Zusammenfassung
In der Bundesrepublik Deutschland wird die Forderung, eine parlamentarische Einrichtung zur Technikfolgenabschätzung zu schaffen, erstmals von der opositionellen CDU/CSU-Fraktion bereits 1973 vorgetragen, also im Folgejahr der Beschlußfassung zur Einrichtung des OTA in den Vereinten Staaten. Der Vorschlag sieht in Analogie zum amerikanischen Modell ein „Amt zur Bewertung technologischer Entwicklungen beim Deutschen Bundestag“ (Deutscher Bundestag 1973) vor. Der Antrag wird damit begründet, daß es für das Parlament aufgrund komplexer technologischer Entwicklungen immer schwieriger würde, seiner Kontrollfunktion gegenüber der Exekutive im Bereich der Wissenschafts- und Technologieförderung nachzukommen.
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Referenzen
Bearbeitet werden die Themen „Chancen und Risiken von Expertensystemen in Produktion, Verwaltung, Handwerk und Medizin“, „Möglichkeiten und Grenzen beim Anbau nachwachsender Rohstoffe für Energieerzeugung und chemische Industrie“ und „Alternativen landwirtschaftlicher Produktionsweisen“ (Deutscher Bundestag 1987). Eine Delegation der EnqueteKommission besucht ferner im April 1986 das OTA in den Vereinigten Staaten.
Die Kommission ist zwar personell weitgehend mit anderen Mitgliedern, jedoch nach gleichem Proporz besetzt. Der Vorsitzender wird mit Jürgen Rüttgers wiederum von der CDU/CSU-Fraktion gestellt. Es werden erneut acht externe Sachverständige benannt. Im Mai 1989 findet eine Informationsreise zum Schwedischen Institut für Zukunftsstudien statt.
Als Themen behandelt werden die „parlamentarische Arbeitsteilung bei technologiepolitischen Entscheidungsprozessen“, die „Teilnahme des Parlaments an der Gestaltung des technischen Wandels im Rahmen der verfassungsrechtlichen Gewaltenteilung“ und das „Verhältnis zwischen Wissenschaft und Politik bei der Beratung des Parlaments“ (Deutscher Bundestag 1989).
Strittig bleibt auch, ob die zu schaffende Institution selbst wissenschaftliche Untersuchungen durchführen oder externe Einrichtungen mit der Durchführung von Studien beauftragen soll (Deutscher Bundestag 1989a).
In der einstündigen Debatte zur „Notwendigkeit und Ausgestaltung einer ständigen Beratungskapazität für Technikfolgen-Abschätzung und -Bewertung beim Deutschen Bundestag“ wird der von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP beantragte Institutionalisierungsvorschlag von dem SPD-Abgeordneten Schreiner als „Mäuslein“ (Deutscher Bundestag 1989c) charakterisiert.
Zu jedem der drei Themen, denen für eine exemplarische Bearbeitung höchste Priorität zugebilligt worden ist, wird erneut ein Gutachten vergeben. Um die Ergebnisse entscheidungsorientiert aufzuarbeiten, werden zu jedem fertiggestellten Gutachten vier bis fünf Kommentargutachten vergeben. Auf der Grundlage dieser Ausarbeitungen wird von Arbeitsgruppen der Enquete-Kommission zu jedem der ausgewählten Themen eine Stellungnahme verfaßt.
Ein Gutachten in eigener Sache zum Thema „Einbeziehung des Parlaments und seiner zuständigen Fachausschüsse in technologiepolitische Entscheidungsprozesse — eine vergleichende Untersuchung für verschiedene Industriestaaten“ wird an das Battelle-Institut in Frankfurt vergeben.
Paschen verweist in diesem Gutachten auf die unzureichende Ausstattung der Infrastruktur des Bundestages als ein zentrales Hindernis für die Umsetzung von Ergebnissen der Technikfolgenabschätzung und führt die mangelnde Umsetzung einer institutionellen Lösung auf die Befürchtung zurück, daß die vorgeschlagene neue Einrichtung „in erster Linie zu einem zusätzlichen Instrument der Opposition zur Behinderung der Forschungs- und Technologiepolitik der Regierung“ (Paschen 1987, S. 259) werde.
wissenschafticher Kongreß der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft vom 07. bis 10. Oktober 1985 in der Ruhr-Universität Bochum, Tagungsbericht herausgegeben von Hans-Herrmann Hartwich, Opladen 1986.
Die Schärfe, in der die Intervention des BDI erfolgte, wird deutlich in einem Brief von Dr. Langmann, Präsident des BDI, an den Präsidenten des Deutschen Bundestages: „... das vorgesehene Lenkungsgremium aus Parlamentariern und Vertretern gesellschaftlich relevanter Gruppen droht, die Grenzen zwischen wissenschaftlicher Politikberatung, Interessenartikulation gesellschaftlicher Gruppen sowie politischer Bewertungs- und Entscheidungsverantwortung zu verwischen. Das Modell einer ‘partizipativen’ Technikfolgenabschätzung erhöht die Gefahr, daß sich über den Weg der TA ein System gesamtgesellschaftlicher Mitbestimmung entwickelt“ (zitiert nach Naschold 1990, S. 177).
In dem Vorwort der zugehörigen Dokumentation heißt es: „Bei den Unternehmen wird immer mehr eigene Aktivität sichtbar. Das ist nicht verwunderlich. Da die Wirtschaft, insbesondere die Industrie, Träger und Motor des technischen Fortschritts ist, muß sie sich schon im eigenen Interesse frühzeitig mit Chancen und Risiken ihrer Produkte befassen“ (BDI 1989, S. 7).
Auf Landesebene wird mit Unterstützung der Gewerkschaften in Bremen seit 1984 das Programm „Arbeit und Technik“ aufgebaut und in Nordrhein-Westfalen 1985 das Programm „Mensch und Technik — Sozialverträgliche Technikgestaltung“ aufgelegt. Parallel dazu werden ab Ende der 70er Jahre mit den Technologieberatungsstellen seitens des DGB eigene Kapazitäten zur Technikfolgenabschätzung geschaffen.
Der Diskussionszusammenhang um die 1991 in endgültiger Fassung veröffentlichte Richtlinie reicht mindestens achtzehn Jahre zurück, Teile der Richtlinie sind seit 1979 in Gestalt von Entwürfen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, diskutiert und revidiert worden (vgl. VDIReport 1991).
Sowohl der Verband der Chemischen Industrie als auch die Friedrich-Ebert-Stiftung distanzieren sich von einer Verwissenschaftlichung der Technikfolgenabschätzung und orientieren sich am gesellschaftspolitischen bzw. sozialen Prozeßcharakter des Instrumentariums, wobei in dem einen Fall (VCI 1992) auf Selbstorganisation und in dem anderen Fall (FES 1990) auf Regulierung gesetzt wird.
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Baron, W.M. (1995). Diskussion zur Institutionalisierung von TA in der BR Deutschland unter dem Aspekt der Partizipation. In: Technikfolgenabschätzung. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-01384-6_5
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-01384-6_5
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
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