Zusammenfassung
Bei den Einzelinterviews wie bei den Gruppendiskussionen finden sich zahlreiche Äußerungen, aus denen hervorgeht, daß die Mütter als aufgeschlossen und vorurteilsfrei(-er) gegenüber straffällig Gewordenen gelten wollen — zumindest seit dem Zeitpunkt, ab dem der eigene Sohn selbst straffällig geworden ist. Der dadurch ausgelöste Schock habe einem die Augen geöffnet, habe einen Lernprozeß in Gang gesetzt. Früher habe man ja selbst jene Vorurteile vertreten, gegen die man jetzt als unmittelbar Betroffener anzukämpfen habe. Früher habe man selbst die Welt in Gerechte und Ungerechte geschieden und sich selbst zu den Gerechten gezählt („Also, wir sind die Gutbürgerlichen, nicht, und die anderen, die kommen aus dem Gefängnis...“ (GD, 2)); heute sehe man das Problem mit anderen Augen, nicht zuletzt deshalb, weil man sich damit intensiv beschäftige.
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Anmerkungen
„Und da ging’s los. Jetzt hieß es, einem Jungen auf dem Arbeitsplatz ist die Brieftasche und das Portemonnaie gestohlen worden. Jetzt hatten sie alle ihre Schränkchen, die waren aber nicht abgeschlossen, sagt der Ingo, die standen alle offen, zum Aufmachen. Und in seinem Schrank haben sie die leere Brieftasche und das Portemonnaie nachher gefunden. Und da sage ich, das ist doch gar nicht zu glauben, wenn ich was stehle, dann schmeiße ich das Leere doch nicht in meinen Schrank, das macht doch keiner. Nicht mal ein Irrsinniger macht das! “ (V)
Gerade bei der hier angesprochenen Deliktgruppe (Drogendelikte/Fahnen?flucht) mag für die davon betroffenen Mittelschicht-Mütter auch die „Rea?lität“ selbst entlastend gewesen sein: mit diesen „neuen“ Delikten, die sich überdies leicht von der „gewöhnlichen Kriminalität“ abgrenzen lassen, sah sich in den 70er Jahren zunächst die Mittelschicht zunehmend konfron?tiert. Hinzu kommt die Entlastung verschaffende Wirkung „privater Umfra?gen“ im Bekanntenkreis! Die mit solchen Umfragen verbundene Tendenz zur selektiven Wahrnehmung registriert plötzlich nur noch „gleichgela?gerte“ Fälle im Bekanntenkreis.
Diese Affinität entlastet in doppelter Hinsicht: zunächst deshalb, weil die „Cliquentheorie“ selbst „Schuld“ und „Verantwortung“ den externen Verführern zuschreibt, dann aber auch, weil die Verfügbarkeit über eine Theorie (über eine kognitive Sinnstruktur) dem Bewußtsein die Sicherheit verleiht, „sowieso Bescheid zu wissen“, so daß die Bereitschaft, Informa?tionen aufzunehmen, nicht mehr gegeben ist.
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Dürkop, M., Treiber, H. (1980). Rechtfertigungsmuster und Entlastungslegenden. In: Leiden als Mutterpflicht. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-01703-5_12
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-01703-5_12
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
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