Zusammenfassung
Unter der generellen Fragestellung nach der Rolle politischer Institutionen im modernen Verfassungsstaat stellt das Dritte Reich ein herausragendes Paradigma dar, an dem sichtbar hervortritt, welche Wirkungen von einer systematischen Zerstörung übernommener Institutionen und deren unzureichender Restitution ausgehen können. Denn ein Grundzug des nationalsozialistischen Herrschaftssystems ist darin zu erblicken, daß es dazu tendierte, den seit der Epoche des Absolutismus herausgebildeten Anstaltsstaat durch ein System der Herrschaftsausübung zu ersetzen, das in wachsendem Umfang durch personale Beziehungen zwischen dem plebiszitären Führer und seiner Clientel gekennzeichnet war und tendenziell auf jegliche Institutionalisierung Verzicht leistete, so daß Robert Koehl seinerzeit den Begriff des “Neofeudalismus” zu seiner Charakterisierung eingeführt hat.1 Bereits die klassisch gewordenen Studien von Franz Neumann und Ernst Fraenkel kreisten um das Problem, ein Herrschaftsgebilde zu beschreiben, das sich einerseits als grundlegender Rückfall hinter alle Grundsätze des postrevolutionären Verfassungsstaates darstellte, andererseits die sachlichen und technischen Machtmittel des zeitgenössischen Staatsapparats rücksichtslos zur Durchsetzung der eigenen politischen Zwecke benützte.2
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Literatur
Robert Koehl: Feudal Aspects of National Socialism, in: Henry A. Turner (Hg.): Nazism and the Third Reich, New York 1972, S. 151–174.
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Franz Neumann: Behemoth. Köln 1977.
S. Hans Mommsen: The Concept of Totalitarian Dictatorship versus the Comparative Theory of Fascism, in: Ernest A. Menze (Hg.): Totalitarism Reconsidered, London 1981, S. 160 ff.
S. Eberhard Jäckel: Hitlers Herrschaft. Vollzug einer Weltanschauung, Stuttgart 1987.
Vgl. Wolfgang Horn: Führerideologie und Parteiorganisation in der NSDAP (1919–1933), Düsseldorf 1972, S. 384 ff.
Vgl. Jeremy Noakes: Government, Party and the People in Nazi Germany, Exeter Studies in History No. 2, Exeter 1980, S. 15.
Vgl. Peter D. Stachura: ‘Der Fall Straßer’: Gregor Straßer, Hitler and National Socialism, in: Ernest A. Menze (Hg.): The Shaping of the Nazi State, London 1978, S. 88–130.
Vgl. Hans Mommsen: Hitler aus der Sicht seiner engsten Gefolgsleute, in: Jahrbuch des Wissenschaftskollegs zu Berlin, 1984/85, Berlin 1986.
Vgl. Hans Mommsen: Hitlers Stellung im nationalsozialistischen Herrschaftssystem, in: G. Hirschfeld/L. Kettenacker (Hg.): Der “Führerstaat”: Mythos und Realität. Studien zur Struktur und Politik des Dritten Reiches, Stuttgart 1981, S. 51 ff.
Die Tagebücher von Joseph Goebbels. Sämtliche Fragmente, hg. von E. Fröhlich, Teil I, Bd. 2, München 1987, S. 218 f. Aufzeichnung vom 9.8.1932.
Vgl. Martin Broszat: Der Staat Hitlers. Grundlegung und Entwicklung seiner inneren Verfassung, München 1969, S. 151 ff.
Ebd., S. 361 f.
Vgl. Jane Caplan: Bureaucracy, Politics and the Nationalsocialist State, in. P. Stachura, Der “Führerstaat”: Mythos und Realität. Studien zur Struktur und Politik des Dritten Reiches, Stuttgart 1981, S. 234–256
Peter Diehl-Thiele: Partei und Staat im Dritten Reicht Untersuchungen zum Verhältnis von NSDAP und allgemeiner innerer Staatsverwaltung, München 1972, S. 12 ff
Hans Mommsen: Beamtentum im Dritten Reich, Stuttgart 1966.
Vgl. Dieter Rebentisch/Karl Teppe (Hg.): Verwaltung contra Menschenführung im Staat Hitlers. Studien zum politisch-administrativen System, Göttingen, 1986, Einleitung, S. 26 ff.
Lothar Gruchmann. Die “Reichsregierung” im Führerstaat. Stellung und Funktion des Kabinetts im nationalsozialistischen Herrschaftssystem, in: G. Doeker/W. Steffani (Hg.): Klassenjustiz und Pluralismus. Festschrift für Ernst Fraenkel, Hamburg 1973, S. 187–223.
Vgl. Jane Caplan: The Politics of Administration. The Reich Interior Ministry and German Civil Service, in: Historical Journal 20 (1977), S. 707–736.
Peter Hültenberger: Nationalsozialistische Polvkratie. in: GuG 2 (1976). S. 417–442
Vgl. Reinhard Bollmus: Das Amt Rosenberg und seine Gegner. Studien zum Machtkampf im nationalsozialistischen Herrschaftssystem, Stuttgart 1970, S. 87 und 246.
Vgl. Dietmut Majer: Führerunmittelbare Sondergewalten in den besetzten Ostgebieten. Entstehung und Wirksamkeit, in: D. Rebentisch/K. Teppe, Verwaltung contra Menschenführung, S. 384 ff; Hans Buchheim: Die Höheren SS- und Polizeiflührer, in: VfZ 11 (1963), S. 362–91.
Vgl. Alan Milward: Hitlers Konzept des Blitzkrieges, in. A. Hillgruber (Hg.): Probleme des Zweiten Weltkrieges, Köln 1967, S. 19–40
Richard J. Overy: “Blitzkriegswirtschaft”? Finanzpolitik, Lebensstandard und Arbeitseinsatz in Deutschland 1939–1942, in: VfZ 36 (1988), S. 378–435.
Dieter Rebentisch: Hitlers Reichskanzlei zwischen Politik und Verwaltung, in: Cuc Rebentisch/Cuc Teppe, Verwaltung contra Menschenführung, S. 665–699.
Vgl. Karl Teppe: Der Reichtsverteidigungskommissar. Organisation und Praxis in Westfalen, in: ebd., S. 291 f.
S. Broszat: Der Staat Hitlers, S. 440; vgl. auch Diehl-Thiele: Partei und Staat, S. 199 f.
S. die biographischen Angaben bei Lothar Gruchmann: Justiz im Dritten Reich 1933–1940. Anpassung und Unterwerfung in der Ara Grtner, München 1988.
Vgl. Ralph Angermund: Die geprellten “Richterkönige”. Zum Niedergang der Justiz im NS-Staat, in: H. Mommsen/S. Willems (Hg.): Herrschaftsalltag im Dritten Reich. Studien und Texte, Düsseldorf 1988, S. 304–337.
Vgl. Hans Mommsen: Ausnahmezustand als Herrschaftstechnik des NS-Regimes, in: Manfred Funke (Hg.): Hitler, Deutschland und die Mächte. Materialien zur Außenpolitik des Dritten Reiches, Düsseldorf 1976, S. 30–45.
S. Heinz Boberach (Hg.): Meldungen aus dem Reich. Die geheimen Lageberichte des Sicherheitsdienstes der SS 1938–1945, S. 36 f.
Vgl. Eberhard Jäckel: Frankreich in .Hitlers Europa, Stuttgart 1966, S. 46 ff.
S. Mommsen: Hitlers Stellung, S. 58 ff.
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Mommsen, H. (1989). Die Auflösung des politischen Systems im Dritten Reich. In: Hartwich, HH. (eds) Macht und Ohnmacht politischer Institutionen. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-00202-4_3
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