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Zusammenfassung

Die Worte ‚Erleben‘ und ‚Handeln‘ verweisen auf Sachverhalte von sehr allgemeiner Bedeutung. Es liegt daher nahe, ihnen grundbegrifflichen Rang zuzusprechen. So könnte man versucht sein, die Psychologie als Wissenschaft von psychischen Prozessen der Erlebnisverarbeitung zu begreifen oder die Soziologie als Wissenschaft vom sozialen Handeln. Als Erleben bzw. Handeln würde man damit eine zumindest für diese Wissenschaften nicht weiter auflösbare, elementare Einheit bezeichnen. Sowohl psychische Systeme als auch soziale Systeme müßte man dann bestimmen als Zusammensetzung aus Erlebnissen bzw. Handlungen, als bestehend aus Beziehungen zwischen solchen Elementen. Es gibt indes eine Reihe von Gründen und von Erfahrungen mit Theorie-Konstruktion, die dagegen sprechen, so zu verfahren.

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Anmerkungen

  1. Vgl. immerhin den Versuch einer Verbindung von Handlungstheorie und phänomenologischer Forschung bei Alfred Schütz, Der sinnhafte Aufbau der sozialen Welt: Eine Einleitung in die verstehende Soziologie. Wien 1932.

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  2. Die Prämissen solcher Versuche waren wohl immer anthropologischer Art; sie wurden in Dispositionen wie Vernunft oder Interesse verankert, also an dem Menschen qua Natur zukommenden Fähigkeiten festgemacht.

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  3. Vgl. hierzu die Parsons-Kritik von Gideon Sjoberg/Leonard D. Cain:Negative Values, Countersystem Models, and the Analysis of Social Systems. In: Herman Turk/Richard L. Simpson (Hrsg.): Institutions and Social Exchange: The Sociologies of Talcott Parsons and George C. Homans. Indianapolis—New York 1971, S. 212–229, und die wenig verständnisvolle Antwort von Parsons im gleichen Bande. Die Diskussion betrifft letztlich den Ansatz des Handlungsbegriffs bei Parsons. — Eine andere Kritik der von Parsons genannten Merkmale des Handlungsbegriffs (siehe etwa die Zusammenstellung bei Enno Schwanenberg: Soziales Handeln — Die Theorie und ihr Problem. Bern—Stuttgart—Wien 1970, S. 101 ff.) könnte lauten, daß deren Zusammenhang keine Struktur hat, es sei denn: als System.

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  4. Zu diesem Ergebnis kam Talcott Parsons bereits in: The Structure of Social Action. New York 1937, im Anschluß vor allem an Pareto und Durkheim.

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  5. Vgl. z.B. Knut Erik Trandy: Wholes and Structures: An Attempt at a Philosophical Analysis. Kopenhagen 1959, S. 20ff.

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  6. So z.B. Talcott Parsons: The Structure of Social Action. New York 1937, S. 731 ff.; Talcott Parsons/Robert F. Bales/Edward A. Shils: Working Papers in the Theory of Action. Glencoe Ill. 1953, S. 106f., 168.

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  7. Dieser Zusatz geht auf eine Anregung von Jürgen Frese: Prozesse im Handlungsfeld. Ms. Bielefeld 1974, zurück.

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  8. Der Erörterungszusammenhang stand dabei unter der weiteren Voraussetzung einer binär schematisierten Moral. Freiheit war danach möglich und Zurechnung erforderlich, weil der Mensch (zumindest als Burger, wenn nicht als Mensch) die Möglichkeit hat, gut oder schlecht zu handeln. Siehe z.B. die Unterscheidung der drei Freiheiten ad oppositos actus, ad opposita obiecta und ad oppositos effectus bei Johannes Duns Scotus: Ordinatio I dist. 39 n. 15 (Opera Omnia Bd. VI, Civitas Vaticana 1963, S. 417) und im Anschluß daran Ordinario II dist. 42 n. 1: „Nihil est peccatum nisi quod est in potestate facientis, et nihil est in potestate facientis nisi quod est in potestate voluntatis eius, quia nihil praeter hoc est imputabile“. (Opera Omnia, Lyon 1639, Neudruck Hildesheim 1968, Bd. VI, 2 S. 1044).

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  9. Siehe Samuel Pufendorf De lure Naturae et Gentium. Lib. I cap. IX, Frankfurt—Leipzig 1744, S. 133. Bemerkenswert die systematisch späte Stelle der Behandlung der Imputations-lehre, wobei der Begriff jedoch schon vorher eingeführt wird zur Definition des moralischen Handelns: „Stint igitur actiones morales actiones hominis voluntariae cum imputatione suorum effectuum in vita communi spectatae“ (a.a.O. Lib. I cap. V, S. 66). Letztlich werden jedoch in der gesamten Tradition Handlung, Wille und Freiheit als Gründe der Zurechnung gesehen. Die Begründungsbedürftigkeit von Anschlußoperationen wird auf die Zurechnung selbst übertragen. Und nicht wird umgekehrt, wie es für die soziologische Perspektive näher liegt, die Artikulation der ”Zurechnungsgründe mit Begriffen wie „Handlung“, „Motiv”, „Wille“, „Freiheit” als Korrelat von sehr viel tieferliegenden Ordnungsproblemen begriffen, also als Antwort auf die fundamentalere Notwendigkeit der Verteilung von Selektionszurechnungen.

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  10. Hierzu gibt es vor allem in der Jurisprudenz Präzisierungserfahrungen. Vgl. z.B. Armin Kaufmann: Die Dogmatik der Unterlassungsdelikte. Göttingen 1959; Ernst A. Wolff. Kausalität von Tun und Unterlassen. Heidelberg 1965; Claus Roxin:An der Grenze von Begehung und Unterlassung. Festschrift Karl Engisch. Frankfurt 1969, S. 380–405; Jürgen Rödig: Die Denkform der Alternative in der Jurisprudenz. Berlin—Heidelberg—New York 1969, S. 77 ff.; Friedrich Jülicher: Die Verfassungsbeschwerde gegen Urteile bei gesetzgeberischem Unterlassen. Berlin 1972. Mit all dem sind natürlich die spezifisch methodologischen Probleme nicht gelöst, welche die soziale Relevanz des Unterlassens den empirischen Sozialwissenschaften aufgibt. Vgl. dazu Raymond E. Wolfinger: Nondecisions and the Study of Local Politics. American Political Science Review 65 (1971), S. 1063–1080.

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  11. Eine gute Darstellung und Analyse ist Karl Schuhmann: Die Fundamentalbetrachtung der Phänomenologie: Zum Weltproblem in der Phänomenologie Edmund Husserls. Den Haag 1971. Der Übergang zu einer systemtheoretischen Betrachtungsweise muß natürlich die „Ursprünglichkeit“ (d.h. die Subjektivität!) des Bewußtseins in Frage stellen. Sie fällt hier besonders leicht, weil Schuhmann bereits von „nachträglicher Ursprünglichkeit”, von sich selbst machendem Bewußtsein spricht, was systemtheoretisch als Selbstselektion bzw. Autokatalyse begriffen werden kann.

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  12. Der Fall der Reflexion liegt insofern komplizierter, als hier der Erlebende sich mit dem Erlebten identifiziert, dies aber nur aufgrund einer vorgängigen Unterscheidung von Akt und Gegenstand tun kann, denn sonst gäbe es kein Identitätsproblem. Insofern erlebt man sich in der Reflexion gerade nicht als Handelnder, sondern als Innenhorizont der Welt. Das begleitende Erleben des eigenen Handelns bzw. das Bewußtsein, gehandelt zu haben, ist ein ganz anderer Fall — nämlich eine Kombination verschiedener (Erleben des Handelns) und nicht ein reflexives Verhältnis gleichartiger (Erleben des Erlebens) Prozesse.

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  13. Immerhin bleibt anzumerken, daß auch hier der Problemstellung ein binärer Schematismus zugrunde gelegt wurde, wenn auch nicht der moralische, sondern der kognitive Schematismus.

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  14. Vgl. Günther Buck: Lernen und Erfahrung: Zum Begriff der didaktischen Induktion, 2. Aufl. Stuttgart—Berlin—Köln—Mainz 1969.

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  15. Der Begriff des Schematismus ist selbst von Kant nicht zureichend geklärt worden. Vgl. Kritik der reinen Vernunft B, S. 176ff. und dazu Friedrich Kaulbach: Der philosophische Begriff der Bewegung: Studien zu Aristoteles, Leibniz und Kant. Köln—Graz 1965, insbes. S. 118ff. Soviel zumindest ist aber klar, daß der Begriff Implikationen hat für das Verhältnis von Gegenstand und Zeit. Wir kommen darauf unten S. 74 zurück.

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  16. Womit Hegel anfangen zu können meinte; siehe: Phänomenologie des Geistes, und zwar die Einleitung des Kapitels „Die sinnliche Gewißheit“.

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  17. Vielleicht trägt diese Überlegung dazu bei, den alten Streit um Determinismus und Indeterminismus zu entschärfen durch Hinweis auf die Unvollständigkeit der Fragestellung.

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  18. Vgl. für einen ersten Überblick Edward E. Jones et al. Attribution: Perceiving the Causes of Behavior. Morristown N.J. 1971; John H. Harvey et al. (Hrsg.): New Directions in Attribution Research. Bd. I, Hillsdale N.J. 1976.

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  19. Siehe namentlich Fritz Heider: Social Perception and Phenomenal Causality. Psychological Review 51 (1944), S. 358–374; ferner ders.: The Psychology of Interpersonal Relations. New York—London 1958.

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  20. Vgl. Julian B. Rotter: Generalized Expectancies for Internal Versus External Control of Reinforcement. Psychological Monographs 80 (1966), S. 1–28; E. Jerry Phares: Locus of Control in Personality. Morristown N.J. 1976.

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  21. Vgl. Heinz Heckhausen/Bernard Weiner: The Emergence of a Cognitive Psychology of Motivation. In: P.C. Dodwell (Hrsg.): New Horizons in Psychology. 2, Harmondsworth, Middlessex 1972, S. 126–147; Heinz Heckhausen: Intervening Cognitions in Motivation. In: Daniel E. Berlyne/Knut B. Madson (Hrsg.): Pleasure, Reward, Preference: Their Nature, Determinants and Role in Behavior. New York—London 1973, S. 217–242.

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  22. Harold H. Kelley: Attribution Theory in Social Psychology. Nebraska Symposium on Motivation 1967, S. 192–238 (197) formuliert zum Beispiel in bezug auf den Sich-selbst-Erlebenden: „When a person has an impression that something is true of an entity, how does he ascertain that the impression reflects the inherent properties of the entity and not his own characteristics or some peculiar interaction with the entity“, und versucht im Anschluß daran, Kriterien für die Entscheidung dieser Frage zu entwickeln. Stellt man sich unter „entity” einen anderen Menschen vor, liegen die Entscheidungsschwierigkeiten auf der Hand, und damit wird zugleich der Bedarf einer sozialen Regelung der Kriterien für Zurechnungen evident.

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  23. Hier müßten genauere Analysen über die Beziehungen zwischen Schematismus und Zeit angeschlossen werden. Offensichtlich eignet sich der Zurechnungsschematismus nur für die Steuerung einer Abfolge von Operationen. Er setzt voraus, daß ein Anfang gemacht ist und daß eine offene Zukunft besteht, für die das Verteilen von Zurechnungen Konsequenzen haben kann.

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  24. Vgl. z.B. Harold H. Kelley et al.: A Comparative Experimental Study of Negotiation Behavior. Journal of Personality and Social Psychology 16 (1970), S. 411–438.

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  25. Siehe die Divergenzen bei der internalen bzw. externalen Zurechnung eigener bzw. fremder Beförderungen bei Niklas Luhmann: Zurechnung von Beförderungen im öffentlichen Dienst. Zeitschrift für Soziologie 2 (1973), S. 326–351 (345ff.).

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  26. Dazu Edward E. Jones/Richard E. Nisbett: The Actor and the Observer. Divergent Perceptions of the Causes of Behavior. In: Jones et al,a.a.O., S. 79–94.

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  27. Dazu Niklas Luhmann: Zurechnung von Beförderungen im öffentlichen Dienst, a.a.O.

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  28. Die Veränderung der Temporalstrukturen in der Konsequenz der bürgerlichen Revolution des 18./19. Jahrhunderts, die bei stärkerer Betonung der ökonomischen und wissenschaftlichen Funktionsbezüge eine offene Zukunft akzeptiert, ist ein gegenwärtig viel diskutiertes Thema. Siehe nur Reinhart Koselleck: Vergangene Zukunft der früheren Neuzeit. In: Epirrhosis: Festgabe für Carl Schmitt. Berlin 1968, S. 551–566.

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  29. Vgl. Niklas Luhmann: Einführende Bemerkungen zu einer Theorie symbolisch generalisierter Kommunikationsmedien. In ders.: Soziologische Aufklärung. Bd. 2, Opladen 1975, S. 170192.

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  30. Auch die Attributionstheorie stellt bei Handlungszurechnungen häufig auf Absichten, unterstellte Absichten, gemeinten Sinn etc. ab. Vgl. theoretische Überlegungen zu dieser Frage bei Edward E. Jones/Kenneth E. Davis: From Acts to Dispositions: The Attribution Process in Person Perception. In: Leonard Berkowitz (Hrsg.): Advances in Experimental Social Psychology. Bd. 2, New York—London 1965, S. 219–266, und als einen Überblick über empirische Forschungen Mary D. Maselli/John Altrocchi: Attribution of Intent. Psychological Bulletin 71 (1969), S. 445–454.

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  31. Zur Entwicklung von Absichtszurechnungen bei Kindern vgl. z.B. Shlomo Breznitz/Sol Kugelmass: Intentionality in Moral Judgment: Developmental Stages. Child Development 38 (1967), S. 469–479.

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  32. Hierzu z.B. Friedrich Jonas: Zur Aufgabenstellung der modernen Soziologie. Archiv für Rechts-und Sozialphilosophie 52 (1966), S. 349–375; Hartmut Neuendorfs• Der Begriff des Interesses: Eine Studie zu den Gesellschaftstheorien von Hobbes, Smith und Marx. Frankfurt 1973; Albert O. Hirschman: The Passions and the Interests: Political Arguments for Capitalism before Its Triumph, Princeton N.J. 1977.

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  33. Vgl. hierzu Kenneth Burke: Permanence and Change. New York 1935.

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  34. Hierzu etwa C. Wright Mills: Situated Actions and Vocabularies of Motive. American Sociological Review 5 (1940), S. 904–913; Kenneth Burke: The Grammar of Motives and The Rhetoric of Motives. Neudruck in einem Bande, Cleveland 1962; Alan F. Blum/Peter McHugh: The Social Ascription of Motives. American Sociological Review 36 (1971), S. 98–109. Auch Max Webers Handlungsbegriff ließe sich, wenngleich mit gewissen Schwierigkeiten, in diese Blickrichtung einordnen.

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  35. Talcott Parsons und Gerald M. Platt sehen darin nach der industriellen und der politischen eine dritte, die erzieherische Revolution des Gesellschaftssystems; vgl. The American University, Cambridge Mass. 1973; ferner dies.: Age, Social Structure, and Socialization in Higher Education. Sociology of Education 43 (1970), S. 1–37.

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  36. Um nur eines noch zu nennen: Da Erziehung mit Fähigkeiten immer zugleich Ansprüche erzeugt, muß das Verhältnis von Politik und Wirtschaft neu geordnet werden im Sinne einer durchgehenden politischen Relevanz des Potentials wirtschaftlicher Bedürfnisbefriedigung

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  37. Aus der umfangreichen Literatur siehe nur David Street/Robert Vinter/Charles Perrow: Organization for Treatment, New York 1966.

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Luhmann, N. (1981). Erleben und Handeln. In: Soziologische Aufklärung 3. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-01340-2_5

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