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§ 4 Die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert

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Part of the book series: Springer-Lehrbuch ((SLB))

Zusammenfassung

Nicht nur in Deutschland – dort aber besonders – geriet im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts die Gesellschaft in eine Modernisierungskrise. Industrialisierung, Bevölkerungsexplosion, Verstädterung ließen die herkömmlichen gesellschaftlichen Steuerungsmittel als unzulänglich erscheinen. Die Konjunktur erhitzte sich zunehmend. Das Jahr 1873 brachte den großen Bank- und Börsenkrach, der den Boom der „Gründerjahre“ beendete und die „große Depression“ in der Wirtschaft der letzten drei Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts auslöste. Damit einhergehend vollzog sich der Übergang vom liberalen „Nachtwächterstaat“ zum sozialen Interventionsstaat. Immer mehr lieferte der Staat nicht mehr nur den Ordnungsrahmen für das Handeln freier Wirtschaftssubjekte, sondern entwickelte Steuerungselemente zur Lenkung der Wirtschaftsabläufe. In der Gesetzgebung schlug sich diese Tendenz spektakulär bereits wenige Jahre nach der Reichsgründung in der Aktiengesetzgebung nieder, die deutliche Kontrapunkte gegen den bis dahin geltenden laissez-faire-Standpunkt setzte. Die Anti-Wucher-Gesetzgebung zielte in dieselbe Richtung. Nach außen ersetzte seit 1879 die Schutzzollpolitik die Freihandelspolitik; innenpolitische Entsprechung war der Schwenk der Bismarckschen Bündnispolitik von den Liberalen zu den Konservativen, das Sozialistengesetz (auf das zurückzukommen ist) sowie – nicht etwa paradox, sondern dazu komplementär – die bald darauf einsetzende Sozialgesetzgebung. Der Vierte Stand sollte mit dem Zuckerbrot der sozialen Fürsorge und mit der Peitsche der Ausnahmegesetzgebung domestiziert werden. Die „soziale Frage“ wurde von einem Gegenstand religiöser und gesellschaftlicher Mildtätigkeit zu einem solchen der Regulierung durch einen Staat, der immer deutlicher die Züge des modernen Anstaltsstaates annahm. Die liberale Ära ging ihrem Ende entgegen. Mit diesen wirtschaftlichen und politischen Verschiebungen vollzogen sich geistesgeschichtliche, insb. wissenschaftsgeschichtliche Veränderungen. (Wo Ursache und Wirkung liegen, ist schwer auszumachen; jedenfalls gab es wechselseitige Beeinflussungen). Wie seinerzeit der von der Aufklärung verkündete Rationalismus sich im Laufe der Jahre und Jahrzehnte verbreitet hatte und – zunehmend von einer theoretischen Denkrichtung zu einer Alltagsattitüde mutierend und dabei sich trivialisierend – in alle Winkel des gesellschaftlichen Lebens eingedrungen war, so geschah im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts Ähnliches mit den empirischen Wissenschaften. Wissenschaftsgläubigkeit dehnte sich in alle Bevölkerungskreise aus. Der Zoologe Ernst Haeckel (1834–1919) hielt die „Welträtsel“ für lösbar. Alltagstheoretische Evidenzerlebnisse begleiten den Siegeszug dieser Wissenschaften (die ihrerseits ihre theoretischen und praktischen Möglichkeiten häufig überschätzen) wie Mr. Hyde den Dr. Jekyll. Der Übergang von der Wissenschaft über die Populärwissenschaft zur Scharlatanerie war fließend, wie die ersten Ansätze zu einer „Rassenlehre“ und der beginnende, sich wissenschaftlich gebende „moderne“ rassistische Antisemitismus zeigen.

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Notes

  1. 1.

    Dazu grundlegend Rosenberg, Große Depression und Bismarckzeit.; s. auch Ders., Wirtschaftskonjunktur, a. a. O.; Zorn, Zusammenhänge, a. a. O., S. 254 ff.; Born, Strukturwandel, a. a. O., S. 271 ff.

  2. 2.

    Zur Änderung der Aktiengesetzgebung, insb. zur Aktiennovelle von 1884, s. Großfeld, Aktiengesellschaft, S. 143 ff.; Thomas Vormbaum, Die Rechtsfähigkeit der Vereine im 19. Jahrhundert. Berlin 1976, S. 121 ff.

  3. 3.

    Gesetz, betreffend den Wucher vom 24. Mai 1880, RGBl. 1880, 109; Gesetz betreffend Ergänzung der Bestimmungen über den Wucher vom 19. Juni 1893, RGBl. 1893, 197.

  4. 4.

    Dazu mit Nachw. Vormbaum, Sozialdemokratie, S. LI ff.

  5. 5.

    Dazu Rosenberg, Rationalismus, S. 18 ff.

  6. 6.

    Haeckel, Welträthsel (zuerst 1899).

  7. 7.

    Friedrich Engels am Grab von Karl Marx: „Wie Darwin das Gesetz der Entwicklung der organischen Natur, so entdeckte Marx das Entwicklungsgesetz der menschlichen Geschichte: die bisher unter ideologischen Überwucherungen verdeckte einfache Tatsache, dass die Menschen vor allen Dingen zuerst essen, trinken, wohnen und sich kleiden müssen, ehe sie Politik, Wissenschaft, Kunst, Religion usw. treiben können“; Karl Marx/Friedrich Engels, Werke. Band 19. 9. Aufl. Berlin (O) 1989, S. 335.

  8. 8.

    Dazu Große-Vehne, a. a. O., S. 48 ff.

  9. 9.

    Vgl. § 2 I. – Auch die Historische Rechtsschule, ursprünglich die rechtspolitische Gegenspielerin des Rechtspositivismus, konvergierte letztlich mit diesem, denn das (rechtshistorisch) Gewordene fällt letztlich mit dem (positivrechtlich) Seienden zusammen; s. für das Privatrecht Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 430 ff.

  10. 10.

    Amelung, Rechtsgüterschutz, S. 53.

  11. 11.

    Ebd.

  12. 12.

    Dabei wurde die Zurechnungsfähigkeit selbst nicht als ein Teil der Schuld, sondern als Schuldvoraussetzung angesehen. Zur Kritik von Frank s. u. § 5 II. 2.

  13. 13.

    S. die betreffenden Texte aus den Jahren 1818 (Bd. 1) und 1844 (Bd. 2) b. Vormbaum, MdtStrD S. 110 ff. bzw. 372 f.; danach die folgenden Zitate.

  14. 14.

    A. a. O., S. 374 ff.; danach die folgenden Zitate.

  15. 15.

    Die Freiheit des Willens, die wir als Verantwortungsgefühl für die von uns begangenen Handlungen wahrnehmen, ist – so Schopenhauer unter Rückgriff auf Kant – „eine transcendentale, d. h. nicht in der Erscheinung hervortretende, sondern nur insofern vorhandene, als wir von der Erscheinung und allen ihren Formen abstrahieren, um zu dem zu gelangen, was, außer aller Zeit, als das innere Wesen des Menschen an sich selbst zu denken ist“ (S. 379).

  16. 16.

    Beccaria, Verbrechen, S. 51.

  17. 17.

    V. Liszt, Zweckgedanke, S. 37.

  18. 18.

    Zur Biographie Naucke, Kriminalpolitik, S. 229 mit Nachw.; zu Werk und Wirkung zuletzt Frisch, Liszt, a. a. O., S. 1 ff.; zur politischen Tätigkeit als Abgeordneter Elbert, Franz von Liszt. – Zur Einbettung Liszts in die philosophischen Tendenzen seiner Zeit, vor allem zum Zweckdenken und zum Entwicklungsdenken, s. Pawlik, Kontext, a. a. O., S. 57 ff.

  19. 19.

    Köhler, Einführung, S. VI.

  20. 20.

    Bereits 1881 war die 1. Auflage von Liszts Lehrbuch des Strafrechts erschienen, das nicht nur über Jahrzehnte und 24 Auflagen hinweg das Referenzwerk seiner „Schule“, sondern weitgehend auch der deutschen Strafrechtswissenschaft bleiben sollte. Im selben Jahr erschien zum ersten Mal die von Liszt begründete und bis heute erscheinende „Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft“ (ZStW). Nach Schünemann, GA 2016, 507, bildet das Liszt’sche Lehrbuch in dogmatischer Hinsicht Fundament und Ausgangspunkt der modernen Strafrechtswissenschaft.

  21. 21.

    Näher zu Mittelstädt und Kraepelin: Schmidt-Recla/Steinberg, ZStW 2007, 195 ff., insb. S. 200 ff.; dort auch zu weiteren Diskutanten: Ernst Sichart (1833–1908) und Richard Sontag (geb. 1835); s. auch Koch, Binding vs. Lizt, a. a. O. S. 131.

  22. 22.

    S. zu diesem Komplex Vormbaum, JoJZG 2013, 91 ff.

  23. 23.

    Dt. Übersetzung: Vormbaum (Hrsg.), Vorentwurf. Zu den möglichen Einflüssen dieses Entwurfs auf den deutschen Reformentwurf von 1922 („Entwurf Radbruch“) s. u. § 5 IV 3 sowie Vormbaum, a. a. O.

  24. 24.

    V. Liszt, Zweckgedanke, S. 6.

  25. 25.

    Vogel, Einflüsse S. 92.

  26. 26.

    Wetzell, Inventing, S. 33.

  27. 27.

    V. Liszt, Zweckgedanke, S. 8.

  28. 28.

    A. a. O., S. 11. – Wenige Jahre später (1887) sollte Friedrich Nietzsche (1844–1900) in seiner „Genealogie der Moral“ (Auszug b. Vormbaum, MdtStrD, S. 238 ff.) ebenfalls eine Evolutionstheorie der Strafe und der Strafzwecke entwickeln, die Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede zu derjenigen Liszts aufweist (dass Nietzsche Liszt gelesen hat, ist kaum anzunehmen; dass er Jhering gelesen hat, ist bekannt): Nietzsche sieht wie Liszt, dass einem in der Gesellschaft vorhandenen Phänomen, einer Prozedur (dem „Festen“) mit dem Begriff der Strafe ein Sinn („das Flüssige“) unterlegt wird; freilich meint er, dass ein einziger Sinn für Strafe gar nicht definiert werden könne: „Definierbar ist nur das, was keine Geschichte hat“. Als zweckmäßige Wirkung der Strafe sieht er allein – hier Schopenhauer folgend – die „Verschärfung der Klugheit […], die Verlängerung des Gedächtnisses“ an (a. a. O., S. 247). Eine (moralische) Besserung des Täters hält er schon deshalb für unwahrscheinlich, weil dieser „genau die gleiche Art von Handlung im Dienste der Gerechtigkeit verübt und dann gutgeheißen [sieht]: also Spionage, Überlistung, Bestechung, Fallenstellen, die ganze durchtriebene Polizisten- und Anklägerkunst, sodann das grundsätzliche, selbst nicht durch den Affekt entschuldigte Berauben, Überwältigen, Beschimpfen, Gefangennehmen, Foltern, Morden, wie es in den verschiedenen Arten der Strafe sich ausprägt – alles somit von seinen Richtern nicht an sich verworfene und verurteilte Handlungen“ (ebd.). – Näher zur Strafe in Nietzsches Philosophie: Engelhardt, ARSP 1985, 499 ff.; Gschwend, ZRG.GA 2002, 919 ff.; Bung, ZStW 2007, 120 ff.

  29. 29.

    V. Lizt, Zweckgedanke, S. 21.

  30. 30.

    A. a. O., S. 23.

  31. 31.

    A. a. O., S. 40.

  32. 32.

    Köhler, Einführung, S. VII; ähnlich Kubink, Strafe, S. 94: Was Liszt für die Kategorie der Unverbesserlichen fordert, mute „zumindest auf den ersten Blick als Vorläufer von späteren Programmen der biologischen Säuberung und ‚Sonderbehandlung‘ an“; s. auch Koch, Binding vs. Liszt, a. a. O., S. 135 f. – Kaspar, Unschädlichmachung, a. a. O., S. 119 ff., nimmt Liszt zwar gegen die Annahme einer Kontinuität (auch in Form der „Radikalisierung“) zum NS-Strafrecht in Schutz (a. a. O., S. 136), bescheinigt den einschlägigen Passagen des „Marburger Programms“ aber doch „rhetorische Dehumanisierung“ (a. a. O., S. 122).

  33. 33.

    Naucke, Kriminalpolitik, a. a. O., S. 228.

  34. 34.

    A. a. O., S. 42.

  35. 35.

    V. Liszt, Die deterministischen Gegner der Zweckstrafe, in: ZStW 1893, 325 ff., 354.

  36. 36.

    Nicht zu verwechseln mit den heute in verschiedenen Varianten vertretenen Vereinigungstheorien, die verschiedene Strafzwecke miteinander zu kombinieren versuchen, beispielsweise das sog. Phasenmodell, das verschiedenen Stadien des Strafverfahrens verschiedene Strafzwecke zuordnet.

  37. 37.

    V. Liszt, Die deterministischen Gegner, a. a. O., S. 342.

  38. 38.

    V. Liszt, Die strafrechtliche Zurechnungsfähigkeit, in: Ders., Strafrechtliche Aufsätze und Vorträge. Band 2, S. 214 ff., S. 219.

  39. 39.

    Das Reichsstrafgesetzbuch hatte freilich zu der Frage der Willensfreiheit nicht Stellung bezogen. Die – insoweit allerdings missverständliche – Formulierung „Ausschließung der freien Willensbestimmung“ in § 51 RStGB war als „relativ beste“ gewählt worden, ohne dass dadurch die „verschiedenen metaphysischen Auffassungen über die Freiheit des Willens im philosophischen Sinne in die Criminal-Verhandlungen gezogen werden“ sollten; s. den Nachw. b. Schwarze, StGB, S. 83.

  40. 40.

    Bohnert, Schulenstreit, S. 167: „Die Umschreibung normaler Determinierbarkeit mit durchschnittlicher übergeht mit Hilfe der Statistik die zu Tage liegende Bewertungsfrage“.

  41. 41.

    V. Liszt, Zurechnungsfähigkeit, a. a. O., S. 221. Bei Schopenhauer war dieser Gedanke noch als „Berichtigung der Erkenntnis“ bezeichnet worden.

  42. 42.

    Chr. Müller, Verbrechensbekämpfung, S. 40, 164.

  43. 43.

    V. Liszt, Zweckgedanke, S. 45 f.

  44. 44.

    V. Liszt, Gegner, S. 368. – dazu Drenkhahn/Morgenstern, ZStW 2012, 132 ff.

  45. 45.

    Die zuletzt genannte Bezeichnung, übrigens von Liszt eingeführt (s. Baumann, Verbrechen, S. 12), kam nach 1945 aus dem Gebrauch.

  46. 46.

    Zur Kriminalistik der Jahrhundertwende: Miloš Vec, Die Spur des Täters. Baden-Baden 2002.

  47. 47.

    V. Liszt, Verbrechen, S. 236; s. auch Holzhauer, S. 182.

  48. 48.

    Bellmann, Vereinigung. – Die IKV fügte sich in einen allgemeinen Trend zur Internationalisierung der Strafrechtswissenschaft und -politik ein; dazu Kesper-Biermann/Overath, Internationalisierung.

  49. 49.

    Naucke, Kriminalpolitik, S. 233.

  50. 50.

    V. Liszt, Gegner, S. 357; wie der zweite Grundsatz zu Liszts Forderung nach unbestimmter Strafe passt, ist nicht ganz klar. Bei anderer Gelegenheit ist Liszt von ihm auch abgerückt, vgl. Liszt, Die deterministischen Gegner der Zweckstrafe, a. a. O., S. 365 (b. Vormbaum, MdtStrD, S. 233 f.).

  51. 51.

    V. Liszt, Zweckgedanke, S. 49.

  52. 52.

    Dazu; dass die Formel tatsächlich missverstanden wurde, s. Thomas Vormbaum, Glosse „Magna Charta“, in: JZ 2014, S. 240 f.

  53. 53.

    V. Liszt, Gegner, S. 367.

  54. 54.

    Koch, Binding vs. Liszt, a. a. O., S. 138

  55. 55.

    Dass Liszt die Behandlung als Gewohnheitsverbrecher von einer bestimmten Zahl von Rückfalltaten, also von einem formalen Kriterium abhängig machen will, scheint in dieselbe Richtung zu weisen, kann aber auch als Abwehr von Übergriffen seitens der Psychiatrie und zur Rettung des Monopols der Juristen in der Strafrechtspflege interpretiert werden.

  56. 56.

    Albrecht, Kriminologie. München 2002, S. 10 f. [m. Abb.]; Wetzell, Inventing, S. 28 ff.; Ders., Kriminologie; Bernd-Dieter Meier, Kriminologie. München 2003, S. 17.

  57. 57.

    Eingehend zu Lombrosos Auffassungen Person, Der pathographische Blick; aus der jüngeren italienischen Literatur der Tagungsband Picott/Zanuso, Kriminalanthropologie, sowie die Beiträge zur Tagung „Scuola positiva e Codice Rocco“, in der Zeitschrift „Diritto penale XXI secolo“ 10 (2011), S. 181–559.

  58. 58.

    Gadebusch Bondio, Rezeption, S. 44.

  59. 59.

    Man kann dies als besondere Pointe des Rechtspositivismus bezeichnen: dass er einerseits einen formellen, auf den positiven Gesetzgeber abstellenden Unrechtsbegriff kreierte, andererseits die Befindlichkeit eines in der Realität existierenden Menschen – also eine „materielle“ Gegebenheit – erforschte. Vielleicht erklärt die Vorliebe der Juristen für Anlagefaktoren sich daraus, dass eine Erforschung der sozialen Bedingungen von Kriminalität (und damit auch von Kriminalisierungsprozessen) das geschlossene System gefährdet hätte. Überdies sah man die sozialen Verhältnisse ohnehin als unveränderlich an; Chr. Müller, Verbrechensbekämpfung, S. 77; vgl. auch Wetzell, Inventing, S. 36.

  60. 60.

    Vec, Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 2007, 235 ff. (u. a. Bespr. des Buches von Ylva Greve, Verbrechen und Krankheit. Die Entdeckung der „Criminalpsychologie“ im 19. Jahrhundert. Köln 2004).

  61. 61.

    Peter Becker, Verderbnis und Entartung; ausführliche Bespr. b. Vormbaum, Jahrbuch JZG 2006/2007, 229 ff.

  62. 62.

    Alle Bezeichnungen nach Becker, a. a. O.

  63. 63.

    Auch Liszt, Gegner, S. 332, der für eine umfassende Erforschung aller Ursachenfaktoren des Verbrechens eintrat, distanzierte sich von Lombroso und wehrte sich vehement dagegen, in seine Nachbarschaft gestellt zu werden. Freilich hatte er mit der Tätertypologie seines Marburger Programms diesem Verständnis Vorschub geleistet.

  64. 64.

    Näher Gadebusch Bondio, Jahrbuch JZG 2006/2007, 280 ff.; Wetzell, Inventing, S. 39 ff.; Ders., Jahrbuch JZG 2006/2007, 256 ff., insb. zum jahrzehntelang führenden Lehrbuch der Kriminologie von Gustav Aschaffenburg (geb. 1866, gest. 1944 im amerikanischen Exil), Das Verbrechen und seine Bekämpfung.

  65. 65.

    Kurz vor der Jahrhundertwende entstanden auch konkrete tätertypische Diskurse (die Giftmörderin, die Kindermörderin, der Lustmörder), die in der Weimarer Republik ihren Höhepunkt erreichten und durch rückkoppelnde und bestätigende wissenschaftliche und außerwissenschaftliche Veröffentlichungen bis in die schöngeistige Literatur hinein sich zum wissenssoziologischen Besitzstand verfestigten. Dazu aus literaturgeschichtlicher und frauengeschichtlicher Sicht Siebenpfeiffer, „Böse Lust“. S. 95 ff., 150 ff., 185 ff.; dazu Bespr. von Vormbaum, JoJZG 1 (2007), 157 ff.; zur Wissenssoziologie s. bereits § 1 II. 1. b).

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Vormbaum, T. (2019). § 4 Die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. In: Einführung in die moderne Strafrechtsgeschichte. Springer-Lehrbuch. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-59963-1_4

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