Zusammenfassung
Das Anwachsen der Arbeitslosigkeit in der Bundesrepublik auf der einen Seite, die Zusammenballung der türkischen Gastarbeiterbevölkerung in bestimmten Stadtvierteln und damit verbundenen Tendenzen der Ghettobildung auf der anderen Seite, haben dazu geführt, daß die Frage des Zuzugs von Familienangehörigen der Gastarbeiter zunehmend kontrovers diskutiert wird. Eine besondere Bedeutung hat dabei die Frage gewonnen, bis zu welchem Lebensalter der Zuzug der Kinder türkischer Gastarbeiter gestattet werden soll. Während ein Teil der politischen Parteien und Repräsentanten das Zuzugsalter bereits mit dem 6. Lebensjahr begrenzen will, sind andere Teile in dieser Hinsicht liberaler und es gibt eine Reihe von abgestuften Vorschlägen bis hin zur völligen Ablehnung einer Altersgrenze in dieser Hinsicht.1 Begründet wird die Forderung nach einer frühen Altergrenze mit der Auffassung, daß eine Integration in der Bundesrepublik nur möglich sei, wenn der Assimilationsprozeß bereits in der Kindheit beginne und der türkische Jugendliche die Möglichkeit erhält, von Anfang an eine deutsche Schule zu besuchen.
Die Daten stammen aus einem Projekt, das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Schwerpunktprogramms „Pädagogische Jugendforschung“ gefördert wurde. An dieser Stelle sei Prof. Hornstein, dem Koordinator dieses Schwerpunktprogrammes, für die Analyse herzlich gedankt.
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Anmerkungen
Vgl. dazu auch den gemeinsam mit U. Boß verfaßten Artikel in der Zeitschrift „Angewandte Sozialforschung“ (Jg. 10, 1982, Heft 4) und die dort zitierte Literatur.
Die Befragungen wurden bei den jungen Türken in türkischer Sprache durchgeführt. Die Organisation und Durchführung dieser Erhebung lag in den Händen von Dr. Ulf Wuggenig. Die Datenerhebung erfolgte im Juni/Juli 1981 in Hannover. Befragt wurden männliche Jugendliche, davon 216 Türken und 219 Deutsche, die in keinem betrieblichen Ausbildungsverhältnis, aber berufsschulpflichtig waren. Bei den türkischen Jugendlichen handelt es sich um eine Vollerhebung aller jener, die eine Berufsschule besuchen. Die Befragung erfolgte schriftlich im Klassenverband.
Der genaue Wortlaut der hier verwendeten Fragen lautete: „Seit wann sind Sie dauerhaft in Deutschland?“ und „Wie alt waren Sie bei der Einreise?” Von jenen, die vor 1980 eingereist sind (n = 97), waren zum Zeitpunkt der Erhebung 40% höchstens 14 Jahre alt, von den später eingereisten (n = 107) dagegen nur 2%. Im Vergleich zur gesamten türkischen Wohnbevölkerung gleichen Alters in der Bundesrepublik sind in unserer Erhebung die Jugendlichen, die vor ihrem 10. Lebensjahr nach Deutschland gekommen sind, unterrepräsentiert. In der türkischen Gesamtbevölkerung unter 25 Jahren waren 57% bis zum 15. Lebensjahr eingereist, in unserer Erhebung waren es nur 43%. Vgl. dazu: U. Hecker and D. Schmidt-Hackenberg,1980, Bildungs-und Beschäftigungssituation ausländischer Jugendlicher in der Bundesrepublik Deutschland, Berlin, Bundesinstitut für Berufsbildung.
Eine gleichzeitige Berücksichtigung von Aufenthaltsdauer und Zuzugsalter ergibt keine wesentlich neuen Erkenntnisse. Es zeigt sich lediglich, daß der beschriebene Kontrasteffekt vor allem bei den Jugendlichen auftritt, die bereits vor ihrem 16. Lebensjahr in die Bundesrepublik gekommen sind. Auch hier ergibt sich somit alles andere als ein Argument für eine frühe Begrenzung des Zuzugsalters.
Vgl. Henrik Kreutz, 1964, Jugend: Gruppenbildung und Objektwahl, Wien, Diss.
Dies einerseits im umfassenden Sinn für eine langfristige Weiterentwicklung der europäischen Integration und andererseits kurzfristig fir praktische Erfordernisse z. B. im Rahmen der Exportwirtschaft.
Dieser Unterschied ist allerdings gering (rund 40% zu 30%) und könnte auch umgekehrt dadurch zustande kommen, daß Anpassungwillige von den übrigen Türken eher gemieden werden.
Dieser Kontrasteffekt wird im übrigen auch bei der Struktur des Freundeskreises deutlich, wie wir bereits weiter oben nachweisen konnten.
Von den Jugendlichen, die vor ihrem 15. Lebensjahr eingereist und erst ein Jahr hier sind, würden 74% (n = 23) lieber in der Türkei leben, von denen, die sich bereits länger in der Bundesrepublik aufhalten sind es 80% (n = 39). Bei längerer Aufenthaltsdauer spielt das Zuzugsalter somit keine Rolle.
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Kreutz, H. (1988). Die Begrenzung des Zuzugsalters ist keine Lösung: Die Ursachen geglückter und mißglückter Integration von türkischen Jugendlichen in der Bundesrepublik Deutschland. In: Kreutz, H. (eds) Pragmatische Soziologie. Forschungen zur Soziologie und Sozialanthropologie, vol 1. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-01379-2_14
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