Zusammenfassung
Die Chronik rechtsextremistischer Übergriffe ist erschreckend. Die punktuell Aufmerksamkeit erheischenden rechtsextremistisch motivierten Straftaten lassen längst vermuten, dass es sich nicht mehr um bedauerliche Einzelfälle verirrter Jugendlicher, sondern um ein strukturelles und komplexes Problem handelt, welches nicht nur in Deutschland, sondern in fast allen modernen Industriestaaten virulent ist. Wissenschaftliche Erklärungen sowie politische, rechtliche und strafrechtliche Gegenmaßnahmen setzen dabei zu Recht immer voraus, dass rechtsextremistische Gewalttaten, die in jüngster Zeit die Bundesrepublik aufgerüttelt haben, wie Brandstiftung, Totschlag und schwerste Verletzungen von Personen, moralisch und auch strafrechtlich zweifelsfrei zu verurteilen sind. Den Gewalttaten gehen freilich Worte, Gedanken und Ideologeme voraus, die, wenn auch nicht im Sinne einer simplen Kausalität, den Boden für jene bereiten und so eine oft diffuse Disposition zu rechtsextremistischen Taten schaffen. Auf dieser Ebene der orientierenden Vorstellungen geht es ebenfalls um eine kritische und zurückweisende Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus. Sie ist umso wichtiger, als Menschen ja nicht durch Geburt rechtsextrem werden, sondern in einem komplexen Prozess, in dem auch die Herausbildung von Überzeugungen eine wichtige Rolle spielt. Will man hier entgegenwirken, so hat eine zivile Gesellschaft nur die Möglichkeit der argumentativen Auseinandersetzung. Der Umstand, dass damit manche Gewalttäter nicht mehr erreicht werden können, muss nun keineswegs dazu führen, solche argumentativen Anstrengungen überhaupt zu unterlassen, und sie sind auch nicht einfach als Selbstberuhigung der Zivilgesellschaft zu diagnostizieren.1
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Literatur
So aber Armin Nassehi in einem sonst bedenkenswerten Artikel: Schläger schaffen ohne Waffen, in: Die Zeit v. 24.8.2000, S. 36
Vgl. Hans-Gerd Jaschke, Rechtsextremismus, in: Iring Fetscher/Herfried Münkler (Hrsg.), Handbuch der politischen Ideen, Bd. 5, München 1987, S. 487ff.; Uwe Bakkes, Politischer Extremismus in demokratischen Verfassungsstaaten. Elemente einer normativen Rahmentheorie, Opladen 1989; Wolfgang Benz (Hrsg.), Rechtsextremismus in Deutschland. Voraussetzungen, Zusammenhänge, Wirkungen, Frankfurt am Main 1994
Vgl. Stefan Gosepath/Georg Lohmann (Hrsg.), Philosophie der Menschenrechte, 2. Aufl. Frankfurt am Main 1999
Vgl. dazu: Gerhard Oestreich, Geschichte der Menschenrechte und Grundfreiheiten im Umriß, 2. Aufl. Berlin 1978
Vgl. hierzu: Georg Lohmann, Die unterschiedlichen Menschenrechte, in: Klaus Peter Fritzsche/Georg Lohmann (Hrsg.), Menschenrechte zwischen Anspruch und Wirklichkeit, Würzburg 2000, S. 9ff.
Vgl. Georg Lohmann, Soziale Menschenrechte und die Grenzen des Sozialstaats, in: Wolfgang Kersting (Hrsg.), Politische Philosophie des Sozialstaats, Weilerwist 2000, S. 351ff.
So zum Beispiel das Parteiprogramm der NPD, welches die,jede Gemeinschaft gefährdende,Selbstverwirklichung` und den mit ihr einhergehenden schrankenlosen Egoismus“ ablehnt.
Siehe Michael Sandel (Hrsg.), Liberalism and Its Critics, New York 1984; Nancy C. Rosenblum (Hrsg.), Liberalism and the Moral Life, Cambridge (Mass.) 1989; Axel Honneth (Hrsg.), Kommunitarismus. Eine Debatte über die moralischen Grundlagen moderner Gesellschaften, Frankfurt am Main/New York 1992; Georg Lohmann, Faktizität und „liberale Gemeinschaften“, in: Gemeinschaft und Freiheit, Studia Philosophica 1994, Jahrbuch der Schweizerischen Philosophischen Gesellschaft, Bern/ Stuttgart/Wien 1995, S. 75ff.
Dazu immer noch lesenswert: Martin Greiffenhagen, Das Dilemma des Konservatismus in Deutschland, München 1977; Kurt Lenk u.a. (Hrsg), Vordenker der Neuen Rechten, Frankfurt am Main/New York 1997
Es kann deshalb auch nicht, wie von konservativer Seite gefordert, eine den Menschenrechten gleichwertige Erklärung (angeblicher) Menschenpflichten geben. Siehe hierzu: Georg Lohmann, Warum keine Deklaration von Menschenpflichten?, Zur Kritik am Inter-Action Council, in: Widerspruch 35 (1998), S. 12ff.
Siehe Georg Lohmann, Die unterschiedlichen Menschenrechte, a.a.O., S. 12
Zitate aus dem NPD-Parteiprogramm
Aus dem Umstand, dass diese Auffassung nicht nur eine Kritik demokratischer Verfahren darstellt, sondern letztlich auf eine Ablehnung des demokratischen Verfassungsstaates hinausläuft, erklärt sich die Bezeichnung „Extremismus“. Vgl. Armin Pfahl-Traughber, Rechtsextremismus in der Bundesrepublik, München 1999, S. 12
Dieser Punkt scheint Links-von Rechtsextremisten zu unterscheiden; vgl. ebd., S. 13 15 Zu diesem Begriff siehe Ernst Tugendhat, Vorlesungen über Ethik, Frankfurt am Main 1992, S. 375f.
Siehe ebd., S. 376f.
Vgl. z.B. Marcus Willaschek (Hrsg.), Ernst Tugendhat: Moralbegründung und Gerechtigkeit. Vortrag und Kolloqium in Münster 1997, Münster 1997
Siehe Ernst Tugendhat, Der Wille zur Macht. Macht und Anti-Egalitarismus bei Nietzsche und Hitler — Einspruch gegen den Versuch einer Verharmlosung, in: Die Zeit v. 14. 9. 2000
Siehe hierzu: Stefan Huster, Zum Zusammenhang von Gleichheit und Gerechtigkeit, Ms., Heidelberg 1999
Natürlich ist eine Forderung, geltendes Recht zu ändern, nicht selbst schon verfassungswidrig.
Siehe Bundeskindergeldgesetz in der Fassung vom 22.4. 1999, § I, BGBl. III/FNA 85–4
Siehe Manfred Zuleeg, Zur staatsrechtlichen Stellung der Ausländer in der Bundesrepublik Deutschland, in: Die öffentliche Verwaltung (DOV) 1973, S. 361
Philosophisch wird ein expliziter moralischer Partikularismus selten vertreten; es gibt aber eine ganze Reihe von Autoren, denen man einen impliziten moralischen Partikularismus nachweisen kann, z.B. Richard Rorty; siehe ders., Solidarität oder Objektivität?, Stuttgart 1988.
Vgl. Jürgen Habermas, Die Einbeziehung des Anderen, Frankfurt am Main 1996, S.56ff. 25 Siehe die Aufsätze und die Literatur zu diesem Thema in: Stefan Gosepath/Georg Lohmann (Hrsg.), Philosophie der Menschenrechte, a.a.O.
Vgl. dazu: Helmut Fröchling, Die ideologischen Grundlagen des Rechtsextremismus, in: Jens Mecklenburg (Hrsg.), Handbuch deutscher Rechtsextremismus, Berlin 1996, S. 97ff.
Zit. bei Wolfgang Gessenharter, Utopien der „Neuen Rechten“, in: Tribüne. Zeitschrift zum Verständnis des Judentums 3/1995, S. 41
Siehe Georg Lohmann, Menschenrecht und Völkerrecht — Symbiose und Konflikt, in: Notizen. Zeitschrift des Kulturforums der Sozialdemokratie, Berlin 1999, S. 20ff.
Siehe z.B. wieder das NPD-Programm „Deutsche Souveränität und das Europa der Völker“
Vgl. Georg Lohmann, Liberale Toleranz und Meinungsfreiheit, in: K. Peter Fritzsche/ Frank Hörnlein (Hrsg.), Frieden und Demokratie. Festschrift für E. Forndran, Baden-Baden 1998, S. 117ff.
Editor information
Rights and permissions
Copyright information
© 2001 Leske + Budrich, Opladen
About this chapter
Cite this chapter
Lohmann, G. (2001). Rechtsextremismus und Menschenrechte. In: Butterwegge, C., Lohmann, G. (eds) Jugend, Rechtsextremismus und Gewalt. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-01243-6_13
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-01243-6_13
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-8100-3222-5
Online ISBN: 978-3-663-01243-6
eBook Packages: Springer Book Archive