Zusammenfassung
Die unmerkliche Wandlung von den frustrierenden Tendenzen des Monopolkapitalismus zu einer freiheitlichen Planung wird in den neuen Deutungen der Arbeit und der Freizeit spürbar. In der Phase des beginnenden Kapitalismus betrachtete man die Arbeit als etwas Unangenehmes und das Geld als den wichtigsten Arbeitsanreiz. Das moderne Denken hat diese Vorurteile mit Nachdruck revidiert (1). Ohne Zweifel sind bestimmte Arten von Arbeit — wie die Sklavenarbeit oder die vollkommen mechanisierte Fabrikarbeit — unerfreulich (2). Dagegen sind qualifizierte, verantwortliche Tätigkeiten befriedigend und erfreulich (3). Daher wird auch handwerkliche Arbeit oft für angenehm gehalten (4). Darüber hinaus scheint auch eine steigende berufliche Tüchtigkeit stimulierend zu wirken. Der Drang, sich selbst und die eigenen Möglichkeiten kennenzulernen, und die Befriedigung, die man durch immer größere Leistungen erfährt, wirken als unerschöpflicher Anreiz.
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Literatur
Eine der wichtigsten soziologischen Kontroversen der letzten Jahrzehnte betrifft die Arbeitsanreize und die Entstehung des Kapitalismus in der westlichen Welt. Max Weber maß den wirtschaftlichen Grundlagen der prostestantischen Ethik, besonders in ihrer kalvinistischen Form, große Bedeutung bei. (Siehe: Weber, M., „Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus“, in: ders., Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie, Tübingen, 1947, 4. Auflage, Band I, S. 17–206ders., „Protestantische Sekten und der Geist des Kapitalismus”, in: Ebenda, S. 207–236). Webers Kritiker Brentano, Robertson und besonders Tawney unterscheiden zwar nicht scharf zwischen verschiedenen Typen des Kapitalismus, verfolgen das kapitalistische Verhalten jedoch bis ins katholische Mittelalter zurück und weisen bestimmter auf nichtreligiöse Einflüsse hin. Siehe: Brentano, L., Der wirtschaftende Mensch in der Geschichte, Leipzig, 1923
Calverton, V. F., The Passing of the Gods, New York, 1934ders., The Awakening of America, New York, 1939
Parsons, T., Robertson, H. M., „Max Weber and His School“, in: Journal of Political Economy, LIII, 1935
Robertson, H. M., The Rise of Economic Individualism, Cambridge, 1935, ( Cambridge Studies in Economic History )
Schulze Gaevernitz, G., „Die geistigen Grundlagen der angelsächsischen Weltherrschaft“, in: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik LVI—LVIII, 1926–1927.
Sée, H., Les Origines du capitalisme moderne, Paris, 1940Sombart, W., Der moderne Kapitalismus, München, Leipzig, 1928
Tawney, R. H., Religion and the Rise of Capitalism, London, 1937. Eine gute Zusammenfassung der gesamten Kontroverse und Literatur ist zu finden bei: Fischoff, E., „The Protestant Ethic and the Spirit of Capitalism, the History of a Controversy“, in: Social Research, X I, 1944.
Ein gutes Beispiel für das „Geldmachen“ als eines Hauptanreizes im heutigen Amerika ist enthalten in: Lynd, R. S., Middletown New York, 1929, Kapitel VIII, „Why Do They Work So Hard? ”
Die jüdisch-christliche Konzeption der Arbeit als einer Strafe für den Sündenfall ist weitgehend durch die damals vorherrschende Schwerarbeit und Sklaverei bestimmt. Tatsächlich überlagerte die Vorstellung von der Arbeit als schöpferischer Leistung immer diese negative Konzeption.
Henry de Man’s Arbeit, Joy in Work London, 1929, basiert auf Erfahrungsberichten von Werkstudenden aus Frankfurt am Main. Bedenkt man die besondere Mentalität dieser sehr kleinen Gruppe und die Tatsache, daß sie für das deutsche Arbeitskräftepotential nicht als repräsentativ gelten kann, so ist im Hinblick auf eine Verallgemeinerung dieses sehr interessanten Materials Vorsicht geboten.
Siehe überdies: Jacks, L. P., My Neighbour the Universe, a Study in Human Labour, New York, 1929
Masaryk, T. G., The Ideals of Humanity and How to Work, London, 1938
Maurois, A., The Art of Living, New York, London, 1940, Kapitel VI, „The Art of Working“.
Bücher, K., Industrial Revolution, New York, 1912
Herkner, H., Die Arbeitsfreude in Theorie und Praxis der Volkswirtschaft 1905, (ohne Ortsangabe)ders., „Arbeit und Arbeitsteilung“, in: Grundriß der Sozialökonomik Tübingen, 1923, Abschnitt II, Teil ILevasseur, E., Histoire des classes ouvrières avant 1789 1900, (ohne Ortsangabe), 2. Auflage, Band IMichels, R., „Wirtschaft und Rasse”, in: Grundriß der Sozialökonomik (keine näheren Angaben)
Riehl, W. H., Die deutsche Arbeit 1861, (ohne Ortsangabe)Ruskin, J., Stones of Venice Band I, Kapitel VISombart, W., Der moderne Kapitalismus a.a.O., (Sombart romantisiert die handwerkliche Arbeit und ihre Produkte als „echte Dokumente der Persönlichkeit ihres Her-’ stellers“).
Siehe hierzu: Weber, M., „Hinduismus und Buddhismus“, in: ders., Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie, Tübingen, 1921, Band II, S. 1–378.
Industriesoziologische“ Untersuchungen zeigen, daß der Ausstoß einer Fabrik — ganz unabhängig von der Art des Systems materieller Anreize — nicht nur vom Lohnniveau des Arbeiters abhängt. Der soziale Rahmen der Fabrikarbeit, das Statusdenken, das Gefühl des Arbeiters, an bedeutsamen Entscheidungen der Unternehmensleitung beteiligt zu sein, und die entsprechende psychische Befindlichkeit beeinflussen den Ausstoß erheblich. Daher erkennt die Unternehmensleitung in der kapitalistischen Gesellschaft — zumindest theoretisch und im Falle ihrer aufgeklärtesten Vertreter — durchaus den Irrtum, der darin liegt, daß man den Arbeitnehmer als homo oeconomicus betrachtet.
Die sozialen Beziehungen innerhalb und außerhalb der Fabrik beeinflussen die Einstellungen der Arbeit gegenüber in hohem Maße. Siehe hierzu: Bell, D., „Adjusting Men to Machines“, in: Commentary III, 1947, Nr. 1(es handelt sich hier um eine kritische Würdigung der neueren amerikanischen Literatur im Bereich der Industriesoziologie)
Franzen-Hellersberg, E., Das Leben der jugendlichen Arbeiterin Tübingen, 1932(eine exemplarische, nichtstatistische Untersuchung der Reifungsprobleme und Einstellungen nichtorganisierter, keineswegs „klassenbewußter“ Arbeiterinnen dem Familienleben, der Arbeit, den Mitarbeitern, Vorgesetzten usw. gegenüber)
Gardner, B., Whyte, W. F., „Methods for the Study of Human Relations in Industry“, in: American Sociological Review, II, 1946, S. 500–512;
Lange-Eichbaum, W., Genie, Irrsinn, Ruhm München, 1935, 2. Auflage, (ausführliche Bibliographie)
MacDonald, W., The Intellectual Worker and His Work, New York, 1924
Mayo, E., Probleme industrieller Arbeitsbedingungen, Frankfurt, 1947
Merton, R. K., Science, Technology, and Society in 17th Century England, Brügge, 1938
Moore, W. E., Industrial Relations and the Social Order, New York, 1946, Kapitel VIII, „The Worker and the Machine“
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Zilsel, E., Die Entstehung des Geniebegriffes, Tübingen, 1926
Znaniecki, F., The Social Role of the Man of Knowledge, New York, 1940
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Siehe Weber, M., „Wesen, Voraussetzungen und Entfaltung der bürokratischen Herrschaft“, in: ders., Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriß der Verstehenden Soziologie Studienausgabe, hrsg.
J. Winckelmann, Köln, Berlin, 1964, S. 703–738.
Siehe hierzu einen Artikel von Lord K. G. Londonderry aus der Kriegszeit: „No One Works Just for Money“, in: Rotarian, Dezember 1944, 65, 29.
Kotschnig, W. M., Unemployment in the Learned Professions New York, London, 1937, besonders S. 283–286.
Dieses Problem hat seit dem 2. Weltkrieg — zumindest in England — nicht an Bedeutung verloren. Unter der Schlagzeile „Werden die Graduierten Arbeit finden? “ stellt z. B. der Londoner Economist die folgenden Fragen:
Wird im nächsten Sommer das Prestige des Universitätsstudiums wegen des plötzlichen Anstiegs des Anteils der erwerbslosen Graduierten jäh absinken? Werden zu viele Kunststudenten an den Universitäten ausgebildet? Erweckt ein Universitätsstudium allzu hochfliegende Hoffnungen? Was kann man tun, um die jungen Männer und Frauen, die von der Universität kommen, dazu zu bringen, freiwillig in der Wirtschaft zu arbeiten, und um die Wirtschaft zu veranlassen, mehr Kunststudenten zu beschäftigen? “ The Economist 20. Dezember 1947.
Hartshorne, E. Y., The German Universities, and National Socialism, Cambridge, 1937.
Statistisches Material über die soziale Zusammensetzung der deutschen Studentenschaft zwischen 1928 und 1934/1935 ist zu finden bei: Gerth, H. H., „Germany on the Eve of Occupation“, in: McCormick, T. C., (Hrsg.), Problems of the Post War World, New York, 1945, S. 423. „Unter den Nationalsozialisten wurde die Studentenschaft der 25 staatlichen Universitäten um zwei Drittel von 130 000 Studenten im Jahre 1932 auf 40 000 Studenten im Jahre 1935 reduziert. Vor dem 2. Weltkrieg bestand in so kriegswichtigen Berufsgruppen wie bei Ärzten, Ingenieuren und Lehrern Personalmangel. Unter dem Druck der Wehrmacht revidierte die nationalsozialistische Partei im Winter 1936/1937 ihre Universitätspolitik. Die freien Berufe wurden nun marktschreierisch angepriesen. Hitlerjugend-Gruppen wurden vor Denkmäler geführt, die Männer wie den Mediziner Robert Koch ehrtensein tragisches Leben wurde im Film dargestellt. Ingenieure wurden in der Tagespresse und in historischen Essays gefeiert, und die Jugend wurde angehalten, ihre Lehrer zu achten.” S. 422.
Siehe Punkt 18 in der Zusammenfassung des Nuffield Report, Industry and Education Hier wird betont, „daß alle nur möglichen Schritte unternommen werden sollten, um die Qualität der Lehrlinge in handwerklichen Berufen anzuheben und die vom Bildungswesen geförderten Vorurteile gegen Handwerksberufe zu beseitigen. Es ist von größter Bedeutung, das Prestige der gelernten Handwerksberufe aufzubessern.“ S. 33/34. „Um ein zufriedenes Arbeitskräftepotential von großer produktiver und personeller Qualität zu schaffen, muß alles vermieden werden, was unter denjenigen, die keine Aussicht auf sozialen Aufstieg in ihrem Tätigkeitsbereich auf Grund handwerklichen Könnens oder beruflicher Fortbildung haben, das Gefühl zu verbreiten, die Entwicklung ginge über sie hinweg. Erforderlich ist vielmehr eine großzügige Eröffnung von Möglichkeiten, zu einer höheren kulturellen Bildung zu kommen.” S. 13/14.
Jacks, L. P., Responsibility and Culture, New Haven, 1924ders., Education Through Recreation, New York, 1932
Mumford, L., Technique and Civilization, New York, 1934Russell, B., In Praise of Idleness, 1935, (ohne Ortsangabe)
Todd, A. J., Industry and Society, New York, 1933, Kapitel XIV, „Hours and Leisure“Veblen, Th., Theorie der feinen Leute, Berlin, o. J.ders., „The Instinct of Workmanship and the Irksomeness of Labour”, in: American Journal of Sociology, IV, 1898.
Bücher, G. K., Arbeit und Rhythmus, Leipzig, 1899.
Eine Beschreibung der Freizeitbeschäftigungen in einer durchschnittlichen Gemeinde im heutigen Amerika findet sich in: Lynd, R. S., Middletown New York, 1929
Kapitel IV, „Using Leisure“. (Lynd zeigt, daß die Freizeitbeschäftigungen mit zunehmender Organisation immer gleichförmiger werden.) Siehe auch: Durant, H., The Problem of Leisure London, 1938Steiner, J., Americans at Play New York, 1933
Encyclopedia of the Social Sciences, Stichwörter „Amusement“, „Sports”, „Motion Pictures“, „Radio”, „Football“.
Huizinga, J., Homo Ludens, Reinbek, 1962.
Siehe hierzu: Adorno, Th. W., „On Popular Music“, in: Studies in Philosophy and Social Science, New York, 1941
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Gutes Material zu diesem Komplex ist für die Sowjet-Union zu finden bei: Sommerville, J., Soviet Philosophy, New York, 1946. Im Hinblick auf Deutschland ist die Umwandlung der Jugendbewegung zur Hitlerjugend besonders instruktiv. Siehe: Becker, H., Vom Barette schwankt die Feder. Die Geschichte der deutschen Jugendbewegung, Wiesbaden, 1949.
Siehe auch: Kris, E., Speier, H., German Radio Propaganda, New York, 1944
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Siehe hierzu: Reich, W., Die sexuelle Revolution. Zur charakterlichen Selbststeuerung des Menschen, Frankfurt, 1966 ( Neuauflage).
Siehe: Russell, B., In Praise of Idleness a.a.O., S. 20. „Die Vorstellung, daß auch den Armen Freizeit zusteht, ist für die Reichen schon immer schockierend gewesen.“
Siehe: Friedländer, K., The Psychoanalytic Approach to the Treatment of Delinquency, London, 1947.
Read, H., Education Through Art, London, 1943.
Siehe: Hammond, J. L., „The Growth of Common Enjoyment“, in: L. T. Hobhouse Memorial Trust Lecture, No. 31, London, 1937. (Nach Hammond entwickelten nur die romanischen Länder Formen gemeinschaftlicher Freizeitbetätigung. In England blieb die gemeinschaftliche Freizeit unorganisiert, da dieses Land nicht unter romanischem Einfluß stand.) Siehe auch: Thomson, D. C., Radio is Changing Us, London, 1937, S. 32.
Weitere Literatur zum Freizeitproblem findet sich in den Anmerkungen in: Mannheim, K., Mensch und Gesellschaft im Zeitalter des Umbaus Darmstadt, 1958, Teil II, Kapitel 2, S. 97 ff., Teil V, Kapitel 5, S. 368 ff.
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Mannheim, K. (1970). Arbeit und Freizeit. In: Freiheit und geplante Demokratie. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-02460-6_12
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