Zusammenfassung
Will man diesen Analysen etwas über die gesellschaftliche Funktion von Massenmedien entnehmen, muß man zunächst einmal auf eine grundlegende Unterscheidung zurückgreifen, nämlich die Unterscheidung von Operation und Beobachtung. Operation ist das faktische Stattfinden von Ereignissen, deren Reproduktion die Autopoiesis des Systems, das heißt: die Reproduktion der Differenz von System und Umwelt durchführt. Beobachtungen benutzen Unterscheidungen, um etwas (und nichts anderes) zu bezeichnen. Auch Beobachten ist selbstverständlich eine Operation (anders käme sie nicht vor), aber eine hochkomplexe Operation, die mit Hilfe einer Unterscheidung das, was sie beobachtet, von dem abtrennt, was sie nicht beobachtet; und was sie nicht beobachtet, ist immer auch die Operation des Beobachtens selbst. Die Beobachtungsoperation ist in diesem Sinne ihr eigener blinder Fleck, der überhaupt erst ermöglicht, etwas Bestimmtes zu unterscheiden und zu bezeichnen.1
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Referenzen
Diese hier nur kurz zusammengefaßten Begriffsbestimmungen habe ich an anderer Stelle ausführlicher vorgestellt. Siehe Niklas Luhmann, Die Wissenschaft der Gesellschaft, Frankfurt 1990, S. 68 ff.
Siehe z.B. A. Moreno/J. Fernandez/A. Etxeberria, Computational Darwinism as a Basis for Cognition, Revue internationale de systémique 6 (1992), S. 205–221.
In der Terminologie von George Spencer Brown a.a.O. (1979), S. 7 i.V.m. S. 5.
Zu den Vorteilen einer digitalisierten, sequentiellen, sich auf „transmission capacity“ stützenden Arbeitsweise angesichts riesiger Informationsmengen siehe auch W. Ross Ashby, Systems and Their Informational Measures, in: George J. Klir (Hrsg.), Trends in General Systems Theory, New York 1972, S. 78–97.
Ausführlicher Niklas Luhmann, Soziale Systeme: Grundriß einer allgemeinen Theorie, Frankfurt 1984, S. 191 ff.
Das gilt im übrigen in ganz anderer Weise auch für lebende Organismen, deren elementarste Exemplare (Einzeller) Kognition nur über binäre Schematisierungen durchführen können, für die Teilprozesse des Systems, aber nicht das gesamte System verantwortlich sind und die Messungen durchführen müssen, für die es in der Umwelt keine Entsprechungen gibt.
Siehe dazu auch Marcinkowski a.a.O. (1993), S. 113 ff.
Oben S. 120 f. Siehe auch Sachregister.
Vgl. für Lebewesen Jean-Baptiste Pierre Antoine de Monet de Lamarck, Philosophie zoologique, Paris 1809, Nachdruck Weinheim 1960, Bd. I, S. 82 ff.
Siehe Talcott Parsons/ Winston White, Commentary on: „The Mass Media and the Structure of American Society“, Journal of Social Issues 16 (1960), S. 67–77.
Deshalb bedarf es, wir kommen auf bereits Gesagtes nochmals zurück, einer besonderen Codierung, um das System der Massenmedien operativ zu schließen. Würde man nur auf Kommunikation als solche achten, erschiene die Tätigkeit der Mas- senmedien nur als Mitwirkung an der Autopoiesis der Gesellschaft, also nur als Beitrag zur Ausdifferenzierung des Gesellschaftssystems.
Siehe Heinz von Foerster, Objects: Tokens for (Eigen-) Behaviors, in ders., Observing Systems, Seaside Cal. 1981, S. 274–285. Zur Rekursivität speziell kommunikativer Operationen siehe auch ders., Für Niklas Luhmann: Wie rekursiv ist Kommunikation? Teoria Sociologica 1/2 (1993), S. 66–85. Von Foersters Antwort auf die Frage lautet: Kommunikation ist Rekursivität — mit mathematischen Konsequenzen, versteht sich.
Vgl. zu dieser Gegenüberstellung Michel Serres, Genèse, Paris 1982, S. 146 ff. mit dem stark einschränkenden Begriff der „quasi-objets“.
Dazu Spencer Brown a.a.O. (1979), S. 54 ff.
Man findet diese Frage bereits in hellsichtigen Formulierungen der Frühromantik. Siehe etwa Novalis, Blüthenstaub 109: „Die gewöhnliche Gegenwart verknüpft Vergangenheit und Zukunft durch Beschränkung. Es entsteht Kontiguität, durch Erstarrung, Krystallisation. Es gibt aber eine geistige Gegen- wart, die beyde durch Auflösung identifiziert.“ Zitiert nach Werke, Tagebücher und Briefe Friedrich von Hardenbergs, Darmstadt 1987, Bd. II, S. 283. Diese auf „Geist“ gesetzte Hoffnung wird man indessen kaum auf die Massenmedien übertragen wollen.
So Heinz Förster, Das Gedächtnis: Eine quantenphysikalische Untersuchung, Wien 1948.
Vgl. auch Heinz von Foerster, What is Memory that it May Have Hindsight and Foresight as well, in: Samuel Bogoch (Hrsg.), The Future of the Brain Sciences, New York 1969, S. 19–64, dt. Übers. in ders., Wissen und Gewissen: Versuch einer Brücke, Frankfurt 1993, S. 299–336.
Vgl. Dirk Baecker, Das Gedächtnis der Wirtschaft, in ders. et al. (Hrsg.), Theorie als Passion, Frankfurt 1987, S. 519–546. Man wird hier jedoch hinzufügen müssen, daß das Rechtssystem benutzt werden kann, um diese wirtschaftstypische und wirtschaftsnotwendige Vergeßlichkeit in gewissen Fällen zu korrigieren.
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Luhmann, N. (1996). Die Funktion der Massenmedien. In: Die Realität der Massenmedien. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-01103-3_13
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