Zusammenfassung
Der in die Verfassung der Vereinigten Staaten nicht aufgenommene Gleichheitsgrundsatz, das Equal Rights Amendment, lautete schlicht: „Niemandem darf von den Vereinigten Staaten oder irgendeinem anderen Staat aufgrund seines oder ihres Geschlechts die gesetzliche Gleichberechtigung verweigert oder beschnitten werden.“ Gleichberechtigung für Frauen ist eine Zielsetzung, die sich an Individualismus und Wahlfreiheit orientiert. Dennoch scheiterte sie, weil rechtlich gesehen Menschen gleich sein müssen, um gleich behandelt zu werden, und weil nach der in den westlichen Gesellschaften vorherrschenden Überzeugung Frauen und Männer ihrem Wesen nach verschieden sind. Die biologisch begründete gender-Ungleichheit gehört nicht nur immer noch zu den selbstverständlichen Annahmen der Alltagsrealität in den westlichen Ländern; sie ist auch in Politik und Gesetzgebung eingegangen.1 Infolgedessen dürfte, wie Robert Connell sarkastisch anmerkt, die Zielsetzung des liberalen Feminismus in den westlichen Gesellschaften — Gleichheit für Frauen — für die Bekämpfung der Herrschaft der Männer über die Frauen etwa so wirkungslos sein wie es der Ruf, unter dem sich die liberalen Philosophen sammelten — alle Menschen sind gleich —, für den Kampf gegen die Herrschaft der Reichen über die Armen gewesen ist: „Der liberale Feminismus nahm das Prinzip der ‚Bürgerrechte‘ ernst und wendete es gegen das patriarchalische Modell des Bürgers. Die ‚Gleichberechtigung‘ ist mehr als ein Schlagwort; sie ist ein vollkommen logischer Rechtsgrundsatz, der gegen den ‚Geschlechtsadel‘ soviel ausrichtet wie einst die Lehre von den ‚Menschenrechten‘ gegen den Besitzadel“ (Connell 1990a, 512).
Eine feministische Staatstheorie ist kaum auch nur angedacht worden; systematisch wurde sie nie versucht.
— Catharine A. MacKinnon (1989, 249)
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Literatur
Eisenstein 1988; MacKinnon 1989; Okin 1979; Pateman 1988.
Siehe auch Jaggar 1990; MacKinnon 1989, 215-234. Joan Wallach Scott (1988b) meint, der Gleichheitsbegriff im weiteren Sinne bedeute Indifferenz gegenüber der Differenz.
Siehe auch Blumberg 1976. Aktuelle Veränderungen in der Kibbutz-Bewegung umfassen unter anderem Privatisierung, sehr viel mehr Lohnarbeiter in der Produktion sowie mehr Hausarbeit der Frauen für ihre eigenen Familien. Die Auswirkungen auf das Leben der Frauen dürften ähnlich sein wie die des Umschwungs vom Sozialismus zum Kapitalismus in Osteuropa (Michal Palgi, mündliche Mitteilung).
Siehe auch Redclift 1985; J. Smith 1984; Roldân 1985.
Beneria und Sen 1981; Bennholdt-Thomsen 1981; Blumberg 1989; Fernandez-Kelly 1989; Gimenez 1990; Mies 1986; Mies, Bennholdt-Thomsen und Werlhof 1988; Redclift 1985; J. Smith 1984.
Zur Arbeit von Frauen aus der Arbeiterklasse, siehe Beneria und Roldan 1987; Bunster und Chaney 1989; Byerly 1986; Chaney und Garcia Castro 1989a; 1989b; Fernandez-Kelly 1983; Westwood und Bhachu 1988; zu den Lohnunterschieden in modernen Industriegesellschaften, siehe Acker 1989a; Blum 1991; Remick 1984; Swafford 1978.
Chow 1987; Garcia 1989; Wallace [1978] 1990.
Acker 1988; Holcombe 1983; Weitzman 1985.
Zu den Klassenunterschieden an einer Arbeitsstätte von Lesbierinnen, siehe Weston und Rofel 1984. Zu Lesben-und Schwulenfamilien, siehe Bozett 1987; Weston 1991.
Badinter (1989, 147-190) meint, daß sich Frauen und Männer in den westlichen Gesellschaften bereits anzugleichen beginnen, und daß sich die gender-Unterschiede bereits erheblich verwischt hätten.
Beispiele für egalitäre Eheverträge für unterschiedliche Arten von Paaren, siehe Weitzman 1974, 1278-1288, und eine Beschreibung der finanziellen Arrangements eines auf strikte Gleichheit bedachten Paares, siehe Millman 1991, 165-170.
Keine Gesellschaft kann strukturelle Gleichheit ohne Gedankenfreiheit herstellen. Zu oft wurden bestimmte Kategorien von Menschen im Namen der sexuellen oder moralischen Reinheit unterdrückt. Umgekehrt müßten Menschen, die ihr Leben im Sinne der fundamentalistischen Strömungen des Judentums, Christentums oder Islams gestalten wollen, ebenfalls die Freiheit haben, dies zu tun, nicht aber die Freiheit, ihre Ansichten anderen Gruppen aufzuzwingen.
Siehe auch Cockbum 1991, 227-236; Ferguson 1984, 154-212. Dies sind, vom Separatismus abgesehen, auch die Werte des lesbischen Feminismus — Gleichheit für alle, Kollektivismus, Ethik von Fürsorge, Achtung vor dem Erfahrungswissen, Pazifismus und Zusammenarbeit (Taylor und Rupp 1993).
Wenn dann, ohne daß es jemand merkte, ein Mann sich als Frau oder eine Frau sich als Mann ausgäbe, wie es zu vielen Zeiten und an vielen Orten geschehen ist und sicher immer noch geschieht, würde dies keine Rolle spielen, da der Tausch zwischen Angehörigen der sozialen Kategorien Frauen und Männer stattfindet.
In manchen Organisationen, denen ich angehöre, wird ein solchen Arrangement benutzt, um sicher zu stellen, daß hin und wieder auch weiße Männer gewählt werden.
Diese epistemologischen Fragen wurden von den Feministinnen besonders im Hinblick auf die Naturwissenschaften aufgeworfen, die angeblich objektiv sind, aber tatsächlich die Werte der herrschenden Männer widerspiegeln. Siehe Haraway 1988; Harding 1986; 1991; Keller 1985; Longino 1990. Zum juristischen Bereich aus afroamerikanischer, feministischer Sicht, siehe P. J. Williams 1991, und zum sozialen Denken, siehe P. H. Collins 1990. Siehe auch D. E. Smith 1987a; 1990 zu Wissensproduktion und Macht.
Block und Neuls-Bates 1979 fanden dreitausend Kompositionen von amerikanischen Komponistinnen von der Kolonialzeit bis 1920.
Man erinnere sich, daß die Olympischen Spiele bis vor kurzem noch keinen Marathonlauf für Frauen hatten; daß die Ausdauer von Frauen bei Langstreckenschwimmen und Tennis ignoriert wird und daß im allgemeinen die Regeln für die Frauenwettkämpfe mehr von dem bestimmt sind, was Frauen im Sport nach Meinung der Männer, die die Regeln machen, tun können oder sollten, als davon, wozu Frauen wirklich fähig sind.
Durova 1989; Freeman und Bond 1992; Graham 1977; Wheelwright 1989.
In einer Übersicht über die „Sexliteratur über dem Ladentisch bezeichnet Kendrick (1992, 36) die Romane von Ann Rice als „omnisexuell.
Jesus Christus bezog Frauen als Gründerinnen und Führerinnen von Gemeinden mit ein, aber innerhalb von zweihundert Jahren schloß die etablierte Kirche genau wie im Judentum Frauen vom Priesteramt aus und gab Ehemännem genau wie bei den Römern Autorität über ihre Frauen (Farrell 1992; Fiorenza 1979). Judith Plaskow (1990, 36-48) meint, daß auch die jüdische Geschichte über weibliche Führerinnen hinweg geschrieben worden sei und daß es Anzeichen für ihre Führungsrollen in der Synagoge bis zum sechsten Jahrhundert unserer Zeitrechnung gebe.
Siehe Marge Piercys Gemeinschaften in Die Frau am Abgrund der Zeit (1976; dt. 1996).
Zur Macht der Erotik, siehe Lorde 1984; zu Sexualität und spiritueller Leidenschaft, siehe Plaskow 1990, 191-197; zur Definition von jouissance als „totaler Offenheit, totaler Teilhabe, totaler Exstase, siehe Cixous und Clément [1975] 1986, 165-166.
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Lorber, J. (1999). Demontage der Arche Noah: Gender und Gleichheit. In: Gender-Paradoxien. Reihe Geschlecht und Gesellschaft, vol 15. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-01483-6_13
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