Zusammenfassung
Im Dezember 1931 reiste die 23jährige Lotte Kaliski von ihrem Geburts- und Studienort Breslau nach Berlin. Aus familiären und persönlichen Gründen wollte Lotte von ihren Eltern unabhängig werden. Sie war zwar noch eingeschriebene Mathematikstudentin in ihrer Heimatstadt Breslau, doch beabsichtigte sie nicht mehr, das Studium zu Ende zu führen, denn kurz zuvor hatte sie die Mittelschullehrer-Prüfung absolviert. Nach den damaligen liberalen Bestimmungen in Preußen war dazu für Universitätsstudenten nach 6 Semestern kein spezielles Pädagogik-Studium mehr notwendig; Kandidaten mußten beim Schulkollegium lediglich eine kleinere schriftliche Examensarbeit einreichen. (Vgl. Kaliski, Gespräch 1989)
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Literatur
Vgl. H. Gläser in Wilmersdorf Museum 1992, S. 4ff. Die Schulgründungen waren dadurch motiviert worden, daß jüdische Lehrerinnen an öffentlichen Schulen vor 1918 kaum eingestellt wurden und in der Weimarer Republik auch wegen der Lehrerarbeitslosigkeit geringere Chancen hatten. Auch war die Einrichtung von höheren Schulen für Mädchen vernachlässigt worden, und jüdische Mädchen, die besonders stark und zahlreich nach höherer Bildung drängten, fanden häufig keine Schule, die sie aufnahm, da die wenigen öffentlichen Schulen überfüllt waren und Privatschulen mit Quoten einen zu hohen Anteil jüdischer Schülerinnen zu verhindern suchten. Couragierte jüdische Frauen, wie die oben genannten, begannen deshalb eigene Schulzirkel und Schulen zu gründen, wobei die Behörden sich als einigermaßen tolerant erwiesen, da auch sie ein Interesse daran hatten, die Engpässe im öffentlichen Schulwesen ohne Mehrkosten zu beseitigen, denn staatliche Zuschüsse gab es für diese Schulen nicht.
Gespräch 1989. Lotte Kaliskis Erinnerungen an organisatorische und administrative Strukturen und Bedingungen der PriWaKi sind meistens lückenhaft. Das liegt auch daran, daß sie die Verwaltung der Schule schon nach kurzer Zeit an H. Selver abgegeben hat.
Durchgesehen für das Jahr 1932 wurden das Gemeindeblatt der jüdischen Gemeinde zu Berlin, die Mitteilungen der Jüdischen Reformgemeinde zu Berlin, die Jüdisch-liberale Zeitung, das Israelitische Familienblatt, die zionistische Jüdische Rundschau und die C.V.-Zeitung, unter deren Abonnenten wahrscheinlich der größte Teil der jüdischen Klientel der geplanten Schule zu suchen war.
Vgl. H. Selver, Schreiben an den Staatskommissar, 21.8.1936, LA Berlin.
Vgl. Zentralblatt für die gesamte Kultusverwaltung in Preußen 1933, S. 250f.
Vgl. H. Selver, Schreiben an die Baupolizei vom 8.6.1934, LA Berlin.
L. Kaliski, Memories 1983, S. 5. In der letzten Aussage irrt sich Lotte Kaliski jedoch. Die PriWaKi wurde erst Ende 1936 in Private Jüdische Schule Kaliski umbenannt. (S.u.)
Vgl. dazu auch Walk 1991, S. 42.
Vgl. Jüdische Rundschau vom 3. 5. 1934.
Vgl. Zentralblatt für die gesamte Unterrichtsverwaltung in Preußen, 15. 9. 1933, S. 250.
Dieses Umschwenken in der Politik gegenüber jüdischen höheren Privatschulen scheint aber auf höherer Ebene, also bei den Ministerialbeamten, erst ab Anfang 1935 stattgefunden zu haben, wie die noch im September 1934 erzwungenen Entlassungen von Sextanern an der orthodoxen Berliner Adass-Jisroel-Schule zeigt. (S.u.) Die Schulräte erkannten eher die Nützlichkeit der jüdischen höheren Privatschulen und unterstützten diese, aus welchen Motiven auch immer.
Andere jüdische Schulen haben Schüler entlassen müssen; so mußten die orthodoxe Kölner Jawne-Schule Ende April 1934 und auch die orthodoxe „Adaß-JisroelSchule“ in Berlin ihre Ostern 1934 eingerichteten Sexten wieder auflösen. ( Vgl. Rächer 1992, S. 96 )
Vgl. dazu Forschungsbericht 1992. S. 96ff.
Zum Beispiel in Jüdische Allgemeine Zeitung vom 21.11.1934
Vgl. Zeugnisse des Schuljahres 1934/35 von P. Landsberg.
Vgl. Gespräche mit L. Ithai u. H. Neumann 1990.
Die Grundschulgruppen scheinen für die PriWaKi im Sinne der früheren gymnasialen Vorschulen als Nachwuchsreservoir gedient zu haben. Von einer wohlwollenden Duldung der Schulaufsicht zu diesen Zeitpunkt konnte Selver weiterhin ausgehen, da er für Ostern 1936 die behördliche Genehmigung beantragt hatte.
Die Beschulung jüdischer Kinder an öffentlichen Volksschulen blieb aber bis 1939 staatlich garantiert.
Vgl. J. Walk, Brief vom 6. 5. 1990.
RMtWEV, Erlaß v. 5.3. 1935, DWEV 1937, S. 347.
Möglicherweise galt die Goldschmidt-Schule der Schulaufsicht als das solidere Unternehmen, da sie durch den Ehemann der Gründerin, einem Rechtsanwalt und Notar, besser gegenüber den Behörden abgesichert war und in der Person von Frau Dr. Goldschmidt auch über eine formal qualifizierte Gymnasiallehrerin als Direktorin verfügte, während die Kaliski-Schule „nur“ von zwei Mittelschullehrern geleitet wurde, von denen der Konzessions-Inhaber (Selver) nach seiner Ausbürgerung nicht einmal mehr deutscher Staatsbürger war, was auch den Entzug des Unterrichtserlaubnischeins möglich gemacht hätte. Doch dies lag nicht im Interesse der Schulaufsicht.
Statt dessen wurde die Besitzerin 1938 gezwungen, es an die SS zu verkaufen. Der ohnehin niedrige Preis wurde von der SS nie bezahlt. Vgl. Hans Ephraimson-Abt 1991.
Thema des Stückes war die phantastische Reise einer Schülergruppe nach Palästina, auf der sie diverse Abenteuer erlebte. Das Stück enthielt schon zionistische Motive.
Nach Auskunft einer der beteiligten Schülerinnen war es die Lessler-Schule. Vgl. Hanni Neumann, Gespräch 1990. Auch die Goldschmidt-Schule hat sich möglicherweise noch vor der PriWaKi um die Zulassung zur englischen Reifeprüfung bemüht.
Vgl. Gespräche mit L. Ithai u. H. Neumann 1990.
Zur gesamten Auseinandersetzung vgl. Forschungsbericht 1992, S. 122ff sowie Busemann u. a. 1992, S. 227ff.
Antrag H. Selver vom 13. VIII 1936, Bezirksverwaltung Zehlendorf, Schul III 23, LA Berlin
Bescheid des Stadtpräsidenten vom 22.3.1937, LA Berlin.
Zu den weiteren Auseinandersetzungen vgl. Forschungsbericht 1992, S. 153ff.
Vgl. Schreiben des Stadtpräsidenten an den RMfWEV, 23.9.1937, ZStA Potsdam.
Vgl. Schreiben der PriWaKi an den RMfWEV vom 17.8.1937, ZStA Potsdam.
Gesichert ist zumindest, daß sich im Dez. 1938 in Berlin noch PriWaKi-Schüler Additional-Prüfungen unterzogen haben, wenn sie in der Juli-Prüfung die erforderlichen Leistungen noch nicht ganz erbracht hatten. Vgl. G. Nothmann, Brief vom
Die Lessler-Schule hatte sich 1930 in „Private Waldschule Grunewald“ umbenannt. Ab 1933 nahm sie auch Jungen in getrennten Klassen auf. (Vgl. Gläser in Wilmersdorf Museum 1992, S. 15f.)
Die Meldung in der JR v. 8.10.37 widerlegt jedoch die Aussagen von L.Kaliski (Memories 1983) und von verschiedenen Schülerinnen und Schülern der PriWaKi, jüdische Schüler hätten keine Möglichkeit mehr gehabt, die Abiturprüfung abzulegen.
Zu allen oben genannten Zahlen vgl. Walk 1991, S. 110f.
H. Selver, Brief vom 10. 8. 1938.
Käthe Fränkel, Brief an Lewinski, Berlin, 19. 9. 1938.
Mala Laaser, Israelitisches Familienblatt Nr. 36 vom 8.9.1938, S. B.
Vgl. Listen zum Sportfest 1938 und zahlreiche Fotos; Kopien im Projektarchiv.
Zur schwachen Position des Erziehungsministers Rust in der Nazi-Hierarchie vgl. J. Walk 1991, S. 44ff.
Vgl. F. Jacob, „Zwei unvergeßliche Augenblicke“, ca. 1982; Gespräch 1989.
Vgl. F. Jacob, Gespräch 1989. Über den Grund konnte Frau Jacob keine Angaben machen, erinnerte sich jedoch noch, daß eine der Lehrerinnen sich sogleich Sorgen um die Auszahlung ihres Gehalts machte.
Vgl. Rolf Kneller, Brief vom 7. 8. 1990.
Vgl. Meta Wreschner, eh. Kochmann, School Leaving Report vom 24. 3. 1939.
Ausführlich dazu Fölling 1993, S. 279ff.; Ders. in Busemann u.a. 1992, S. 311ff.
Vgl. dazu das Kapitel „Überleben, Flucht und Emigration“ in: Fölling 1993, S. 287ff.; Ders. in: Busemann u.a. 1992, S. 320ff.
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Fölling, W. (1995). Geschichte der „Privaten Waldschule Kaliski“ („Private jüdische Schule Kaliski“). In: Zwischen deutscher und jüdischer Identität. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-01395-2_5
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