Zusammenfassung
Das Hessische Schulgesetz (SchulG) vom 17. Juni 1992,1 in Kraft getreten am 1. August 1993, ist der gelungene Versuch einer Kodifikation, die acht zuvor auf verschiedene Gesetze verstreute Regelungsmaterien zusammenfaßt und dadurch Normenklarheit schafft. Darüber hinaus trägt es der vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Wesentlichkeitstheorie Rechnung, wonach das Rechtsstaats- und das Demokratieprinzip des Grundgesetzes den Gesetzgeber verpflichten, die wesentlichen Entscheidungen im Schulwesen selbst zu treffen und nicht der Schulverwaltung zu überlassen2. Das Gesetz gleicht frühere Regelungsdefizite insbesondere in der normativen Gestaltung des Aufbaus der Schulen, ihrer Bildungsgänge, Formen, Stufen und Inhalte aus. Auf diese Weise eröffnet es den Schulen einen rechtlich gesicherten, aber auch überprüfbaren Rahmen für ihre pädagogische Arbeit. Nicht zuletzt soll das Gesetz auch eine innere Schulreform ermöglichen beispielsweise dadurch, daß es die Schule für neue Inhalte und Arbeitsformen sowie für ihr soziales und kulturelles Umfeld öffnet.3
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Literatur
BVerfGE 41, 251, 259 ff., Beschluß v. 27.1.1976, und seitdem st. Rspr.
Zu den Zielen des Hessischen Schulgesetzes s. Franz Killer: Hessisches Schulgesetz. Kommentar (Loseblattausgabe), Wiesbaden 1993 ff., S. 23 f.
Vgl. etwa Theo Liket: Freiheit und Verantwortung. Das niederländische Modell des Bildungswesens, Gütersloh 1993; Peter Daschner/Hans-Günter RolffiTom Stryck (Hrsg.): Schulautonomie — Chancen und Grenzen. Impulse für die Schulentwicklung, Weinheim und München 1995; Denkschrift der Kommission „Zukunft der Bildung — Schule der Zukunft“ beim Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen, Neuwied, Kriftel, Berlin 1995.
Grundsätzlich zur verfassungsrechtlich zulässigen Reichweite schulischer Selbstverwaltung s. Hermann Avenarius: Schulische Selbstverwaltung — Grenzen und Möglichkeiten, RdJB 1994, 256.
Hess. StGH, Urt. v. 4.10.1995 — P.St. 1170 —, StAnz. 1995 S. 3391.
Der Hessische Staatsgerichtshof nimmt mit dieser Wendung ausdrücklich Bezug auf sein Urteil vom 30.4.1986 in dem Normenkontrollverfahren zur verfassungsrechtlichen Überprüfung des Hessischen Personalvertretungsgesetzes (— P.St. 1023 — StAnz. 1986 S. 1089 ). Der Begriff „wesentlich“, den der Staatsgerichtshof verwendet, hat eine andere Bedeutung als der, der der Wesentlichkeitstheorie des Bundesverfassungsgerichts zugrunde liegt. Während er dort die Unterscheidung zwischen den Verantwortungsbereichen von Parlament und Regierung/Verwaltung trägt, wird er hier zur Abgrenzung der Zuständigkeiten der Exekutive und der ihr nachgeordneten weisungsgebundenen Stellen gegenüber weisungsunabhängigen, dem Parlament nicht verantwortlichen Gremien verwendet.
l0 Zur „Klagebefugnis von Schulgremien im Schulverfassungsstreit“ Jürgen Staupe, RdJB 1978, 188.
Die Formulierung im Urteil vom 30.4.1986 (Fn. 7), auf das sich der Staatsgerichtshof in seiner Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit des Schulgesetzes bezieht, ist übrigens differenzierter: „Es ist durchaus zulässig, Verwaltungsentscheidungen im staatlichen Bereich durch gesetzliche oder sonstige Regelungen aus dem Aufgabenbereich und der Entscheidungsbefugnis der Landesregierung herauszunehmen und zum Beispiel unabhängigen Ausschüssen zu übertragen, sofern es nicht erforderlich ist, daß die Regierung diese
BayVerfGH, Entscheidung v. 17.11.1994 — Az. Vf. 96-IX-94, V£-97-IX-94 — DVBI. 1995, 419.
BVerfGE 9, 268, 281, Urt. v. 27.4. 1959; BVerfGE 83, 60, 71, Urt. v. 26.6.1990; st. Rspr.
BVerfGE 93, 37, 66 ff., Beschluß v. 24. 5. 1995.
Auch hier überrascht, daß der Hessische Staatsgerichtshof auf diese Entscheidung, die zum Zeitpunkt des Erlasses seines Urteils zum Hessischen Schulgesetz längst veröffentlicht war, mit keinem Wort eingeht. Im übrigen wäre es aufschlußreich, den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts zum schleswig-holsteinischen Gesetz über die Mitbestimmung der Personalräte mit dem Urteil des Staatsgerichtshof zum Hessischen Personalvertretungsgesetz aus dem Jahre 1986 (Fn. 7) zu vergleichen; doch würde das den Rahmen dieses Beitrags sprengen.
Vgl. Ernst-Wolfgang Böckenförde: Demokratie als Verfassungsprinzip, in: Isensee/Kirchhof(Hrsg.): Handbuch des Staatsrechts, Band I, Heidelberg 1987, § 22, S. 887 (896 f.). Böckenförde hat mit diesem Beitrag die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum schleswig-holsteinischen Mitbestimmungsgesetz, an der er als Richter des Bundesverfassungsgerichts selbst mitgewirkt hat, weitgehend vorstrukturiert.
Vgl. z.B. BVerfGE 47, 46, 83, Beschluß v. 21.12. 1977.
Vgl. Hans Heckel/Hermann Avenarius: Schulrechtskunde, 6. Aufl., Neuwied und Darmstadt 1986, S. 234 f., m.w.N.
Böckenförde (Fn. 16), S. 908 f.
Bedenklich bleibt allerdings, daß die staatliche Schulaufsicht bei der Wahrnehmung ihrer rechtsaufsichtlichen Funktionen gemäß § 93 Abs. 2 Nr. 1 Schu1G nur bei Verstößen gegen wesentliche Rechtsvorschriften eingreifen kann. Diese Einschränkung könnte eine wirksame Kontrolle der Einhaltung der rechtlichen Bindungen der Schulkonferenz gefährden.
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Avenarius, H. (1997). Schulische Selbstverwaltung und Demokratieprinzip. In: Eichel, H., Möller, K.P. (eds) 50 Jahre Verfassung des Landes Hessen. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-01677-9_9
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