Zusammenfassung
In der europäischen Politikwissenschaft haben momentan Policy-Netze Konjunktur. Pars pro toto sei das Schwerpunktheft des European Journal of Political Research vom Februar 1992 erwähnt, das ganz dem Thema der Policy Networks gewidmet war. Einer der Autoren, Frans van Waarden, bemerkte in diesem Heft, daß die Policy-Netze den Begriff des Korporatismus abgelöst hätten als „the fashionable catch phrase in the study of interest group politics“ (van Waarden 1992: 30). Der enge Zusammenhang mit der Thematik des Korporatismus könnte auch erklären, warum das Thema in der amerikanischen Politikwissenschaft augenblicklich weniger Konjunktur hat, wo auch die Korporatismus-Problematik vor einigen Jahren nicht die Aufmerksamkeit gefunden hat wie in Europa. Andererseits sollte man nicht außer acht lassen, daß Heclo bereits Ende der 70er Jahre den Begriff der Issue Networks prägte (1978) und damit, in Abhebung von der zu einfachen und nur kleinere Ausschnitte der Wirklichkeit erfassenden Vorstellung der Iron Triangles oder Subgovernments, eine mehr Mitglieder umfassende Gruppierung meinte, die auf der Basis gleicher Informationsquellen ein gemeinsames Problemverständnis für einen Politikbereich entwickelt haben, ohne notwendig dieselben Lösungen zu favorisieren (103–104). Wie später in der europäischen Politikwissenschaft wird die Nützlichkeit des Begriffs mit bestimmten Änderungen der sozialen Wirklichkeit in Zusammenhang gebracht, so daß Netzwerke als besondere Erscheinungsform der Interessenvertretung oder der Politiksteuerung gesehen werden. Mit dieser Auffassung kontrastiert eine andere, nach der Netzwerke relativ neutral als durch Beziehungen eines bestimmten Typs verbundene Akteure verstanden werden. Als Beziehung könnte man zum Beispiel die Weisungserteilung einer Behörde verstehen, so daß sich die Behörde als Ganzes als Weisungsnetzwerk operationalisieren läßt. Dieser formale Begriff kann natürlich auch auf Interessenverbände, Parteien und Behörden als die Einheiten eines Policy-Netzes angewandt werden, zwischen denen Beziehungen verschiedenen Typs wie zum Beispiel Ressourcenabhängigkeiten oder Kommunikationsverbindungen bestehen. Policy-Forschung und Netzwerk-Analyse in diesem formalen Sinn werden eher in der politischen Soziologie in Zusammenhang gebracht, so zum Beispiel in dem Buch von Laumann und Knoke (1987) über den Organizational State.
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Pappi, F.U. (1993). Policy-Netze: Erscheinungsform moderner Politiksteuerung oder methodischer Ansatz?. In: Héritier, A. (eds) Policy-Analyse. Politische Vierteljahresschrift, vol 24. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-01473-7_4
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