Zusammenfassung
Die folgenden Skizzen sollen zumindest einige Plausibilitäten dafür mobilisieren, daß das Phänomen Wohlfahrtsverbände (nebst ihren Beziehungen zum Staat) eine sehr viel weiterreichende gesellschaftstheoretische Relevanz besitzt, als es bislang in der entsprechenden Forschung und im Hauptteil dieser Arbeit behandelt worden ist. Diese Ausführungen versuchen, die Thematik mit system-, modernisierungs- und institutionentheoretischen Konzepten unterschiedlicher Art und Provenienz (Almond, Rokkan, Münch und Luhmann) zu verbinden und der Frage nachzugehen, inwieweit dabei nationale und verbandsorganisatorische Sonderwege sichtbar werden.362 Schwerpunkte des historischen und gesellschaftlichen Vergleichs sind dabei Deutschland und Großbritannien.
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Literatur
Das bedeutet zugleich, daß hier sektor-und politikfeldspezifischen Eigenarten eine geringere Bedeutung zukommt (vgl. dazu Daalder 1987; Freemann 1985 und FeickBann 1988; s.a. Rieger 1992: 26 ).
Aus Gründen der Vereinfachung folgen wir hier einem „Primat der Innenpolitik“ (Kehr), s. aber auch die Problematisierung und Kritik bei Gourevitch 1977.
Vobruba (1991: 114ff.) hat die Zusammenhänge zwischen Sozialpolitik und Modernisierung — sowohl als Flankierung sozialstruktureller Differenzierung, Flexibilisierung und Stabilisierung ökonomischer Prozesse wie auch als Grundlage von Emanzipation und Demokratie verstanden — aufgearbeitet.
Vgl. zur politischen Kultur in Westeuropa Almond 1956, Reiche) 1984, speziell zu den Niederlanden und Schweden siehe Zahn 1984 und Henningsen 1986; zu national unterschiedlichen Wissenschaftskulturen vgl. Beyme 1988: Kap. 1 sowie zur Verortung im Rahmen der Rokkanschen Startvariablen zusammenfassend Flora 1981 und Immerfall 1992.
Dieser „Voluntarismus“ zeigt sich bis in die Gegenwart in Großbritannien vor allem bei den industriellen Beziehungen; vgl. dazu G. Schmidt 1989 und Armingeon 1993.
Eder (1991) verbindet dabei die Untersuchung des Assoziationswesens mit der politisch-kulturellen Evolution und der (grosso modo gescheiterten) Herausbildung einer egalitären, diskursiven Vergemeinschaftung.
Seibel (1990: 117) verweist ebenfalls auf diesen wichtigen Punkt: Die Organisationen des Dritten Sektors sind ein „arrangement of de-modernized niches in modern organizational culture“. Bei ihnen ist der Rationalisierungsprozeß aufgehalten worden, was zu den notorischen Defiziten ihrer Responsivität und Effizienz fuhrt. Nokielski (1993) hebt die Spannungen zwischen Universalität und Partikularität hervor, die aus der unvollständigen Modernisierung erwachsen.
Aus religionssoziologischer Perspektive kommt Luhmann (1977: 246ff., 280f.) zu einer vergleichbaren Problematisierung, allerdings zu einer modernistischen Antwort. Auch bei ihm steht das Religionssystem einer fortschreitenden funktionalen Differenzierung der Sozialstruktur — und das heißt auch: Auflösung konfessionell geprägter Stratifikationsmuster — gegenüber; dieser Prozeß verläuft allerdings nicht unaufhaltsam und gleichmäßig in den westeuropäischen Ländern. Gleichzeitig stellen sich kirchliche Korporationskonzepte einer Gemeinschaft der Gläubigen sowie die Funktion der Religion, für „substrukturelle“ Restrisiken eine (transzendente) Ausfallbürgschaft zu übernehmen, als Herausforderung für die staatliche Souveränität dar. Entgegen Luhmann (1977: 244f) liegt es aber mit Blick auf die Niederlande gerade nicht auf der Hand, daß Religionssysteme keine Erziehungssysteme aufbauen können, denn das von ihm postulierte Inklusionsprinzip, das eine staatliche Aufgabenerfüllung erfordert, gilt hier nur eingeschränkt. Die bemerkenswerte Tatsache, daß die Logik von Risiko und Sicherheit bei Religion und Wohlfahrtsstaat gemeinsam wirkt, ist bislang jedoch wenig untersucht worden (für den Wohlfahrtsstaat vgl. besonders Ewald 1993).
Einige weitere Überlegungen zum Zusammenhang von „Intermediarität und Modernität“ finden sich bei den Beiträgen in Bauer 1991, zum Verhältnis von Sozialpolitik und Modernisierung sowie Demokratisierung siehe auch Vobruba (1991: 114ff., 153ff.). Eine interessante Vergleichsperspektive bieten die USA (vgl. Bauer 1990, Stoesz/Karger 1991), wo die Entwicklung vom Markt her und auf diesen zu verläuft — ein Weg, der freilich ebenfalls mit massiven sozialpolitischen Defiziten behaftet ist.
Diese Probleme werden in der Regel aber nicht als politische Konflikte ausgetragen — und wenn, dann in massiv verrechtlichter Form -, sondern sie schlagen besonders als „Non-Decisions“ zu Buche. Darüber hinaus bildet diese Problematik eine — meist wenig beachtete — Facette in der breiteren Diskussion über die „Grenzen des Regierens” (Lehner 1979).
Political stability and ideological legitimacy reduce environmental uncertainty and thus encourage future-oriented behavior, giving organizational entrepreneurs the confidence to found new organizations. Nation-states facilitate and protect organizations both directly and indirectly…“ (Aldrich 1979: 164, 171 ). Zum letztgenannten Aspekt vgl. die Abschnitte über die neuen Länder und die Europäische Union (s.a. zur Vertiefung Eichener/Schmid 1992 ).
In anderen Worten: Durch die Institutionenbildung wird der institutionelle Kontext verändert, und die veränderten Kontextbedingungen wirken auf die institutionellen Strukturen einer Einrichtung zurück (Rieger 1992: 69). Mayntz/Nedelman 1987 sprechen in diesem Zusammenhang von eigendynamischen sozialen Prozessen.
Zur Umformung von Interessen durch den Staat siehe vertiefend Levine 1990.
Der neue Institutionalismus hat sich zu einem einflußreichen, aber immer noch sehr heterogenen Theorieprogramm in den gesamten Sozialwissenschaften entwickelt, 11 r den hier zugrunde-gelegten Ausschnitt aus der Debatte ist besonders wichtig Czada/Windhoff 1990, DiMaggio/ Powell 1991 und Zucker 1988 sowie Skocpol 1985.
Dazu bemerkt Rieger (1992: 36): „Der Prozeß der Mobilisierung von Interessen und Werthaltungen erzeugt erst die spezifischen Interessenkonfigurationen, die dann so entscheidend für die Gestaltung und Entwicklung der Sozialpolitik und ihrer Institutionen werden“.
Auf ähnliche Effekte verweist M. Olson; danach werden gerade durch die Umbrüche nach verlorenen Kriegen in den Verliererländern die etablierten Verteilungskoalitionen zerschlagen. Sowohl theoretisch wie empirisch ist dies jedoch bezweifelbar (vgl. die Beiträge in Schubert 1992 ).
Historiker wie Winkler (1972: 36) haben schon auf solche Parallelen hingewiesen: „Das obrigkeitsstaatliche Regierungssystem förderte, indem es die Vertretung bestimmter Interessen verstaatlichte, die soziale Segmentierung der deutschen Gesellschaft“ (s. hierzu auch Levine 1990).
Vgl. hierzu Alber 1985, Taylor-Gooby 1991, Ginsburg 1992 sowie allgemein Raschke 1987: 111, 445.
Oder in den Worten von Wuthnow (1991: 3): „Legacy of the Past, Hope for the Future?“.
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© 1996 Leske + Budrich, Opladen
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Schmid, J. (1996). Fazit und Perspektiven: Wohlfahrtsverbände und Wohlfahrtsstaat in einem breiteren gesellschaftstheoretischen Kontext. In: Wohlfahrtsverbände in modernen Wohlfahrtsstaaten. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-01286-3_8
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-01286-3_8
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
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