Zusammenfassung
Den sozialen und politischen Aktivitäten, die die NS-Studentinnen und -Akademikerinnen inner- und außerhalb der Hochschulen für die NS-Bewegung vor und nach 1933 leisten, liegt ihr politisches Selbstverständnis als Nationalsozialistin und als Frau zugrunde. Dieses beruht sowohl auf einer scharfen Abgrenzung gegenüber der „alten“ Generation, von der aber doch einige politische Grundhaltungen angenommen werden, als auch auf einer Selbsteinschätzung als sendungsbewußte „Junge Generation“1, die glaubt, eine historische und politische „Mission“ erfüllen zu müssen. Dabei ist das politische Bewußtsein der jungen Frauen stark von bestimmten Denk-und Verhaltensmustern der bürgerlichen Frauen- und Jugendbewegung beeinflußt. Seine frauenspezifischen Elemente entstammen hauptsächlich der konservativ orientierten Strömung der Frauenbewegung, die der Frau aufgrund ihrer „Eigenart“ „andersartige“ gesellschaftliche Aufgaben zuweist. Die Juendbewegung offeriert neue Identifikationsangebote, die über das konservativ-bürgerliche Frauenbild hinausgehen. Dazu gehört das Leitbild der Kameradin wie auch die Kanalisierung des weiblichen Idealismus im aktiven Einsatz für politische Ziele. Eine Analyse des Selbstbewußtseins der NS-Studentinnen und -Akademikerinnen zeigt, daß die virulenten Elemente dieser Muster sich zum einen, dem Entwicklungsprozess der Bewegung entsprechend, in ihren gesellschaftspolitischen Erwartungshaltungen an das NS-System spiegeln. Zum anderen erweitern sie das Spektrum der konservativ-traditionellen Frauenleitbilder über die der Hausfrau und Mutter hinaus und beeinflussen die subjektiven Motive ihrer aktiven Unterstützungsarbeit für den Nationalsozialismus, die sie in ihrer Rolle als Frau und Akademikerin ableisten.
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Literatur
Der Begriff der,Jungen Generation“ wird in der Weimarer Republik für die Beschreibung der von der Erwachsenenwelt als Besonderheit registrierten Jugendphase verwendet. Die Gesellschaft gesteht der Jugend,als einer Gruppe von Noch-nicht-Etablierten,eine eigene subkulturelle Entwicklung zu; vom Staat werden speziell auf sie zugeschnittene Fürsorge-und Strafmaßnahmen entwickelt. Es entstehen zahlreiche psychologische und pädagogische Untersuchungen, die die Phänomene,Jugend” und „Generation“ als Objekt wissenschaftlicher Forschung (Spranger, Wechsler) oder politischer und kultureller Gesellschaftsdeutungen aufmerksam beobachten. Zu diesen gehören auch die Schriften des dem Tat-Kreis angehörenden Leopold Dingräve (d.i. E.W. Eschmann), Wo steht die junge Generation? Jena 1931 und Dr. E.W. Eschmann, Wo findet die deutsche Jugend neuen Lebensraum? Bericht über die Rundfrage des Deutschen Studentenwerks, (Hrsg. vom Dt. Studentenwerk, Bearb. und zusammengefaßt von Eschmann, Berlin, Leipzig 1932.
Beide Geschlechter, jung und alt, müssen sich zur Bandbreite der gesellschaftskritischen und politischen Standpunkten dieser sozialen Bewegungen verhalten. Ihre Wirksamkeit läßt sich qualitativ und quantitativ nicht allein auf die organisierte Gruppierungen reduzieren. Beide Bewegungen stehen im öffentlichen Diskurs und beeinflussen die sozialen Beziehungen innerhalb der Gesellschaft. In der Weimarer Republik ist auf der gesellschaftlichen Ebene eine interaktionistische Auseinandersetzung mit den authentischen Bewegungen möglich, die mit der Umformung der beiden Bewegungen in ihre nationalsozialistische Figuration endet. Viele ihrer bedeutenden Inhalte verwandeln sich in nationalsozialistische
Elisabeth Lippert, a.a.O., S. 61.
Elisabeth Lippert schreibt dazu: „Als der neue deutsche Staat das Recht der gesunden Frau auf Ehe und Mutterschaft verkündete, gab er für eine seit Jahren im stillen gewachsenen Frauenbewegung gewissermaßen das Stichwort. Die Mühe zu überzeugen, blieb ihm erspart. Er hat nur die Aufgabe, das in jahrelanger Not machtvoll entflammte, uralte Naturverlangen zu erfüllen, indem er die wirtschaftlichen Voraussetzungen zur Familiengründung schafft.“ Elisabeth Lippert, a.a.O., S. 62.
Mary Müller, (Sinnspruch), in: Nordische Blätter. Zeitschrift für nordisches Leben, 5. Jg.,Juni 1929, Nr. 3, S. 41.
Hierzu zählen die folgenden Phänomene: der Prozeß der politischen Demokratisierung,insbesondere die Partizipation der Arbeiterklasse und der Frauen im demokratisch verfaßten Parteienstaat, die Entwicklung der Moderne in Kunst und Kultur, das Gleichberechtigungspostulat der Weimarer Verfassung, die ökonomischen und sozial-politischen Krisenphänomene (Arbeitslosigkeit) und die Strukturprobleme bei der sozio-ökonomischen Integration der bürgerlichen Jugend in Staat und Gesellschaft.
Das Weltkriegsereignis bedeutet für diese einen alltäglich spürbaren Bruch gesellschaftli-cher Kontinuitäten, die besonders in der kulturell und sozial radikal veränderten Lage von Staat und Gesellschaft zum Ausdruck kommt. Es entsteht starke kollektive Angst vor den Folgen des gelungenen Aufstiegs der Arbeiterbewegung, die sich zu einem sozialen und politischen Machtfaktor entwickelt hat und die nun als das bedrohliche Phänomen der organisierten „Masse“ wahrgenommen wird. Verstärkt durch die ökonomische Krisenerfahrung werden aber auch andere individuell und kollektiv bestimmte Feindbilder wie die äußeren „Erbfeinde” oder die inneren „Volksfeinde“ für die Stabilisierung kultureller und sozialer Identität und die Fundamentierung der politischen Gegnerschaft zur Weimarer Republik ausgebeutet.
Die daraus resultierende Ablehnung der „Erwachsenen“ ist zum Teil auch ein Synonym für
die Ablehnung der Weimarer Republik als Parteienstaat sowie für den an die „Alten“ gerichteten Vorwurf, gegen den Versailler Vertrag nur tatenlos zu rebellieren.
In der Weimarer Republik wird die Gegensätzlichkeit der Generationen deutlich wahrge-nommen. Schairer bezeichnet diesen Umstand als eine „zerbrechende Gemeinschaft zwischen der älteren und der jüngeren Generation“, die, um diesen Prozeß aufzuhalten, der jüngeren einen „Lebensraum” im Innern Deutschlands verschaffen solle. Reinhold Schairer, Der Raum der Jugend und der Raum der Welt, in: Volkstum und Kulturpolitik. Eine
Zu den generationsbezogenen sozialpolitischen Regierungsmaßnahmen, die für die „Jungen“ zu Verschlechterungen ihrer wirtschaftlichen Situation führen siehe Michael H. Kater, Generationskonflikt als Entwicklungsfaktor in der NS-Bewegung vor 1933, in: Geschichte und Gesellschaft, H. 11, 1985, S. 225ff.
Irmgard von Maltzahn, Getrennte Weltanschauung, in: Nordische Blätter, 7. Jg., Lenzing (März) 1931, Folge 3, S. 37–39.
Irmgard von Maltzahn, Getrennte Weltanschauung, a.a.O., S. 38.
George L. Mosse, Die völkische Revolution. Über die geistigen Wurzeln des Nationalsozialismus, Frankfurt a.M. 1991, 1. Auflg. 1964, S. 187.
Bei vielen Gruppen der bürgerlichen Jugendbewegung sowie in,jungen` intellektuellen Zirkeln kulminiert die Suche nach einer politischen Alternative zur Weimarer Republik in der mehr oder weniger durchdachten Utopie vom „Jugendreich“, vom „Dritten Reich” oder von einem autoritären antiwestlichen Staatssystem. Verwirklicht werden sollen die projektierten kulturellen und politischen Sozialutopien der „Kommenden“ beispielsweise mit Hilfe von Rückgriffen auf Mythen der vorkapitalistischen Gesellschaft bis hin zu konkreten Siedlungsprojekten Gleichgesinnter. Der von diesen Ideen ausgehende Einfluß auf die Gesellschaft der Weimarer Republik bekommt eine gewisse politische Bedeutung; an diese Ideen werden auch visionäre Heilserwartung geknüpft. Durch die Gleichsetzung von Jugend und,jung” mit Neuanfang und Erschaffung von Neuem erfährt dieser Begriff seine semantische Umgestaltung, die sich auch in den von bestimmten, völkisch-nationalistischen Interessen kreierten Bezeichnungen wie,junges Volk“ und,junges Deutschland” niederschlägt.
Siehe dazu Frank Trommler, Mission ohne Ziel. Über den Kult der Jugend im modernen Deutschland, in: Thomas Koebner u.a. (Hg.), „Mit uns zieht die neue Zeit“. Der Mythos Jugend, Frankfurt a.M. 1985, S. 14–49; hier besonders S. 19.
Vgl. dazu E. Günther Gründel, a.a.O., S. 427ff.
Vgl. Dr. E. W. Eschmann, Wo findet die deutsche Jugend neuen Lebensraum?, a.a.O. Der Raum, als Mangel an sozialem und wirtschaftlichen Raum“ gedeutet (S. 21). Erzeugung von Lebensraum kann sich also in der Forderung nach Territorium (Kolonien oder militärische Eroberungen), in der Förderung des Siedlungswesens im Inneren sowie auch in Lösungsversuchen der Integrationsprobleme in den Arbeitsmarkt (z.B. durch Abbau weiblicher Arbeitskräfte) verstanden werden.
E. W. Eschmann, Wo findet die deutsche Jugend neuen Lebensraum?, a.a.O., S. 2.
Dieses sachliche Begreifen von „Welt“ kommt der rechts orientierten Jugend insofern entgegen, als daß sie mitsamt der Subjektivität auch den Individualismus den objektiven Fakten unterstellt. Die sachliche Haltung verspricht sich von der Herrschaft der Fakten Konfliktfreiheit und - aus der Perspektive einer rechten politischen Orientierung - eine „organische Totalität”. „Der Objektivismus der Sachlichkeit blieb zweideutig, weil er ein ideologisches Machtvakuum schuf. Die Sachlichkeit entmächtigte die Subjekte und unterwarf sie der Macht der Fakten, ohne dem Zwang zur Unterwerfung eine Rechtfertigung zu bieten.“ Vgl. Sigrun Anselm, Emanzipation und Tradition in den 20er Jahren, in: dies. und Barbara Beck (Hg.), Triumph und Scheitern in der Metropole. Zur Rolle der Weiblichkeit in der Geschichte Berlins, Berlin 1987, S. 264.
E. W. Eschmann, Wo findet die deutsche Jugend neuen Lebensraum?, a.a.O., S. 5.
Vgl. E. Günter Gründel, a.a.O., S. 269. Gründel sieht im Nationalsozialismus die einzig mögliche Alternative für die,Junge Generation“. Dieser habe die „neue Vaterlandsliebe” und den neuen „gemeinsinnig-selbstlosen Volkssozialismus“ miteinander verbinden können.
Einen weiteren Aspekt dieses Ideenkomplexes beschreibt Dinggräve 1931: „Die etwas blasse Idee der Volksgemeinschaft, der wohl oder übel anzuerkennenden Zusammengehörigkeit nach außen ist von der jungen Generation zu einer glühenden Verehrung der Nation umgeschmolzen worden. Und zwar ging hier der Weg von außen nach innen. Von dem Erlebnis der Grenze, der Unterdrückung der Volksgenossen im fremdvölkischen Staat wendet sich die Erkenntnis zum Konkret-Sozialen innerhalb der drei deutschen Volksblökke in Deutschland, Österreich und Böhmen.“ Leopold Dingräve, Wo steht die junge Generation?, a.a.O., S. 43.
Siehe dazu Armin Mohler, Die konservative Revolution in Deutschland, 1918–1932, 2 Bde., 3. Auflg., Darmstadt 1989.
Siehe dazu Stefan Breuer, Anatomie der Konservativen Revolution, Darmstadt 1993.
In der Weimarer Republik fächert sich die Jugendbewegung in eine proletarische, die an die Arbeiterparteien gebunden bleibt, und eine bürgerliche Strömung auf, die zum großen Teil aus autonomen Gruppierungen besteht. Weiter entfalten sich mit ihrer politischen und kulturellen Ausdifferenzierung unterschiedliche Interessen, die politisch im rechts-konservativen bis links-liberalen Spektrum angesiedelt sind. Gemeinsam ist ihnen allen der ähnliche Lebensstil: die Erziehung in der Jugendgruppe zur „Gemeinschaft“ und „Gefolgschaft”, Lagerfahrten, Wanderungen, Spiel und Sport und Einübung und Verbreitung der „Volkskultur“. Die Parteien, Berufsverbände und die Kirchen sehen sich gezwungen, diesen Stil für ihre jugendpflegerische Arbeit weitgehend zu adaptieren, um sich damit „jugendlichen” Lebensformen anzupassen.
E. W. Eschmann (d.i. Dingräve) beschreibt den durch die Jugendgruppe geprägten Charakter der 14–18jährigen: „Soll die Schule ihrer Aufgabe nach sowohl das notwendige Kulturwesen vermitteln wie die Einordnung in das gesellschaftliche Leben fördern,… so geschieht in diesen Jugendgruppen unbewußt und ohne vorbedachten Plan etwas ganz anderes: das Wachstum von Führung und Gefolgschaft, von Selbstüberwindung und Selbstdurchsetzung, von tätigem Willen und kühler Wirklichkeitserfassung.“ Leopold Dingräve, Wo steht die junge Generation?, a.a.O., S. 22.
Das gemeinschaftsstiftende „Erlebnis“ ist eine der zentralen Kategorien der Jugendbewegung, die nicht nur eine äußere gemeinsame Erlebnisform darstellt, sondern auch kollektive Erfahrungen vermitteln und psychisch verankern will. Im Zuge der in der Weimarer Republik verstärkt einsetzenden gesellschaftlichen Modernisierungsphänomene entstehen u.a. persönliche freie Wahlmöglichkeiten, die aber als Kehrseite davon auch Entscheidungszwänge produzieren. Die psychischen Reaktionen darauf rufen bei den Verunsicherten das Verlangen hervor, persönliche Bindungen in „Gemeinschaften” mit Gleichgesinnten einzugehen. Die tiefere Bedeutung des „Erlebnisses“ für das Individuum liegt darin, daß dieses die existentiell verunsichernden psychischen Entgrenzungserfahrungen eindämmen und damit neue Sicherheiten verleihen kann. Im Nationalsozialismus erfährt das aus der Bewegung der Jugend heraus entwickelte „Erlebnis” eine Institutionalisierung. Seine anerkannte gemeinschaftsbildende Eigenschaft soll so auf bürokratischem Wege in das NS-System transferiert und auf diese Weise erhalten werden.
Zum Eindringen des völkischen Gedankengutes in die studentische Jugend der Weimarer wegung der frühen zwanziger Jahre in Deutschland, in: Frank Bajohr/Werner Johe/Uwe Lohalm (Hg.), Zivilisation und Barberei. Die widersprüchlichen Potentiale der Moderne, Hamburg 1991, S. 115–144.
Vgl. dazu das Kapitel „Ausbruch ins Volk“ bei Else Frobenius, a.a.O., S. 181–264.
Siehe zu den Unterschieden und Übereinstimmungen der bündischen Jugend mit dem NS-System in der Frage des Staates und der Volksgemeinschaft das Kapitel „Bündischer und nationalsozialistischer Staat“ bei Michael Jovy, Jugendbewegung und Nationalsozialismus. Zusammenhänge und Gegensätze. Versuch einer Klärung, Münster 1984, S. 108–113.
E. Günther Gründel, a.a.O., S. 423.
Der Idee vom Volk - gleichgültig ob Mythos oder Realität - blieb die Jugend hingegen immer treu. Ihre Bindung an Volk und germanischen Glauben, an Tradition, Heldentum und Brauchtum sowie die Identifikation mit dem Schönheitsideal des nordischen Menschen unterschieden sich häufig, blieben jedoch ein stabiles Element. Wesentliche völkische, ästhetische und ethische Werte wurden von der Jugend mit Begeisterung aufgenommen.… Nachdem völkisches Denken erst einmal Fuß gefaßt hatte, sah ein großer Teil der deutschen Jugend ihre Fahrten durch das Land als eine Art Revolution und glaubte, daß die Identifikation mit der Natur gleichbedeutend mit Unterwanderung der bestehenden Ordnung sei. Und nur darin wirkte die Bewegung (Jugendbewegung; H.M.) als lebendiger Teil einer im Vergleich zum Fortschritt der Zeit konservativen Ideologie.“ George L. Mosse, a.a.O., S. 186.
Das „Gemeinschaftserlebnis“ kann nicht nur auf den Wanderfahrten oder in den Lagern der verschiedenen Jugendgruppen der Jugendbewegung „erlebt” werden, sondern bekommt in der Weimarer Republik auch noch eine politische Bedeutung, wenn sich die Gemeinschafts-als Volksgemeinschaftsideologie präsentiert. Letztere soll dazu beitragen, die Jugendgruppierungen über alle politischen Differenzen hinweg zu einer Jugend zu verschmelzen, die glaubt, eine „revolutionäre“ und soziale „Sendung” erfüllen zu müssen.
Leopold Dingräve, Wo steht die junge Generation?, a.a.O., S. 23f.
Siehe dazu auch das Kapitel „Zum Volksbegriff der Jugendbewegung“ bei Michael Jovy, a.a.O., S. 102–104.
So trifft die „alte“ Generation der Vorwurf des widersprüchlichen politischen Handelns. Die Jugend sei, so Dingräve, gegen den faktischen Parteienpluralismus eingestellt, der für diese einen Widerspruch zwischen den inhaltlichen Forderungen und der politischen Realität offenbart, denn „theoretischer Absolutheitsanspruch (in Form der politischen Forderungen; H.M.) und praktische Anerkennung des Nebeneinander lassen sich für das Denken der jungen Generation nicht vereinigen”. Leopold Dingräve, Wo steht die junge Generation?, a.a.O., S. 30.
So charakterisiert Schairer 1932 die männliche Jugend, was aber auch prinzipiell für die weibliche Jugend gilt, wie folgt: „Die heutige Generation ist nicht mehr die Generation von 1900. Das Kriegserlebnis und seine Folgen, die Auswirkungen der Jugendbewegung, die erwachte Leidenschaft für politische Fragen, diese starken Grunderlebnisse haben die Kräfte der Jugend umgestaltet, die durch sie gegangen ist. Sie verlangen nach Einsatz, sie suchen ein Werk, dem sie sich hingeben können.“ Reinhold Schairer, Die akademische Berufsnot, Tatsachen und Auswege, Jena 1932, S. 93.
Ein Ausdruck der „wahren Volksgemeinschaft“ ist die Göttinger Abendschule der Studentenschaft, die im Herbst 1932 mit ihrem Unterricht für Arbeiter und Angestellte beginnt. Vgl. Werner Schael, Unsere Arbeit in der Göttinger Abendschule der Studentenschaft, in: Niedersächsische Hochschulzeitung, Nr. 3 vom 30.1.1935, S. 45.
Bis auf kleinere Gruppierungen lehnt die Jugendbewegung grundsätzlich eine durch Parteien strukturierte Herrschaftsform im zukünftigen völkisch-national aufgebauten Staat ab. Die Herrschaft organisierende Grundordnung im Staate soll nach ihrer Vorstellung bündisch-kameradschaftlich und nach dem Führer-und Gefolgschaftsprinzip errichtet sein.
Unter dem Ideal der „Kameradschaft“ wird in anderen politischen Lagern eher eine Form von Partnerschaft verstanden, die ihre Ursprungsidee nicht im Frontkämpfermythos sucht.
Siehe zum Frontsoldatenmythos als „Quelle und Ausdrucksform des Irrationalismus“ in der nationalistisch orientierten Studentenschaft bei Anselm Faust, Der Nationalsozialistische Deutsche Studentenbund, Bd. 1, a.a.O., S. 129f. Zur Selbststilisierung der jungen Männer in Abgrenzung gegen die älteren: „Die junge Mannschaft, die durch die Kameradschaft zusammengeschweißt ist, ist… militärisch und politisch die natürliche Angriffsformation eines Volkes, während die Familienväter die schwere, standhafte Landwehr bilden sollen.” Albrecht Erich Günther, Das männethündlerische Wesen der jungen Generation, in: Europäische Revue, 9. Jg., 2. Halbbd. 1933, S. 509.
Die Reichswehr in der Weimarer Republik besitzt keine Wehrhoheit: zahlenmäßige Beschränkung des Landheeres, Verbot des Besitzes von Angriffswaffen, keine allgemeine Wehrpflicht.
Denn, „der sakrale Charakter der Manneswelt findet… seine Ausprägung in der Ehre. Sie ist Kriegerehre, wie die Ehre der Frau Haus-und Geschlechtsehre ist.“ Albrecht Erich Günther, a.a.O., S. 509.
Den Frauen wird u.a. mit dem Argument, daß sie keine Angriffs-oder Verteidigungsfunktion im Staate innehaben, ihr Gleichberechtigungsanspruch verweigert.
Mosse wertet dieses in der gesamten bürgerlichen Mittelschicht vorherrschende Phänomen als eine historische Entwicklung, die nicht zufällig vom I. Weltkrieg oder den wirtschaftlichen Krisen eingeleitet worden sei: „Die andauernde Indoktrination wichtiger Teile des Bürgertums mit neuromantischem Denken und germanischer Ideologie hatten sie (die Rechtsorientierung der bürgerlichen Jugend; H.M.) verursacht. In jeder nationalen Krise bewirkte vor allem der Glaube an das Volk ein Gefühl von Stärke. Jungen und Alten fiel es schwer, einem Aufruf zu widerstehen, der versprach, die nationalen Probleme im völki-schen Sinne zu lösen, alles Eigentum, alle Macht und alle Kraft den Deutschen zurückzugeben und damit dem Einfluß der fremden, antivölkischen Interessen zu entziehen. Da sich viele Deutsche in einer ständigen Krise von Nation und Ideologie verwickelt glaubten, betrachteten sie sich als Ritter, die tapfer zwischen Tod und Teufel einherritten.“ George L. Mosse, a.a.O., S. 218.
Siehe dazu das Kapitel „Bündische Jugend und Hitlerjugend“ bei Matthias von Hellfeld, Bündische Jugend und Hitlerjugend. Zur Geschichte von Anpassung und Widerstand 1930–1939, Köln 1987, S. 211–218 und Hermann Giesecke, Vom Wandervogel bis zur Hitlerjugend, München 1981.
Wie Gründel betont, habe sich die „neue Jugend“ bei den Septemberwahlen 1930 für den „Radikalismus” (rechts und links) „zum nicht gelinden Schrecken des Bürgertums“ entchieden. „Es begann nun der Kampf der neuen Jugend gegen die mehr oder minder reaktionäre alte Generation um die grundlegende Neugestaltung des gesamten politischen Lebens”. E. Günther Gründel, a.a.O., S. 221 und S. 266f.
Zu den verschiedenen Lösungen der „Geschlechterfrage“ in den „Jugendgemeinschaften” siehe auch Josepha Fischer, Entwicklung und Wandlungen in den Jugendverbänden im Jahre 1929, in: Das Junge Deutschland, 24. Jg., H. 1, Januar 1930, S. 6ff.
Vgl. Dr. Josepha Fischer, Die Mädchen in den deutschen Jugendverbänden. Stand, Ziele und Aufgaben, Leipzig 1933, S. 22.
Marion de Ras, Körper, Eros und weibliche Kultur. Mädchen im Wandervogel und in der Bündischen Jugend 1900–1933, Pfaffenweiler 1988, S. 243f.
Ursula von Kleist, Die neue Frau, in: Großdeutsche Blätter, 5. Jg., Oktober 1928, H. 7, S. 160.
Vgl. Arthur Moeller van den Bruck, a.a.O., S. 264.
Gertrud Bickenbach, Jugendbewegung, in: Deutsche Lehrerinnenzeitung, 51. Jg., Nr. 2 vom 10.1. 1934, S. 25.
Vgl. Erika Trepte, Die Bedeutung der Jugendbewegung für die Erziehung des deutschen Mädchens, Eisfeld i.Thür., zugl. Phil. Diss., Jena 1942, S. 144.
Dr. Josepha Fischer gibt für die Zeit nach dem „Umschwung“ 1933 die Zahl der Mädchen im Bund Deutscher Mädel in der Hitlerjugend mit 60.000 im Verhältnis zu 70.000 Jungen in der Hitlerjugend an. Vgl. Josepha Fischer, Die Mädchen in den deutschen Jugendverbänden, a.a.O., S. 13.
Um in der NS-Bewegung mitzuarbeiten, ist es, besonders in der Zeit um 1933, nicht notwendig, Mitglied der NSDAP zu sein. Das gilt auch für die ANSt-Studentinnen, die zum großen Teil weder in der NSDAP noch in anderen NS-Organisationen Mitglied sind.
Josepha Fischer, Die Mädchen in den deutschen Jugendverbänden, a.a.O., S. 13.
Vgl. Mary Müller, Zielsetzung (des Jungnordischen Bundes), in: Nordische Blätter. Zeitschrift für nordisches Leben, 6. Jg., Februar 1930, Nr. 1, S. 2.
Elisabeth Busse-Wilson kommt im Vergleich der Frauenbilder der jungen Dame und der Mädchengeneration von 1920, die „mit Selbstverständlichkeit das Gemeinschaftserlebnis mit dem Manne“ erlebe, zu der Ansicht, daß nicht der „Emanzipationskampf der Frauenbewegung”, sondern die Jugendbewegung die „Befreiung“ des weiblichen Geschlechtes gebracht habe. Daher schätzt sie das Kameradschaftskonzept als große Leistung der Jugendbewegung ein: „Denn hier wurde zum ersten Male der Frau die wahre Gleichberechtigung zurückgegeben.” Elisabeth Busse-Wilson, Die Frau und die Jugendbewegung, Hamburg 1920, S. 79.
Siehe dazu das Kapitel „Die,Kameradin’ - ein in der Jugendbewegung mehrheitsfähiges Bild“ bei Irmgard Klönne, a.a.O., S. 258–264.
Von den weiblichen Mitgliedern wird tatsächlich angenommen, daß sich die in den Jugendbünden geübte Geschlechterkameradschaft, ohne weiteres auf das spätere Wirken in der Gesellschaft übertragen lasse. Vgl. dazu bei Irmgard Klönne das Kapitel „Zum problematischen Verhältnis zwischen weiblicher Jugendbewegung und Frauenbewegung“, a.a.O., S. 249ff.
Die sozialistische Jugendbewegung begreift die Kameradschaftskonzeption als partnerschaftliches Miteinander im gemeinsamen Kampf um politische Ziele. Auch auf die partnerschaftliche Ehe („Kameradschaftsehe“) wird der Begriff der „Kameradschaft” angewendet.
Vgl. Irmgard Klönne, a.a.O., S. 271ff.
Josepha Fischer zitiert das Programm des BDM: „`Für uns ist nicht das Ich das Große und Wesentliche, wie in der alten Frauenbewegung, sondern das Du und das Wir. Uns geht es um das Glück der Gesamtheit, um die Gemeinschaft’.“ Programm des BDM, zit. nach Dr. Josepha Fischer, Die Mädchen in den deutschen Jugendverbänden, a.a.O., S. 24.
Irmgard Klönne beschreibt die kausalen Bedingungen für die auch für das NS-System typischen Verabstrahierungen sozialer Beziehungen und Probleme am Beispiel des Kameradschaftskonzeptes wie folgt: „Mit dem in der bündischen Phase sich ausbreitenden Konzept der,Volksgemeinschaft’ wurde das Kameradschaftsideal auf die abstrakte Ebene der völkischen Politik und des Staates verschoben. So entfernt placiert, verlor es für die männliche Jugend seinen beunruhigenden Charakter. Nun kam es nicht mehr so sehr darauf an, Handlungsräume und Umgangsweisen zwischen den Jungen und Mädchen reformerisch neu zu gestalten, denn die Idee einer Erneuerung der,Volksgemeinschaft’ setzte… Grundsätze einer sich,ergänzenden natürlichen Andersartigkeit’ der Geschlechter voraus“. Irmgard Klönne, a.a.O., S. 279.
Waltraut Falkenberg, Lebendige Tradition: Der Deutsche Studententag in Würzburg, in: Frauenkultur im Deutschen Frauenwerk, Juli 1939, S. 7.
Dr. Anna Dammer, Student und Studentin, a.a.O., S. 13.
ebd.
In den 40er Jahren scheint das Verhältnis zwischen Student und Studentin entspannter zu sein. Das mag u.a. daran liegen, daß die öffentliche Unterstützung von antifeministischen Diskriminierungen, die durch den SA-studentischen Habitus sowie die ökonomischen Krisenzeiten um 1933 verstärkt worden waren, nachläßt. Von der offiziellen nationalsozialistischen Politik können weder verbale Unterstützung noch staatliche Maßnahmen mehr erwartet werden, die eine offene Diskriminierung von Frauen hätte opportun erscheinen las-sen. Die ökonomischen Erfordernisse, und besonders die Vorbereitungen auf die Kriegswirtschaft, die schon in Friedenszeiten sozio-ökonomische Strukturveränderungen hervorbringen und denen auch das politische Opportunitätsprinzip letztlich gehorcht, lassen dieses nicht mehr zu. Diese Vorgänge jedoch erkennen die NS-Frauen kaum als Ursachen für den Wandel hinsichtlich ihrer öffentlichen politischen Diskriminierung, sondern empfinden sich aufgrund ihrer Leistungen als geschichtsmächtige Subjekte.
Dieses „Frontdenken“ drückt den starken Wunsch der NS-Frauen insgesamt aus, ein funktional „gleichwertiges” Äquivalent zu der vom Manne verkörperten „Wehrkraft“ zu besitzen, um damit gesellschaftliche Anerkennung zu erwerben.
Renate Kalb, Die Arbeitsgemeinschaft nationalsozialistischer Studentinnen. Aufgaben und Ziele, in: Die Ärztin, 17. Jg., 1941, S. 116.
ebd.
Vgl. Gertrud Bäumer, Die Frau im neuen Lebensraum, Berlin 1931, S. 104.
Gertrud Bäumer, a.a.O., S. 105.
Vgl. Elisabeth Lippert, a.a.O., S. 62.
Unterschiedlich erscheint auch das Verhältnis zum Mann: „Gegen die in einer,Kampfstellung’ zum Mann lebende,Frauenrechtlerin’ gestellt, lebte das Bild der,Kameradin’ aus den Imaginationen einer Gefährtenschaft der Geschlechter.“ Irmgard Klönne, a.a.O., S. 257.
Von den meisten weiblichen Mitgliedern der Jugendbünde wird die Frauenbewegung als individualistisch diffamiert und abgelehnt. „Maßgebend für den richtigen Lebensentwurf (der Jugendbewegten; H.M.) sei nicht eine persönliche Vorstellung von einem,rechten Leben und Lieben’ mit allen Glücks-und Leiderfahrungen, sondern die Unterordnung unter das Gesetz,weiblicher Wesenserfüllung’.“ Irmgard Klönne, a.a.O., S. 253.
Die bürgerliche Frauenbewegung verhält sich insofern widersprüchlich, als sie, entgegen ihrem Anspruch auf parteipolitische Neutralität, aber doch faktisch gezwungen ist, politische Probleme beispielsweise mit den deutsch-national eingestellten Frauen im BDF auszutragen. Viele frauenpolitische Fragen bleiben in der Weimarer Republik ungelöst, die ökonomische Krise verschärft soziale Ängste und radikalisiert und polarisiert die politischen Gruppierungen. Um die „Einheit der Frauen“ nicht zu gefährden, muß die Frauenbewegung die politischen Polarisierungen weitgehend ignorieren. Siehe dazu das Kapitel „Stellungnahmen zum Nationalsozialismus und das offizielle Ende des BDF’ bei Barbara GrevenAschoff, Die bürgerliche Frauenbewegung in Deutschland 1894–1933, Göttingen 1981, S. 185–188.
Diese genannten Aspekte stoßen auch innerhalb der gesamten Frauenbewegung und des BDF auf den Widerstand der nationalistisch eingestellten Frauen.
Lauer konstatiert, daß die Ablehnung der staatsbürgerlichen Rechte durch die NSDAP wie das Wahlrecht nur von einer kleinen Gruppe Frauen als Belastung empfunden werde. Die Einfachheit und politische Indifferenz der NS-Parolen läßt subjektive Interpretationsmöglichkeiten offen. Die prinzipielle Ablehnung weiblicher Erwerbstätigkeit und die Verfolgung des nationalen Gedankens durch die NSDAP stellen gar Attraktionen dar. Hinzu tritt, daß viele Frauen an die Versprechungen des wirtschaftlichen Aufstiegs durch diese Partei glauben. Vgl. Dr. Amalie Lauer, Die Frau in der Auffassung des Nationalsozialismus, Köln, 1932, S. 24ff.
D, Amalie Lauer, a.a.O., S. 25f.
Dr. Amalie Lauer, a.a.O., S. 27f.
Dr. Amalie Lauer, a.a.O., S. 31.
Raba Stahlberg ist 1930 für kurze Zeit die erste Reichsleiterin der ANSt.
Vgl. Lauers sarkastisch-ironische Auseinandersetzung mit der Gruppe der nationalsozialistischen Studentinnen: Dr. Amalie Lauer, a.a.O., S. 30ff.
Siehe dazu Annemarie Doherr, Zum Generationsproblem in der Frauenbewegung, in: Die Frau 38, 1930/31, S. 534f.
Zur Umdeutung des nationalistischen Denkens in der Frauenbewegung nach dem I. Weltkrieg: „Das nationalistische Denken blieb auch nach dem Kriege erhalten, gewann aber eine andere Funktion: das Postulat von der Einheit des,Ganzen’ (Einheit des „Frauenwillens“; H.M.) richtete sich jetzt gegen Interessen-und Parteipolitik. Dabei war die antipluralistische Haltung einiger gemäßigter Feministinnen auch eine Folge ihres Anspruches, feministische, parteiunabhängige Politik zu betreiben.” Barbara Greven-Aschoff, a.a.O., S. 159.
Viele Frauen dieser Strömungen sowie viele Studentinnen und Akademikerinnen entscheiden sich aus diesen politischen und nicht aus geschlechtsspezifischen Gründen zumindest zunächst für die NS-Bewegung.
Die Idee der konservativen Teile der Frauenbewegung, in der Gesellschaft über die „Frauenarbeit… auf die soziale Gestaltung des Volkslebens Einfluß zu gewinnen“ verdeutlicht die Hoffnung der konservativen Frauen, als „Volksmutter” die „Volksverbundenheit und soziale Hilfeleistung“ in Deutschland zu fördern und damit Macht in der Gesellschaft zu gewinnen. Else Wentscher formuliert das zu erreichende Ziel der Frauen, „wenn sie das Ideal über ihr Leben stellen, das die großen Führerinnen der Frauenbewegung einst uns gewiesen haben: Die Kulturaufgabe der Frau besteht darin, daß sie aus der lediglich vom Mann geprägten Welt eine Welt schaffe, die auch den Stempel ihrer mütterlichen Seele trägt… Für dieses Kulturideal müssen wir die heutigen Mädchen erziehen, und wir müssen ihnen den Wunsch lebendig machen, um jenes Ideals willen Einfluß auf die Kultur zu gewinnen.” Vgl. dazu Else Wentscher, a.a.O., Der Wandel im Ideal der Frauenbildung, in: Zeitschrift für Jugendkunde, (hrsg. von Otto Tumlirz und Friedrich Sander), 4. Jg., 1934, S. 76.
Vgl. Dr. Else Bröckelschen-Kemper, Politik, Frauenbewegung und junge Generation, in: Die Frau 39, 1931/32, S. 238.
Dr. Else Bröckelschen-Kemper, a.a.O., S. 239. Eine starke Fraktion der bürgerlichen Frauenbewegung erlaubt auch der verheirateten Frau eine Ausübung des erlernten Berufes allein aus dem Grunde der wirtschaftlichen Not. Vgl. Barbara Greven-Aschoff, a.a.O., S. 65.
Diese von den jungen NS-Studentinnen eingenommene Haltung, die auch schon in der bürgerlichen Frauenbewegung propagiert wurde, hat vielschichtige Gründe. Einerseits ist diese eine Reaktion der jungen Frauen gegen das progressiv-liberale Weiblichkeitsideal der „Neuen Frau“. Andererseits steht diese Haltung im Kontext einer Neudefinierung des konservativ-traditionellen Frauenideals und soll zudem zur Entwicklung einer spezifischen „Frauenkultur` beitragen.
Die NS-Studentinnen sprechen das Thema „Berufausübung und Ehe“ fast gar nicht an. Im Gegensatz zuzeiten der Wirtschaftskrise ist ihr Studium später zumeist stark auf den „Berufseinsatz” ausgerichtet.
So schreibt Gertrud Bäumer: „Von Anfang aber ist, mindestens in der deutschen Frauenbewegung, sehr deutlich die Einsicht herrschend gewesen, daß die Suche nach dem neuen Lebensinhalt die Suche nach wesensgemäßer Arbeit sein müsse. Tatsächlich hat bei dem bewußten Berufskampf immer dieses Ziel im Vordergrund gestanden.“ Gertrud Bäumer, Reaktion gegen die Frauenbewegung, in: Die Frau 39, 1931/32, S. 157.
Die Auseinandersetzung der NS-Studentinnen mit der „alten“ Frauenbewegung bezieht sich hauptsächlich auf den konservativen (bzw. gemäßigten) Flügel der Frauenbewegung, die sich nicht völlig den liberalen, pazifistischen oder internationalistischen Ideen enthalten wie z.B. Gertrud Bäumer. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem liberalen Flügel der Frauenbwegung findet nicht statt, da dieser strikt abgelehnt wird.
Nach Bäumer ist „für alle typisch: daß sie (die jungen Mädchen; H.M.) den Schritt ins Konkret-Politische kaum jemals finden“ und nur unklare Vorstellungen über die „Sphäre der Politik” haben: „Ist der Gedanke, daß der Frau eine Sonderaufgabe in Staat und Gesellschaft zukomme, noch so deutlich, die Vorstellung, worin nun im einzelnen diese Mission bestehen solle, bleibt unklar und verschwommen.“ Gertrud Bäumer, Die Stellung der weiblichen Jugend zum politischen Leben, in: Die Frau 37, 1929/30, S. 644f.
Gertrud Bäumer, Die Stellung der weiblichen Jugend…, a.a.O., S. 641.
Aber auch Frauen der bürgerlichen Frauenbewegung werden auf die jungen studentischen Nationalsozialistinnen aufmerksam. Siehe dazu Hanne Schwenk, Die Haltung der weiblichen Jugend in der N.S.P.D., Aussprache, in: Die Frau 38 (1930/31), S. 175–176; Cäcilie von Muellem, Zu: „Die Haltung der weiblichen Jugend in der N.S.D.A.P.“, in: Die Frau 38 (1930/31), S. 176–177; Annemarie Doherr, Zum Generationsproblem in der Frauenbewegung, a.a.O., S. 534f; Annemarie Doherr, Wie wählen die Studentinnen?, in: Die Frau 39, 1931/32, S. 368f.
Die Verhaltensweise Stahlbergs spiegelt die Tatsache wieder, daß auch Studentinnen beginnen, eigene Zielperspektiven in der NS-Bewegung zu entwickeln. Durch die Position der NS-Schwesternschaft können sich Studentinnen nicht vertreten fühlen, da sie beispielsweise die Hausfrauenrolle nicht als unmittelbares Ziel anstreben.
Raba Stahlberg meint jene Öffentlichkeit „wo immer eine Frau an exponierter Stelle im politischen Leben steht, wo sie im fragwürdigem Konkurrenzkampf mit dem Mann ihre physischen Kräfte überanstrengt, wo sie mit quälend angespannten Stimmbändern am Rednerpult oder die Glocke schwingend am Vorstandstisch steht, wo sie darauf angewiesen ist, dem Erfolg nachzujagen, ihrem Gegner auch nur den kleinsten Vorteil abzuringen und schmutziger Verleumdung mit entsprechender Schärfe der Selbstverteidigung zu begegnen.“ Raba Stahlberg, Zur Aussprache, in: Die Bewegung vom 2.9.1930 und mit gleichem Wortlaut: Raba Stahlberg, Die Haltung der weiblichen Jugend in der N.S.D.A.P., in: Die Frau 38, 1930/31, S. 46–47.
Raba Stahlberg, Zur Aussprache, a.a.O.
Vgl. ebd.
Raba Stahlberg, Studentin und Arbeiterin, in: Die Bewegung vom 18. 11. 1930.
Vgl. Gertrud Bäumer, Reaktion gegen die Frauenbewegung, a.a.O., S. 157.
Zu den Ambivalenzen in der Frage der Erwerbstätigkeit siehe das Kapitel „Gleichheit und Gleichwertigkeit: Die Beruf-und Ehe-Diskussion“ bei Barbara Greven-Aschoff, a.a.O., S. 62–69.
Öffentliches Leben. Kommentar, in: Die Frau 38, 1930/31, S. 696.
Ein „Männchen“ ist nach ihrer Ansicht der unter den Pantoffel geratene kinderlose Mann. Siehe dazu auch R. Walther Darré, Neuadel aus Blut und Boden, München 1930, S. 151.
Hedwig Förster, Der Nationalsozialismus und die deutsche Studentin, in: Die Bewegung vom 16. 12. 1930.
Vgl. Hedwig Förster, Der Nationalsozialismus und die deutsche Studentin, a.a.O.
In der deutschen bürgerlichen Frauenbewegung entwickelt sich eine besondere Ausformung des Gleichheitsbegriffes, der zwar die „Gleichheit vor dem Gesetz“ fordert, diese aber mit der dualistischen Geschlechtertheorie (Wesensverschiedenheit von Mann und Frau) verbindet. Siehe dazu Barbara Greven Aschoff, a.a.O., S. 38ff.
In diesem Falle ist eine frauenbewegte Schulrätin gemeint, die den damaligen Schülerinnen (darunter Kopittke) den Vorwurf macht, die von der Frauenbewegung erkämpften Rechte zwar als selbstverständlich hinzunehmen, aber nicht bereit zu sein, für deren Ziele zu kämpfen.
Luise Kopittke, Die nationalsozialistische Studentin als Trägerin einer neuen Frauenbewegung, in: Die Bewegung vom 24. 2. 1931.
Vgl. ebd.
Vgl. Liesel Drüing, Weg und Lebensform der Studentin. Sinn und Aufgaben des weiblichen Studiums im neuen Staat - Eine Studentin über sich selbst, in: Rheinische Blätter. Sonderheft: Die Frau im Neuen Deutschland, 10. Jg., H. 9, September 1933, S. 820.
Es ist zu vermuten, daß die Aggressionen der Nationalsozialistinnen gegen diese, in der Öffentlichkeit stehenden Frauen auch von Gründen bestimmt sind, die ihre Quellen in der Angst vor die Persönlichkeit verunsichernden Freiräumen haben. Eine unentwickelte soziale und persönliche Freiheitssehnsucht sowie mangelndes Selbstwertgefühl und ein teils resignatives Gefühlswissen der objektiven Machtlosigkeit lassen allein eine sichernde Anpassung an die Verhältnisse als mach-und annehmbar erscheinen. Ressentiments beruhen aber auch auf antidemokratischen und antiparlamentarischen Einstellungen, die im Gegensatz stehen zum völkisch konnotierten Nationalgefühl, das verspricht, ein „blutsmäßiges“ Wir-Gefühl herzustellen. Jegliche Vorstellungen von Harmonie und Sicherheit werden durch die von diesen Frauen öffentlich licht-und erfahrbar gemachte doppelte Individuation, einmal als Frau in einer Männerwelt, einmal als Individuum der modernen Gesellschaft, konterkariert.
Gisela Brettschneider, Die deutsche Frau an der Hochschule, a.a.O., S. 9.
Gisela Brettschneider, Die deutsche Frau an der Hochschule, a.a.O., S. B.
Gottschewski erklärt sich das Anwachsen der bürgerlichen Frauenbewegung im Zusammenhang mit der „Machtstellung Deutschlands in der Welt“ vor dem I. Weltkrieg, die allein das Vordringen der Frauen in die Erwerbsarbeit bedingt habe. Damit will sie dieses Phänomen dem starken Staat als Verdienst zu-und der Frauenbewegung absprechen. Vgl. Lydia Gottschewski, Männerbund und Frauenfrage. a.a.O., S. 28ff.
Lydia Gottschewski, Männerbund und Frauenfrage. a.a.O., S. 31.
Auch Luise Otto-Peters wird in die Linie der Vordenkerinnen eingereiht, obwohl der nationale Gedanke von 1848 und auch das Soziale längst einer von den NS-Frauen anscheinend unbemerkten politischen Umdeutung anheim gefallen ist. Siehe dazu auch Dr. Else Boge-Eichler, Die nationalen und sozialen Grundkräfte im Lebenswerk von Luise Otto-Peters, der ersten deutschen Frauenführerin im 19. Jahrhundert, in: Frauen-Kultur im Deutschen Frauenwerk, März 1939, S. 10–11.
Dr. Anna Kottenhoff, Zum 10. Todestag von Helene Lange, Weg - Werk - Bewährung, in: Die Ärztin, 16. Jg., 1940, S. 121.
Vgl. Luise Kopittke, a.a.O.
Vgl. Die A.N.St. steht! Königsberg, in: Die Bewegung vom 20. 1. 1931.
Die rechts-konservativen Strömungen der Frauenbewegung werten die ökonomische oder sexuelle Emanzipation als gefährlich und zerstörerisch für die traditionellen Grundwerte der Familie, der Kultur, der staatlichen Ordnung und zudem als „Eigennutz“ der Frau. Die berufliche Ausbildung und die weibliche Erwerbsarbeit sollen nicht die Emanziation der Frau fördern, sondern sind Mittel zur finanziellen Absicherung, aber auch zur Schaffung einer weiblichen Kultursphäre, die an die Verpflichtung zum „Gemeinnutz” gebunden ist. Die damit verbundene Konsequenz, die Konzeptionienmg des Selbstbewußtseins der Frau als Individuum auszusparen, erweist sich darin, daß sich in diesem beschränkten Rahmen die Frauenberufsarbeit nur unter der Bedingung ihrer Verpflichtung auf Familie und Gesellschaft bzw. „Volksgemeinschaft“ entwickeln kann.
Siehe dazu auch Lydia Gottschewski, Männerbund und Frauenfrage. a.a.O., S. 30.
Vgl. L. Marie Goden, Die Überwindung des Feminismus, in: Akademischer Beobachter 9, 1929, S. 164.
Der damals bekannteste zeitgenössische Vertreter des Matriarchatsgedanken ist Ernst Bergmann mit seiner Schrift: Erkenntnisgeist und Muttergeist, Breslau 1932.
L. Marie Goden, a.a.O., S. 164f.
Das Mütterliche wird von neuem als tiefste Offenbarung des Weibtums erlebt, die liebend gestaltenden Kräfte der Frau finden dort ihre unerschöpflichen Quellen.“ L.Marie Goden, a.a.O., S. 165.
Dorothea Gärtner, Die Aufgabe der deutschen Studentin… a.a.O.
M. Nau, Die Frau im Dritten Reich. Vorschläge für ein Arbeitsprogramm, in: Die Bewegung vom 4. 11. 1930.
Vgl. Luise Kopittke, a.a.O.
Lydia Gottschewski, Männerbund und Frauenfrage, a.a.O., S. 77.
Lydia Gottschewski, Männerbund und Frauenfrage, a.a.O., S. 73f.
Vgl. Lydia Gottschewski, Männerbund und Frauenfrage, a.a.O., S. 69.
Vgl. dazu die Vorstellungen Gottschewskis im Kapitel „Neue Frauenbewegung“ bei Lydia Gottschewski, Männerbund und Frauenfrage, a.a.O., S. 69–83.
Vgl. Lydia Gottschewski, Männerbund und Frauenfrage, a.a.O., S. B.
Diese Teilübereinstimmung bietet aber vor 1933 keine Verständigungsgrundlage zwischen den Frauen der „alten“ Frauenbewegung und den jungen Nationalsozialistinnen, da die politischen und weltanschaulichen Ideen einen wichtigeren Stellenwert im Denken der jungen Frauen einnehmen.
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Manns, H. (1997). Teil II: Zum gesellschaftlichen und politischen Bewußtsein der nationalsozialistischen Studentinnen und Akademikerinnen. In: Frauen für den Nationalsozialismus. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-01435-5_3
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