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Die Demokratisierung des ungarischen politischen Systems

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Ungarn in Europa
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Zusammenfassung

Am Anfang der Demokratisierung des ungarischen politischen Systems stand die Liberalisierung des Kadarismus, die in den Zerfall der sozialistisch-autoritären Herrschaft der kommunistischen Partei Kadars mündete. Der erste, zaghafte Beginn ungarischer Reformpolitik42 geht aber bereits auf die 1960er Jahre zurück. Er konzentrierte sich neben der Gewährung individueller Freiräume unter Wahrung der sowjetischen Hegemonie fast ausschließlich auf den wirtschaftlichen Bereich (zu Reformkonzepten in Ungarn zwischen 1948 und 1990 vgl. Szabo, M. 1991c). Als eigentlicher Ausgangspunkt grundlegender politischer Reformen können die Parteikonferenz der MSZMP im September 1987 und im Mai 1988 genannt werden, während der ein Modellwandel der gesellschaftlichen Ordnung innerhalb des Sozialismus — eingeschlossen demokratischer Elemente — beschlossen wurde und Kadar schließlich seine unumschränkte Macht einbüßte. Im zeitlichen Umfeld dieser Konferenzen waren bereits mehrere Parteien und eine unabhängige Gewerkschaft gegründet worden: Der Prozeß der Pluralisierung der Interessenvertretungen und der politischen Öffentlichkeit war demnach ab diesem Zeitpunkt nicht mehr zu stoppen. Am sog. „Runden Tisch“ handelten Regierung, Opposition und gesellschaftliche Organisationen die Modalitäten der Machtübergabe des sozialistischen Regimes an eine demokratische Regierung aus, und das noch teilweise nach dem früheren, nicht-demokratischen Wahlverfahren43 bestimmte, „alte“ Parlament44 verabschiedete am 18. Oktober 1989 die neue demokratische Verfassung.

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Literatur

  1. Reform“ wird hier zunächst im sozialistischen Sinne als „eine geregelte, institutionalisierte, von staatlicher oder politischer Seite geplante partielle Veränderung des sozialen, wirtschaftlichen und politischen Systems [...], die jedoch nicht - oder zumindest nicht beabsichtigt - zu einer globalen und qualitativen Veränderung des Systems führt” (Szabo, M. 199Ic: 679) verstanden. Die angesprochenen grundlegenden Reformen hingegen sind Veränderungen, die „Modernisierungsprozessen dienen, d.h. Effektivitätssteigerungen in der Wirtschaft und mehr Demokratie für die Gesellschaft zur Folge haben“ (Szabo. M 199lc: 681). Demnach sind politische Veränderungen und wirtschaftliche Effektivierung im Reformprozeß eng verbunden. Echte Reformen führen im Endeffekt nach dieser Definition sowohl zu marktwirtschaftlichen als auch zu demokratischen Systemen.

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  2. Zwar wurde nach den alten sozialistischen Verfahren und dem Alleinvertretungsanspruch der MSZMP gewählt, allerdings standen pro Wahlkreis mindestens zwei Kandidaten zur Auswahl (vgl. Hunics/Machos 1994: 61).

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  3. Im Juli und September hatten Nachwahlen stattgefunden, die von oppositionellen Kandidaten gewon- nen wurden. Zusätzlich hatten sich die Abgeordneten der aufgelösten alten MSZMP in Mitglieder der neuen, jetzt sozialdemokratisch orientierten MSZP und der sozialistischen neuen MSZMP gespalten (vgl. Brunner 1993: 94 ).

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  4. Die Grundidee dieses „sozialistischen Pluralismus“ bestand darin, „to allow only those non-political and social organizations which had not endangered monopoly rule, with the exclusion of rival political parties and trade unions, and to allow for a limited expansion of the space of ‘social dialogue’ in the interest of achieving the ’national consensus’ advocated by reform rhetoric” (Bozoki 1992: 61). Interessant sind hier die Reformvorstellungen Imre Pozsgays, die dieser bereits 1987 in einer Rede anläßlich der Gründung des MDF zum Thema „sozialistischer Pluralismus“ veröffentlichte (Nachdruck bei Pozsgay 1989). Seine Argumente basieren auf sozialistischen Prinzipien, resultieren genaugenommen aber letztendlich in der Auflösung der Ein-Partei-Struktur und der Verknüpfung von Partei und Staat, in der Einführung einer kritischen Kooperation mit der Opposition im Rahmen einer nationalen Koalition, in der Einbeziehung der Öffentlichkeit in die Parlamentsarbeit, in der Gewaltenteilung, der Öffnung zum Weltmarkt und der Einführung von allgemeinem Privateigentum. Eine solche Reform sei „nicht auf die Stabilisierung der Elite gerichtet […], sie […] könne jedoch nicht ohne den Zusammenschluß des progressiven Teils der Elite und des Volks erreicht werden […]. Das Ziel ist […] die Schaffung eines demokratischen, sozialistischen Ungarns” (Pozsgay 1989: 221).

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  5. An der Beerdigung Imre Nagys beteiligten sich 250 000 Menschen, an der sog. „Abstimmung mit den Füßen“ (Gergely 1991: 138), den Oppositionsveranstaltungen zum 15. März, dem Feiertag der Revolution von 1848, nahmen 100.000 Bürger teil.

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  6. Der „Oppositionelle Runde Tisch“ war auf Bestreben des Unabhängigen Juristenforums gegründet worden. Er setzte sich aus folgenden neuen politischen Gruppierungen zusammen (Gründungsdatum in Klammern; Brunner 1993: 92): Freundesgesellschaft Endre Bajcsy-Zsilinszky (Mai 1986), FIDESZ (März 1988), FKgP (1930; November 1988), KDNP (1945; März 1989), MDF (September 1987), MNP (ungarische Volkspartei, Februar 1989), MSZDP (1890; November 1987), SZDSZ (November 1988) und als Beobachter die FSZDL (Demokratische Liga Unabhängiger Gewerkschaften, Dezember 1988).

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  7. Folgende gesellschaftliche Organisationen systemkonformen Ursprungs nahmen als dritte Seite am Runden Tisch Platz (Aufzählung bei Brunner 1993: 92): Vereinigung Linke Alternative, Patriotische Volksfront, Ungarischer Demokratischer Jugendverband, Verband Ungarischer Widerstandskämpfer und Antifaschisten, Landesrat Ungarischer Frauen, Ferenc-Münnich-Gesellschaft und der Landesrat der Gewerkschaften (nur bis August 1989).

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  8. Die MSZMP wünschte sich einen starken, vom Volk direkt und vor den Parlamentswahlen gewählten Präsidenten, denn sie räumte ihrem populären Kandidaten Imre Pozsgay bessere Chancen ein als den relativ unbekannten Oppositionspolitikern. Diese lehnten eine derartige Machtstellung ab und forderten eine parlamentarische Demokratie, in der ein vom Parlament zu wählender Präsident nur eingeschränkte Befugnisse besitzen sollte. Diese Problematik spaltete den Oppositionellen Runden Tisch. Da jedoch eine Vereinbarung mit der MSZMP getroffen werden mußte, verzichteten die vier Gruppierungen des Oppositionellen Runden Tisches, die eine präsidiale Demokratie ablehnten, auf ihr Vetorecht, so daß eine Einigung zwischen der MSZMP und den übrigen Gruppen erzielt werden konnte (vgl. ausführlich Bozoki 1992: 65–68 ).

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  9. Da diese Verfassung auf der Ungarischen Verfassung von 1949 aufbaute und nicht gänzlich erneuert, sondern nur modifiziert worden war, wurde sie von der Opposition auch als Übergangsverfassung bezeichnet. Die Einschätzung als vorläufig zeigt auch der ursprüngliche Text zur Definition der ungarischen Republik: „The Hungarian Republic is an independent democratic state based in law, where the values of bourgeois democracy as well as of democratic socialism have an equal standing“ (zitiert nach Bozoki 1992: 65). Inzwischen ist die Kompromißformel, die zumindest die demokratische Form des Sozialismus schützen soll, gestrichen worden. In §2 Abs. 1 und 2 der ungarischen Verfassung heißt es: „(1) Die Ungarische Republik ist ein unabhängiger, demokratischer Rechtsstaat. (2) In der Ungarischen Republik gehört jede Macht dem Volke, das die Volkssouveränität durch seine gewählten Vertreter sowie direkt ausübt” (zum Text der ungarischen Verfassung vgl. Geltende Ungarische Rechtsnormen I./Nr. 26., 31. 12. 1990 ).

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  10. Angesichts der fehlenden föderalen Strukturen in Ungarn wurden verschiedene Vorschläge für eine Verbandsrepräsentation m einer zweiten Kammer gemacht, die sich jedoch nicht als mehrheitsfähig erwiesen (vgl. Brunner 1993: 98–99).

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  11. Im Falle der FKgP verließ 1992 eine Fraktionsminderheit unter Führung des Parteivorsitzenden und mit ihm fast die gesamte Partei die Regierungskoalition. Die Fraktionsmehrheit verblieb in der Regierungsverantwortung, verlor jedoch ihre Basis und konnte erst 1993 eine neue Partei, die „Vereinigte Partei der Kleinen Landwirte“ gründen (vgl. Kurtan 1995: 347–348). Diese konnte bei den Wahlen 1994 die 5%-Hürde nicht überwinden. Die MDF spaltete sich 1993 nach dem Parteiausschluß des rechtsnationalen Istvan Csurka, der eine eigene „Partei der Wahrheit und des Lebens” gründete (vgl. Archiv der Gegenwart 3.11.1992: 37199–371303, 12.12. 1993: 38459–38461 ).

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  12. Um die Stabilität der Regierung und die Gesetzgebungsfähigkeit auch bei den notwendigen Eckgesetzen, die mit einer Zweidrittelmehrheit verabschiedet werden mußten, zu gewährleisten, schlossen MDF und SZDSZ am 29. April 1990 eine vorübergehende Vereinbarung, nach der die Oppositionspartei die Gesetzesvorhaben der Regierung unterstützen sollte. Im Gegenzug wurde die Anzahl der Verfassungsgesetze auf 20 reduziert und Arpard Göncz (SZDSZ) zum Übergangspräsidenten gewählt (vgl. Ilonszki 19936: 261 ).

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  13. Bis zur erneuten Verfassungsänderung am 19. Juni 1990 galt ein destruktives Mißtrauensvotum, das auch die Entlassung und Ernennung einzelner Minister durch Parlamentsbeschluß vorsah (vgl. Brunner 1993: 100 ).

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  14. Bereits em Jahr nach der Wahl hatte die MSZP ihre relative Mehrheit in Umfragen an die FKgP abgeben müssen (vgl. World Up! New Media. CET On-line 22. 8. 1995 ).

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  15. Im Falle der Taxifahrer-Blockade 1990 verbot Arpard Göncz als formal oberster Befehlshaber der Armee (§ 29 Abs. 2 der ungarischen Verfassung) den Einsatz der Streitkräfte.

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  16. Dieses Verfahren entspricht dem kontinentaleuropäischen Organisationsmodell, während das amerikanische keine Trennung von Verfassungsgericht und Oberstem Gerichtshof kennt.

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  17. Im Gegensatz zum bundesdeutschen Verfassungsgericht kann das ungarische keine Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit politischer Parteien fällen.

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  18. Dies sind das Parlament oder die Ausschüsse, der Staatspräsident, die Regierung oder ein Regierungsmitglied, der Präsident des Staatsrechnungshofes oder des Obersten Gerichtshofes oder der Generalstaatsanwalt (vgl. Kerekes 1993: 282).

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  19. Dies sind die kollektive Partizipation am öffentlichen Leben, Nutzung der Muttersprache im Parla- ment, in Regierungsbüros und vor Gericht, Benutzung ihrer Namen in der ursprünglichen ethnischen Form, Aufstellung zweisprachiger Straßenschilder, Bildung und Erziehung in der jeweiligen Mutter-sprache, regelmäßiges Radio-und Fernsehprogramm von und für Minderheiten, Schaffung lokaler und nationaler Selbstverwaltungsräte, Diskriminierungsverbot, Freiwilligkeit der ethnischen Identität, Chancengleichheit, Verbot gezielter Assimilierungspolitik und gezielter Veränderung der ethnischen Zusammensetzung ihrer Siedlungsgebiete, freier Kontakt zum Ursprungsland, Wahl eines Ombudsmannes WI-Minderheitenfragen im Parlament (vgl. § 32/B der Verfassung), Überprüfung der Situation der Minderheiten durch das Parlament spätestens alle zwei Jahre und Regelung der Repräsentation der Minderheiten im Parlament durch ein eigenes Gesetz.

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  20. Die ca. 20 Minderheitenvertreter wurden 1990 über nationale Listen der verschiedenen Parteien in die Nationalversammlung gewählt. Eine relativ geschlossene Stimmabgabe der Volksgruppen in Ungarn für die jeweilige Minderheitenpartei kam allerdings nicht zustande, keine der Minderheitenparteien konnte somit die 4%- bzw. 5%-Hürde überwinden (vgl. Boden 1993: 316 ).

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  21. So schließt z.B. das Entschädigungsgesetz von 1991 durch das ausgewählte Stichjahr 1949 eine Wiedergutmachung an den bis dahin vertriebenen Deutschen aus; den Minderheiten werden Schulen verweigert, Volkszählungen angeblich manipuliert, bzw. Kategorisierungen nach Muttersprache oder Sprachkenntnissen so vorgenommen, daß die Gruppe der Minderheiten kleiner erscheint als sie in Wirklichkeit ist (vgl. Oschlies 1992: 45–46; Osteuropa-Archiv Nr. 5/1994, S. A 278–281).

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  22. Das hier wiedergegebene Wahlrecht entspricht dem Stand von 1993.

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  23. Restimmen sind Stimmen, die für eine Partei oder einen Kandidaten einer Partei abgegeben wurden, jedoch zu keiner Mandatsvergabe geführt haben. Je nach Anzahl dieser Stimmen kann das Verhältnis der Mandatsanteile nach Komitats-oder Landesliste variieren: 1994 erhielten 125 Kandidaten Mandate von der Komitatsliste und 85 von der Landesliste.

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  24. Hierbei sollte auch die Auszählungsmethode nach HagenbachBischoff berücksichtigt werden.

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  25. Alleine die Pflicht, 750 befürwortende Unterschriften für eine Direktkandidatur zu sammeln, verringerte 1990 die Anzahl von 65 potentiell zu wählenden Parteien auf 28.

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  26. Durch Parteiaustritte, -abspaltungen, -neugründungen und -wechsel innerhalb des Parlaments stieg die Zahl der Parteien in der Nationalversammlung in der ersten Legislaturperiode von sechs auf 15.

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  27. Die Organisationsdichte einer Partei errechnet sich aus dem Quotienten ihrer Mitglieder und ihrer Wählerschaft. Zum Vergleich: Die durchschnittliche Organisationsdichte westeuropäischer Parteien liegt bei 13%.

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  28. 7% der Stimmen werden nach dem ungarischen Wahlgesetz in 72% der Parlamentsmandate überführt; zum Wahlgesetz und -verfahren sowie zu den Ergebnissen vgl. auch Tökes 1990, Szabo, M 199la.

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  29. Die ungarischen Grünen sind nicht als Umweltpartei westeuropäischer Prägung aufzufassen. Sie unterscheiden sich von diesen durch ein rechtsradikales Parteiprogramm mit neonazistischen Anklängen.

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  30. Laut Der Spiegel (21.3.1994: 160) war hierbei der Fraktionsfiihrer des MDF und spätere Innenminister, Imre Konya, als treibende Kraft anzusehen. In der ersten Transformationsphase sollte seiner Meinung nach jede Konfrontation mit dem regierungskritischen Rundfunk vermieden werden, um im Ausland ein vorteilhaftes Bild von Ungarn zu erzeugen. 1991 befand er dann den Zeitpunkt für gekommen, „radikale Veränderungen in der politischen Einstellung und Geisteshaltung des ungarischen Radios und Fernsehens“ durchzuziehen. Bis Anfang 1993 hielt der politisch neutrale Intendant Csaba Gomar der Zermürbungstaktik der Regierung stand, dann trat er zurück.

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  31. Kadarismus kann mit Kiss (1995: 234) als Technokratisierung der Parteibürokratie und sozialistische Bourgeoisierung der Bevölkerung durch die zweite Wirtschaft und offizielle Handlungsfreiräume sowie als „mixture of active depoliticalization through consumerism („goulash communism“) and of occasional concessions based on daily strands of opportunism” bezeichnet werden.

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  32. Bei dieser Entstehung einer „civil society“ müssen jedoch die Einflüsse des „sozialistischen Erbes” beachtet werden (vgl. Keri 1993: 38–41). Auch die Sozialisationsagenten können sie nicht einfach verbieten oder ausschließen. Dabei sind diese tradierten Einstellungen, Werte und Verhaltensweisen nicht einfach mit undemokratisch oder passiv und untertanenorientiert zu beschreiben. Als negative Einflüsse des Sozialismus werden positive Einstellungen zu Staatsinterventionismus, zentralem Konfliktmanagement, staatlich gelenkter sozialer Umverteilung, Intoleranz und emotionalem Politikstil genannt (vgl. Keri 1993: 40–41).

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  33. Hier kann auf das Beispiel Nachkriegsdeutschlands verwiesen werden, eine Identifikation fand lange Zeit mit dem Wirtschaftswunder und nicht mit der demokratischen politischen Ordnung statt (vgl. Wildenmann 1978). Eine instabile, weniger erfolgreiche Volkswirtschaft könnte demnach in Ungam zur Destabilisierung der Demokratie beitragen.

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  34. Die politische Sozialisation fand in der Regierungszeit Kadars hauptsächlich in der Familie und in der Schule durch das allgemeine Erziehungssystem und Jugendorganisationen statt (vgl. Szabo, 1. 1989 ). Der Erfolg der offiziellen politischen Sozialisation hing dabei in hohem Maße davon ab, inwiefern die Werte, welche innerhalb der Primärsozialisation in der Familie vermittelt wurden, mit den Inhalten der meist parallel verlaufenden Sekundärsozialisation im Kindergarten und in der Schule übereinstimmten.

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  35. Zunächst konkurrieren inzwischen viele ungarische Tages-und Wochenzeitungen um Leser, welche die Wahrheit aus verwirrend vielen Blickrichtungen beleuchten. Zusätzlich sind zahlreiche ausländische Zeitungen und Zeitschriften zu jedem erdenklichen Thema auf dem ungarischen Markt erhältlich. Gleichzeitig sind jedoch die Preise gestiegen, so daß viele Menschen sich keine der teuren Wochen-oder Fachzeitungen und -zeitschriften leisten können.

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  36. Als Symbol gilt in Ungarn das Dorf Dabas-Sari, in dem die Klassenzimmer der Grundschule durch eine Mauer geteilt wurden, um konfessionsgebundenen und religionsfreien Unterricht abhalten zu können.

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  37. Am 1. Juni 1990 waren die Änderungen des Bildungsgesetzes in Kraft getreten, die alle Rechtsvorschriften mit sozialpolitischen Strukturen des sozialistischen Regimes eliminierten. Die Selbständigkeit der Bildungs-und Hochschuleinrichtungen sollte ausgeweitet und das Schulwesen auch inhaltlich reformiert werden.

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  38. Das System staatlicher Kontrolle über Lehrpläne, Schulbücher und Schulaufsicht - nach dem geplanten Gesetz über allgemeine Bildung entscheidet der Bildungsminister über Schulprogramme und -Michel- engte die schulischen, erzieherischen und Bildungsfreiheiten weiter ein als das letzte Bildungsgesetz der Kadar-Zeit von 1985.

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  39. Als Adoleszente werden 12–17jährige Jugendliche und als Postadoleszente 18–29jährige junge Erwachsene bezeichnet.

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  40. Zur Zeit der Umfrage 1992/1993 befand sich die ungarische Wirtschaftsentwicklung an einem Tiefpunkt. Daher fallen mit der Beurteilung der wirtschaftlichen Lage verbundene Indikatoren wie Demokratiezufriedenheit oder die Bewertung des aktuellen politischen Systems negativer aus als zu Zeiten einer positiven ökonomischen Entwicklung.

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  41. Bereits im theoretischen Teil dieser Arbeit wurde darauf hingewiesen, daß im Konzept Eastons zur politischen Unterstützung einige Unklarheiten enthalten sind (vgl. Fuchs 1989 ). Eine ausführliche Diskussion dieser Unklarheiten findet sich auch bei Westle (1989: 73–90), deren resümierendes Resultat für die empirische Analyse im folgenden Kapitel berücksichtigt wird. Der Legitimitätsglaube an die politischen Herrschaftsträger „als Überzeugung, daß es richtig ist, die politischen Herrschaftsträger zu akzeptieren und ihnen zu gehorchen“ (Westle 1989: 87) scheint aufgrund der engen Verquickung mit strukturellen Elementen eher auf die Komponente „politische Ordnung/Regime” anwendbar. Definiert man Vertrauen in die Autoritäten über die Gemeinwohlorientierung der politischen Amtsträger als „Überzeugung […J, daß die gemeinsamen Interessen der Mitglieder eines politischen Systems von den politischen Herrschaftsträgem auch ohne besondere Einflußnahme oder Kontrolle von den politischen Herrschaftsträgern vertreten werden“ (Westle 1989: 89), ergibt sich eine Verknüpfung mit der spezifischen Unterstützung über Outputelemente bzw. mit Elementen der diffusen Unterstützung des Regimes. Als Endergebnis der Diskussion der diffusen Unterstützung der Autoritäten hält Westle (1989: 90) fest: „Eine unmittelbare Umsetzung der theoretischen Konstrukte für die empirische Arbeit erscheint damit nicht möglich.”

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  42. Fragestellung: „On the whole, are you very satisfied, faily satisfied, not very satisfied or not at all satisfied with the way democracy is developing in our country?“

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  43. Die Werte liegen im Mittel europäischer Staaten und noch unterhalb der Österreichs. Hier sind mehr als 80% der Befragten stolz, dieser Nation anzugehören (Plasser/Ulram 1992: 36).

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  44. Eine Aussage über die Art der Grenzrevision - friedlich oder gewaltsam - kann anhand dieser Daten nicht getroffen werden. 1992 führte das Median-Meinungsforschungsinstitut in Budapest zwei Umfragen zu diesem Thema durch, die offenbarten, daß 97% der Befragten die ungarischen Grenzen nur mit friedlichen Mitteln ändern würden (vgl. Kwasny I994a: A 205-A 206).

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  45. Diese Einflußfaktoren wurden für die gesamte Analyse der politischen Kultur aus multiplen Regressionsanalysen (Signifikanzniveau generell Sig T &.05) und bivariaten Korrelationsanalysen (Signifikanzniveau generell p=.000) gewonnen.

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  46. Nach Csepeli/Zavecz zeigen die Gruppenzusammensetzungen keinen Zusammenhang mit politischen Aktivitäten, variieren aber nach dem Bildungsstand der Befragten. Hauptschulabsolventen waren vor allem in der ersten, Hochschulabsolventen in der dritten und Abiturienten in allen oben genannten Gruppen nationalen Bewußtseins zu finden. Dieses Ergebnis konnte mittels einer multiplen Regressions-analyse der in den CEEB 1991–1993 enthaltenen Variablen zur Beschreibung des Nationalgefühls („Fühlen Sie sich eher als Ungar oder als Europäer oder beides?“) bestätigt werden.

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  47. Diese Abneigung gegen jüdische Intellektuelle konnte vor allem im Wahlkampf 1994 beobachtet werden. Die Plakate von Kandidaten des liberalen SZDSZ, der als Vertreter der urbanen, „jüdisch-bolschewistisch-liberalen“ Intelligenz (vgl. Pamphlet von Istvan Csurka in Machos 1994a: 146) diffamiert wurde, wurden mit antisemitischen Zeichen und Parolen beschmiert.

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  48. Dieses Resultat kann für 1990 durch den World Value Survey bestätigt werden. Ein Viertel der Ungarn meinten, „man kann den meisten Menschen vertrauen“ (vgl. analog Mattusch 1995: 18).

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  49. Vergleiche. effektivitätsorientierte und gemeinwohlbasierte Interpretation bei Gamson 1968; Orientierung am Spannungsverhältnis von politischer Macht und Verantwortlichkeit und der Wirkung einer kritischen Öffentlichkeit bei Almond/Verba 1963; Variationen von Vertrauen und Mißtrauen sowie Konsens und Dissens innerhalb verschiedener Bevölkerungsgruppen bei Sniderman 1981 und Wright 1976 (vgl. Gabriel 1993 ).

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  50. Als Vergleichsobjekt mit den politischen Institutionen dient das Vertrauen der Bevölkerung in Kirchen und Medien. Zur Anwendung kam eine siebenstufige Skala: Wert 1 = kein Vertrauen, Wert 7 = großes Vertrauen, Werte 5–7 ergeben starkes Vertrauen (wie in Tabelle ausgewiesen).

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  51. Bei der Frage nach dem Vertrauen in die Institutionen wurden in der ISSP-Studie die Kategorien „etwas“, „viel” und „komplettes“ Vertrauen zu „Vertrauen” subsumiert.

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  52. Resultate des Neuen Demokratien-Barometers zeigen ein adäquates Ergebnis. Die Bewertung des sozialistischen Systems ist dabei besser als des gegenwärtigen politischen Systems. Dieser Befund gilt interessanterweise nur noch fir die Staaten der russischen Region, während in den restlichen neuen Demokratien Osteuropas die Bewertungen fir das gegenwärtige System leicht besser sind als fir das ehemalige sozialistische. Ungarn erweist sich somit innerhalb der ostmitteleuropäischen Staaten als Sonderfall.

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  53. Dies gilt auch für 1992 (vgl. Plasser/Ulram 1993: 40–41).

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  54. Im Gegensatz zu der üblicherweise verwendeten negativen Fassung „Die meisten Abgeordneten kümmern sich nicht um das, was Leute wie ich denken“ wurde im Pulse of Europe 1991 die positive Frageformulierung verwendet. 62% der Befragten antworteten ablehnend.

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  55. Signifikanzniveau Sig T &. 05

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  56. Signifikanzniveau p=.000

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  57. Die Bewertung sowohl des eigenen als auch des allgemeinen derzeitigen und künftigen Lebensstandards war 1991 eng mit der Beurteilung des Premierministers Joszef Antall verbunden. Für die weitere gesamtwirtschaftliche Entwicklung bis 1996 wurde, über die erste Legislaturperiode des Parlaments hinaus, die Regierungskoalition bestehend aus MDF, KDNP und FKgP verantwortlich gemacht. Deren derzeitige Transformationspolitik wurde wohl als weichenstellend für die künftige allgemeine Entwicklung empfunden, denn zwischen dem in den nächsten fünf Jahren erwarteten allgemeinen Lebensstandard und dem Urteil über die Oppositionsparteien bestand ke in Zusammenhang.

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  58. Zur Exploration wurden eine bivariate Korrelationsanalyse (p=.000) und eine multiple Regressionsanalyse (Sig T &.05) verwendet.

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  59. Zur Anwendung kommen Daten der ISSP-Studie „Role of Government“ von 1990.

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  60. Bei derart geringen Fallzahlen verbieten sich komplizierte Analysen von selbst, zumal ihr Aussagewert sehr gering wäre.

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  61. Hier bestätigt sich der von Uehlinger (1988: 130) für Deutschland erarbeitete Befund eines tiefen Grabens zwischen legalen und illegalen Formen politischer Partizipation auch für die ungarische Bevölkerung. Die Ergebnisse des 1990 durchgeführten „World Value Survey“ bestätigen die Befunde der ISSP-Umfrage (vgl. auch Mattusch 1995).

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  62. Die Trennung von legalen und illegalen Formen politischer Beteiligung läßt sich mit einer Faktorenanalyse feststellen und mit den Ergebnissen einer multiplen Regressionsanalyse untermauern.

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  63. In dieser Einstellung unterscheidet sich die ungarische Bevölkerung diametral von der westeuropäischen Wahlbürgerschaft.

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  64. Diese Entwicklung kann mit dem Lebenszyklus-Modell „start up-slow down“ von Verba/Nie 1972 verglichen werden.

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  65. Die Fragestellung der Central and Eastern Eurobarometer („Sind Sie mit der Demokratie, wie sie sich in Ihrem Lande präsentiert, zufrieden?“) erfaßt die Effektivitätskomponente durch den Bezug zur aktuellen Präsentation der Demokratie. Sie mißt damit sowohl die Einstellung zur Staatsform Demokratie als Funktionsprinzip (Legitimität) als auch die Einstellung zur Ausprägung der Demokratie bzw. der politischen und wirtschaftlichen Leistungen des gegenwärtigen Regimes (politische und wirtschaftliche Effektivität) und ist in diesem Falle auch kurzfristigen Schwankungen unterworfen (vgl. Inglehart 1989: 63–64). Hierbei ist auf den hohen Zusammenhang von Demokratiezufriedenheit und Einschätzung der eigenen sowie der gesamtwirtschaftlichen Lage zu verweisen (vgl. auch den Zusammenhang von allgemeiner Lebenszufriedenheit und Legitimität des demokratischen Systems bei Inglehart 1989: 57–67; vgl. in ähnlicher Weise die Diskussion bei Gabriel 1986, 1992: 103 sowie die Einschätzung bei Merk! 1988: 22 und Kaase 1985: 107).

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  66. Vergleicht man die Demokratiezufriedenheitswerte Ungarns mit denen südeuropäischer Länder um 1985, 1986, 1987 (Spanien und Portugal) bzw. 1980, 1981, 1982 ( Griechenland), so liegen die ungarischen Ergebnisse jeweils deutlich unter den neuen, südeuropäischen Demokratien. Allerdings mull man beachten, daB die Eurobarometerumfragen für Griechenland, Spanien und Portugal erst mit der Aufnahme dieser Staaten in die EG begannen und die Messungen deshalb erst fünf bzw. zehn Jahre nach der Einführung der Demokratie im jeweiligen Land einsetzen.

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  67. Nur die Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion besitzen eine schlechtere Ausgangsbasis (vgl. Pickel/Pickel 1996).

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  68. Unmittelbar nach den zweiten Parlamentswahlen im Mai 1994 tauschten die siegreichen Sozialisten die Inhaber der Führungspositionen in den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten wieder gegen Angehörige oder Sympathisanten der eigenen Partei aus.

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  69. Eine bivariate Korrelationsanalyse der Daten der Pulse of Europe-Umfrage ergaben fir 1991 einen Zusammenhang von r—.30 fir den in fiinf Jahren erwarteten und von r—.18 fir den momentan subjektiv empfundenen Lebensstandard in Ungarn mit der Beurteilung der Regierungsparteien (Korrelationskoeffizient Pearson’s r, p =.000).

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  70. Auch hierbei handelt es sich um den derzeit niedrigsten Wert in Ostmitteleuropa inklusive baltische Staaten, Rumänien, Ukraine, Kroatien, Bulgarien und Weißrußland.

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  71. Die Variablen zur Erfassung der Einschätzung gesamtwirtschaftlicher Entwicklungen wurde nur in die CEEB von 1991 und 1992 aufgenommen und seither nicht mehr erhoben.

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  72. Dies gilt auch bei einer Erweiterung des Zeitraumes auf fünf Jahre: Drei Viertel der ungarischen Bürger gaben an, daß sich die finanzielle Situation ihres Haushalts maßgeblich verschlechtert habe (Plasser/Ulram 1994: 8).

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  73. Im Rahmen der Verteilung von Gütern der alten MSZMP proportional zu den Wählerstimmen hatten beide Parteien „zu kleine“ Parteizentralen erhalten. Die Regierung entschädigte sie mit Häusern in der Budapester Innenstadt bzw. an der Donau, die rasch verkauft wurden, um mit dem Erlös den Wahlkampf zu bestreiten.

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  74. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, daß die Präferenz für ein Ein-Partei-System und autoritäre Grundhaltungen zwischen 1991 und 1992/1993 zunahm (Plasser/Ulram 1993: 47).

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  75. Die MSZP hatte ihren Wahlkampf unter dem Motto: „Damit der Fachverstand an die Regierung kommt“ geführt. Tatsächlich waren von 209 Abgeordneten der MSZP im zweiten demokratischen Parlament vor dem Systemwechsel 58 Parteifunktionäre, 16 hohe Würdenträger der KP, 28 LPG-Vorsitzende und neun Gewerkschaftsfunktionäre (Jozsa 1995: 33).

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  76. Die Inflation betrug 1994 23,5%, die Arbeitslosenquote lag infolge des Abbaus der Überbesetzung bei 11,8%, die Staatsverschuldung bezifferte sich auf 40 Mrd. DM, das BIP ging um 23% zurück (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.5.1994, vgl. auch Archiv der Gegenwart, 29. 5. 1994: 39005 ).

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  77. Die Tatsache, daß „ärmere“ Bürger, die auf dem Land wohnen, ihre Stimme eher zugunsten von KDNP und FKgP abgeben und die „wohlhabendere” Stadtbevölkerung sich eher für MSZP, SZDSZ, MDF, FIDESZ entscheidet, zeigt die enge Verflechtung von sozio-ökonomischer, religiöser und StadtLand-Trennlinie.

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Pickel, S. (1997). Die Demokratisierung des ungarischen politischen Systems. In: Ungarn in Europa. Deutscher Universitätsverlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-01281-8_4

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