Zusammenfassung
Seit 1964 hat eine vom Pariser Außenministerium eingesetzte wissenschaftliche Kommission begonnen, französische diplomatische Dokumente über die Vorgeschichte des zweiten Weltkrieges herauszugeben. Von der ersten Serie für die Zeit von 1932 bis 1935 liegen bisher drei Bände mit den. Akten von Anfang Juli 1932 bis Mitte Juli 1933 vor 1. In diesem Jahre erfolgten in Deutschland nach den vergeblichen Versuchen der Präsidialregierungen Papen und Schleicher, der inneren Krise Herr zu werden, die Machtergreifung Hitlers und durch die sogenannte „Gleichschaltung“ die Errichtung der nationalsozialistischen Diktatur. Für diese Vorgänge bieten die in der neuen Edition zum erstenmal veröffentlichten Berichte des damaligen französischen Botschafters in Berlin, André François-Poncet, ein Quellenmaterial, das sowohl durch die Wiedergabe vertraulicher Gespräche und Informationen als auch durch die Beurteilung von Lage und Aussichten seitens dieses klugen Diplomaten von nicht geringer Bedeutung sein dürfte. Zwar hat er selbst bereits in seinen unmittelbar nach Kriegsende erschienenen Erinnerungen an seine Berliner Botschafterzeit Mitteilungen über seine Erlebnisse, Beobachtungen und Auffassungen während jenes für Deutschland so verhängnisvollen Jahres gemacht, doch hat es sich da nur um einen großzügigen Überblick aus späterer Sicht gehandelt, der durch die jetzt vorliegenden unmittelbaren Niederschriften ganz wesentlich unterbaut und erweitert werden kann2. Selbstverständlich beschäftigen sich diese auch ausführlich mit Verhandlungen zwischen Frankreich und Deutschland und der Entwicklung der internationalen Lage, indessen soll im folgenden nur der Teil der Berichte ausgewertet werden, der sich auf die innenpolitischen Geschehnisse im Reich bezieht 3.
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Anmerkungen
Ministère des Affaires Étrangères, Commission pour la Publication des Documents relatifs aux Origines de la Guerre 1939–1945, Documents Diplomatiques Français 1932–1939: Ire Série (1932–1935), Tome I (9 juillet-14 novembre 1932), Tome II 15 novembre-17 mars 1933), Tome III (17 mars-15 juillet 1933), Paris 1964, 1966, 1967. Siehe meine Besprechung der beiden ersten Bände Historisches Jahrbuch 85, 1965, S. 139–141, 87, 1968, S. 106–108.
A. François-Poncet,Souvenirs d’une Ambassade â Berlin, Septembre 1931—Octobre 1938, 1946 (dt.: Botschafter in Berlin 1931–1938, 1947). Weitere Veröffentlichungen: De Versailles â Potsdam, La France et le Problème allemand contemporain 1919–1943, 1948 (dt.: Der Weg von Versailles bis Potsdam, 1949); Au Palais Farnèse, Souvenirs d’une Ambassade â Rome, 1961 (dt.: Botschafter in Rom 1938–1940, 1962); Au fil des jours, Propos d’un Libéral, 1962 (dt.: Auf dem Wege nach Europa, Politisches Tagebuch 1942–1962). — Über François-Poncet, geb. 1887, Who is who in France, 81967, S. 562; L. Ford,Three Observers in Berlin: Rumbold, Dodd, François-Poncet, in: G. A. Craig and F. Gilbert,The Diplomats 1919–1939, 1953, S. 460–476.
Schon länger liegen die gleichzeitigen Berichte seines englischen Kollegen Sir Horace Rumbold gedruckt vor: E. L. Woodward and R. Butler,Documents on British Foreign Policy 1919–1939, Second Series, IV, 1932/3, V, 1933, 1950, 1956. Sie bringen über die Entwicklung im Innern Deutschlands (IV, S. 1–99, V, S. 1–55, 864–908) viele Details, erreichen aber an Gehalt nicht die Berichte des französischen Diplomaten.
Vgl. zu der inneren Entwicklung in Deutschland 1932/33: K. D. Bracher,Die Auflösung der Weimarer Republik, Eine Studie zum Problem des Machtverfalls in der Demokratie, 1955, 41964; Th. Vogelsang,Reichswehr, Staat und NSDAP, Beiträge zur deutschen Geschichte 1930–1932, 1962; K. D. Bracher, W. Sauer, G. Schulz,Die Nationalsozialistische Machtergreifung, Studien zur Errichtung des totalitären Herrschaftssystems 1933/34, 1960; E. Matthias und R. Morsey,Das Ende der Parteien 1933, 1960.
Vgl. A. Brecht,Mit der Kraft des Geistes, Lebenserinnerungen, Zweite Hälfte 1927–1967, S. 198/99.
Vgl. P. Kluke,Der Fall Potempa, Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 5, 1957, S. 279–297.
Lo Über die Gespräche, die Schleicher in diesen Tagen führte, vgl. Vogelsang,S. 327–330.
Rumbold charakterisiert Schleicher in seinem Bericht vom 7. 12. 1932, British Documents IV, S. 97–99.
Berichte vom 15., 22., 29. 12. 1932.
Vgl. dazu Bracher,S. 695; Vogelsang,S. 335; Bracher, Sauer, Schulz S. 392–408.
Dazu sollte außer der Übertragung des Reichskommissariats in Preußen an Papen auch der Verzicht auf die Berufung Joachim von Stülpnagels zum Reichswehrminister gehören. Seitdem Schleicher nach dem Abgang des Generalobersten Heye den General von Hammerstein ihm als Chef der Heeresleitung vorgezogen hatte, war Stülpnagel, der Ende 1931 aus dem Dienst ausgeschieden und in die Redaktion der Börsenzeitung eingetreten war, durch Vermittlung Görings in Beziehungen zu Hitler getreten. Siehe die Note zu François-Poncets Bericht vom 29. 12. 1932 (Documents II, S. 331), Vogelsang,S. 85, 228, 310, 325, 375/76, 386/87.
Siehe auch das Gespräch Rumbolds mit Neurath, in dem der Minister die gleichen Ausführungen machte, British Documents IV, S. 406–408.
Vgl. F. Tobias,Der Reichstagsbrand, Legende und Wirklichkeit, 1962; H. Mommsen,Der Reichstagsbrand und seine politischen Folgen, Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 12, 1964, S. 351–413.
Siehe dazu den Bericht Rumbolds vom 1. 4., British Documents V, S. 14–16.
Zu dem Vorgehen gegen Kantorowicz: M. Braubach,Jüdischer Anteil an der Bonner Gelehrsamkeit, Rheinische Vierteljahresblätter 32, 1968, S. 414.
Über den Ministerialdirektor Richard Meyer, der später nach Stockholm emigrierte, siehe P. Schmidt,Statist auf diplomatischer Bühne, 1923–1945, 1949, S. 263/64;
E. Kordt,Nicht aus den Aktenchrw(133) 1950, S. 28; über Moritz Schlesinger G. Hager,Wir und der Kreml, Deutsch-sowjetische Beziehungen 1918–1941, 1956, passim. Über die Erlebnisse Schlesingers beim Judenboykott berichtet auch Rumbold, 13. 4., British Documents V, S. 43.
Vgl. P. Seabury,Die Wilhelmstraße 1930–1945, 1956, S. 52–59, Kordt,S. 59.
Von den Universitäten heißt es in dem Bericht vom 27. 4.: „Les universités sont en plein désarroi. Les professeurs les plus réputés se voient obligés de quitter leurs chaires; les étudiants les plus excités régnent en maîtres dans les facultés.“
Die Rede wurde auf einer Führertagung von SA, SS und Stahlhelm gehalten. Vgl. M. Domarus, Hitler, Reden und Proklamationen 1932–1945, I. 1962, S. 285.
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Braubach, M. (1968). Hitlers Machtergreifung. In: Meixner, J., Kegel, G. (eds) Festschrift für Leo Brandt zum 60. Geburtstag. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-02438-5_30
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