hominisation, Stuttgart 1962.

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  14. Wenn man von der großen Spekulation Freuds in »Totem und Tabu« und den dazugehörenden Schriften absieht; siehe hierzu Wolfgang Sdhoene, Über die Psychoanalyse in der Ethnologie, Dortmund 1966.

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  15. Zur Rezeption von Dilthey siehe neben den Schriften von Habermas die neue Monographie von Peter Krausser, Kritik der endlichen Vernunft, Frankfurt 1968.

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  16. Siehe »Der Formalismus in der Ethik und die materiale Wertethik«, 1. A. 1913 und 1916; 4. A. als Bd. 2 von Max Scheler, Gesammelte Werke, Bern 1954; »Der Genius des Krieges und der deutsche Krieg«, Leipzig 1915; »Zur Idee des Menschen«, zuerst in Abhandlungen und Aufsätzen, 2. Bd., Leipzig 1915; dann ab 2. A., in: Vom Umsturz der Werte, Leipzig 1919, 4. A., als Bd. 3, Ges. Werke, Bern 1955; ferner »Erkenntnis und Arbeit«, in: Die Wissensformen und die Gesellschaft, Leipzig 1926, 2. A., als Bd. 8, Ges. Werke, Bern 1960; und »Die Formen des Wissens und die Bildung«, Bonn 1925, 4. A., in Philos. Weltanschauung, Bern 1954.

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  17. A. Darmstadt 1928. Diese Studie war erstmalig 1927 in dem Jahrbuch »Der Leuchtert unter dem Titel »Die Sonderstellung des Menschen. erschienen.

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  18. M. Scheler, Die Stellung des Menschen im Kosmos, 4. A., München 1947, S. 11; im folgenden beziehen sich die Zitate auf diese Ausgabe.

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  19. Instinkt« wird ab hier verstanden als: 1. typisch für die Art; 2. angeboren; 3. auf vitale Ziele gerichtet und unter normalen Umständen für die Erreichung dieser Ziele zweckmäßig; 4. von den Tieren nicht verstanden; Ziel von ihnen nicht gekannt. Nach Bierens De Haan, Die tierischen Instinkte und ihr Umbau durch Erfahrung, Leiden 1940, S. 36.

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  20. Diese von Scheler und Plessner zu Gehlen durchgehende Behauptung, daß Pflanzen und Tiere »sicherer« oder »naiver« seien als Menschen, wird noch eingehend behandelt werden.

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  21. Paul Alsberg, »Das Menschheitsrätsel«, Dresden 1922, S. 377: »Wenn man immer wieder die Meinung vertreten hört, daß es das Gehirn gewesen sei, welches den Menschen geschaffen habe, so kann nach allem Gesagten eine solche Meinung hier keinen Widerhall finden… gerade die Entwicklung des Gehirns wird länger auf sich haben warten lassen als die Entwicklung des übrigen Körpers zur menschlichen Form hin.«

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  22. Zur Vorgeschichte dieser Einsicht siehe M. Landmann, De Homine, Freiburg und München 1962. Neu zu Plessner, siehe Felix Hammer, Die exzentrische Position des Menschen. Methode und Grundlinien der philosophischen Anthropologie H. Plessners, Bonn 1967.

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  23. Hans Driesch, Der Begriff der organischen Form, Abhandlungen zur theoretischen Biologie, Heft 3, Berlin 1919. Zu Diltheys Abhängigkeit von der Biologie des 18. und 19. Jahrhunderts siehe Hans-Joachim Lieber, Die Struktur der Psyche bei Dilthey, unveröffentl. Diss., Berlin 1948.

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  24. Siehe Walter B. Cannon, The Wisdom of the Body, New York 1940.

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  25. Wie hoffnungslos es ist, den »terminus post quern« für solche Aussagen zu finden, zeigt, daß Henrik Steffens schon 1822 in seiner »Anthropologie« fast dasselbe sagte (Stuttgart 1922, S. 181 passim). Bei Hans Driesch, Philosophie des Organischen, 19213, S. 40, haben Tiere »geschlossene« Formen (sind »fertig«), aber Pflanzen sind »offen« (erreichen evtl. nie ihre »fertige« Gestalt).

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  26. G. W. Allport, Becoming, Yale University Press, New Haven 1955, deutsch: Werden der Persönlichkeit, Bern—Stuttgart 1958.

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  27. Siehe Friedrich Jonas, Die Institutionenlehre Arnold Gehlens, Tübingen 1966. Leider wird weder hier noch an irgendeiner anderen Stelle darauf hingewiesen, daß der Begriff »Entlastung« bereits bei Wilhelm Dilthey im »System der Ethik« (1958, S. 91 passim) unter anthropologischem und auch soziologischem Aspekt auftritt. Es heißt dort: »In dem Inhalt der Triebe liegt kein ausreichender Grund für die Entwicklung des Menschen, die in der Gesellschaft stattfindet.« Und: »Aus der ins Grenzenlose gehenden Tendenz auf Genußmittel entspringt deren Anhäufung. Der Intellekt ist wirksam, Kunstgriffe der Naturbeherrschung festzustellen. So entsteht in der Gesellschaft eine allmähliche Entlastung des Willens in bezug auf die Befriedigung der Triebe. Wir nennen Fortschritt der Zivilisation den Vorgang, in welchem diese Befriedigung einerseits immer vollständig wird, die Benutzung der konstanten Quellen angenehmer Gefühle immer allumfassender, zugleich aber dies immer weniger Arbeitsaufwand in Anspruch nimmt. Zuerst findet eine Entlastung der oberen Klassen statt, dann wird auch für die unteren von der körperlichen Arbeit immer mehr Zeit freigemacht…«

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  28. Die eingeklammerten Zahlen beziehen sich auf A. Gehlen, Der Mensch, 6. Aufl., Bonn 1958.

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  29. Siehe hierzu die späteren, einschränkenden Bemerkungen, S. 33 f. und 101 f.

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  30. Siehe A. Portmann, Zoologie und das neue Bild vom Menschen, rde. 20, Reinbek bei Hamburg 1959; D. Claessens, Familie und Wertsystem, Berlin 19472.

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  31. Das hierbei auftretende Lustgefühl wird von Gehlen betont; leider führt diese Beobachtung nicht zu einer Theorie der Befreundung mit der Welt! Von hier aus wäre eine Stellungnahme zu Arbeit und Weltvertrauen möglich gewesen und zu der Feststellung, daß die Marxsche — zweite, feindliche — Entfremdung erst mit Herrschaft kommt. Solche.Befreundung auf Distanz« wäre Deduktion und Erhöhung von Komplexität der Welt, d. h. im besten Sinne: Kultur.

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  32. Hier setzt übrigens bereits 1943 die Kritik von Gehlen an. Siehe Otto Mather »Das Problem der Umwelt bei Mensch und Tier«, Diss., Karls-Univ. Prag, 1943.

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  33. Vgl. S. 282, einige der wenigen Stellen, an denen der andere Mensch explizite bei Gehlen auftritt; hier typisch mit Zitat aus George H. Mead, Mind, Self and Society, 6. A., Chicago 1947, deutsch. Auch der Konstatierung eines »Bedürfnisses nach Soziabilität« (Urmensch und Spätkultur, Bonn 1956, 2., neubearb. Aufl. Frankfurt—Bonn 1964, S. 45) und dem Phänomen der Reziprozität, S. 197 ff., traut Gehlen nur sehr bedingt. Er hat in seiner philosophischen Habilitationsschrift »Wirklicher und unwirklicher Geist« (Leipzig 1931), die er »Eine philosophische Untersuchung in der Methode absoluter Phänomenologie« nannte, die Bedeutung des anderen Menschen betont: »Der allein adäquate Gegenstand des Menschen ist der Andere, und in den Beziehungen der Menschen untereinander realisiert sich das Sein in seinen wesentlichsten Formen.« (S. 30 f.), und von der dialektischen Seite der Invididuation gesprochen: »Dies ist der Abgrund der Besinnung: ohne den Anderen wäre ich nichts und nicht, meine Handlungen gelten ihm und bringen mich dennoch zu mir, meine Eigenschaften sind nur im Sichäußern zu ihm;…« (S. 37). Gerade im letzten Zitat steht der Andere an jenem Ort, den später die Institutionen einnehmen werden, in denen der Mensch, sich entäußernd, sich wiederfindet. (»Ober die Geburt der Freiheit aus der Entfremdung« in: Archiv für Rechts-und Sozialphilosophie XL [1952], 3.) Gehlen hat sich von seiner Habilitationsschrift später allerdings distanziert, »als ihm klar wurde, wie leicht es war, sie (diese Stellung) zu beziehen und zu verteidigen: gegen die rückhaltlose Selbstdarstellung gibt es keine Argumente«. (Theorie der Willensfreiheit und frühe philosophische Schriften, Einleitung. Neuwied und Berlin 1965, S. 7 f.) Die Konzeption des »Anderen« erscheint für Gehlen mit einem erst später überwundenen »Subjektivismus« (op. cit., S. 8) verknüpft; beide weichen einer Theorie der Institutionen.

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  34. Diese Stelle hat hohe Verwandtschaft mit Max Schelers Ansicht, daß »Glücksgefühle tieferer Schicht nur zu erreichen (seien), wenn man sie nicht willkürlich sucht.« Die Wissensformen und die Gesellschaft, 1926, S. 236. Das ist der Topos der Lebensphilosophie. Bei Ludwig Klages heißt es: »Wo aber eine nicht reflektierte Unmittelbarkeit des Sichgebens offenbar dem Walten sich führender Instinkte zu Hilfe kommt, erscheint der verhältnismäßige Mangel an Selbstkenntnis im Lichte sogar eines Vorzuges…« Ursprünge der Seelenforschung, Leipzig 1942, S. 16.

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  35. Plessner wird bei Gehlen ausführlicher erst von der 4. Auflage an (siehe S. 90, 280 ff., 388) zitiert, allerdings ohne daß seine Kultur-Entlastungsthese auch nur angedeutet wird.

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  36. Leider verbindet Gehlen die These vom Oberschuß an Gegebensein (Massen von Welteindrücken) nicht mit der vom Triebüberschuß.

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  37. Siehe A. Gehlen, Nichtbewußte kulturanthropologische Kategorien, Z. f. Phil. Forsch. IV (1950), S. 321–346.

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  38. Das Konzept stammt von Pareto. Siehe § 1089, in: G. Eisermann, Vilfredo Paretos System der allgemeinen Soziologie, Stuttgart 1962, und §§ 1090 und 1092, in: Vilfredo Pareto, The Mind and Society, New York 1963.

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  39. Siehe hierzu unten, im Abschnitt über »Affinität«. Neuere Untersuchungen, z. B. von Kavanau und Brant, Univ. v. Kalifornien, Los Angeles, bestätigen diese alte These: Tiere höherer Intelligenz (Ratten) bevorzugen z. B. das schwierigere Spielzeug.

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  40. Bereits Charles Darwin hatte begonnen, diesen Gedanken zu entwickeln. Wir treffen ihn bei Hugh Miller wieder.

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  41. Siehe z. B. Ralph Linton, The Study of Man, 1936, neu London 1965, zusammenfassend bei Wolfgang Schoene, Ober die Psychoanalyse in der Ethnologie, a.a.O., und Wolfgang Rudolph, Die amerikanische »Cultural Anthropology« und das Wertproblem, Berlin 1959, sowie ders., Der kulturelle Relativismus, Berlin 1968.

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  42. A. Gehlen, Urmensch und Spätkultur, Bonn 1956, 2., neubearb. Aufl., Frankfurt—Bonn 1964.

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  43. Siehe hierzu und zum folgenden: D. Claessens, Status als entwicklungssoziologischer Begriff, Diss. Berlin 1956, S. 20, neu Dortmund (Ruhfus) 1965, S. 49 ff.

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  44. Die Versuche quasi evolutionärer Abmilderung des Konzeptes in »Urmensch und Spätkultur« mindern, besonders angesichts der gleichzeitig entstandenen und der späteren Aufsätze zum Thema, diesen Ansatz gar nicht. Was den Elan, die Geschlossenheit und die Aussicht auf Weiterführung betrifft, steht »Urmensch und Spätkultur« (1956) hinter der Schrift »Sozialpsychologische Probleme in der industriellen Gesellschaft« (1949) und der 4. Auflage von »Der Mensch« (1950) zurück. Der Elan wird gebrochen durch dauernde Rückgriffe auf schon bekannte Thesen des Verfassers und durch eine gewisse Inkonsequenz im Aufbau der Kapitel. Die Geschlossenheit wird vermißt, da die Arbeit gerade an denjenigen Stellen »offen« bleibt, wo man eine Weiterführung erhofft hatte, z. B. beim Problem des »Geistes« oder der Frage, ob nicht auch in rational konstruierten Institutionen (hier nicht mehr — wie in »Sozialpsych. Probleme…« — »Organisationen« genannt!) eine sekundäre objektive Zweckmäßigkeit walten könne: »Rational« bleibt als Begriff auch ungeklärt! Wie das »ideative (institutionenschaffende) Bewußtsein« entsteht und vergeht, bleibt unberührt. Auch die damit zusammenhängende Elitenfrage wird nicht erörtert. Dafür drängt sich die große Vorliebe des Autors und theoretisch überhöht sind, allerdings auch deshalb, weil Lorenz einer derjenigen Evolutionisten ist, die von einer »konstitutiven Gefährdung« des Menschen sprechen (z. B. Gesammelte Abhandlungen II, S. 176)49. Wesentliche Teile seiner gesamten Arbeiten liegen in den unten genannten drei Bänden zusammengefaßt vor. Hier finden wir — unterdessen sehr verbreitet — die Unterlagen zu einer Konturierung der Ansichten Lorenz’ über Instinkt und Mensch. Zuerst sei das Instinkt-Konzept von Lorenz behandelt. Das System ineinandergreifender angeborener Verhaltensweisen, das mit »Instinkt« angedeutet oder gemeint ist, wird in seiner Struktur und Prozessualität bei Lorenz — und Gehlen übernimmt dieses Konzept völlig — (s. z. B. Der Mensch, S. 357) unterteilt in: endogen — automatische Bewegungsweisen, angeborene auslösende Mechanismen (Begriff von Tinbergen) und Auslöser 50.

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  45. K. Lorenz, »Ober tierisches und menschliches Verhalten. Aus dem Werdegang der Verhaltenslehre. Gesammelte Abhandlungen«, Band I und II, München 1965, sowie »Das sogenannte Böse«, Wien 1963, 2., unv. Aufl. 1964.

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  46. Siehe: Ober tierisches und menschliches Verhalten, Band II, Ganzheit und Teil in der tierischen und menschlichen Gemeinschaft; III. Die Vernachlässigung der angeborenen arteigenen Verhaltensweisen, S. 132 ff.

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  47. Die Idee ist alt. Bei Aug. Weismann, Vorträge über Deszendenztheorie, Jena 19042, S. 126 heißt es: »Wir haben gesehen, wie genau der auslösende Reiz für eine Handlung bestimmt sein kann…«

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  48. Walter Porzig, Das Wunder der Sprache, München—Bern 1950, 2. A., 1957. Hierzu auch Whorf, Benjamin Lee: Sprache, Denken, Wirklichkeit, rde. Bd. 174, 1. A., Reinbek 1963, S. 87–91, 98, 100.

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  49. Siehe C. O. Whitman, Animal Behavior, Woods Hole (Mass. ), 1898.

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  50. Siehe Konrad Lorenz, Das sogenannte Böse, Wien 1963.

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  51. Vgl. Eibl-Eibesfeldt, Irenäus, Grundriß der vergleichenden Verhaltensforschung, München 1967, S. 419 ff., und ders. und Wolfgang Wickler, Die ethologische Deutung einiger Wächterfiguren auf Bali, in: Z. f. Tierpsychologie, 25, 1968, S. 719 f., sowie Eibl-Eibesfeldt, Irenäus, Liebe und Haß. Zur Naturgeschichte elementarer Verhaltensweisen, München 1970.

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  52. In: Richard Thurnwald, Hrsg., Forschungen zu Völkerpsychologie und Soziologie, Band X, 1. Halbband, Arbeiten zur biologischen Grundlegung der Soziologie, Leipzig 1931; eine rezente Weiterverfolgung dieser Thematik ist: Heinz Heckhausen, Bericht über den 24. Kongreß der Deutschen Ges. f. Psychologie; Biologische und kulturelle Grundlagen des Verhaltens, Göttingen 1965.

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  53. Leider sind dem Verfasser die Verbindungen von McDougalls »hormischer Psychologie« zu Legewie unbekannt. Später tritt Legewies Vorstellung bei Bierens De Haan ( 1940, S. 35), wenn auch differenzierter, auf.

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  54. Im folgenden beziehen sich die Zahlen in Klammern auf H. Legewie, op. cit.

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  55. Mit Bober kann man auch sagen: Hier wird »der Kortex dem Subkortex subordiniert«; Siehe Harry Bober, Die Rolle des Affektiv-Emotionalen im Erkenntnisprozeß, D. Z. f. Philos. XIII (1965) S. 948–966. Das Modell Legewies entspricht im übrigen der weiter unten behandelten These von W. B. Cannon, Bodily Changes in Pain, Hunger, Fear, and Rage, Boston 1953.

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  56. Die Parallele zu der — allerdings nur auf den Menschen bezogenen — Auffassung der Philosophischen Anthropologie und der Kulturanthropologie wird deutlich. Auch dort schafft sich der Mensch seine Umwelt durch Umformung der Natur in Kultur selber. Und im konkreten Fall der speziellen Kultur sowie ihrer eingebetteten Subkulturen ist ebenfalls die Umwelt eine »faktische«. Wieweit sie — gemessen an einer »wirklichen« Welt — auch nur eine »mögliche« ist, ist Thema dieser Arbeit.

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  57. Siehe hierzu die Arbeiten von Walter Scheidt, »Die menschlichen Inbilder«, München—Berlin 19543 und »Die Entstehung der menschlichen Erlebnisse und ihre krankhaften Störungen«, München—Berlin 1962.

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  58. Arnold Gehlen, Probleme einer soziolog. Handlungslehre, in: Carl Brinkmann, Hrsg., Soziologie und Leben, Tübingen 1952, neu in: A. Gehlen, Studien z. Anthropologie und Soziologie, Neuwied—Berlin 1963.

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  59. Harry Bober, Die Rolle d. Affektiv-Emotionalen im Erkenntnisprozeß, a.a.O., S. 949.

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  60. Aus den Anfängen der Psychoanalyse, Imago—London 1950, S. 373. Siehe hierzu auch: Rainer Spehlmann, Sigmund Freuds neurologische Schriften, Eine Untersuchung zur Vorgeschichte der Psychoanalyse, Berlin—Göttingen—Heidelberg 1953, und Helmut Nolte, Psychoanalyse und Soziologie, Die Systemtheorien Sigmund Freuds und Talcott Parsons’, Bern—Stuttgart 1970.

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  61. Aus den Anfängen der Psychoanalyse, a.a.O., S. 402.

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  62. E. Bibring, neu: Zur Entwicklung und Problematik der Triebtheorie, in: Imago XXII (1936), H. 2, S. 147–176.

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  63. Bei Bibring: »Das Ursprungsorgan der Triebe fällt meist zugleich auch mit dem Ort ihrer Befriedigung zusammen, oder aber das Erfolgsorgan ist ein Ursprungsorgan eines anderen Teiltriebes«, op. cit., S. 151.

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  64. Siehe H. Schelsky, Soziologie der Sexualität, rde. 2, Reinbek 1958.

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  65. Dieser Verwirrung erliegt offenbar auch Marcuse, der dem Glauben anhängt, eine fundamentaldemokratische Strukturierung der Gesellschaft würde sie von selbst »libidinöser« machen. Soweit Motivationen durch höhere Beteiligung der Menschen an Entscheidungsprozessen entstehen, ist das sicher wichtig. Soweit aber einer »Libido« vertraut wird, die sich unter Mitbestimmungsverhältnissen automatisch entfalten soll, ist das vermutlich gut bildungsbürgerlich gedacht. Wir wissen sogar noch nicht einmal genau, ob beim Menschen der Orgasmus bei der Frau ohne kulturell vermittelte Liebestechniken auftritt. Ein gutes Beispiel dieses substantiellen Vertrauens in die nur einfach zu befreienden Kräfte der Libido bildet auch die Arbeit von Dietrich Haensch: »Repressive Familienpolitik« (rororo sexologie 1969 ). Hier bedeutet die Aufhebung der Sexualunterdrückung sozusagen gleichzeitig Entfaltung progressiver gesellschaftlicher Zustände, und umgekehrt. Das ist wohl — sehr unfreiwillig — dogmatisch gedacht.

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  66. Siehe W. Rudolph, Die amerikanische »Cultural Anthropology« und das Wertproblem, Berlin 1962; D. Claessens, Status als entwicklungssoziologischer Begriff, a.a.O., und Wolfgang Sdhoene, Über die Psychoanalyse in der Ethnologie, a.a.O.

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  67. Siehe Freud: »Die Stimme des Intellekts ist leise, aber sie ruht nicht…« und »Der Primat des Intellekts liegt gewiß in weiter, weiter, aber wahrscheinlich doch nicht unendlicher Ferne.« Ges. Werke, XIV, London 1955, S. 377.

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  68. B. Rensch, Homo sapiens, 2. A., Göttingen 1965.

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  69. Theodosius Dobzhansky, Dynamik der menschlichen Evolution, a.a.O.

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  70. A. G. Keller, Social Evolution, 1915; nach d. 9., rev. Ed. 1919, S. 326.

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  71. G. Heberer, Das Abstammungsproblem des Menschen…, a.a.O.

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  72. Siehe hierzu Günter Schiwy, Der französische Strukturalismus, Hamburg 1969, und Urs Jaeggi, Ordnung und Chaos, Der Strukturalismus als Methode und Mode, Frankfurt 1968 sowie Wolf Lepenies, Marxismus und Strukturalismus, in: Ortsbestimmung des wilden Denkens. Materialien zu Claude Lévi-Strauss, hrsg. v. Wolf Lepenies und Hanns Henning Ritter, Frankfurt 1970, und Wolf Lepenies, Der französische Strukturalismus — Methode und Ideologie, in: Soziale Welt 19/1968, H. 4, S. 301

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Claessens, D. (1970). »Anthropologie«, heute. In: Instinkt Psyche Geltung. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-02593-1_1

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