Zusammenfassung
Im 19. Jahrhundert war es nicht ungewöhnlich, den menschlichen Lebenslauf bildlich als eine Brücke mit Stufen darzustellen (siehe z.B. Weber — Kellermann 1976: 42). Auf jeder Stufe stand ein Paar — oder auch nur ein Mann — in einer typischen Lebensphase. Kindheit, Jugend, Erwachsenenleben und Alter folgten einander als klar abgegrenzte Phasen; Lehrling und Meister, Brautzeit und Hochzeit markierten Übergänge und Ziele auf dem Lebensweg. Die Stufen der Brücke symbolisieren nicht nur das unvermeidliche biologische Auf und Nieder des menschlichen Lebens, sondern auch die sozialen Zäsuren, die in den Lebenslauf gleichsam eingekerbt waren. Die sozialen Zäsuren hatten nicht allein ihre feste Zeit im Leben des Einzelnen, sie waren zugleich öffentliche Ereignisse, Feste im Leben nicht nur der Familie, sondern auch der Ortsgemeinschaft und der Kirche. Viel ist davon nicht geblieben. Eine Abiturklasse, die früher in einer Kleinstadt als Gruppe auffiel und gefeiert wurde, wird heute in einer Großstadt vielleicht noch kurz im Lokalteil der Zeitung notiert. Studienabsolventen des gleichen Fachs im gleichen Jahr, die sich früher, unterstützt durch das Verbindungswesen, gekannt und miteinander auf die Prüfung vorbereitet haben, sehen sich heute vielleicht das erste Mal, wenn sie einander im Prüfungszimmer die Klinke in die Hand geben. Verlobungen, die öffentliche Ankündigung einer geplanten Eheschließung, sind altmodisch geworden; statt dessen zieht man zusammen, wenn eine gute Wohnung frei wird, um zu prüfen, ob man miteinander auskommt.
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Literatur
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Meulemann, H., Wiese, W. (1989). Zäsuren und Passagen. In: Herlth, A., Strohmeier, K.P. (eds) Lebenslauf und Familienentwicklung. Biographie und Gesellschaft, vol 7. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-01113-2_3
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