Zusammenfassung
Im folgenden soll die Analyse institutioneller Handlungssysteme mit der Analyse der Teilnahme-Strukturen von Individuen in Institutionen verknüpft werden und — wenn man so will1 — die objektive mit der subjektiven Analyse-Perspektive insofern vermittelt werden, als berücksichtigt werden muß, daß objektive Partizipationschancen subjektiv erst wahrzunehmen sind. Hier geht es um die Klärung der Bedingungen und Möglichkeiten von Aushandlungsprozessen, in denen die Interaktanten einen institutionsspezifischen Problemkomplex bearbeiten. Bisher lag der Fokus der Analyse im wesentlichen auf dem Vergleich von Typen von Handlungen, allerdings immer mit Blick auf das jeweilige Handlungssystem, dem sie angehören und innerhalb dessen sie nur ihre spezifische Funktion haben. Nunmehr sind umgekehrt die institutionellen Handlungssysteme selbst in den Fokus der Analyse zu nehmen, allerdings immer mit Blick auf die entsprechenden Typen von Handlungen. Auch hierbei bedienen wir uns weiterhin der Methode einer komparativen Form- und Funktionsanalyse, wie sie einleitend (§ 1.4) umrissen wurde.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Literatur
Die Einschränkung ist der wiederholt problematisierten, weil mißverständlichen Terminologie (subjektiv - objektiv) geschuldet, worauf wir in einem weiteren Zusammenhang nochmals zurückkommen.
Auf das Problem der Wahlmöglichkeit (auch in ritueller Kommunikation) kommen wir unter dem Aspekt des Aushandelns (§ 6.4) zurück.
Vgl. zur Empirie eines besonderen Typs, nämlich des Jugendgerichts, Seidel (1984) und Muth (1984) sowie zu methodischen Fragen der Analyse jugendgerichtlicher Interaktion Schröer (1984) und Reichertz (1984).
Vgl. Gülich (1981), die kontrastiv einige dieser Institutionstypen unter dem Aspekt der Dialogkonstitution untersucht; vgl. speziell zum Aspekt der rituellen Kommunikation am Beispiel der römischen Messe Werlen (1984: 148ff.) und des evangelischen Gottesdienstes Paul (1990) und unten (§ 6.4.4).
Für die Themenzentrierte Interaktion sei hier exemplarisch auf Cohn (1978) verwiesen; im Falle der psychoanalytischen Therapie erstreckt sich die Tradition etwa von Freuds “Ratschlägen” zur psychoanalytischen Behandlung (1912/197Off.) und zur Technik der Psychoanalyse (1913/1970ff.) bis zu neueren lehrbuchartigen Darstellungen und Forschungsarbeiten wie Menninger/Holzman (1958/1977), Sandler/Dare/Holder (1973/1979) und Thomä/Kächele (1985). Daß die hier formulierten Gesprächsregeln der psychoanalytischen Therapie in empirischen Therapiegesprächen sehr unterschiedlich eingeführt und gehandhabt werden, steht auf einem anderen Untersuchsblatt, vgl. dazu Koerfer/Neumann (1982).
Vgl. zur Frage der notwendigen oder auch nur vorherrschenden Asymmetrie in verschiedenen professionell-institutionellen Diskurstypen Siegrist (1982), Westphale/Köhle (1982: 68ff.), Nothdurft (1984: 67ff.), Rehbein (1984: 61), Fehlenberg (1987: 29ff., 203ff.), Quasthoff (1990), Koerfer/Köhle/Obliers (1993).
Wie bei Hartmanns (1973: 142) Aspekten speziell für rituelle Kommunikation sei zugestanden, daß es zunächst bei der Erstellung einer solchen Liste nicht auf Vollständigkeit, Widerspruchsfreiheit bzw. Vermeidung von Überschneidungen ankommt, vgl. weiterhin Gülich (1981: 442) zur rituellen und institutionellen Kommunikation, Koerfer/Neumann (1982) und Koerfer/Zeck (1983) zur Unterscheidung von Dialog-, Interaktions-, Argumentations-und Institutionsrollen, Brünner (1987: 25f.) zu spezifischen Aspekten und Dimensionen sprachlichen Handelns in Institutionen, Schank/Schoental (1976: 29ff.) zum Freiburger Konzept der Redekonstellationstypen, Henne/Rehbock (1979: 32ff.) zu einem allgemeinen kommunikativ-pragmatischen Kategorieninventar.
Natürlich sind sowohl im Gericht wie in der Schule Fragen eines bestimmten Typs wie etwa die Verständnisfrage durchaus zulässig, aber das Fragerecht liegt doch prinzipiell bei den Agenten der Institution.
Auf den Aspekt des Zwangs hebt Penman (1987) in seiner Kritik am Grice’schen Modell der Kooperation ab, vgl. dazu unten.
Offensichtlich ist der Zwang zur Kooperation in Institutionen, die Goffman (1961/1972) als “totale Institutionen” kennzeichnet, die hier weitgehend beiseite gelassen werden müssen.
Die Grenzen dieser Wandlungsfähigkeit erweisen sich an der vorherrschenden Schulwirklichkeit, vgl. oben (§ 4.3) und unten (§ 6.5).
Vgl. zur formalen Kooperation im therapeutischen Diskurs unten (§ 6.2.2) und zur materiellen Kooperation Brunner (1978) und (1987).
Vgl. Luhmann (1969/1983) zur Frage der Zeitfolge von Darstellungen, die selbst zum Gegenstand von taktischen Überlegungen gemacht werden kann, um zur Überraschung und zu Lasten anderer Argumente in Reserve zu halten, “bis der beste Zeitpunkt für sie gekommen ist” (94).
Es sei dahingestellt, inwieweit Strategien des Zeitgewinnens oder der Berufung auf grundsätzliche Erinnerungsbeschränkungen erfolgreich sein können. Im vorliegenden Fall wechselt der Zeuge späterhin zu einer Strategie der Berufung auf Mißverständnisse (hier bei der polizeilichen Vernehmung), und zwar in der hier möglichen Variante der Berufung auf die besondere Verstehensproblematik beim fremdsprachlichen Handeln, vgl. zu dieser Strategie Koerfer (1990).
Den Formulierungen von Freud ist natürlich ebensowenig Trennschärfe abzugewinnen wie der Grice’schen Formulierung der Maximen, wie dies Grice im übrigen wiederholt zugesteht (z.B. 1975: 46, zum Verhältnis von Maximen der Quantität und Relation).
Daß sich für den Analytiker in den Erzählungen gerade ein latenter Themenkomplex allmählich herausschält und stabilisiert, der die Lebensproblematik des Patienten betrifft, steht auf einem anderen, für den Patienten zunächst “leeren” Blatt.
Die Vergleichshinsicht der Öffentlichkeit/Privatheit wird auch von Lakoff (1992) in ihren Analysen geschlechtsspezifischen Gesprächsverhaltens in den beiden Institutionen Justiz und Psychotherapie als wesentlich herausgestellt.
Einschlägig ist das Zeugnisverweigerungsrecht aus beruflichen Gründen (§ 53 StPO), das sich auch auf weitere Berufe (Rechtsanwalt, Apotheker, Steuerberater usw.) erstreckt.
Dieckmann bezieht seine Kritik exemplarisch auf die Interviewanalysen von Schwitalla (1979), wobei allerdings die Frage ist, ob Dieckmann seine Kritik nicht überzieht angesichts der von Schwitalla eingeschränkten Fragestellung, für die auch Dieckmann einen eigenen Erkenntniswert zugesteht.
Wie Dieckmann an anderer Stelle (1985) ausführt, ergeben sich für die empirische Analyse trialogischer Kommunikation allerdings erhebliche methodische Probleme des Nachweises, worauf hier nur verwiesen werden kann; vgl jedoch oben (§ 3.5) zum allgmeinen Problem des Nachweises von verdeckten Intentionen und Strategien.
Vgl. oben § (2.3.2–3), es sei darin erinnert, daß diese Unterscheidung quer zu der Unterscheidung von institutionellen und nicht-institutionellen Handlungen stand; im folgenden sollen nur institutionelle Handlungsfälle interessieren.
Vgl. oben (§ 1.4) zur Rechtfertigung einer z.T. relativ altmodischen Terminologie, an der hier aus handlungstheoretischer Sicht gerade entgegen der Polemik von Luhmann (1964/72: 19) gegen die “alte Auslegungs-und Gehorsamkeitsperspektive” festgehalten werden soll.
Daß nicht alle Handlungen unter Berufung auf Pflichten (bzw. die legitime Abwehr drohender Sanktionen) rechtfertigt werden können, war bereits oben (§ 4.1) mit Hinweis auf die Diskussion um den Befehlsnotstand angemerkt worden. Mit den nachfolgenden Unterscheidungen wird die breit gefächerte Diskussion um das Problem der Hierarchie und Konkurrenz von Normen und (letzten) Werten arg verkürzt.
Dittmann (1979) und Dieckmann (1981), deren Ausführungen zur Frage des Handlungssubjekts und seinen Intentionen in Institutionen mit den hier angestellten Überlegungen vereinbar zu sein scheinen, sprechen einheitlich von subjektiven Intentionen. In jedem Fall handelt es sich um terminologische Krücken, weil die gängigen Oppositionen (subjektiv-objektiv, individuell-kollektiv, privat-öffentlich, persönlich-unpersönlich) in bezug auf Intentionen Mißverständnisse schüren und nicht beseitigen, wie die obige Diskussion (in §. 3) gezeigt hat.
Deswegen sind hier im nachhinein auch alle Handlungsbeschreibungen (aus § 2.5.3) auszuschließen, mit denen eine solche Handlungswahl unterstellt wird. Vgl. dagegen den Fall eines nicht unproblematischen Diskussionsleiterverhaltens in Koerfer/Zeck (1983), in dem vom Diskussionsleiter bestimmte Interessen innerhalb eines größeren Handlungsspielraums wahrgenommen werden.
Natürlich haben die aufgezeigten “Phänomene”, die auf individuelle Differenzen verweisen, auch in der Systemtheorie ihren zugewiesenen Platz; aber etwa bei Luhmann (1984/87) haben die entsprechenden Kapitel 6 zur Interpenetration und besonders Kapitel 7 zur Individualität psychischer Systeme eher den Status größerer Exkursionen zu Residualproblemen der Theorie, die zuvor und hernach vernachlässigt werden können. So bemerkt Luhmann selbst: “Wir fügen deshalb in die Darstellung der Theorie sozialer Systeme ein für diese Theorie eher marginales Kapitel über Individualität ein” (1984/87: 347).
Zu den verschiedenen Verwendungsweisen des Rahmenbegriffs sei hier lediglich verwiesen auf Goffman (1974/1980), Soeffner (1986) und Müller (1984).
Zur theoriegeschichtlichen Ableitung des Aushandlungsbegriffs und einer systematischen Begründung einer Aushandlungstheorie vgl. Strauss (1978). Verwiesen sei hier weiterhin auf die ausführliche Diskussion sowohl um alltagssprachliche Bedeutungen (von “verhandeln”/“aushandeln” und “to bargain”/to negotiate“) als auch zur Begriffsgeschichte und Anwendung des Aushandlungskonzepts in der Interaktionsforschung und Konversationsanalyse in Dieckmann/Paul (1983) sowie Juchem/Schmitz (1985) und Dieckmann/Paul (1985). Der Stand der Diskussion, die dort zwischen den Autoren sehr detailliert geführt wird und stark mit der Ausräumung von (terminologischen) Mißverständnissen befaßt ist, kann hier ohnehin nicht erreicht werden. Es ist aber zu hoffen, daß die Verwendung des Begriffs ”Aushandeln“ nachfolgend hinreichend deutlich wird. Von einem engen Begriff ist ein weiter Begriff des Aushandelns zu unterscheiden, wie er etwa von Kallmeyer im Zusammenhang mit dem Begriff der Bedeutungskonstitution zugrundegelegt wird: ”Es ist jedoch davon auszugehen, daß im Prinzip alle Vorgänge gemeinsamen Handelns von derartigen Aushandlungen betroffen sind“ (1981: 93). Insgesamt ist hier die Differenz von Interpretationen als Dauerleistung und Interpretation als Extra-Leistung einschlägig, die oben (§ 3.4) mit Bezug auf Habermas eingeführt wurde.
Hierbei sind die beiden Begrenzungsperspektiven zu berücksichtigen, daß je nach Pflicht Aushandlungsprozesse zugelassen oder aber vorgeschrieben sein können.
Je stärker die Pflicht und je enger das Netz der Pflichten, desto geringer der Handlungsspielraum, und zwar für alle Aktanten. Von den abgeleiteten Fällen, in denen Pflichten (und Neigungen) untereinander in Konkurrenz treten können, sei hier abgesehen.
Die im folgenden unterstellten, wesentlich-traditionellen Formen des Gottesdienstes sind natürlich nur ein Teil des Handelns in der Institution Kirche, vgl. dazu Werlen (1984), Paul (1983) und (1990).
Luhmann unterscheidet im wesentlichen Konditional-und Zweckprogramme, wobei beide Programmtypen vielfältig kombiniert gebraucht werden können.
Es sei angemerkt, daß Luhmann nicht zwischen schwächeren und stärkeren Formen von Handlungsautomatismus unterscheidet, vielleicht weil in striktem Sinn eine Graduierung nicht möglich ist. Was hier nachfolgend mit ‘Handlungsautomatismus’ bezeichnet wird, wird bei Luhmann z. B. mit ’mechanisch auslösen’ (1969: 40) umschrieben und ausschließlich für rituelle Kommunikation reserviert. In den nachfolgenden angeführten Fällen scheint die Annahme einer schwächeren Form des Handlungsautomatismus (oder wie immer man es umschreiben will) sinnvoll, u.a. weil in bestimmten Entscheidungsbatterien (z.B. der Verwaltung) kein diskursives Verfahren eingebaut ist.
Die neben politischer Wahl und Gesetzgebung von Luhmann angestellten Oberlegungen zu Entscheidungsprozessen in der Verwaltung sind für die nachfolgenden Fragestellungen auch dort nicht oder nur sehr indirekt einschlägig, wo die Frage der Rationalität bzw. Effizienz der Verwaltungen sowie ihr Verhältnis zum Publikum thematisiert wird.
Aus: Materialband 3 (S. 58f) des Projekts “Das Verhältnis von Mündlichkeit und Schriftlichkeit in kommunikationsintensiven Berufen” am FB 15 der Universität Dortmund unter der Leitung von K. Ehlich; Mitarbeit: M. Becker-Mrotzek und I. Fickermann. Die Transkription ist hier vereinfacht: Mit den großen eckigen Klammern, die jeweils zwei Zeilen verbinden, werden Simultanflächen markiert, Redeteile in einfachen eckigen Klammern sind leise gesprochen, Redeteile in einfachen runden Klammern sind schwer verständlich. Betonte Redeteile sind kursiv gesetzt.
Diese Problematik äußert sich zumindest in diesen Dimensionen: Die Klienten bekommen häufig weniger Geld, als sie erhofft oder erwartet haben oder als ihnen “objektiv” zusteht. Letzteres etwa, weil sie qua mangelnder Kompetenz nicht in der Lage sind, die für sie günstigsten Daten geltend zu machen, selbst dann nicht, wenn sie rein formal, wie etwa in Beispiel (6.28), nach “Schwierigkeiten” gefragt werden. Die kann nur derjenige artikulieren, der über gewisse Vorkenntnisse verfügt. Das Lesbarkeitsproblem von Antragsformularen und Bescheiden tut dann das übrige.
Vgl. die empirischen Beispiele im Materialband 1 des oben angeführten Dortmunder Projekts sowie Becker-Mrotzek/Fickermann (1989) und Becker-Mrotzek/Ehlich/Fickermann (1992).
Auch im Sozialamt ist das Verfahren dem gesetzlichen Anspruch nach eher auf eine individuelle Fallproblematik abgestellt, die in der Kommunikation zwischen Agent und Klient erst diskursiv zu entwickeln ist. So betont auch Wenzel (1981) die gesetzlich vorgeschriebene Individualisierung der zu gewährenden Sozialhilfe, was ein erhebliches Maß an Kooperativität auf beiden Seiten verlangt, sie erkennt aber in der Praxis der Paraphrasetätigkeiten der Sachbearbeiter ebenso eine Tendenz zur Pseudo-Kooperation. Vgl. weiterhin zur Sozialamtskommunikation Gloy (1981), Wenzel (1984) und Selting (1987 und 1985 ).
Den von Luhmann (1969/83: 133f.) selbst betonten Kollisionen wäre erst noch in empirischen Analysen nachzugehen, um etwa die Problematik, die er mit Blick auf das, was ‘geglaubt’ wird, und mit Blick auf ’eine latente Funktion’ (sic!) beschreibt, näher herausarbeiten zu können.
Vgl. zur Anwendung der Diskursethik in Politik, Recht und Wissenschaft die Beiträge in Apel/Kettner (Hg.) (1992) und speziell zur Anwendung in der Medizin Koerfer/Köhle/Obliers (1993).
Es geht in der empirischen Analyse nicht nur um das Problem des Unterschieds und der Kombination von Programmtypen, sondern auch um das Problem, daß schließlich auch da entschieden und gehandelt werden muß, wo es kein so tradiertes und gut ausgearbeitetes Entscheidungsprogramm (wie beim Gerichtsverfahren) gibt und das “Programm” zwar nicht erst geschrieben, aber doch entdeckt werden muß.
So wäre es eine lohnende Aufgabe, verschiedene Institutionen allein nach den Zeit-Differenzen zu vergleichen und dies im übergeordneten Funktionszusammenhang etwa der kooperativen Wahrheitsfindung zu untersuchen (vgl. § 6.5), die eben nur in dem Maß gelingen kann, wie bestimmte Zeitmaße gegenüber den spezifischen institutionellen Handlungszwecken nicht unverhältnismäßig unterschritten werden. So würde das notorisch hohe Verhandlungstempo vor Gericht, aus dem Luhmann (1969/83) gerade eine Reihe von Charakteristika für die Gerichtsverhandlung als solche herleitet, aus prinzipiellen Gründen eben nicht auf die Seminarinteraktion oder die psychoanalytische Therapie übertragbar sein. Vgl. zur Bedeutung des Entscheidungs-und Interaktionstempos in verschiedenen Argumentationsforen (Gericht, Wissenschaft, Medizin) auch Toulmin/Rieke/Janik (1979/84: 16).
Daß damit nicht das prinzipiell anzustrebende Kritikniveau einer Institutionsanalyse erreicht werden kann, war bereits einleitend (§ 1.4) zugestanden und als Beschränkung der Analyse begründet worden. Im folgenden Vergleich handelt es sich um Institutionen, die bereits gut erforscht sind und zu denen umfangreiche theoretische und empirische Untersuchungen vorliegen, auf die hier wiederholt Bezug genommen wurde. Zu weitergehenden Perspektiven einer angewandten Diskursethik in Politik, Recht und Wissenschaft sei auf die Beiträge in Apel/Kettner (Hg.) (1992) sowie speziell in der Medizin auf Koerfer/Köhle/ Obliers (1993) verwiesen.
Habermas begründet seine typologischen Abgrenzungsversuche vor allem in seiner Auseinandersetzung mit der Argumentationstheorie von Toulmin/Rieke/Janik (1979/1984), die zwischen universalen (“field-invariant”) Verfahrensregeln und partikularen (“field-dependent”) Regeln in spezifischen Argumentionsfeldern (wie Wissenschaft, Recht, Medizin, Kunst, Management) unterscheiden. Vgl. speziell zu Habermas’ Theorie des praktischen Diskurses und zur Sonderfallthese von Alexy wiederum Neumann (1986: 70ff.) sowie die Replik von Alexy (1973/91: Nachwort) auf einige Kritiker. - Vgl. zur Behandlung des Wahrheitsproblems allgemein Luhmann (1971: 342ff.) und speziell im Gericht Luhmann (1969: 50ff., 66, 104ff.).
Mit dieser Metaphorik soll nur ausgedrückt sein, daß man natürlich nicht etwa sein Wissen über sich selbst oder konkrete Personen usw. einbringen muß, obgleich das in den Humanwissenschaften durchaus zulässig und mitunter sinnvoll ist, wenn man sich gewisser, in der Diskussion verlorengegangener Evidenzen versichern will.
Obgleich auch Habermas ( 1981, Bd. 1: 69f.) das therapeutische Gespräch wesentlich dadurch bestimmt sieht, daß der Therapeut in seiner Kritik an den Selbsttäuschungen des Patienten dessen Einstellungen mit Hilfe von Argumenten zu beinflussen und ihn schließlich zu überzeugen sucht, möchte er wie schon im Fall der Gerichtsverhandlung nicht ohne weiteres den Diskursbegriff verwenden. Es sei dahingestellt, ob mit der von Habermas vorgeschlagenen terminologischen Unterscheidung von “Kritik” gegenüber “Diskurs” den jeweiligen empirisch wirksamen Beschränkungen einer rein argumentativen Kommunikationsform bereits adäquat Rechnung getragen werden kann.
Eine in der Praxis offenbar bewährte Mischform von Lehrgespräch und wissenschaftlichem Diskurs hat sich mit der vielfältigen Übernahme der sokratischen Gesprächsmethode etabliert (vgl. zur spezifischen Analyse dieses Diskurstyps Flanke 1990 und Richter 1990), bei der sich allerdings der Lehrer mit seinem Wissensvorsprung aus didaktischen Gründen der selbstreflexiven Aneignung des im Prinzip selbst verfügbaren Wissens des Schülers ebenfalls bis zu gewissen Reifungszeitpunkten zurückhält.
Hier sei nochmals auf die kritischen Rekonstruktionsversuche von Lalouschek/Menz/Wodak (1990) und Menz (1991) am Beispiel empirischer Analysen der Kommunikation im Krankenhaus sowie auf Koerfer/Köhle/Obliers (1993) zur Anwendung der Diskursethik in der Medizin verwiesen.
Rights and permissions
Copyright information
© 1994 Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen
About this chapter
Cite this chapter
Koerfer, A. (1994). Institutionelle Handlungssysteme und Partizipation. In: Institutionelle Kommunikation. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-01486-7_6
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-01486-7_6
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-531-12557-2
Online ISBN: 978-3-663-01486-7
eBook Packages: Springer Book Archive