Zusammenfassung
Menschliches Leben und Arbeiten spielt sich immer in verschiedenen Systemen mit dazugehörigen kulturellen (Macht-)Regeln und Vorgaben ab. In diesem Kapitel wird Female Leadership daher in drei gesellschaftlich relevanten Macht- und Wissensdomänen beleuchtet: Wirtschaft, Wissenschaft und Politik. Frauen stellen nur 9 % des Vorstandes und 31 % des Aufsichtsrates in den 160 börsennotierten Unternehmen des Landes. Auch wenn sich ihr Anteil in den letzten zehn Jahren verdreifacht hat, ist diese Zahl mit Vorsicht zu genießen: Auf eine Aufsichtsrätin kommen meist mehrere Mandate, sodass die Frauenquote dadurch verzogen wird. Nur 24 % der Professuren an deutschen Hochschulen wurden 2018 an Frauen vergeben. Im deutschen Bundestag sitzen seit der Wahl 2017 nur noch 31 % weibliche Abgeordnete, was im Vergleich zu anderen Ländern wie Ruanda (61 %) und Bolivien (53 %) das eurozentrische Weltbild wanken lässt. Mindset, Sprache und Verhalten müssen in den beschriebenen Domänen, aber auch in Medien und Gesellschaft, dringend nachjustiert werden – und das nicht nur, um den Gleichstellungsprozess zu beschleunigen, sondern auch, um ihn vielerorts überhaupt erst zu gewährleisten. Es braucht mehr (gesetzliche, ökonomische und individuelle) Anreize, Frauen in Führungspositionen zu bewegen, zu halten und sichtbar zu machen.
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Notes
- 1.
Steinlein (2019).
- 2.
Die Albright Stiftung führt neben dem „Thomas-Kreislauf“ in ihrer grauen, schwarzen und doppelschwarzen Liste Firmen auf, die weder Frauen als CEO, im Vorstand, noch im Aufsichtsrat haben. 58 Firmen der 160 deutschen Börsenunternehmen setzen weiterhin auf eine 0 %-Quote bei Frauen im Vorstand, unter ihnen Konzerne wie HeidelbergCement, K+S oder Südzucker, aber auch junge Firmen wie Zalando, Rocket Internet oder Xing (Allbright 2019). 2019 erfüllten erstmals drei börsennotierte Unternehmen von 160 (weiße Liste) einen Frauenanteil von mindestens 40 % im Vorstand, z. B. die Kion Group im MDAX.
- 3.
Die Überblicksstudie von Jürgen Weibler zum Thema Frauen im Management (2016) untersucht drei Teilgebiete: Start-ups, Non-Profit-Organisationen und Mensch-Maschinen-Interaktion.
- 4.
Zudem gilt das Brückenteilzeitgesetz seit 2019 und ermöglicht die zeitlich befristete Teilzeitarbeit mit einem Rückkehrrecht in die vorherige Arbeitszeit (Brückenteilzeit 2019). Das Entgelttransparenzgesetz dient seit 2017 der Transparenz von Entgeltstrukturen und soll vor allem Frauen dabei unterstützen, ihren Anspruch auf gleiches Entgelt bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit besser durchzusetzen. Es sieht einen individuellen Auskunftsanspruch für Beschäftige, die Aufforderung von Arbeitgeber*innen zur Durchführung betrieblicher Prüfverfahren sowie eine Berichtspflicht zu Gleichstellung und Entgeltgleichheit vor (Entgelttransparenzgesetz 2018).
- 5.
Eine Reihe von bisher nichtgesetzlichen Maßnahmen sollen zu einer Erhöhung des Frauenanteils im Deutschen Bundestag beitragen (Deutscher Bundestag 2019).
- 6.
Der Anteil der Gründerinnen in Paris (10 %) und Tel Aviv (8 %) ist niedriger als in Deutschland.
- 7.
„Durchschnittlich geben Männer-Teams in der Studie an, bisher knapp 3,4 Mio. EUR aufgenommen zu haben, während der Wert für die Frauen-Teams bei nicht einmal 200 Tausend Euro liegt. 41 % der Gründerinnen-Teams planen, externes Kapital aufzunehmen, im Vorjahr waren es nur 30 %“ (Bundesverband Deutsche Startups e. V. 2019).
- 8.
Übrigens gibt es auch Bemühungen, Männer in „Frauenfächer“ wie Grundschullehramt zu bringen, die aber viel weniger prominent im Diskurs sind. Neben dem Geschlecht ist auch die soziale Herkunft entscheidend (sog. Berufsvererbungseffekt) (Ehmann et al. 2019).
- 9.
Alle Staaten, die dem „Women, Business and The Law“-Index der Weltbank zufolge hundertprozentige rechtliche Gleichstellung auf dem Arbeitsmarkt haben, liegen in der EU, u. a. Belgien, Dänemark, Frankreich, Lettland, Luxemburg und Schweden. Die schwierigsten rechtlichen Voraussetzungen in Europa haben Russinnen: 456 Berufe wie Pilotin, Lokführerin und Kapitänin sind ihnen per Gesetz verboten (Steinlein 2019).
- 10.
Island schneidet im Global Gender Gap Report des Weltwirtschaftsforums am besten ab. Die Equal-Pay-Maßnahme soll dort bis 2021 umgesetzt sein. In der Geschichte des Landes hatten Frauen wiederholt ihre Arbeit niedergelegt oder das Haus verlassen, um gegen die ungleiche Bezahlung zu demonstrieren. Deutschland liegt beim Gender Pay Gap auf dem 68. Platz, bei der Machtbeteiligung in der Wirtschaft auf dem 89. im globalen Vergleich (World Economic Forum 2019).
- 11.
Eine report München Umfrage unter allen weiblichen Bundestagsabgeordneten kommt zu schockierenden Ergebnissen: 87 % wurden bereits Ziel von Hass und Bedrohung im Netz, einige gaben an, nahezu täglich damit konfrontiert zu sein. In 57 % der Fälle sind es sexistische Anfeindungen (Kießling und Tillack 2019). Ebenfalls in der Blogosphäre sind weibliche Aktivistinnen wie Dunja Hayali oder Madeleine Alizadeh (DariaDaria) Phänomenen wie Hate Speech und sexistischen Shitstorms ausgesetzt. In den als emanzipiert geltenden Staaten Nordeuropas werden übrigens besonders viele Fälle frauenfeindlicher Gewalt registriert („nordisches Paradox“), was möglicherweise mit dem hohen Vertrauen in Sicherheitsbehörden und einer niedrigeren Wahrnehmungsschwelle von „Gewalt“ zusammenhängt (Steinlein 2019).
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Burel, S. (2020). Female Leadership in verschiedenen Domänen. In: Quick Guide Female Leadership. Quick Guide. Springer Gabler, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-61303-0_4
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