Zusammenfassung
Im Rahmen der unternehmenstheoretischen Analyse läßt sich das Ungewißheitsproblem nur dann lösen, wenn eine exakte Zukunftsvorstellung unterstellt wird. Aus diesem Grunde ist es nicht möglich, den oben definierten allgemeinen Ungewißheitsbegriff, gekennzeichnet durch die Lückenhaftigkeit und Ungenauigkeit der Datenprognose, in die unternehmenstheoretische Analyse einzuführen. Denn der allgemeine Ungewißheitsbegriff erlaubt keine exakte Analyse.
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Literatur
In der Literatur wird dieser Sachverhalt öfters als „mehrdeutige“, richtiger als „mehrwertige“ Erwartung bezeichnet und in Antithese zur eindeutigen bzw. einwertigen Erwartung als dem vermeintlichen Merkmal der vollkommenen Voraussicht gesetzt. (Vgl. G. Tintner, A Contribution to the Non-Static Theory of Production, in: Studies in Mathematical Economics and Econometrics, Chicago 1942, S. 29
J. Niehans, Zur Preisbildung bei ungewissen Erwartungen, Schweizerische Zeitschrift für Volkswirtschaft und Statistik 1948, S. 433–456
E. Lindahl, Studies in the Theory of Money and Capital, London 1950, S. 41
J. M. Keynes, Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes, deutsch von Fritz Wagner, Berlin 1952, S. 21
W. Wittmann, Unternehmung und unvollkommene Information, Köln und Opladen 1959, S. 34
H. Albach, Wirtschaftlichkeitsrechnung bei unsicheren Erwartungen, Köln und Opladen 1959, S. 3 ff.)
Hiergegen läßt sich der Einwand erheben, daß man in der ökonomischen Theorie den Begriff der Erwartung doch bereits in dem Sinne zu verwenden pflegt, daß nur oder vorwiegend mit dem Eintritt einer bestimmten Datenkonstellation gerechnet wird, wie es auch im allgemeinen Sprachgebrauch der Fall ist. Und in diesem Sinn wird der Erwartungsbegriff auch dann gebraucht, wenn Ungewißheit vorliegt. (Vgl. J. M. Keynes, Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes, deutsch von Fritz Wagner, Berlin 1952, S. 21, S. 124 ff.
E. Gutenberg, Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre, Bd. 2: Der Absatz, 2. Aufl., Berlin - Göttingen - Heidelberg 1956, S. 67 ff., S. 230 ff.
E. Schneider, Wirtschaftlichkeitsrechnung, Bern - Tübingen 1958, S. 125 ff.
ders., Einführung in die Wirtschaftstheorie, II. Teil, 4. Aufl., Tübingen 1956, S. 243 f. Durch die Prägung des Ausdrucks „mehrwertige Erwartung“ würden also terminologische Unklarheiten geschaffen. Aus diesem Grunde sei ein anderer Terminus bevorzugt, wie kurz dargelegt sei. Wenn, wie bereits ausgeführt, die Voraussagen bei Ungewißheit nur die Qualifikation subjektiver (nicht statistisch-objektiver) Wahrscheinlichkeit besitzen, dann erscheint es als richtig, generell davon auszugehen, daß der Voraussagende stets mehrere verschiedene Datenkonstellationen für glaubhaft hält. Auch dann nämlich, wenn der Eintritt einer bestimmten Situation für besonders wahrscheinlich gehalten wird, wird der Disponent stets in Erwägung ziehen müssen, daß auch der Eintritt anderer Situationen möglich ist. Aus diesem Grunde sollte, so will es scheinen, der Ungewißheitsbegriff in dem Sinne gefaßt werden, daß dem Disponenten die Zukunft stets als ein Bündel mehrerer verschiedener Datenkonstellationen erscheint, deren alternativer Eintritt in gleichem oder verschiedenem Grade der Wahrscheinlichkeit glaubhaft ist. Dieses Für-wahrscheinlich-Halten verschiedener Datenkonstellationen aber sei als „mehrwertige Zukunftsvorstellung“ bezeichnet. Wenn nun einer der für glaubhaft erachteten Datenkonstellationen ein besonders hoher Wahrscheinlichkeitsgrad beigemessen wird, während mit dem Eintritt einer der übrigen Konstellationen nur wenig gerechnet wird, dann wollen wir sagen, daß der Disponent den Eintritt der erstgenannten Situation „erwartet“. Die so verstandene Erwartung aber steht zu dem als „mehrwertige Zukunftsvorstellung“ markierten Begriff in keinerlei Gegensatz, wie es irrtümlicherweise dann zu vermuten wäre, wenn dieser Begriff als „mehrwertige Erwartung“ bezeichnet würde. Vielmehr liegt hier nur eine bestimmte Struktur der Zukunftsschätzung des Disponenten vor, der etwa der Fall gegenübersteht, daß die verschiedenen als glaubhaft erscheinenden Datenkonstellationen den gleichen Wahrscheinlichkeitsgrad aufweisen.
Selbstverständlich könnte dieses Ausgangsbeispiel auch so gewählt werden, daß für den hier betrachteten Unternehmer die Verhaltensweise des Konkurrenten im Duopol ein entscheidendes Datum bildet. Die betrachtete Unternehmensleitung vermag sich eine hinreichend exakte Vorstellung über die verschiedenen möglichen Handlungsweisen dieses Konkurrenten zu machen, der — so sei hier unterstellt — stets im gleichen Zeitpunkt wie unsere Unternehmensleitung seine Entscheidungen trifft und handelt. Für jede dieser möglichen Handlungsweisen des Konkurrenten läßt sich das eigene Optimum bestimmen. Jedoch besteht Ungewißheit darüber, welche dieser ernsthaft in Betracht kommenden Maßnahmen der Konkurrent ergreifen wird.
In den letzten Jahren ist auf der Basis mathematischer Wahrscheinlichkeitsverteilungen die sogenannte Risikoanalyse („Risk Analysis“) entwickelt worden. Und zwar wird hier neben der wahrscheinlichsten Gewinnziffer der Streubereich dieser Ziffer ermittelt. Dabei ergibt sich der Streubereich aus folgenden Operationen: Zuerst werden für die wichtigsten Gewinnfaktoren (Absatzpreis bzw. Absatzmenge, Nutzungsdauer der Betriebsanlage, Höhe der variablen Fertigungskosten je Produkteinheit, Höhe der Fixkosten, Verkaufserlös der Altanlage und dgl.) Wahrscheinlichkeitsverteilungen gebildet. Man glaubt, solche Häufigkeitsverteilungen aufgrund von Erfahrungen oder spekulativ auch bei Einzelereignissen gewinnen zu können. Aus einer Vielzahl von Kombinationen einzelner Werte dieser Gewinnfaktoren — die Art dieser Kombinationen wird durch Zufallsverteilungen bestimmt — ermittelt man die Häufigkeitsverteilung der Gewinnziffern. Siehe hierzu u. a.: David B. Hertz, Risk Analysis in Capital Investment, Harvard Business Review, Jan.-Febr. 1964, S. 95 ff.
Sidney W. Hess und Harry A. Quickley, Analysis of Risk in Investments Using Monte Carlo Technique, Chemical Engineering Progress Symposium Series No. 42, Vol. 59, 1998
Richard F. Hespos und Paul A. Strassmann, Stochastic Decision Trees for the Analysis of Investment Decisions, Management Science, Series B, Vol. 11, No. 10, Aug. 1965, S. 244–259. Dieses Bemühen indessen ist nicht zu den ungewißheitstheoretischen Lösungsansätzen im obigen Sinne zu rechnen. Denn es werden bei der Risikoanalyse keine allgemeinbegrifflich gehaltenen Sätze über die unternehmerische Handlungsweise gebildet. Vielmehr wird lediglich darauf abgestellt, den Disponenten neben der Gewinnziffer eine zusätzliche Information über den Streubereich dieser Ziffer zu erteilen. Wie aufgrund beider Informationen das Optimalitätskriterium jeweils gebildet werden soll, wird nicht angegeben.
I. Fisher, Die Zinstheorie, Jena 1932, S. 64 ff. und S. 172 ff.
insbes. S. 183
siehe u. a. J. M. Keynes, Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes, deutsch von Fritz Wagner, Berlin 1952, S. 121 ff.
ders., A Treatise on Probability, London 1948, S. 320 ff.
s. a. E. Schneider, Wirtschaftlichkeitsrechnung, a. a. O., S. 67 und S. 128.
W. J. Baumol, Economic Dynamics, New York 1957, S. 86 ff.
A. G. Hart, Risk, Uncertainty and the Unprofitability of Compounding Probabilities, in: Studies in Mathematical Economics and Econometrics, Chicago 1942, S. 110 ff.
Eine Darstellung des hier wiedergegebenen Lösungsansatzes findet sich, leider ohne Quellenangabe, auch bei W. A. Jöhr, Die Konjunkturschwankungen, Tübingen — Zürich 1952, S. 393.
Siehe auch die Wiedergabe der Hartschen Lösung bei W. A. Jöhr, a. a. O., S. 396 ff.
G. L. Shackle, Expectation in Economics, 2. Aufl., Cambridge/Mass. 1952
ders., Uncertainty in Economics and other Reflections, Cambridge/Mass. 1955.
W. Krelle, Unsicherheit und Risiko in der Preisbildung, Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft 1957, S. 632 ff.
ders., Preistheorie, Tübingen - Zürich 1961, S. 90 ff.
D. Bernoulli, Specimen theoriae novae de mensura sortis, in: Commentarii Academiae Scientarium Imperalis Petropolitanae Tomus V, Petersburg 1738, S. 175–192
englische Übersetzung von L. Sommer, Exposition of a New Theory on the Measurement of Risk, in: Econometrica 22/1954, S. 23–36, hier S. 24, S. 28 ff.
ders., Versuch einer neuen Theorie der Wertbestimmung von Glücksfällen, aus dem Lateinischen übersetzt von A. Pringsheim, Leipzig 1896, S. 28.
J. Marschak, Probability in the Social Sciences, in: Mathematical Thinking in the Social Sciences, hrsg. von P. Lazarsfeld, 2. Ed., Glencoe/Ill. 1955, S. 166–215.
A. Wald, Statistical Decision Functions which Minimize the Maximum Risk, Annals of Mathematics, Band 46 (1945), S. 265 bis 280
J. V. Neumann, Zur Theorie der Gesellschaftsspiele, Mathematische Annalen, Berlin 1928, 100. Jg.
J. v. Neumann und O. Morgenstern, Theory of Games and Economic Behavior, 1. Aufl., Princeton 1944, 3. Aufl., 1953, S. 154 ff.
siehe auch K. J. Arrow, Alternative Approaches to the Theory of Choice in Risk-Taking Situations, Econometrica 19/1951, S. 404 ff.
M. Shubik, Strategy and Market Structure. New York 1959, S. 174 ff.
R. D. Luce und H. Raiffa, Games and Decisions, New York 1957, S. 278.
Siehe auch H. Albach, Wirtschaftlichkeitsrechnung bei unsicheren Erwartungen, a. a. O., S. 174 ff.
Vgl. z. B. J. R. Meyer und E. Kuh, The Investment Decision, An Empirical Study, Cambridge/Mass. 1957, S. 13
A. Moxter, Spieltheorie und wirtschaftliches Verhalten, Rezension von v. Neumann und O. Morgenstern, Spieltheorie und wirtschaftliches Verhalten, Würzburg 1961, ZfhF, N. F., 14/1962, S. 463–469
insbes. S. 464
R. D. Luce und H. Raiffa, Games and Decisions, a. a. O., S. 278 f.
siehe auch Walther Busse von Colbe, Die Planung der Betriebsgröße, Wiesbaden 1964, S. 254 f.
Alfred Kuhn, Optimale Unternehmerstrategien in Oligopolsituationen, unveröffentlichtes Manuskript der Habilitationsschrift, Münster 1968.
Leonid Hurwicz, Optimality Criteria for Decision Making under Ignorance. Cowles Commission Discussion Paper (Statistics No. 370) 1951.
Vgl. hierzu auch die vom Verfasser geäußerte Kritik gegen die Sattelpunktstrategie, die sich implizit auch auf das Wald-Kriterium erstreckt. Helmut Koch, Über eine allgemeine Theorie des Handelns, a. a. O., S. 391.
J. L. Hodges, Jr., und E. L. Lehmann, The Use of Previous Experience in Reading Stastistical Decisions, Annals of Mathem. Statistics, Vol. 23, 1952, S. 396–407.
L. J. Savage, The Theory of Statistical Decision, in: Journal of the American Statistical Association, Band 46 (1951), S. 55–67
J. Niehans, Zur Preisbildung bei ungewissen Erwartungen, in Schweizerische Zeitschrift tür Volkswirtschaft und Statistik, Jg. 84 (1948), S. 433–456
ders., Ein neues Werk über ungewisse Erwartungen, Besprechungsaufsatz zu G. L. S. Shackle, Expectation in Economics, Schweizerische Zeitschrift für Volkswirtschaft und Statistik, Jg. 86 (1950), S. 365–369
ferner W. A. Jöhr, Die Konjunkturschwankungen, a. a. O., S. 402 ff.
W. Wittmann, Unternehmung und unvollkommene Information, a. a. O., S. 72 ff.
W. Krelle, Unsicherheit und Risiko in der Preisbildung, a. a. O., S. 421 ff.
Niehans spricht von dem Nachteil, der dem Unternehmer dadurch entsteht, daß seine Erwartungen nicht richtig waren. Dieser Nachteil ist von der seinem Vorschlag folgenden Literatur kurz als „Regret“ bezeichnet worden; vgl. J. Niehans, Zur Preisbildung bei ungewissen Erwartungen, a. a. O., S. 433–456.
Jörg Niehans, Zur Preisbildung bei ungewissen Erwartungen, a. a. O., S. 446 f.
H. Chernoff, Remarks on a Rational Selection of a Decision Function, in: Cowles Commission Discussion Paper, Statistics Nr. 326 A/1949, S. 1–17
vgl. auch G. Menges, Kriterien optimaler Entscheidungen unter Ungewißheit, a. a. O., S. 161.
Vgl. H. Schneeweiß, Entscheidungskriterien bei Risiko, a. a. O., S. 24.
Vgl. auch G. Menges, Kriterien optimaler Entscheidungen unter Ungewißheit, a. a. O., S. 161.
Siehe Helmut Koch, Zur Diskussion in der Ungewißheitstheorie, ZfhF 1960, S. 49 ff.
ders., ÜÜber eine allgemeine Theorie des Handelns, in: Zur Theorie der Unternehmung, Wiesbaden 1962, a. a. O., S. 367 ff.
hier S. 413 ff. — Siehe auch Erich Gutenberg, Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre, Bd. 2: Der Absatz, 7. Aufl., a. a. O., S. 14 ff.
Herbert Hax, Die Koordination unternehmerischer Entscheidungen, Köln und Opladen 1966, S. 35 ff.
Vgl. u. a. W. A. Jöhr, Die Konjunkturschwankungen, Tübingen 1952, S. 392 ff.
W. Krelle, Unsicherheit und Risiko in der Preisbildung, Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft 1957, S. 632 ff.
insbes. S. 636 ff.
Zur Problematik der Quantifizierung von Gefühlskomplexen siehe u. a. J. v. Neumann und O. Morgenstern, Theory of Games and Economic Behavior, 2. Ed., Princeton 1947, S. 16 ff.
L. Illy, Das Gesetz des Grenznutzens, Wien 1948, S. 146 ff.
J. Marschak, Rational Behavior, Uncertainty Prospects, and Measurable Utility, Econometrica 1959, S. 111 ff.
F. Mosteller und P. Nogee, An Experimental Measurement of Utility, Journal of Political Economy 1 1951, S. 371–404
A. A. Alchian, The Meaning of Utility Measurement, American Economic Review 1953, S. 26–50
H. Meyer, Zur Frage der Rechenhaftigkeit des subjektiven Wertes, in: Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik, Festschrift für Alfred Ammon, Bern, 1953, S. 60
D. Bernoulli, Exposition of a New Theory on the Measurement of Risk, Econometrica 1954, S. 23 ff.
Die hier abgebildeten Indifferenzkurven stehen zu der oben (siehe 2. Kapitel, Abschnitt III) aufgestellten These, daß hinsichtlich der Konsum-Sättigungsgrade keine Wertdifferenzen zugelassen sind, nicht im Widerspruch. Denn es geht hier nicht um die Ableitung einer Aussage über die Handlungsweise, sondern lediglich um die Einführung einer Bedingung, der das Theorem der Gewinnmaximierung zu unterwerfen ist.
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Koch, H. (1970). Das Ungewißheitsproblem in der Unternehmenstheorie. In: Grundlagen der Wirtschaftlichkeitsrechnung. Gabler Verlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-02080-6_14
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