Zusammenfassung
Auf der historischen Betrachtung aufbauend, werden nun Bedingungen, Schwerpunkte und Wandel der Jugendpolitik seit dem Krieg auf dem Hintergrund der parlamentarischen Beratungen des Deutschen Bundestages dargestellt7. Es wird versucht, einen Überblick über die wechselnden Beratungsgegenstände und Schwerpunkte der jugendpolitischen Diskussion der ersten sechs Wahlperioden zu vermitteln, die Einordnung der einzelnen Maßnahmen und der ihnen jeweils zugedachte Stellenwert im Gesamtzusammenhang der Jugendpolitik zu kennzeichnen und Aussagen zum Verständnis, zur Definition und zur Abgrenzung jugendpolitischen Handelns festzuhalten. Die organisatorisch-institutionellen Aspekte des jugendpolitischen Handlungsfeldes werden nur insoweit Erwähnung finden, als sie zum Verständnis der jugendpolitischen Szene notwendig dazugehören und die Herausbildung der zentralinstanzlichen Jugendpolitik betreffen.
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Anmerkungen
Als Quellenmaterial dienten die Verhandlungen des Deutschen Bundestages, d. h. die Stenographischen Berichte sowie die Drucksachen zu den Verhandlungen. (Sie werden hier zitiert: BTVerh., II, 166, 25.10.1956, S. 9198 D = Verhandlungen des Deutschen Bundestages, Stenographische Berichte, II. Wahlperiode, 166. Sitzung am 25.10.1956, S. 9198, Feld D; BTDrucks., III/317, S. 18 = Verhandlungen des Deutschen Bundestages, Anlagen, III. Wahlperiode, Drucksache Nr. 317, S. 18). Im Rahmen der vorliegenden Veröffentlichung können die parlamentarischen Debatten nur sehr verkürzt referiert und mit nur wenigen Textauszügen dokumentiert werden. Ausführlichere Behandlung finden die Beratungen in der dieser Publikation zugrunde liegenden Arbeit: Bruno W. Nikles, Jugendpolitik in der Bundesrepublik. Entwicklungen, Merkmale und Orientierungen eines speziellen politischen Handlungsfeldes, Sozialwiss. Diss. Bielefeld 1975 (Manuskript). Obgleich die folgenden Ausführungen durch einschlägige weitere Materialien ergänzt wurden, ist der eingeschlagene Weg angesichts der Bedingungen und Grenzen parlamentsöffentlicher Arbeit des Bundestages nicht unproblematisch. Die Verlagerung der parlamentarischen Arbeit und damit der Sachdiskussion in die Bundestagsausschüsse (vgl. schon Dechamp 1954) ist eine unvermeidliche Folge der Ausdifferenzierung und zunehmenden Spezialisierung der politischen Handlungsfelder und eine Antwort auf die wachsende Zahl der in den politischen Entscheidungsraum eindringenden Aufgaben. Bezogen auf die politische Entscheidungsfindung hat die Plenardebatte des Bundestages inzwischen längst nur noch formale Funktionen und vernachlässigt zu sehr die öffentliche politische Beratung und Darstellung (vgl. Grimm 1970, S. 463). Darüberhinaus ist festzustellen, daß die Debatten gleichzeitig mit der Verlagerung der Sachdiskussion in die Ausschüsse vielfach eine Schwächung der Funktion zeigten, die Gesamtperspektive der einzelnen politischen Entscheidungen zu behandeln und die dieser Perspektive zugrundeliegenden politischen Prinzipien und Leitlinien zu verdeutlichen. Eine der wesentlichen Funktionen des Parlaments aber ist es, die Politik öffentlich zu machen. Vor allem für die weniger zentralen Politikbereiche bedeuten die in dieser Hinsicht feststellbaren Funktionshemmungenentscheidende Defizite. Die parlamentarischen Beratungen vermochten beispielsweise kaum einen Beitrag dazu zu leisten, den Eindruck von der Jugendpolitik als einer lange Jahre primär an den Wünschen der Jugendhilfe orientierten Interessenpolitik abzubauen und zur Überwindung der Randstellung der Jugendpolitik den hohen Rang der jugendpolitischen Aufgaben für die gesamte Gesellschaft zu betonen. Wir gingen jedoch bei der Auswertung der Debatten des Deutschen Bundestages von der Annahme aus, daß sich trotz der genannten Einschränkungen die grundlegenden Orientierungsmuster der Politiker zumindest ansatzweise identifizieren lassen. Wenn auch die Debatten nicht alle Diskussionspunkte widerspiegeln, so war doch zu erwarten, daß zumindest die als kontrovers und politisch wichtig angesehenen im Bundestag zur Sprache kommen. In jedem Fall aber wurde eine Aussage über Umfang und Inhalt der jugendpolitischen parlamentsöffentlichen Präsentation der Politiker möglich. Eine ergänzende Auswertung der Ausschußberatungen unterblieb. Die Analyse dieser Beratungen dürfte vor allem bei der Behandlung einzelner spezieller jugendpolitischer Maßnahmen fruchtbar sein. Die Fülle des Materials hätte zudem den Rahmen dieser Arbeit gesprengt.
Entwicklung und Probleme des Bundesjugendplans wurden von Keil (1969) einer eingehenden Kritik unterzogen. Im Mittelpunkt steht die sich entwickelnde Praxis ministeriellen Handelns und die Kooperation mit den Trägern der Jugendhilfe. Vergleiche zum Bundesjugendplan auch die Arbeit von Dehler (1973).
In den ersten Sitzungen des Bundestages wurde besonders die Freie Deutsche Jugend häufig angesprochen, z. B. BTVerh., I, 65, 1.6.1950, S. 2360; 85, 14.9.1950, S. 3186 f.; 97, 7.11.1950, S. 3552; 154, 20.6.1951, S. 6118 f.; 158, 9.7.1951, S. 6341 ff. Daneben fanden auch rechtsgerichtete Verbände wie der,Bund Deutscher Jugend Erwähnung, z. B. BTVerh., I, 218, 11.6.1952, S. 9577; 235, 23.10.1952, S. 10799 ff.
Die von Keil (1969, S. 172 ff.) dargestellte, im Jahre 1960 verfügte Zuschußsperre gegen den SDS war bereits der zweite Fall, wenn er auch im Gegensatz zum ersten auf eine endgültige Finanzsperre hinauslief. Eine parlamentarische Resonanz ähnlich der vierstündigen erregten Debatte aus der die hier aufgeführten Zitate stammen, hatte der zweite Fall nicht. Der Grund lag in der inzwischen erfolgten politischen Distanzierung der SPD vom SDS.
Vgl. u.a. die Denkschrift des gemeinsamen Fachausschusses des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge und der Arbeitsgemeinschaft für Jugendpflege und Jugendfürsorge, in: Nachrichtendienst des Deutschen Vereins, 1950, Nr. 6, S. 125 ff.
Das,lebendige Jugendamt ist ein stehender Begriff in der Jugendhilfediskussion der Nachkriegsjahre. Er wurde auch im Parlament benutzt (z. B. BTVerh., I, 228, 10.9.1952, S. 10305 C; BTVerh., I, 273, 18.6.1953, S. 13517 C) und beinhaltet mehrere Zielvorstellungen. Im Mittelpunkt steht die Verlebendigung des Jugendamtes durch den Jugendwohlfahrtsausschuß und eine starke Beteiligung der freien Verbände oder - in der Sicht der Sozialdemokraten - genau entgegengesetzt ein größerer Einfluß der Vertretungskörperschaft. Ferner soll die Einheit der Jugendhilfe zur Lebendigkeit des Jugendamtes beitragen. Zusammengefaßt kann man sagen, daß mit dem Begriff alle Zielvorstellungen nach einer umfassenden Aktivierung der Jugendhilfe und der Herausführung aus ihrer Randstellung verbunden werden.
Die Mehrheit des BT-Ausschusses wollte den Jugendamtsausschuß zu 3/5 mit Mitgliedern der Vertretungskörperschaft und von ihr berufenen Deputierten der Bürgerschaft, zu 2/5 mit Vertretern der freien Verbände besetzt sehen. Sie setzte dies dann auch parlamentarisch durch. Die Minderheit glaubte, dem Ausschußstärker parlamentarischen Charakter geben zu müssen und wollte 3/5 der Sitze ausschließlich mit Vertretern der kommunalen Körperschaft besetzen und zudem den Ausschuß in einen parlamentarischen, beschließenden und in einen beratenden Beirat teilen.
Nach Klatt (1950) umfaßt das Jugendrecht: A. Der Jugendliche im bürgerlichen Recht; B. Der Jugendliche im Arbeitsrecht (einschließlich Lehrlingsrecht und Jugendarbeitsschutz); C. Der Jugendliche in der Sozialversicherung (einschließlich Arbeitslosenversicherung); D. Jugendwohlfahrts- und Jugendpflegerecht; E. Schulrecht (einschließlich Berufsschulrecht); F. Jugendstrafrecht; G. Jugendschutzrecht (außer Jugendarbeitsschutz).
Dieses und das vorhergehende Zitat erinnern an den Ausspruch des Abg. Schmücker anläßlich der Errichtung des,Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung4: „Wir lassen uns auch nicht durch den größeren Fachverstand von unserer politischen Richtung abbringen“, BTVerh., II, 166, 25.10.1956, S. 9188.
Das Bundesministerium des Innern behielt die Prüfstelle für jugendgefährdende Schriften, das Sportreferat und das Studentenreferat. Insbesondere der Verbleib der bieden letzten Gebiete stieß auch bei Unionsabgeordneten auf Kritik. Man hatte auf eine noch stärkere Zentrierung der Jugendfragen beim neuen Ministerium gehofft. Vgl. Kemmer 1957, S. 502.
Zuständigkeit für die Durchführung des Gesetzes über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften seit 1.5.1966; weitere gesetzliche Zuständigkeiten durch das »Gesetz über den Wechsel der Zuständigkeit im Recht des Jugendschutzes und der Adoptionsvermittlung vom 12.5.1967 (BGBl. I, S. 525), seit Bildung der Großen Koalition federführend in Fragen des Kindergeld- und Ausbildungszulagenrechts.
in der 2. Wahlperiode: Ausschuß für Familienfragen. Zusammengestellt und errechnet nach: DEUTSCHER BUNDESTAG, Wissenschaftliche Abteilung, Materialien, Bd. Nr. 23, 1971.
So u.a. die,Kategorienförderung4 von besonderen Personengruppen (Vertriebene, Kriegsbeschädigte etc. und deren Kinder), die Ausbildungsförderung nach dem BSHG, die Studienförderung des,Honnefer Modells sowie schließlich die nach kurzer Zeit wieder aufgehobene Förderung nach dem Bundeskindergeldgesetz von 1965, dem sogenannten,Pennäler-Gehalt.
Vgl. den vor der Bundestagswahl 1972 vom CDU-Abg. Rollmann vorgelegten,Kinderplan, Manuskript.
„Auf einer Pressekonferenz am 14. Nov. 1965 in Bad Godesberg erklärte Dr. Egon Klepsch MdB, eine allgemeine Verjüngung der Politik sei notwendig und richtig. Die jungen Unionsabgeordneten wollten sich,insbesondere mit der Frage der Herabsetzung des Wahlalters beschäftigen und dabei auch mit den jungen Abgeordneten der anderen Fraktionen zusammenarbeiten“, deutsche Jugend 1966, S. 279.
Aus der Vielfalt der Themen seien genannt: Bundesjugendplan, Internationaler Jugendaustausch, Jugendbericht, Bundesjugendkuratorium, Rauschgift, SDS, vormilitärische Ausbildung in der DDR, Kriegsdienstverweigerer, literarischer Jugendschutz.
Wiederholt gab es schon in den fünfziger Jahren Vorschläge, den § 1 JWG in den Grundrechtskatalog aufzunehmen, vgl. die Anregung des Arbeitskreises Jugendwohlfahrtsrecht des DV und der AGJJ, in: Pense 1959.
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Nikles, B.W. (1976). Entwicklungsphasen der Jugendpolitik in der Bundesrepublik. In: Jugendpolitik in der Bundesrepublik Deutschland. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-00100-3_4
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