Generalamnestie als völkerrechtliches Postulat

Zusammenfassung

Als um die Jahreswende der Gedanke an mich herangetragen wurde, daß ich einmal in Ihrem Kreise über das völkerrechtliche Prinzip der Tabula rasa und die Notwendigkeit einer allgemeinen Befriedungsamnestie sprechen sollte, da war mir von der kürzlich erfolgten Gnadenmaßnahme des amerikanischen Hohen Kommissars McCloy und des amerikanischen Oberkommandierenden in Europa, General Handy, nichts bekannt. Der heutige Vortrag ist daher keine Stellungnahme zu diesen Gnadenmaßnahmen. Er hat damit nichts zu tun. Diese Maßnahmen sind in Ausübung der dem Jeweiligen Inhaber der Exekutive zustehenden Befugnis, Urteile seiner Gerichte im Wege der Gnade zu mildern, erfolgt. Mein heutiger Vortrag hat zum Ziel, das Problem auf einer anderen, höheren Rechtsebene zu behandeln, als ein völkerrechtliches Postulat, oder, wie man auch sagen könnte, ein Postulat des Naturrechts, für das die Hohen Kommissare nicht zuständig sind, das vielmehr sich unmittelbar an die Regierungen der Länder richtet, die am letzten Weltkrieg beteiligt waren, und die sich jetzt vor die Aufgabe gestellt sehen, Frieden zu schließen und eine neue Ordnung aufzurichten, die den Völkern Europas und der Welt wieder ein Zusammenleben ermöglichen soll.