Zusammenfassung
Im Sommer 1788, während in Frankreich unter dem wachsenden Druck der aufrührerischen Provinzen der König sich schließlich das Versprechen der Einberufung der Reichsstände abringen lassen mußte, fand sich der Kandidat der Theologie Fichte in Leipzig, nachdem er seine letzte Hauslehrerstelle aufgegeben hatte, in der äußerst bedrängten Lage eines jungen Mannes ohne Examen, ohne Geldmittel und ohne Aussichten 72. Durch die Vermittlung Weißes erhielt Fichte aber dann schließlich eine Hauslehrerstelle in Zürich — die Zeit bis zum Antritt dieser Stelle im September verbrachte er im Elternhaus in Rammenau, und hier, am 24. Juli 1788, entstanden die frühesten Aufzeichnungen über politische und gesellschaftliche Zustände seiner Gegenwart, die von ihm bekannt sind, die ‚Zufälligen Gedanken einer schlaflosen Nacht‘ 73. Diese Gedanken, in Stichworten notiert und inhaltlich nicht überaus selbständig 74, sind doch sehr wesentlich als Dokument der noch ungerichteten, aber schon revolutionären Unzufriedenheit mit seiner Zeit. Fichte registriert: »Tyrannei der höheren und Unterdrückung der niederen, besonders des landbauenden Standes, .. .Sultanism der Regenten, unnatürliche Laster, Entkräftung des ganzen Geschlechts, Elend und Untergang.« 75 Ferner stellt er Verfall und Verderbnis für alle Seiten des öffentlichen Lebens fest, für »die Regierungsgrundsätze, ... den Adel,... die Gerichtspflege,... die Religion,... den Zustand der Wissenschaft, ... der Künste, ... des Handels, ... des Ackerbaus, für die Sitten ... und die Erziehung« 76.
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Literatur
Vgl. Medicus; Fichtes Leben, a.a.O., S. 14 ff.
Jetzt abgedruckt in Band II, 1 der Fichte-Gesamtausgabe der Bayrisdien Akademie der Wiss., Stuttgart-Bad Cannstatt 1962.
Die Herausgeber des Textes (Anm. 73) verweisen auf die von Fichte genannten Bücher von Salzmann und Sintenis und konstatieren eine starke Abhängigkeit Fichtes von diesen.
A.a.O., S. 103.
A.a.O., S. 104/5.
VII, 12. Die Ausführung der These bringt die ‚Zweite Vorlesung‘, VII, 16 ff.
‚Episode über unser Zeitalter, aus einem republikanischen Schriftsteller/ VII, 519 ff. Vgl. auch den ersten Abschnitt des Fragmentes ,Die Republik der Deutschen, zu Anfang des zweiundzwanzigsten Jahrhunderts unter ihrem fünften Reichsvogt/ VII, 530/31.
In Pestalozzis ‚Lienhard und Gertrud‘ sieht Fichte seine Intentionen am ehesten verwirklicht, aber Pestalozzi, so schreibt er, »hätte noch weitergehen: auch die höheren Stände ein bißchen beleuchten sollen.«
Vgl. vor allem die Stellen im ‚Beitrag‘, an denen der Anteil von Gesellschaft und Staat an der Bildung des Individuums bestritten wird: (VII, 90, 136 ff.) Die entsprechenden Thesen sind eine klare Verallgemeinerung der eigenen Bildungssituation Fichtes. Vgl. Medicus; Fichtes Leben, a.a.O., S. 14 ff.
Im Mai 1790 hat Fichte noch einmal einen Plan zu populärer Schriftstellern gefaßt; erwollte eine ‚Zeitschrift über Literatur und Wahl der Lektüre‘ vor allem für weibliche Leser gründen (Schulz, Briefw. I, 88). Über sonstige schöngeistige Pläne vgl. ebda. S. 99. Alle diese Pläne verfolgte Fichte mit halbem Herzen; er glaubte selbst nicht, es in diesem Genre zu etwas bringen zu können, was die erhaltene Novelle ‚Das Tal der Liebenden‘ vollauf bestätigt (Fichte-Gesamtausgabe, II, 1, 267 ff.).
Schulz; Briefw. I, 62.
Fichte-Gesamtausgabe, II,1, 129 ff.
Medicus; Fichtes Leben, a.a.O., S. 27.
Vgl. ebda., S. 24 ff.
Fichte-Gesamtausgabe II,1, 289.
Ebda., S. 290.
Ebda
Ebda., S. 291.
Entsprechend der größeren Intensität seines revolutionären Impulses gelangte Fichte sowohl in der theoretischen wie in der praktischen Philosophie über Kant hinaus zum radikaleren Transzendentalismus. Zum letzteren schreibt Strecker: »Der Begriff der sittlichen Freiheit floß ihm dann aber sogleich mit dem der politischen zusammen.« (A.a.O., S. 33.) Zu dem Problem des Verhältnisses von Fichtes Freiheitsbegriff zur Willkür Kants vgl. Kapitel II, 1, b.
Fichte-Gesamtausgabe 11,1, 221.
Schulz; Briefw. 1, 129.
Der erste Hinweis findet sich in dem Brief an v. Miltitz von Anfang August 1790, (Schulz, I, 120 f.). Dann im Brief vom 12. August an Johanna Rahn (ebda., S. 123) und vor allem in der bekannten Stelle des Briefes an Weißhuhn, Schulz I, 123 ff.
An Weißhuhn im November 1790 »Revolution in meinem Geiste« (Schulz, I, 139), an den Bruder Gotthelf vom 5. März 1791 »eine sehr vorteilhafte Revolution in meinem Kopfe« (Schulz, I, 165). Allgemein in der ‚Zurückforderung‘: »Und macht derselbe (Menschliche Geist, B. W.) ja bisweilen durch eine Revolution in den Wissenschaften einen gewaltsamen Fortschritt« (VI, 25; sicher auf Kant zu beziehen) und im ‚Beitrag‘ (VI, 41): »eine andere, ungleich wichtigere Revolution«, ebenfalls eindeutig auf Kant bezogen.
Zum Verhältnis Fichtes zu Rousseau schrieb Fester (Rousseau und die deutsche Geschichtsphilosophie, Stuttgart 1890): »Keiner hat so trotzig seine eigene Persönlichkeit zum Maßstab Rousseaus gemacht wie J. G. Fichte.« (A.a.O., S. 113.) Noch weiter geht Strecker, der die Ansicht äußert, daß Fichte sich kaum »besonders gründlich mit ihnen (Rousseau und Montesquieu, B. W.) auseinandergesetzt« habe (a.a.O., S. 31). Diese Ansicht ist von Gurwitsch, an den sich Gelpcke; Fichte und die Gedankenwelt des Sturm und Drang, Leipzig 1928, S. 100, anschließt, bestritten (Georg Gurwitsch; Kant und Fichte als Rousseau-Interpreten, Kantstudien, XXVII, 1922). Gurwitsch zitiert Fichtes Äußerung: »Wir werden Rousseau besser verstehen als er sich selbst verstand« (VI, 337) und weist dies an Hand der zur Zeit Fichtes noch nicht veröffentlichten ursprünglichen Redaktion des Contrat Social nach (a.a.O., S. 158). Vaughan sah in den Revolutionsschriften eine »position hardly to be distinguished from that of Rousseau« (a.a.O., S. 94). Dagegen vertritt nun Schottky neuerdings die These, daß Fichtes Entwicklung »nicht etwa von Rousseau weg, sondern erst zu Rousseau hinführte« (a.a.O., S. 115). Das würde bedeuten, daß Rous-seaus Einfluß auf die frühen Schriften Fichtes am geringsten wäre. Schottkys interessante These ist entwertet durch seine andere, mit dieser zusammenhängende, nach der Fichte zwischen ‚Beitrag‘ und ‚Grundlage des N.‘ einen radikalen Wandel durchgemacht habe. Dazu vgl. Einleitung und Abschnitt III, 1 dieser Arbeit.
VI, 39.
Das Denken Kants, Fichtes und Hegels ist als ‚Idealismus der Freiheit‘ Philosophie der Revolution. (Für Hegel vgl. Joachim Ritter; Hegel und die Französische Revolution, Köln und Opladen 1957.) Heinrich Heine bezeichnete Kant als den »großen Zerstörer im Reich der Gedanken«, der »an Terrorismus den Maximilian Robespierre weit übertraf«. (Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland.) Aber Kants konkret politischer Sinn war zu bedeutend, als daß man sich diesem Urteil anschließen könnte (das Heine ohnehin auf eine Art der Guillotinierung Gottes durch die K. d. r. V. bezieht, kaum aber auf Kants Pol. Theorie). Heine sprach auch wohl mögliche Weiterungen Kantschen Denkens an, die in ihren abstrakten Konsequenzen Kant stets ferngelegen hatten; aber Fichte war es, der die Bedingungen mitbrachte, ein System auf der Grundlage Kantschen Denkens in einer Art von Konsequenz aufzubauen, die ihn zum eigentlichen ‚philosophischen Jakobiner‘ machte. Dazu schreibt Hermann Lübbe in seiner ‚Typologie der politischen Theorien‘ (in: Das Problem der Ordnung, Meisenheim o. J., S. 91): »Es gehört demgegenüber zu den denkwürdigen politischen Einsichten Hegels, daß er, Fichte als den philosophischen Jakobiner entlarvend, das Regiment der Tugend als die Herrschaft des Schreckens erkannte.« Erst mit Hegel erreichte die Theorie der Revolution, Kant und Fichte dialektisch aufhebend, ihre wahre Bedeutung (vgl. Ritter, a.a.O.).
Darüber Fichte in einem Brief an Theodor von Schön vom 20. Sept. 1793: »Die Schriften sind anonym. Ihre preußischen Posten sind nicht ganz sicher; ich lasse Ihnen es also über, sie zu erraten; mich in ihnen zu erkennen. Ich werde über einen Gegenstand, der mich mit unwiderstehlicher Stärke anzieht — über Natur- und Staatsrecht — noch manches schreiben; ich werde solange schreiben, bis ich durch irgendeine Schrift hierüber mich so in Respekt gesetzt habe, daß sich niemand an mich traut; dann werde ich zu allem mich freimüthig bekennen.« Schulz, I, 300/301.
Fichte-Gesamtausgabe, 1,1, 165 ff.
Zeller, a.a.O., S. 151.
Gelpcke versucht, Fichte von der Revolution zu entfernen, indem er als sein ‚Wesen‘ den Sturm und Drang nachzuweisen versucht, von diesem wiederum behauptend, er habe mit der Revolution nichts zu tun (a.a.O., S. 20 und passim). ‚Gerade die ‚Zurückforderung‘ sei typisch Sturm und Drang (97/8). Damit dürfte sich seine These vom Unterschied des Sturm und Drang zur Revolution selbst aufheben; daß ‚Zurückforderung‘ und ,Beitrag‘ nichts mit der Revolution zu tun haben sollen, ist absurd. Zu der ‚Zurückforderung’ als revolutionärer Agitation vgl. vor allem Claus Träger; Fichte als Agitator der Revolution, in: Wissen und Gewissen, a.a.O., S. 158 ff. Trägers Verdienst besteht vor allem darin, eine Fülle von historischen Details zu geben, auf Grund derer die Situation, auf die Fichtes Flugschrift traf, deutlich wird, sowie überhaupt auf die Verbindung des frühen Fichte zur Revolution nachdrücklich hinzuweisen.
Schulz, Briefw. I, 319.
VI, 3.
VI, 7.
VI, 9.
»Nein, Fürst, Du bist nicht unser Gott. Von ihm erwarten wir Glückseligkeit; von Dir die Beschützung unserer Rechte.« (VI, 9)
VI, 11. Die Bezeichnungen ‚veräußerliche und unveräußerliche Rechte‘ gehen auf Schmalz zurück. Vgl. Schottky, a.a.O., S. 341, Anm. 22.
VI, 11. Der Satz ist für Fichtes Denken hochbedeutsam. Die zentrale Stellung der Eigentumslehre in Fichtes Denken wird im Kapitel III Gegenstand der Untersuchung sein.
VI, 12.
Ebda.
VI, 13. Wallner, der die fundamentale Bedeutung des Vertrages als Kategorie der Freiheit nicht erkennt, schreibt zu Fichtes Vertragstheorie: »Der Vertragsgedanke könnte wohl nicht gründlicher zu Tode gehetzt werden als bei Fichte« (a.a.O., S. 59). Mehr Verständnis als Wallner hatte Strecker a.a.O., S. 154 ff. gezeigt, aber ebda., S. 182 meint er, »daß der Ausdruck ‚Vertrag‘ in diesen philosophischen Ausführungen doch immer nur bildlich gebraucht wird.« Die revolutionäre Bestimmung des Vertrages betont vor allem Walz, a.a.O., S. 431. Zu Vaughans subtiler Untersuchung der Implikationen und Konsequenzen der Vertragstheorie vgl. Abschnitt III, 1 b dieser Arbeit. Scholz geht ausführlich auf den Vertrag ein, die Herkunft dieses Begriffs einbeziehend (a.a.O., S. 359 ff.). Er erkennt eindeutig den Vertrag als Kategorie der Freiheit (a.a.O., S. 364). Vgl. Auch Torretti, a.a.O., S. 67 ff. Schottky, der ja die Vertragstheorien thematisch macht, dringt wiederum nicht zu der revolutionären und freiheitlichen Bedeutung des Vertrages durch- allerdings schenkt er auch den Frühschriften Fichtes nicht genügend Beachtung (vgl. a.a.O., S. 3 ff., S. 39 ff., S. 191 ff.).
VI, 13.
VI, 15.
VI, 21.
VI, 26.
VI, 28. Vgl. S. 37/38 dieser Arbeit.
Fichte-Gesamtausgabe I, 1, 210 ff. Vaughan über den ‚Beitrag‘: »They (Schelling und Hegel) too, as legend relates, began by planting a tree of liberty in the public square — afeat which Fichte may be said to have emulated in the ‚Beiträge‘.« (A.a.O., S. 95).
Zu Rousseau s. Anm. 95. Die Auseinandersetzung mit Rehberg, dessen ‚Untersuchungen über die Französische Revolution‘, Hannover 1791, ein direkter Anlaß zu Fichtes ‚Beitrag‘ waren, hat vor allem Strecker untersucht. Vgl. a.a.O., S. 35 ff., 106, 118,
Zahlreiche Wendungen Fichtes sind nur als Polemik gegen Rehberg verständlich. Bei Walz vgl. a.a.O., S. 386 ff. Zu Rehberg selbst vgl. K. Lessing; Rehberg und die Französische Revolution, Freiburg 1910.
Schulz, Briefw. I, 450. Fichte fährt in dem Brief fort, sein System sei »das erste System der Freiheit« und deswegen »gehört es gewissermaßen schon der Nation« (der französischen, B. W.). »Es ist in den Jahren, da sie mit äußerer Kraft die politische Freiheit erkämpft, durch inneren Kampf mit mir selbst, mit allen eingewurzelten Vorurteilen entstanden; nicht ohne ihr Zutun; ihr valeur war, der mich noch höher stimmte, und jene Energie in mir entwickelte, die dazu gehörte, um dies zu fassen.« Es ist das Verdienst Trägers, hierauf — auch in Verbindung mit Fichtes Plan in französische Dienste zu treten — neuerdings nachdrücklich hingewiesen zu haben (vgl. Träger, a.a.O., S. 158 ff.).
Der erste Satz des ,Beitrags‘, VI, 39.
Ebda.
VI, 6.
Gustav Landauer; Die französische Revolution in Briefen, Hamburg 1961, S. 52.
So Fichte in einem Brief an den Bruder Gotthelf vom 5. März 1791. Schulz, Briefw. I, S. 165.
Landauer, a.a.O., S. 37.
VI, 40/41.
VI, 41.
Dieser Gedanke ist ja bereits von Lorenz von Stein in seiner Darstellung der französischen Revolution klar herausgearbeitet worden. Vgl. auch Anm. 244.
VI, 39.
Vgl. vor allem VI, 40/41.
Lorenz von Stein; Geschichte der sozialen Bewegung in Frankreich, München 1921, Bd. I, S. 165.
»... euch nicht erinnern, daß dies nicht die Früchte der Denkfreiheit, sondern die Folgen der vorherigen langen Geistessklaverei sind« (VI, 26). Dies Argument wird in rührender Übereinstimmung wiederholt von Fichtes Gattin in einem Brief an den Vater vom 26. Okt. 1793: »aber die guten Leute vergeßen nur, was diese Menschen nach und nach zu dieser Abscheulichkeit brachte; und daß doch ursprünglich die Großen schuld sind« (Schulz, I, 303).
»Wollen wir mit dem Bauen warten, bis der durchbrochene Strom unsere Hütten weggerissen habe?« VI, 40.
In dieser Ablehnung der Gewalt und der Neuordnung von »unten« stimmt Fichte durchaus mit Kant überein, der fast gleichzeitig — und weit heftiger — gegen jede gewaltsame Revolution Stellung nahm; obgleich er in der Theorie des Vernunftstaates und seiner Legitimität ebenso revolutionär war wie Fichte. Allerdings fehlt bei Kant das utopische Moment, und obgleich er gegen Hobbes argumentierte, hatte er doch weit mehr politisches Bewußtsein als Fichte, was sich nicht zuletzt in seinem Beharren auf ‚Obrigkeit‘ zeigt. Vgl. etwa: ‚Uber den Gemeinspruch . . .‘, Werke, 8, 289 ff.
VI, 45.
Ebda.
VI, 48.
Wallner, a.a.O., S. 67/68. Schenkel schreibt: »Wenn daher in den ‚Beiträgen‘ Sätze erscheinen, die den Anschein eines empirischen politisch-demokratischen Systems erwecken, so hat man sich zu vergegenwärtigen, daß es sich in solchen Darstellungen, die aus dem Begriff der Gesellschaft‘ abgeleitet werden, nicht um eine empirische politische Rechts.
VI, 35.
VI, 58.
VI, 59/60.
VI, 80.
VI, 81 ff.
Vgl. Anm. 118.
»Bürgerliche Gesellschaft« und »Staat« werden von Fichte im ‚Beitrag‘ nebeneinander als Bezeichnung derselben Sache gebraucht. Vgl. VI, 81 und Abschnitt I, 2 dieser Arbeit.
Das revolutionäre Moment in der Vertragstheorie, das nicht auf ‚obligatio‘, sondern auf Kündbarkeit insistiert, wird von Schottky zuwenig beachtet. Vgl. a.a.O., S. 3 ff. und S. 39 ff.
VI, 83.
VI 89
VI, 96.
VI, 97.
VI, 101.
VI, 102.
Im Kapitel II des ‚Beitrags‘ findet sich, über die Grundsätze des ersten Kapitels hinaus, die erste Ausprägung von Fichtes Eigentumslehre, die im Kapitel III dieser Arbeit ausführlich behandelt ist, auf das hier verwiesen wird. Die weiteren Kapitel des ‚Beitrags‘ enthalten Ausführungen der Grundsätze in der Ablehnung der Privilegien im allgemeinen, des Adels und der Kirche im besonderen, zum Teil auch mit konkreten Vorschlägen zur Überführung der privilegierten Schichten in eine auf Gleichheit gegründete Gesellschaft, durchsetzt mit — bei Fichtes abstrakter Ablehnung der Geschichte überraschenden — Exkursen in die Geschichte, die aus der Rezeption Montesquieus geschöpft sind, ohne daß starker Widerspruch gegen diesen fehlte (vgl. S. 189 ff., insbesondere S. 207). Fichte sagt in bezug auf Montesquieu: »Ich verläugne nicht meine Verehrung gegen den großen Mann, auf dessen Schultern ich mich stelle, wenn ich, durch ihn selbst unterstützt, weiter zu sehen glaube, als er sah.« (VI, 207)
Vgl. Anm. 138.
Die Wendung »größte Erdennähe« gebraucht Meinecke a.a.O., S. 106, allerdings dort in bezug auf den Machiavelli-Aufsatz Fichtes.
Joachim Ritter sagt a.a.O., S. 22 im Zusammenhang mit der Erläuterung des Hegeischen Begriffs der Weltgeschichte: »Aber zunächst folgt aus der Einsicht in ihren (der Revolution, B. W.) welthistorischen Sinn, daß es politisch keine Möglichkeit mehr gibt, hinter die Revolution und das von ihr Erreichte zurückzugehen.« In diesem Zusammenhang des »Weltgeschichtlichen der europäischen Geschichte«, das »die Freiheit des Menschen ist « (Ritter, ebda.), muß auch die Blochsche Kategorie der ‚Gleichzeitigkeit‘ — s. Anm. 157, gesehen werden.
Bloch schreibt in ,Erbschaft dieser Zeit‘, Frankfurt 1962, S. 116/17: »... das objektiv Ungleichzeitige als Nachwirken älterer, wenn auch noch so durchkreuzter Verhältnisse und Formen der Produktion sowie älterer Überbauten. ... Das objektiv Ungleichzeitige ist das zur Gegenwart Ferne und Fremde; es umgreift also untergehende Reste wie vor allem unaufgearbeitete Vergangenheit, ...« In dieser, auf einen marxistisch verstellten Hegel zurückgehenden Bestimmung fehlt — entscheidender Mangel — die welthistorische Dimension, auf die Ritter wieder so nachdrücklich hingewiesen hat (s. Anm. 156), und deren Fehlen den ansonsten so treffenden Begriff der Ungleichzeitigkeit ökonomisch verzerrt. Carl Schmitt machte 1926 darauf aufmerksam, daß »der wichtigste Schritt, den das 19. Jahrhundert über den Rationalismus des 18. hinaus getan« habe, »in diesem Gegensatz von Hegel und Fichte« läge. (Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus, Berlin 1926, S. 69.) Diesen Schritt über den Rationalismus hinaus sieht Schmitt in der politischen Theorie vor allem darin, daß die »Absolutheit der moralischen Disjunktion sich auflöst« (ebda.). Für Hegels Philosophie sagt Schmitt: »Gut ist für sie, was im jeweiligen Stadium des dialektischen Prozesses das Vernünftige und damit das Wirkliche ist. Gut ist... das ,Zeitgemäße‘ im Sinne richtiger dialektischer Erkenntnis und Bewußtheit.« (Vgl. dazu auch das weiter unten über die ,Moralisierung der Vernunft‘ Gesagte.) In diesem Sinne von welthistorischer Zeit- bzw. Unzeitgemäßheit und zusammen damit im Sinne von Entsprechung — Adäquatheit — bzw. Nichtentsprechung der Institutionen bzw. der Postulate — der Entwicklung der gesellschaftlichen Wirklichkeit (Vernünftigkeit) gebrauchen wir hier die Termini konkret und abstrakt. Abstrakt wäre so etwa in höchstem Maße das Beharren der Altrechtler, das Hegel in der ,Ständeschrift’ angreift (die eine — alte Mißverständnisse ein für allemal ausräumende- Interpretation durch Ritter, a.a.O., S. 25 ff., gefunden hat), als auch das nur subjektive politsche Wollen. ,Ungleichzeitig‘ im Sinne Blochs — also ,abstrakt‘ — wäre so die politische Wirklichkeit der absoluten Monarchie in Europa zu einer Zeit, in der die Entwicklung der gesellschaftlichen Wirklichkeit und der gesellschaftlichen Bewußtheit sie längst ,unhaltbar‘ gemacht hatte. (Ritter a.a.O., S. 25 verwendet das Begriffspaar ,halt- bzw. unhaltbar‘.) In solchem Stadium der Entwicklung wird die absolute Monarchie zum Despotismus, d. h. die Gewalt wird zu ihrem Prinzip, sie kann sich nur noch mit Gewalt behaupten, sie wird eben gerade deswegen in ihrem ganzen Dasein ,unzeitgemäß‘, abstrakt. Dagegen kann die nun ihrerseits zunächst abstrakte, da notwendig als subjektives Postulat vorgebrachte Forderung der Anpassung der institutionellen Überformung an die Entwicklung des gesellschaftlichen Bewußtseins in hohem Maße »gleichzeitig‘ sein, d. h. eben diesen gesellschaftlichen Verhältnissen und dem gesellschaftlichen Bewußtsein entsprechen, also konkret in diesem Sinne sein. Das ,an sich’ abstrakte Postulat wird so in der Negation eines Abstrakten konkret (vgl. dazu auch Ritter a.a.O., S. 18) — die weltgeschichtliche Bedeutung der Revolution und so auch des Denkansatzes des frühen Fichte. Dieser schlug aber wieder in die Abstraktheit um, indem er die relative Bedeutung des revolutionären Postulats in das Grundsätzliche hob und so die Abstraktion verewigte.
Die Freund-Feind-Unterscheidung hat Schmitt als das Kriterium des Politischen aufgestellt. Die Frage nach dem konkreten Gegner ist für das Verständnis einer politischen Schrift grundlegend und umgekehrt das Feststellen eines solchen bestimmten Gegners ein wichtiges Argument in der Charakterisierung einer Schrift als einer politischen.
VI, 96.
Wenn Fichte die Ausdrücke ,Kunstwerk‘ oder ,Maschine‘ in bezug auf den Staat gebraucht, so steht dahinter keine Theorie von Wesen oder Entstehung des neuzeitlichen Staates, wie etwa bei Hobbes, vielmehr ist das Negative in diesen Bezeichnungen nicht zu überhören. Maschine ist bei Fichte stets abfällig gemeint, vgl. dazu die Stelle VI, 142.
VI, 97.
VI, 96.
Ebda.
Vgl. S. 15 ff.
VI, 149.
VI, 150.
VI, 152.
VI, 153.
Die Durchsetzung der — nach der Erklärung der Menschenrechte konsequenten — bürgerlichen Gleichberechtigung der Juden in Frankreich wurde dort allerdings auch erst nach heftiger Opposition, die die Anträge des Abbé Gregoire und des Abbé Merlot monatelang verschleppte und bekämpfte, am 27. Sept. 1791, dann aber fast einstimmig angenommen. Vgl. Cecil Roth; Die Geschichte der Juden, Stuttgart 1954, S. 401 ff. Hegel schreibt in dem berühmten § 209 der Rechtsphilosophie: »Es gehört der Bildung, dem Denken als Bewußtsein des Einzelnen in Form der Allgemeinheit, daß Ich als allgemeine Person aufgefaßt werde, worin alle identisch sind. Der Mensch gilt so, weil er Mensch ist, nicht weil er Jude, Katholik, Protestant, Deutscher, Italiener usf. ist. Dies Bewußtsein, dem der Gedanke gilt, ist von unendlicher Wichtigkeit, — nur dann mangelhaft, wenn es etwa als Kosmopolitismus sich dazu fixiert, dem konkreten Staat gegenüberzustehen.«Diese Bestimmung des Prinzips der bürgerlichen Gesellschaft, die den Menschen als solchen zum Subjekt hat, ist natürlich auch Fichte klar — darin liegt auch seine ,unendliche Wichtigkeit‘. Aber wie ,mangelhaft‘ ist dieses Prinzip bewußt, wenn es um die Juden geht. Die ‚kosmopolitische Fixierung‘ wird bei Fichte gleichfalls noch eine große Rolle spielen. 169a Fichtes Bemerkungen sollen nicht überschätzt werden, aber dieser emotionale Einbruch in das Gleichheitsprinzip stimmt doch bedenklich. Jedenfalls werden gewisse autoritäre Konsequenzen hier vorbereitet.
So Wallner, Schenkel, Medicus, Walz, Metzger. Strecker erwähnt die »Äußerungen Fichtes gegen das Judentum« zwar, sie dient ihm aber lediglich als weiterer Hinweis auf Fichtes Geringschätzung der Sphäre des Bürgervertrags (a.a.O., S. 203). Bruno Bauch; Fichte und der deutsche Staatsgedanke, Langensalza 1925, der in den ,Reden an die d. N.‘ den Höhepunkt von Fichtes politischem Denken sieht (18), in dem »germanische Heldenethik ... auf ihren philosophischen Ausdruck gebracht« sei (16), sympathisiert offensichtlich mit Fichtes Antisemitismus (vgl. 29/30). Mehnert interpretiert diesen im Sinne eines gesunden Nationalismus, der um der nationalen Integration willen »größere fremde Volkstümer« ausschließen müsse (a.a.O., S. 40/41).
VI, 153.
712,Staat im Staate‘ könnte bedeuten, daß die entsprechende Gruppe ein anderes allgemeines Interesse‘ habe als alle übrigen. Aber was bedeutet dann noch allgemeines Interesse‘? Hier scheint wiederum das Interesse der Gesellschaft, die ja von bestimmten, also auch einander entgegengesetzten Interessen lebt, als das Allgemeine (des Staates also) angesprochen zu sein. Der Mangel an Entgegensetzung von Staat und Gesellschaft zwingt zur Konstruktion eines gesellschaftlichen Interesses, das gleichzeitig das allgemeine ist -also die Aufgabe der Differenziertheit der Gesellschaft zugunsten einer Einheitlichkeit des moralisch-vernünftigen Interesses. Das Moralische fungiert dann als gewaltsame Ausrichtung auf das gleiche Interesse — einmal mehr wird Fichtes Geistesverwandtschaft mit Robespierre klar.
»Es gibt keine Korporationen mehr im Staat. Es gibt nur noch das Einzelinteresse jedes Individuums und das Allgemeininteresse. Niemandem ist es erlaubt, den Bürgern ein intermediäres Interesse einzuflößen und sie durch Korporationsgeist von den Angelegenheiten der Öffentlichkeit zu entfernen.« So formulierte Le Chapelier in dem nach ihm benannten Gesetz vom 14./17. Juni 1791. (Zitiert bei Kaiser; Die Repräsentation organisierter Interessen, Berlin 1956, S. 33.) Das Problem der organisierten Interessen ist eines der fundamentalsten der heutigen politischen Theorie, der Verfassungs- und Staatsrechtslehre. Die Institutionalisierung dieser gesellschaftlichen Kräfte ist eine politische Gegenwartsaufgabe erster Ordnung — vor allem, wenn die potentiell totalitären Kräfte im Auge behalten werden. Dazu siehe vor allem das umfassende Werk von Kaiser sowie: Beuth, Stein, Wagner; Der Staat und die Verbände, Heidelberg 1957
(dort auch Bibliographie) Wössner; Die ordnungspolitische Bedeutung des Verbandswesens, Tübingen 1961
Huber, Staat und Verbände, Tübingen 1958.
Strecker etwa konstatiert lediglich die Staatsfeindlichkeit der Revolutionsschriften, ohne deren revolutionären Charakter zu durchschauen (vgl. etwa 72, 198/9, 219 f.). Metzger differenziert den Gegensatz Gesellschaft-Staat nicht über eine einfache Antithese hinaus (vgl. 135, 147 und passim), ebenfalls ohne den revolutionären Ansatz als Grund der Staatsfeindschaft Fichtes zu sehen. Walz charakterisiert die frühen Schriften ebenso schlechthin als die »Staatsverneinende Periode« (a.a.O., S. 358). Schottky stellt im Beitrag‘ »extremen, bis in den Anarchismus hinein überspitzten Liberalismus« fest (a.a.O., S. 115), dabei entgeht die Differenzierung zwischen Staat als Gegner im revolutionären Ansatz einerseits und Staat als vernünftiger Deduktion andererseits ebenso notwendig, wie das Verhältnis von ,Beitrag‘ zur ,Grundlage d. N.‘ das eines radikalen Wandels werden muß.
Wallner, a.a.O., S. 58.
Vor allem in der ,Zurückforderung‘, die ja als Rede konzipiert ist.
Ebenso bei Walz, a.a.O., S. 398.
VI, 293.
VI, 294.
In der ‚Bestimmung des Gelehrten‘ von 1794 ist allerdings von der Verschiedenheit der Stände in der menschlichen Gesellschaft die Rede. Aber auch hier werden keine Ansätze zur konkreten Gesellschaftlichkeit des Menschen entwickelt; vielmehr gipfelt die Betrachtung in der ,Bestimmung des Gelehrten‘ eben nicht als eines Standes, sondern als des »eigentlichen höchsten« Menschen (vgl. VI, 327 ff.).
VI, 293. Walz spricht in diesem Zusammenhang von der völligen »Privatisierung des Rechts« im ,Beitrag‘(a.a.O., S. 194). Die mangelnde Einsicht in die Kontinuität Fichteschen Denkens läßt diesen Ansatz, der ja Vergesellschaftung des Staates meint, später wieder verlorengehen.
VI, 129.
Ebda.
Ebda.
VI, 130.
»Man glaubte ehemals im Naturrechte . . . auf einen ursprünglichen Naturzustand des Menschen zurückgehen zu müssen; und neuerdings ereifert man sich über dies Verfahren, und findet darin den Ursprung wer weiß welcher Ungereimtheiten. Und doch ist dieser Weg der einzig richtige: um den Grund der Verbindlichkeit aller Verträge zu entdecken, muß man sich den Menschen noch von keinem äußern Vertrag gebunden, bloß unter dem Gesetz seiner Natur, d.i. unter dem Sittengesetz stehend, denken; und das ist der Naturzustand.«
VI, 130.
VI, 107.
Immerhin ist auf der Grundlage einer hypothetischen Wolfs,natur‘, also einer Theorie über das Wesen des Menschen, die das Schlimmstmögliche systematisch mit einbezieht, in der Neuzeit eine umgreifende politische Theorie zum Tragen gekommen. »Dennoch bleibt die merkwürdige und für viele sicher beunruhigende Feststellung, daß alle echten politischen Theorien den Menschen als ,böse‘ voraussetzen, d. h. keineswegs als unproblematisches, sondern als gefährliches und dynamisches Wesen betrachten.« (Schmitt; Begriff des Politischen.) Daß auch zu Fichtes Zeiten und bei den Denkern, die seine unmittelbaren Lehrer waren, sich ein Sinn für die Andersheit des Politischen erhalten konnte, zeigt bei Kant dessen seltsam unintegriertes, starres Festhalten an der ,Obrigkeit‘, das vom systematischen Ansatz allein nicht zu erklären ist. Und vollends bei Reinhold finden sich Sätze wie die folgenden: »Da die Gemeinnützigkeit einer jeden, auch durch Verträge bestimmten Staatsverfassung von unzähligen der Vernunft ganz fremden Tatsachen (!) und zufälligen Begebenheiten abhängt, so sind alle bloß politischen Prinzipien unzähligen Ausnahmen, Zweifeln und Veränderungen unterworfen. Daher kommt es, daß der gemeine Menschenverstand, welcher die Gemeinnützigkeit bürgerlicher Gesetze so leicht anerkennt, ... die Gemeinnützigkeit und Gerechtigkeit der politischen (!) so selten richtig zu beurteilen vermag, und daß sich die philosophierende Vernunft bisher fast noch nie mit Staatsverbesserungen beschäftigte, ohne entweder die Gerechtigkeit einer politischen Einrichtung der Gemeinnützigkeit oder diese jener aufzuopfern.« (Briefe, Bd. 2, S. 163/ 64.) Reinholds Auffassung von Wissenschaftlichkeit (Deduktion aus einem Prinzip) und sein Rationalismus, die Fichte übernahm (s. Abschnitt II), ließen ihn innerhalb seines vernünftigen Denkens nicht zu einer politischen Theorie im engeren Sinne kommen; immerhin behielt er so viel praktischen Sinn für das Politische, daß er sich in politicis, die Andersheit anerkennend, weiser Zurückhaltung befleißigte.
»Der Mensch, wie ihn Fichte hier sieht, ist seinem sittlichen Kern nach ohne Tür und Fenster — der Leibnizischen Monade analog.« Heimsoeth, a.a.O., S. 57.
Vgl. das oben über das Vertragsproblem Gesagte. Ferner etwa: VI, S. 13, 81, 85,110,129.
VI, 83.
VI, 248.
VI, 302.
VI, 306.
Ebda.
VI, 310. Vgl. dazu Abschnitt 4 dieses Kapitels.
VI, 315. Vgl. dazu Anm. 244.
VI, 316. Vgl. dazu die Untersuchung der ‚Unmittelbarkeit‘ bei Fichte im Kapitel II.
200»Also, die Vernunft liegt mit der Natur in einem stets dauernden Kampfe; dieser Krieg kann nie enden, wennwir nicht Götter werden sollen.« VI, 316. 201 Vgl. S. 140.
VI, 139.
Scholz kommt auf Grund seiner eingehenden Analyse des Ökonomischen bei Fichte gleichfalls zu einer Differenzierung. Im Gegensatz zu Wallner, Metzger und Walz stellt er sehr wohl einen konstruktiven Rest von Staatlichkeit auch im ,Beitrag‘ schon fest, der vor allem im wirtschaftlichen Aufsichtsrecht besteht. (A.a.O., S. 129 ff.) Scholz erkennt also ebenfalls, daß die ,Gesellschaft‘ des frühen Fichte nicht nur den ,Staat‘ als feindliches Gegenüber hatte, sondern auch schon Reste von Staat funktional sich einintegrieren mußte.
VI, 63.
VI, 96. Vgl. dazu auch Schottky, a.a.O., S. 131.
Vgl. S. 41; im ‚Beitrag‘; VI, 94 ff. und 144 ff.
VI, 142.
VI, 28.
VI, 29.
VI, 93.
VI, 28/29.
VI, 29.
VI, 30.
Hobbes, De Cive, 13, 6: »Salus publica in quo consistat. . . primum ut ab hostibus externis defendantur, secundum ut pax interna conservetur, tertium ut quantum cum securitate publica consistere potest, locupletentur, quartum ut libertate innoxia perfruantur.«
VI, 133.
Die Notwendigkeit, sich an diesem Punkt Gedanken über die hier einfach vorausgesetzten ,Mitglieder‘ zu machen, geht Fichte hier noch nicht auf. Denn wer sind diese Mitglieder? Wie qualifiziert sich der ,Mensch‘ zum Mitglied? Die Fragestellung soll hier noch nicht zu weit getrieben werden; im Teil IV werden die Bemühungen des späten Fichte um Konkretion (Volk, Nation) ausführlich untersucht werden.
VI, 13.
Diese Tatsache veranlaßte Treitschke zu der Formulierung: »Was Fichte suchte und zu finden verzweifelte, was er nicht sah, vielleicht nicht sehen konnte — wir Heutigen wissen’s! Denn wir haben’s! Es ist die starke Monarchie ...« (Fichtes Idee des Deutschen Staates; Rede zur Feier des Geburtstages Sr. Majestät des Kaisers am 27. Jan. 1890. So zitiert bei Schenkel, a.a.O., S. 8.)
»Kann einer aus dem Staat treten, so können es mehrere. Diese stehen nun gegeneinander und gegen den Staat, den sie verließen, unter dem bloßen Naturrecht. Wollen die, welche sich abgesondert haben, sich enger untereinander vereinigen und einen neuen Bürgervertrag auf beliebige Bedingungen schließen, so haben sie vermöge des Naturrechts, in dessen Gebiet sie sich zurückgezogen haben, das vollkommene Recht. — Es ist ein neuer Staat entstanden.« VI, 148.
Vgl. etwa Fichtes Ausführungen über das Erbrecht, VI, 125 ff.
Dazu siehe vor allem Fichtes Bemerkungen im Verlauf seiner Behandlung des Problems von Kirche und Staat, VI, 267 ff.: »... er (der Staat, B. W.) gebietet über Handlungen, die sich in der sichtbaren Welt zeigen, und seine Gesetze müssen so eingerichtet sein, daß er auf den Gehorsam gegen dieselben sicher rechnen kann; keins muß ungestraft über -treten werden können; er muß auf den Erfolg jeder Handlung, die er geboten hat, sicher rechnen können, wie man in einer wohlgeordneten Maschine auf das Eingreifen eines Rades in das Andere sicher rechnen kann.« VI, 267/8.
»Die Ehrenbezeugungen, die Ihr (die Fürsten, B. W.) ertheilt, ertheilt nicht Ihr, jedem erkannte sie schon vorher seine Tugend zu, und Ihr seid nur die erhabenen Dolmetscher derselben an die Gesellschaft. Das Geld, was Ihr austheilt, war nie Euer, es war ein anvertrautes Gut, das die Gesellschaft in Eure Hände niederlegte, um allen ihren Bedürfnissen, d. h. den Bedürfnissen eines jeden Einzelnen, dadurch abzuhelfen. Die Gesellschaft vertheilt es nur durch Eure Hände.« VI, 30.
VI, 32.
Ebda.
VI, 144. Zu »bewiesen« muß festgehalten werden, daß ,Beweis’ in solchem Sinne nur Aufweis der Moralität bedeutet. Vgl. auch S. 69, Anm. 3.
VI, 306.
VI, 62.
»Dieser Vertrag garantiert sich selbst.« VI, 123.
Wenn Fichtes Denken von dem Postulat absoluter Freiheit zu absoluter Unfreiheit gelangte, und wenn diese absolute Unfreiheit in systematischem Zusammenhang steht mit der Eliminierung des Politischen als eines eigenständigen Gegenübers, so erhält von da aus die sich abzeichnende Entwicklung der Forderung nach Abschaffung des Politischen, soweit es im Dualismus Staat-Gesellschaft als Herrschaftsverhältnis institutionalisiert ist, und seiner Ersetzung durch Sachgesetzlichkeiten zumindest einen neuen Aspekt. Wenn Sachgesetzlichkeit an die Stelle von Herrschaft tritt, so wird, jedenfalls in der Konsequenz dieses soziologisch-technokratischen Denkens, ein Zustand eintreten, in dem von Freiheit sinnvollerweise nicht mehr gesprochen werden kann, ebensowenig wie von Politik in jeder irgendwie gearteten dezisionistischen Bestimmung. In Fichtes politischem Denken bedeutet der Verlust des Politischen auch den Verlust der Freiheit, und zwar der Freiheit nicht in einem Sinne, in dem man auf sie verzichten zu können glaubt, sondern der Freiheit in jedem irgendwie möglichen praktischen Sinn — abgesehen von der totalitären Perversion dieses Begriffs. Zum Problem der »verwissenschaftlichen Praxis« und der »Herrschaft« der Sachzwänge siehe besonders H. Schelsky; Der Mensch in der technischen Zivilisation, Köln u. Opladen 1961, und H. Lübbe; Zur politischen Theorie der Technokratie, in: Der Staat, Bd. 1/1, 1962. Schelsky betont besonders die Frage nach der Freiheit unter den Bedingungen der »wissenschaftlichen Zivilisation« und ihrer »Sachzwänge«. »Offensichtlich«, führt er aus, »verschwindet ,Freiheit des Menschen’, gemessen an alten Vorstellungen, immer mehr.«Schelsky hält aber daran fest, »daß es möglich und notwendig ist, auch diesen Entwicklungen gegenüber wieder den Punkt der Freiheit zu finden und zu begreifen.« A.a.O., S. 65. Lübbe (a.a.O., S. 28): »Die Technokratie entpolitisiert den Staat, zieht ihn in die Gesellschaft hinein und entliberalisiert dabei diese.« Das Problem der Eliminierung des Politischen als dualistischen Herrschaftsverhältnisses und der dabei aufspringenden Frage nach dem Verbleib von Freiheit ist offenbar eines der brennendsten der gegenwärtigen politischen Theorie, auf dessen Hintergrund Fichtes Behandlung des Politischen und die Konsequenzen für den Freiheitsbegriff hochaktuelle Bedeutung erhalten.
VI, 147. Die Freiheitlichkeit dieser Bemerkung erweist sich als nur scheinbar. Denn mit dieser abstrakten Zusicherung, ,daß jeder gehen kann, wenn es ihm bei uns nicht paßt’, entfällt jede Auseinandersetzung mit diesen möglichen Anderen, und der Staat kann dann ohne Rücksicht auf diese ,Ungleichen’ nur für die ,Gleichen’ eingerichtet werden. Wenn die Wirklichkeit der Freiheit nur durch das Verlassen des Staatsgebietes bestätigt werden kann, so wird der Terrorismus solch totalitären Un-Staates nur dadurch übertroffen, daß auch dieses gewaltsam verhindert wird.
Schulz, I, 142.
VI, 11.
VI, 14.
Außerdem unterscheidet Fichte hier noch folgende Arten von Freiheit: »... die kosmologische, der Zustand, da man wirklich von nichts außer sich abhängt — kein Geist besitzt sie als der unendliche, aber sie ist das letzte Ziel der Cultur aller endlichen Geister; die politische, das Recht kein Gesetz anzuerkennen, als welches man sich selbst gibt. Sie soll in jedem Staate sein.« VI, 101.
Vgl. dazu etwa den Brief vom 5. Sept. 1790 an Johanna Rahn (Schulz, I, 125 ff.): »Überhaupt habe ich vor meinem projectvollen Geist Ruhe gefunden, und ich danke der Vorsehung, die mich kurz vorher, ehe ich die Vereitlung aller Hoffnungen erfahren sollte, in eine Lage versetzte, sie ruhig und mit Freudigkeit zu ertragen. Ich hatte mich nämlich durch eine Veranlassung, die ein bloßes Ohngefähr schien, ganz dem Studiumder Kantschen Philosophie hingegeben; einer Philosophie, welche die Einbildungskraft, welche bei mir immer sehr mächtig war, bezähmt, dem Verstande das Übergewicht und dem ganzen Geiste eine unbegreifliche Erhebung über alle irdischen Dinge gibt. Ich habe eine edlere Moral angenommen und anstatt mich mit Dingen außer mir zu beschäftigen, mich mehr mit mir selbst beschäftigt. Dies hat mir eine Ruhe gegeben, die ich noch nie empfunden; ich habe bei einer schwankenden äußeren Lage meine seligsten Tage verbracht.« Wenn man bedenkt, daß die ,äußere Lage’ Fichtes zu dieser Zeit so war, daß er sich gezwungen sah, regelrechte Bettelbriefe an seine Bekannten zu verschicken, so ist diese Wirkung in der Tat ungeheuer. VI, 104 ff. Vgl. auch schon S.
VI, 55. Vgl. dazu Strecker, a.a.O., S. 47/48.
VI, 63. Die vor allem aus dem scientistischen Vernunftbegriff sich ausdehnende Gleichheit der Gesellschaften kann nicht über die grundsätzliche Klassenstruktur innerhalb dieser hinwegtäuschen, ebensowenig wie darüber, daß mit jener Gleichheit der Zivilisation politische Freiheit keineswegs verbunden zu sein braucht. Die starke vertikale Mobilität in entwickelten Gesellschaften ist allerdings Positivität der Entzweiung und als solche realiter Freiheit, aber mit Zunahme der Verwissenschaftlichung der gesellschaftlichen Praxis wird es immer weniger sinnvoll, von letzterer zu sprechen, da Wissenschaftlichkeit und Freiheit in einem komplizierten gegenseitigen Bedingungs-, aber auch u. U. Ausschließungsverhältnis stehen. Wenn nicht Freiheit auch dem scientistischen Denken und der entsprechenden gesellschaftlichen Praxis gegenübergestellt und politisch geltend gemacht wird, wird sie verschwinden.
VI, 63.
VI, 64.
»Durch dieses ganze Kapitel herrscht die Voraussetzung, daß alle Mitglieder des Staates, als solche, gleich seien.« VI, 109.
Piatons rabiate Lehre von der natürlichen Ungleichheit der Menschen hat Aristoteles immerhin so stark beeinflußt, daß er Gleichheit nur innerhalb der Polis anerkennen konnte. Aber diese Ungleichheit ist nicht im Sinne neuzeitlich-individualistischer Naturrechtslehren zu verstehen, sondern als Darstellung einer konkreten Ordnung, die von Platon allerdings systematisch verewigt worden war. Dieser Unterschied der Ansätze der antiken Denker wird auch in der sonst ausgezeichneten Untersuchung von A. H. Chroust; A second (and Closer) Look at Plato’s Political Philosophy, in: Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie 1962 XLVII/4, zu wenig beachtet.
Lorenz v. Stein schreibt in ,Geschichte der sozialen Bewegung in Frankreich‘ über die Begründung der neuen Rechtsphilosophie nach dem Sturz der ,alten Kirche und ihres Rechts‘ in der Reformation: »Das Absolute in jedem Menschen mußte notwendig dasjenige sein, was in allen dasselbe, mithin das Gleiche war. Vor dem Begriff der Persönlichkeit gab es keine Ungleichheit; die Rechtsphilosophie, mochte sie sonst zu den verschiedensten Resultaten kommen, konnte demnach keinen anderen Ausgangspunkt finden, als den der begrifflichen Gleichheit der Menschen. Durch diesen Grundgedanken ist die Rechtsphilosophie der neuen Welt von der der Griechen und Römer absolut verschieden, aus ihm sind allerdings die mannigfachen Systeme der neuen Zeit hervorgegangen, aber ihr Unterschied bestand nicht in der Verschiedenheit ihrer Grundlage, er bestand vielmehr in der Verschiedenheit der Art und Weise, wie sie aus jener abstrakten Gleichheit der Menschen die wirkliche Ungleichheit und ihre rechtsphilosophische Notwendigkeit dartaten.« Fichte ist über die abstrakte Gleichheit nicht hinausgekommen und wurde so zum philosophischen Jakobiner. Lorenz v. Stein hat eine Analyse des Gleichheitsbegriffs aufgestellt (a.a.O., S. 277 ff.), in der er zur Bestimmung einer ‚negativen Gleichheit‘ kommt, die als regulative Idee sehr wohl mit faktischer Ungleichheit rechnen kann. Dagegen erscheint dem Begriff der »positiven Gleichheit‘ die faktische Ungleichheit als ,Unnatur‘. Bei Fichte herrscht eindeutig der abstrakte Begriff der positiven Gleichheit. Da die Individuen ihrem Begriff nach als solche gleich sind, ist diese Gleichheit Postulat an die Wirklichkeit. Das utopische Ziel der Theorie ist deshalb die tatsächliche unterschiedslose Identität. Allerdings rächt sich die vernachlässigte Wirklichkeit insofern, als auf dem Wege zu jenem Endzustand die Freiheit völlig verlorengeht, insofern, als die Führer dorthin — die Gelehrten — faktisch die schlimmste Zwangsherrschaft aufrichten, um so schlimmer, je mehr sie der Theorie nach dazu berechtigt sind. Zu diesem Problem schreibt Carl Schmitt: »Wollte man aber mit einer Menschheitsdemokratie Ernst machen und wirklich jeden Menschen jedem anderen politisch gleichstellen, so wäre das eine Gleichheit, an der jeder Mensch kraft Geburt oder Lebensalters ohne weiteres teilnähme. Dadurch hätte man die Gleichheit ihres Wertes und ihrer Substanz beraubt, weil man ihr den spezifischen Sinn benommen hätte, den sie als politische Gleichheit, ökonomische Gleichheit, usw. kurz als Gleichheit eines bestimmten Gebiets hat. Jedes Gebiet hat nämlich seine spezifischen Gleichheiten und Ungleichheiten. So sehr es ein Unrecht wäre, die menschliche Würde jedes einzelnen Menschen zu mißachten, so wäre es doch eine unverantwortliche, zu den schlimmsten Formlosigkeiten und daher zu noch größerem Unrecht führende Torheit, die spezifischen Besonderheiten der verschiedenen Gebiete zu verkennen. Im Bereich des Politischen stehen sich die Menschen nicht abstrakt als Menschen, sondern als politisch interessierte und politisch determinierte gegenüber, als Staatsbürger, Regierende oder Regierte, politische Verbündete oder Gegner, also jedenfalls in politischen Kategorien. In der Sphäre des Politischen kann man nicht vom Politischen abstrahieren und nur die allgemeine Menschheitsgleichheit übriglassen.« (C. Schmitt; Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus, Berlin 1961, 3. Aufl., S. 16 f.)
Bei Locke findet sich auch die Formulierung des abstrakten Gleichheitspostulats, und zwar im Second Treatise of Government, Abschnitt 4: »... that creatures of the same species and rank ... should (!) be also equal one among another .. .«. Auf die Übereinstimmung Fichtes mit Locke — vor allem in der Eigentumslehre -wird noch zurückzukommen sein.
Das latente Problem der in den Menschenrechten mit so viel Selbstverständlichkeit angenommenen Gleichheit der Menschen wird sehr gut von Hannah Arendt dargestellt (Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft, Frankfurt 1955), wenn sie etwa Burkes, Stephens und Disraelis Auffassung von den »Rechten eines Engländers«, die »Besseres beinhalten« als Menschenrechte, aufzeigt (S. 288) und dann schreibt: »Die Begeisterung des 18. Jahrhunderts für die unendliche Verschiedenheit, in die sich die überall gleiche menschliche Natur und Vernunft kleideten, war jedenfalls nicht stark genug um die Frage zu beantworten, ob die christliche-jüdische Annahme der Einheit und Gleichheit aller Menschen ... auch dann noch Menschen plausibel erscheinen würde, wenn sie allen diesen Stämmen wirklich begegnen und sich mit ihnen wirklich in die eine Welt teilen würden.... Die Bekanntschaft mit afrikanischen Negern hatte bereits in Amerika einen Rückfall in die Sklaverei verursacht, von der man mit Recht hätte annehmen können, daß sie in dieser Form in der Neuzeit nicht mehr vorkommen würde.« Die Anfälligkeit einer abstrakten Gleichheitsüberzeugung zeigt sich ja auch an Fichtes Einstellung zu den Juden.
Konkrete Ordnung kann in der Formlosigkeit einer politischen Herrschaft des Gleichheitsgedankens nur als Terror realisiert sein. In diesem Sinne führt Lorenz v. Stein den faktischen Terror während der französischen Revolution auf die Herrschaft des Gleichheitsgedankens zurück. So auch in Fichtes ,Handelsstaat‘, in der ‚Volksgemeinschaft‘ des Faschismus und im Kommunismus in der Parteidiktatur, die auf dem Wege zur klassenlosen Gesellschaft gerade eine ,neue Klasse‘ zur Herrschaft bringt.
VI, 101.
VI, 103.
VI, 102. In dieser Utopie einer gesellschaftlich prästabilisierten armonie stimmt Fichte völlig mit der positivistischen Gesellschaftslehre Comtes überein. Zu dessen Auffassung von der Überflüssigkeit des Rechts und der Richter in der Gesellschaft der Zukunft vgl. etwa die Darstellung Comtes von Gurvitch in dessen Soziologie des Rechts, Neuwied 1960.
Wallner schreibt hierzu: »Der Rationalist Fichte hat hier noch die ungetrübte Zuversicht, daß mit der Realisierung der Freiheit jeder Art die Vernunft in dieser Welt der Erscheinungen zum Durchbruch kommen werde.« (A.a.O., S. 77.) Im Anschluß daran untersucht Wallner Fichtes Zusammenhang mit der liberalen Wirtschaftstheorie, indem er auf den Einfluß der Physiokraten einerseits und der klassischen Nationalökonomie andererseits hinweist. Für diese wichtigen Zusammenhänge, aus denen deutlich wird, daß Fichte als Theoretiker der neuzeitlichen bürgerlichen Gesellschaft diese sich auch als Wirtschaftsgesellschaft konstituieren sieht, sei hier auf Wallner, a.a.O. ff. hingewiesen, ebenso wie auf die einschlägigen Abschnitte bei Scholz. Vgl. auch die Behandlung der Eigentumslehre in Kap. III dieser Arbeit.
Das eigentliche Problem ist die Identifizierung von Freiheit und Vernunft, und die sich daraus ergebende positive Bestimmtheit der Freiheit. Vgl. Kapitel II dieser Arbeit.
VI, 102.
In bezug auf die Ununterschiedenheit im Absoluten sagt Hegel, solches Absolute würde ausgegeben »für die Nacht, in der, wie man zu sagen pflegt, alle Kühe schwarz sind.« (Vorrede zur Phänomenologie d. G.)
Vgl. Ritter; Hegel... a.a.O., S. 32,
Das Dilemma ist die Kehrseite des Dilemmas jener Theorien, die die zukünftige Herrlichkeit mit Notwendigkeit kommen sehen und dennoch zur revolutionären Aktion aufrufen.
VI, 50.
VI, 63 schreibt Fichte, daß selbst »Kantische Gründlichkeit« verbunden mit »sokratischer Popularität« den Privilegierten nicht zur Einsicht in die Unrechtmäßigkeit seiner Privilegien bringen könnte.
Vgl. S. 74. Da die ,Kultur‘ Freiheit ist, darf sie nicht zurückführbar sein etwa auf den Einfluß der Gesellschaft, der also unwesentlich werden muß. Das Problem des tatsächlichen Einflusses löst Fichte zunächst mit dem Begriff der ‚Aufforderung‘ (s. Kap. II d. A.), aus dem dann schließlich seine spätere Erziehungslehre wird (Kap. IV).
Fiktive Ortsangabe auf dem Titelblatt der ,Zurückforderung‘. Vgl. dazu die interessanten Hinweise bei Träger, a.a.O., S. 182 ff.
Vgl. S. 160 ff.
So Hegel in der Vorrede zur Rechtsphilosophie.
Auch Hegel hat zeitlebens die Revolution als ,Morgenröte‘ angesprochen. Aber während er sich der konkreten Bestimmung des auf diese Morgenröte folgenden Tages in denkender Bewältigung zuwandte, verharrte Fichte auf einer Morgenröte schlechthin und verlegte den Anbruch des Tages in eine utopische Zukunft. Von diesem Tag erwartete er sich gleichsam eine Superlativierung der Morgenröte, obwohl — um im Bild zu bleiben — jedem Beobachter klar ist, daß auf das Drama der Morgenröte die Nüchternheit des Tages folgt.
VI, 48.
Und zwar in diesen Anfängen seines Denkens so wenig, daß man wohl kaum zuviel behauptet, wenn man annimmt, daß, selbst wenn der zweite Teil erschienen wäre, er diese notwendige historische Untersuchung nicht gebracht hätte. Vgl. auch Schottky, a.a.O., S. 336.
VI, 48.
VI, 50.
Diese Abstraktheit bleibt das Gesetz, nach dem die bürgerliche Gesellschaft angetreten. Ihr Streben nach Konkretion wird sich politisch auf den Kampf um den Staat richten und die Eroberung des Staates anstreben, die Fichte bereits theoretisch durchgeführt hat. Zu der ,Eroberung des Staates durch die Gesellschaft’, deren begriffliche Bewältigung heute das eigentliche Problem der politischen Theorie sein muß, vgl. C. Schmitt; Der Leviathan in der Staatslehre des Thomas Hobbes, Hamburg 1938, S. 99 ff.
Vgl. S. 49/50.
Vgl. Abschnitt 2 dieses Kapitels.
Vgl. 138.
Daß eine Reihe von Denkmotiven Fichtes später bei Marx wieder auftreten, dürfte an mehr als einer Stelle klargeworden sein; es sei an das Absterben des Staates erinnert, an die These von der Vereinfachung der Staatsverfassung und an die ganze utopische Bestimmung des Systems. Marx‘ Verhältnis zu Fichte ist zugunsten der eindeutigen Linie Hegel-Marx längst nicht in seiner Bedeutung entsprechendem Maße in das Bewußtsein gehoben. Bloch machte auf das Zwischenglied Moses Heß aufmerksam (Prinzip Hoffnung, Frankfurt/M. 1959, Bd. I, S. 700). Dem Problem hat Stuke eine Monographie gewidmet, in der er aufzeigt, inwiefern Heß, aber auch andere Linkshegelianer, »direkt oder indirekt an Fichte angeknüpft« haben. (Stuke; Philosophie der Tat, Stuttgart 1963, S. 81/82 und passim.)
Vgl. die Bemerkung zum Bildungsproblem in Kapitel III d. A.
Unter diesem Aspekt verdient der berühmte ,Atheismusstreit‘ Fichtes Erwähnung. Alle in dieser Angelegenheit wichtig gewordenen Schriften, Dokumente und Äußerungen sind zusammengestellt in dem Band »Die Schriften zu J. G. Fichtes Atheismusstreit«; hrsg. Hans Lindau, München 1912. Die Crux Lindaus — wie auch anderer — sind die Äußerungen Goethes über Fichte (Lindau, a.a.O., S. 355 ff.) bzw. deren Interpretation in dem Sinne, daß Goethe zwar mit seinen negativen Äußerungen über Fichte nicht recht behalten darf, ihm ein Unrecht aber nicht zugemutet werden kann. So Lindau: »Schließlich ist es ja doch tief bedauerlich, daß der Liebling der Götter jenes ‚Fratzenhafte‘, das wir lieber das Knabenhafte und Einfältige in Fichtes Wesen nennen möchten, sich so stark hat verdrießen lassen.« (Lindau, a.a.O., S. 371.) Lindau bezieht sich hier auf die Stelle aus dem Brief Goethes an Schlosser vom 30. August 1799, in dem dieser eine zusammenfassende Beurteilung der Ereignisse und des Mannes gibt. »Was Fichte betrifft, so tut mir‘s immer leid, daß wir ihn verlieren mußten, und daß seine törige Anmaßung ihn aus einer Existenz hinauswarf, die er auf dem weiten Erdenrund, so sonderbar auch diese Hyperbel klingen mag, nicht wieder finden mag. (Er fand sie nicht, B. W.) ... Er ist gewiß einer der vorzüglichsten Köpfe, aber wie ich selbst fürchte, für sich und die Welt verloren. Seine jetzige Lage muß ihm zu seinen übrigen Fratzen noch Bitterheit hinzufügen. Übrigens ist es, so klein die Sache scheint, ein Glück, daß die Höfe in einer Angelegenheit, wo eine unverschämte Präokkupation, wie Du weißt, so weit ging, einen Schritt tun konnten, der, wenn er von der einen Seite gebilligt, von der anderen nicht getadelt werden kann.« (Bei Lindau, a. a. O., S. 360/61) Kaum kann man auch bei noch so viel Wohlwollen das ,Fratzenhafte‘ zum Knabenhaft-Einfältigen‘ verharmlosen. Immerhin können bei einem Mann von fünfunddreißig Jahren knabenhafte‘ Züge weniger auf kindlich-liebenswürdige Art, als vielmehr auf ein grundsätzlich gestörtes Verhältnis zur Wirklichkeit deuten. Goethe, der auch Savonarola einmal »fratzenhaft‘ nannte, stellte sicher auf jenes verstellte Wirklichkeitsverhältnis Fichtes ab, das in seinem habituellen Postulieren und seinen unausgeglichenen Ansprüchen ihm (wie auch Jean Paul) unerträglich scheinen mußte.
Aus dieser Struktur wird sich die eigentlich totalitäre Dimension der politischen Theorie Fichtes ergeben. Vgl. Kapitel III und IV.
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Willms, B. (1967). Fichte und die Französische Revolution. In: Die totale Freiheit. Staat und Politik, vol 10. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-02253-4_2
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