Zusammenfassung
In dem ‚Versuch eines erklärenden Auszugs aus Kants Kritik der Urteilskraft‘ hatte Fichte 1790 geschrieben: »Nun giebt es zweierlei Begriffe, deren objektive Realität wir nicht anders als durch Ansetzung verschiedener Prinzipien der Begriffe selbst erklären können; die Naturbegriffe ... und den Freiheitsbegriff. ... Der zweite zeigt es schon durch seine Erklärung, welche in Rücksicht auf die Natur bloß negativ ist, (denn Freiheit ist, was nicht unter Causalgesetzen der Natur steht) daß er zu keiner theoretischen Erkenntnis derselben führen könne.« 276 Fast gleichzeitig formulierte Fichte in einer Anmerkung zu den ‚Aphorismen über Religion und Deismus‘: »So ist z. B. dem scharfsinnigsten Verteidiger der Freiheit, der je war, dem in Kants Antinomien etc. der Begriff der Freiheit überhaupt irgendwo anders her (von der Empfindung, ohne Zweifel) gegeben, und er tut in seinem Beweise nichts als ihn rechtfertigen und erklären: da er im Gegenteil in ungestört fortlaufenden Schlüssen aus den ersten Grundsätzen der menschlichen Erkenntnis nie auf einen Begriff von der Art würde gekommen sein.« 277
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Literatur
Fichte-Gesamtausgabe, II, 1, 325.
Ebda. 290.
Vgl. Schulz, Briefw. I, 130, 304. Für Reinhold siehe dessen ‚Briefe über die Kantische Philosophie‘, Band I, Leipzig 1790.
»Da man es nun für ausgemacht annimmt, daß jede eigentliche Wissenschaft einen ersten Grundsatz haben müsse.« Reinhold; Versuch einer neuen Theorie des menschlichen Vorstellungsvermögens, Prag und Jena 1789, S. 114. »Zur Grundlage einer Wissenschaft gehört als vornehmste Bedingung und wesentliches Merkmal ihres vollendeten Fundaments die Entdeckung und Aufstellung ihres ersten Grundsatzes.« Reinhold; Über das Fundament des philosophischen Wissens, Jena 1791, S. 68. Fichte: »Eine Wissenschaft hat systematische Form, alle Sätze in ihr hängen in einem einzigen Grundsatz zusammen.« I, 38.
Vgl. Fichtes Brief an Reinhold vom 1. März 1794. Schulz, Briefw. I, 340.
Ehrenberg sieht in dieser Verwurzelung, von der Offenbarungskritik ausgehend, mehr die theologische Komponente. Den eigentlich politisch-revolutionären Ausgangspunkt versucht diese Untersuchung aufzuweisen.
IV, 54.
»Das Vernunftwesen, welches nach dem vorigen Hauptstück sich selbst als absolut frei und selbständig setzen soll, kann dies nicht ohne zugleich auch seine Welt auf eine gewisse Weise theoretisch zu bestimmen. Jenes Denken seiner selbst und dieses Denken seiner Welt geschehen durch denselben Akt, und sind absolut ein und dasselbe Denken; beides integrierende Teile einer und ebenderselben Synthesis. — Die Freiheit ist ein theoretisches Prinzip.« IV, 75.
IV, 79.
Zeller, a.a.O., S. 144.
Metzger, a.a.O., S. 154.
Gelpcke, a.a.O., S. 64. Ebda. S. 149: »Wenden wir uns nun ... dem Begriff der Freiheit zu ... so gilt es von ihm vorerst zu bemerken, daß ... er das Zentrum der Fichteschen Gesamtphilosophie bildet und nicht nur etwa das der praktischen.« Vgl. auch Weischedel, a.a.O., S. 75 ff. Oestereich, a.a.O., S. 1: »Die Freiheit ist ihm metaphysische Vorausset-zung aller Wirklichkeit.« Ebda. S. 3: »Fichte will überdies metaphysisch das ganze Dasein des Menschen in Freiheit auflösen.« Ebenso auch Zahn: »Der Gedanke der Freiheit, so zeigt es sich, ist der Kerngedanke der Transzendentalphilosophie.« (M. Zahn; Einleitung zu der Ausgabe des ‚Systems der Sittenlehre‘, Hbg. 1963, S. XVI.)
E. Hatzelmann; Der Ansatz der Dialektik bei J. G. Fichte, Diss., München 1954, S. 62.
Ebda. S. 63/64.
I, 510.
IV, 435.
IV, 241.
Für das Biographische vgl. Medicus; Fichtes Leben, S. 60 ff.
I, 29 ff.
I, 85 ff.
I, 330 ff.
III‚ 1 ff.
Unter dem Titel ‚Erste Einleitung in die W. L.‘ in I, 419 ff.
I, 453 ff.
I, 521 ff.
IV‚ 1 ff.
Die ‚Grundlage des Naturrechts‘ als rechts- und politiktheoretisches Hauptwerk ist ausführlich im Kap. III behandelt.
Schulz, Briefw. I, 304.
K. d. r. V. Transc. Ded. d. rein. Verstandesbegriffe, § 16.
I, 97.
VI, 299.
Vgl. § 1 der ‚Grundlage der ges. W. L.‘, I, 91 ff.
I, 157. Vgl. auch I, 174.
I, 117.
Ebda.
I, 283.
I, 286. 313 Mit deutlicher Wendung auch gegen Reinholds ‚Tatsache des Bewußtseins‘. Vgl. dessen Buch ‚Über das Fundament ...‘, a.a.O., S. 78 ff. 314 I, B. Mindestens terminologisch konnte Fichte auch hier an Kant anschließen, bei dem der Ausdruck »Handlungen des Verstandes« schon vorkommt. (K. d. r. V.; Transc. Anal. 1. B., 1. Hptst., 1. Absch.)
I, 429.
Ebda.
N. W. II, 407.
Ebda.
N. W. II, 408.
N. W. II, 406.
Vgl. vor allem die ‚Erste Einleitung‘, I, 423 ff.
I, 432.
I, 442.
I, 461.
Vgl. I, 523. Auch: I, 151 ff., I, 369 ff., I, 521; Tätigkeit und Realität als Wechselbegriffe: I, 134, 138; »Ich denke ist zuvörderst ein Ausdruck der Tätigkeit.« (I, 440) Noch zum Begriff der Tätigkeit: I, 205.
IV, 9.
IV, 57. Vgl. auch ebda. 92/93, 137. Zur Tathandlung vgl. Gelpcke‚ a.a.O., S. 119 ff.
I, 126. Vgl. dazu in der ‚Grundlage der ges. W. L.‘: I, 121, 144, 156, 210/11. Im ‚System der S.‘: IV, 53/54, 92/93, 165, 211/12.
Walz, a.a.O., S. 461.
»... wenn nicht jetzt die Rechtsphilosophie käme. Fichte selber hat ihre Bedeutung für seine Philosophie vollauf gefühlt. Sie nimmt die Stelle der Naturphilosophie ein... . In der Tat, wäre sie nicht gekommen, so hätte man dem Nicht-Ich, dem Es, der Sinnenwelt den Vorwurf machen können, es wäre nichts als ein leerer Grenzbegriff und das Ich stände schließlich doch ohne Welt da. Nun aber wird sie ihm in der Welt des Rechts voll und ganz gegeben. Dahinter steht die als Natur bekannte Welt. Mit ihr beschäftigt sich die Empirie, nicht die Philosophie; die Aufgabe der Philosophie ist, zu wirken, zu erziehen, nicht aber zu forschen.« Ehrenberg, a.a.O., S. 74.
Vgl. schon in der ersten ‚Vorlesung über die Bestimmung des Gelehrten‘: VI, 299/300. In der ‚Grund!. d. ges. W. L.‘: I, 256 ff., 270 ff. Im ‚System d. S.‘: IV, 131.
Handbuch der Philosophie; München und Berlin 1934, Abtlg. IV, Abschnitt D, S. 112: »Die in der transzendentalen enthaltene formale Freiheit Fichtes entspricht also, wie hieraus hervorgeht, nicht der Freiheit, sondern der Willkür im Sinne Kants. Diese formale Freiheit der Willkür ist es nun, die Fichte zur Grundlage des Rechtsbegriffs und des Staates macht.«
Vgl. I, 217/18.
IV, 58. Vgl. zum Problem vor allem auch IV, 233/34. Dazu auch die Formulierungen aus den ‚Vorlesungen über die Best. d. Gel.‘: VI, 228, 296, 299, in denen sowohl das subjektive Moment wie das der unendlichen Annäherung zum Ausdruck kommt. Im weiteren Sinne hierher gehört die Deduktion des Sollens: I, 121, 144, 176, 248 ff. und 263/64.
Walz, a.a.O., S. 463.
I‚ 423.
I, 126.
IV, 52.
Ebda.
Ebda. S. 52/53.
IV, 56.
Im Ausgang von der subjektiven Freiheit (Kants Willkür) konnte diese — entsprechend der revolutionären Grundstruktur des Denkens — nicht in der Gesellschaft ihren Ort haben. Die Positivität der Freiheit muß also für Fichte in ihrer subjektiven Bestimmtheit liegen können. Aber nur wenn die Positivität der Freiheit als gesellschaftlich-institutionell vermittelt gesehen ist, kann sie von der Gesellschaft her in bezug auf die einzelnen negativ bestimmt bleiben (Grundrechte moderner Verfassungen) und so wirklich eine freiheitliche Gesellschaft konstituieren, die mehr ist als ein abstraktes Aufeinander-bezogen-Sein vernünftiger und freier Iche.
IV, 59.
Heimsoeth; Fichte, a.a.O., S. 57.
Unter anderem Aspekt behandelt Lauth dieses Problem in dem wichtigen Aufsatz: Le Probleme de l’Interpersonnalité chez J. G. Fichte (in: Archives de Philosophie, Tome XXV, Cah. III/IV 1962). Lauth wendet sich gegen die schon von Baggesen erhobene Behauptung, Fichtes Theorie sei »philosophischer Egoismus« (327). Indem er die späteren religionsphilosophischen Versuche Fichtes, das Problem des Zusammenhangs der freien Iche und ihres gemeinsamen Grundes in der ‚Synthesis der Geisterwelt‘, schließlich im Absoluten-Gott — aufzulösen, bereits auf die frühen Schriften überträgt, kommt Lauth einerseits zu der Behauptung einer »communauté morale« bereits für die ‚Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre‘ (333), andererseits, da dieser Nachweis nicht vollständig gelingt, zu der Unterscheidung einer ‚Grundlage der Wissenschaftslehre‘, die eben nur Grundlage sei, von der späteren »doctrine superieure de la science« (343). Der Fichte von Lauth imputierte Personalismus gelangt aber nicht über die Tatsache hinaus, daß der transzendentale Ansatz Fichtes nur zur Deduktion »eines vernünftigen Wesens außer mir« (s. weiter unten) gelangt, und daß jene Interpersonalität nur aufzuweisen ist, indem die Errungenschaft des Transzendentalismus, die Autonomie und ihre revolutionäre Bedeutung, religionsphilosophisch verharmlost wird, womit dann außerdem die Behauptung, Fichte habe die Lehre von der Interpersonalität im Gegensatz zu Leibniz, aber auch zu Hegel, Husserl, Heidegger und Sartre als einziger wissenschaftlichsystematisch behandelt, seltsam kontrastiert. Der Aufweis der Interpersonalität ist aber, und das ist innerhalb dieser religionsphilosophischen Überspielung der Probleme konsequent, für die politische Dimension ganz unwesentlich; insofern letztere Konsequenz aus dem Denkansatz ist, in seiner Freiheitlichkeit fragwürdig.
VI, 303.
VI, 302.
I, 247.
Metzger, a.a.O., S. 119/20.
IV, 183.
IV, 184.
IV, 178
Ebda.
IV, 178/79.
IV, 179.
Ebda.
Ebda.
Das Bemühen um Aufweis der ‚Interpersonalität‘ kann hier schon ein Ergebnis sehen. Für die Freiheitlichkeit der politischen Theorie ist solche Interpersonalität durchaus bedeutungslos, wenn nicht sogar gefährlich.
Vgl. IV, 218 ff.
IV, 218.
Ebda. Die Deduktion findet sich auch bereits in der ‚Grundlage d. N.‘ § 3, Zweiter Lehrsatz: »Das endliche Vernunftwesen kann eine freie Wirksamkeit in der Sinnenwelt sich selbst nicht zuschreiben, ohne sie auch andern zuzuschreiben, mithin auch andere endliche Vernunftwesen außer sich anzunehmen.« (III, 29)
IV, 220.
Das Problem war Fichte bewußt; in immer neuen Anläufen versuchte er es zu bewältigen. Schließlich gelangte er folgerichtig zum ersten ‚Aufforderer‘ bzw. zum ersten Erzieher, so den Ansatz religionsphilosophisch auflösend. (Vgl. dazu Lauth; Le problème ... a.a.O.) Die Konsequenzen dieser späteren Entwicklung Fichtes für die politische Theorie untersucht Kapitel IV dieser Arbeit.
IV, 224.
Ebda.
IV, 225.
Ebda.
IV, 221. Diese sehr bedeutsame Stelle läßt den Aufweis der ‚Interpersonalität‘ doch höchst problematisch erscheinen.
IV, 219.
IV, 225.
Ebda.
Hier könnte man die Genese des Fichteschen Denkens, vom strengsten Determinismus zur Theorie der Freiheit, systematisch verewigt sehen. In der politischen Theorie entspricht dieser Struktur die Zweiheit von Not- und Zwangsgesellschaft einerseits und subjektiver Moralität andererseits, die wiederum in der Utopie aufgehoben ist.
VI, 299.
Vgl. I, 130.
IV, 231.
IV, 208.
Daß es die Identität von Freiheit und Gesetz ist, die »Fichtes wirtschaftlichen Sozialismus, sobald wir an seinen Begriff des Eigentums denken, geradezu als notwendige Folge seines ethischen Individualismus« erscheinen läßt, hat Rickert deutlich gesehen (Phil. Grundlagen, a.a.O., S. 164 und 166). Aber die Dialektik der reinen Autonomie führte in Fichtes politischer Theorie ja noch bedeutend weiter als bis zu einem wirtschaftlichen Sozialismus. Die totalitäre Dimension dieser Theorie ist ebenfalls die Folge dieser Dialektik — bei Fichte aufgehoben in die Utopie.
Auf die Naturtheorie übertragen bedeutet dieser Ansatz die Grundlage einer Theorie der modernen Naturwissenschaft und Technik und deren Bedeutung für die Freiheit.
Vgl. dazu vor allem J. Ritter; Hegel und die Französische Revolution, a.a.O.
Da ein Handeln gar nicht möglich ist, ehe ein Staat errichtet worden, und dennoch es schwer sein möchte, die ausdrückliche Einwilligung aller, oder auch nur einer beträchtlichen Menge zu erhalten, so ist der höhere ausgebildetere Mensch durch die Not getrieben, ihr Stillschweigen zu gewissen Verfügungen, und ihre Unterwerfung unter dieselben, für Einwilligung zu halten. Es kann auch mit der Berechnung, und Abwägung der gegenseitigen Rechte nicht so genaugenommen werden, indem der eine sich in gar keine Ordnung fügt, wenn er nicht beträchtliche Vorzüge erhält, ein anderer zu allem stillschweigt. Auf diese Weise entsteht ein Notstaat; die erste Bedingung des allmählichen Fortschreitens zum vernunft- und rechtsgemäßen Staate.« (IV, 238)
»Und nur für ein solches Ich, wenn es konsequent ist, hat die Welt Raum.« F. J. Stahl; Die Philosophie des Rechts nach geschichtlicher Ansicht, Hamburg 1830, I. Bd., S. 171.
II, 672.
Ebda.
Nichts ist vielleicht so charakterisierend für Fichtes Denken wir hier das Erscheinen des Begriffs der Vermittlung als Vernichtung der einen Seite. ‚Vernichtung statt Vermittlung‘ wäre eine prägnante Kurzformel zur Charakterisierung totalitären Denkens und totalitärer Praxis.
Vgl. IV, 173 f.
Als Dualismus von Legalität und Moralität (der die Utopie zugeordnet bleibt) in der politischen Theorie wirksam. (Vgl. Kapitel III.)
IV, 346.
Die Gelehrten bzw. der Gelehrte funktioniert hier systematisch wie in Marx’ Konzeption das Proletariat. Die Forderung nach der Diktatur ist in beiden Theorien konsequent. (Vgl. für Fichte Kapitel IV dieser Arbeit.)
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Willms, B. (1967). Revolution und Wissenschaftslehre das System der Freiheit. In: Die totale Freiheit. Staat und Politik, vol 10. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-02253-4_3
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