Zusammenfassung
Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts hatte der Ruhrbergbau die charakteristischen Züge behalten, die ihm die merkantilistische Epoche verliehen hatte. Ungeachtet der Tatsache, daß der preußische Fiskus keineswegs Eigentümer der Bergwerke war, wurde der Bergbau als reiner Regiebetrieb geführt: Die Bergbehörde schrieb Art und Umfang des Abbaus vor, ordnete die Verkaufspreise an und sorgte für den Absatz der Produkte; ebenso legte sie die Bergleute an und ab, bestimmte Arbeitsort und -zeit und setzte die Lohnhöhe fest 1.
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„Die Annahme und Entlassung der Berg- und Hüttenarbeiter, Steiger und anderer Bergbediensteten kommt lediglich dem Bergamte zu“ (Allg. Preuß. Landrecht, Teil II Tit. 16 § 307). „Besonders schließen die (von den Eigentümern vorgeschlagenen und vom Staate bestätigten und verpflichteten) Schichtmeister im Namen der Gewerken (der Eigentümer) unter Aufsicht der Geschworenen (der staatlichen Beamten) die Kontrakte mit den Arbeitern“ (a. a. 0. § 315). Die Abhängigkeit der Bergleute ging so weit, daß sie an den Heiratskonsens der Bergbehörde gebunden waren. Die privaten Eigentümer der Gruben hießen Gewerken; oft schlossen sich mehrere Gewerken zu Gewerkschaften zusammen, die also mit den späteren Vereinigungen der Arbeiter nichts zu tun haben. In der Zeit des staatlichen Regiebetriebes hatten die Gewerken lediglich das Recht auf einen Teil der Einkünfte aus dem Kohleverkauf; auf die Gestaltung des Betriebes hatten sie bis zur Jahrhundertmitte keinen Einfluß. „An und Ablegen“ bedeutet im Bergbau Annahme und Entlassung der Arbeiter.
Für diese bestand allerdings ein eigener Fonds, der den Charakter einer Krankenkasse besaß. Über die näheren Einzelheiten des Knappschaftswesens vgl. unten S. 45.
Zwischen 1849 und 1853 fällt die erste Gründerperiode an der Ruhr, in der die ersten großen Gesellschaften entstehen: Kölner Bergwerksverein, Dahlbusch, Concordia, Hibernia, Shamrock. 1858 wurde der „Verein für die bergbaulichen Interessen im Oberbergamtsbezirk Dortmund“ gegründet, der erste Unternehmerverband Deutschlands. Vgl. Agnes Prym, Staatswirtschaft und Privatunternehmung in der Geschichte des Ruhrkohlenbergbaus, Essen 1950, S. 23 ff.
„Es liegt gegenwärtig nicht in der Macht der Gewerkschaften, vorzugsweise diejenigen Arbeiter zu beschäftigen, welche durch ihren Fleiß und ihre Tüchtigkeit im Stande sein würden, trotz niedriger Löhne sich einen ausreichenden Lebensunterhalt zu erwerben; es ist vielmehr der Fall nicht selten, wo gerade die leistungsfähigsten Bergleute zugunsten älterer, aber weniger brauchbarer Knappschaftsmitglieder abgelegt werden müssen. „Während auf allen anderen Gebieten der Industrie die unvermeidlichen Nachteile einer Krise wie die gegenwärtige zwischen dem Arbeitgeber und den Arbeitern geteilt werden, ist eine solche Teilung auf dem Gebiete des Bergbaues durch die Privilegien der bevorzugten Klassen unmöglich gemacht“ (Eingabe des Bergbauvereins an das Oberbergamt in Dortmund vom 29. 6. 1859; bei Ernst Jüngst, Festschrift zur Feier des 50jährigen Bestehens des Vereins für die bergbaulichen Interessen im Oberbergamtsbezirk Dortmund, Essen 1908, S. 59).
Gesetz vom 21. Mai 1860.
Kommissionsbericht im preußischen Abgeordnetenhaus am 28. 2. 1860.
Sitzung vom 28. 2. 1860.
Unter Arbeitsordnung verstand man eine Zusammenstellung der Vorschriften, nach denen sich der Arbeiter während seiner Tätigkeit auf dem Werk zu richten hatte, und der Nachteile, die sich für ihn ergaben, wenn er gegen sie verstieß (Erklärung der Regierung in der Kommission des Abgeordnetenhauses 1860). Also eine rein negative Bestimmung im Gegensatz zu den späteren Arbeitsordnungen von 1892 und 1905, die auch die Rechte der Arbeiter enthalten.
Die Regiezeit wurde im Lauf der Jahre im Bewußtsein der Bergleute „die gute alte Zeit“, und noch während der großen sozialpolitischen Auseinandersetzungen 1889–1892 tauchten von seiten der Arbeiterschaft Reformvorschläge auf, die auf eine Wiederherstel-lung der alten Verhältnisse hinausliefen. Vgl. unten S. 121.
Vom 3. Juni 1862 (OD 2.53).
Ein interessanter Gedanke, dem so früh zu begegnen man kaum vermutet. Die Forderung wurde später immer wieder erhoben, aber vom Oberbergamt und dem Gesetzgeber nie gebilligt; noch 1905, als der Inhalt der Arbeitsordnungen tatsächlich fast vollständig vom Gesetz vorgeschrieben war, weigerte sich das Oberbergamt, einen Entwurf der Gewerkschaften überhaupt zur Kenntnis zu nehmen, während es die Fassung des Bergbauvereins akzeptierte. Vgl. unten S. 157.
Text des Entwurfes in RD 24580.
D. h. vom staatlich geführten Regiebetrieb zur bloßen Staatsaufsicht.
Stellungnahme des Oberbergamtes zum Gesetzentwurf am 20. 11. 1862 (OD 2.53). In der Frage des Bestätigungsrechts schloß es sich dagegen den Gründen an, die die Motive zum Gesetz anführten.
Im Gesetz zu den Organen der allgemeinen Verwaltung besaßen die Oberbergämter Kollegialverfassung.
Wilhelm Brepohl, Der Aufbau des Ruhrvolkes im Zuge der Ost-West-Wanderung, Recklinghausen 1948.
Bericht des Oberbergamts an den Handelsminister vom 15. 5. 1865 (OD 119.223).
Vgl. die Tabelle in „Entwicklung“ S. 42.
Max Jürgen Koch, Die Bergarbeiterbewegung im Ruhrgebiet zur Zeit Wilhelms II., Düsseldorf 1954.
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Kirchhoff, H.G. (1958). Die Zeit der Staatlichen Regie und der Durchbruch Liberaler Wirtschaftsformen. In: Die staatliche Sozialpolitik im Ruhrbergbau 1871–1914. Wissenschaftliche Abhandlungen der Arbeitsgemeinschaft für Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen, vol 4. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-02235-0_1
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