Ein Blick auf aktuelle repräsentative Umfragen zeigt: Im Gegensatz zu vielen anderen gesellschaftlichen Institutionen steckt die Wissenschaft (noch) nicht in einer Vertrauenskrise. Das Vertrauen – sowohl in das System Wissenschaft als auch in die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler – ist stabil (vgl. für Deutschland das „Wissenschaftsbarometer 2018“: Wissenschaft im Dialog 2018; für die USA: Pew Research Center 2017). Aber wir sehen bei den Erhebungen zum Thema „Vertrauen in Wissenschaft und Forschung“ doch auch Zahlen, die Wissenschaftler, Wissenschaftsmanager und Wissenschaftskommunikatoren nachdenklich stimmen sollten.

Da ist zum Beispiel der relativ hohe Anteil von Menschen in Deutschland, die sich nicht entscheiden können oder wollen, ob sie der Wissenschaft vertrauen können oder nicht. Diese Unentschiedenheit deutet an, dass Vertrauen nicht garantiert ist. Vertrauen kann schnell in Misstrauen umschlagen. Auch die Zustimmung zu Gründen für ein mögliches Misstrauen liefert Ansatzpunkte dafür, dass in der Öffentlichkeit nicht zwangsläufig das Bild vorherrscht: Im wissenschaftlichen System läuft alles richtig. So spielen eine unterstellte fehlende Gemeinwohlorientierung sowie die vermutete mangelnde Integrität eine besondere Rolle. Ebenso kritisch wird es, wenn man nach dem Vertrauen in die Aussagen von Wissenschaftlern zu bestimmten Themenbereichen fragt. Deutlich weniger Befragte glauben den Aussagen der Wissenschaft, wenn es um Themen wie Grüne Gentechnik oder Klimawandel geht, als wenn es sich um erneuerbare Energien handelt.

Vor dem Hintergrund, dass wissenschaftsskeptische Stimmen vielleicht nicht zahlreicher, aber doch lauter werden, sind diese Ergebnisse besorgniserregend. Aufgrund einer veränderten Medienlandschaft und eines neuen Informationsverhaltens der Menschen können heute bereits kleine Gruppen oder gar Einzelne mit gezielten Kampagnen Diskurse verzerren. Multipliziert werden kann der Effekt dadurch, dass sie in politischen Gruppierungen Verbündete finden, deren Ziel es ist, das Vertrauen in den Staat, die Demokratie oder die Medien weiter zu unterminieren.

Natürlich gilt für die Wissenschaft wie für jede andere Institution: Eine gewisse Skepsis gegenüber ihrer Gemeinwohlorientierung und Integrität ist immer empfehlenswert und nie gänzlich aus der Luft gegriffen. Berichterstattungen zu den Predatory Journals, die Replikationskrise und die Verbindungen der Wissenschaft mit dem Dieselskandal waren nicht gerade vertrauensbildende Maßnahmen. Auch der der Umgang der Wissenschaft mit derartigen Krisensituationen, sowohl kommunikativ als auch strukturell, ist nicht optimal. Aber: Die Selbstregulierungskräfte der Wissenschaft scheinen hier zumindest an einigen Stellen zu langsam zu greifen.

Die Wissenschaftskommunikation steht also vor großen Herausforderungen: Wie können die Grundlagen für das Vertrauen in Wissenschaft erhalten werden? Welche Rolle kann die Kommunikation dabei spielen? Wie kann Wissenschaftskommunikation nicht nur nach außen, sondern auch in das System hineinwirken – sozusagen als Seismograf für gesellschaftliche Stimmungen und Erwartungen in Bezug auf die Wissenschaft? Wie kann es gelingen, Prozesse und Methoden der Wissenschaft sowie deren soziale Rahmenbedingungen besser zu vermitteln?

Um diese Herausforderungen anzugehen, haben Wissenschaft und Wissenschaftskommunikation durchaus eine gute Startposition. Denn auch das zeigen aktuelle Meinungsumfragen wie das Wissenschaftsbarometer: Bei aller Skepsis interessieren sich die Menschen für Wissenschaft und Forschung. Sogar mehr als für Sport oder Kultur. Sie wollen sich in Diskussionen über Wissenschaft einbringen oder gar in wissenschaftlichen Projekten mitforschen. Dabei haben die Menschen realistische Erwartungen bezüglich der Wissenschaft: Ein großer Teil der Befragten merkt zwar an, dass es für sie schwierig sei, die Situation einzuschätzen, wenn sich Wissenschaftler widersprechen. Die Mehrheit hält aber genau das Aushalten und Auflösen möglicher Widersprüche für wichtig, um das Fortkommen der Wissenschaft zu befördern. Das oben beschriebene Interesse an Wissenschaft gepaart mit einem Grundverständnis für Prozesse der Wissenschaft bildet die Basis dafür, dass man Menschen mit Wissenschaftskommunikation tatsächlich erreichen kann.

FormalPara Kritisches Vertrauen

Die vergangenen Jahre haben einen regen Austausch zur Zukunft der Wissenschaftskommunikation gesehen. Ob in den Papieren des Siggener KreisesFootnote 1, der WÖM-Arbeitsgruppe der AkademienFootnote 2 oder in den zahlreichen Beiträgen auf verschiedenen Online- und Offline-Portalen – überall wurde über die richtige Analyse, gemeinsame Ziele und mögliche Maßnahmen diskutiert.Footnote 3

Als eine „neue“ Zielvorstellung von Wissenschaftskommunikation wird an verschiedenen Stellen eine gewisse „Wissenschaftsmündigkeit“ genannt. Der Begriff umfasst ein Vertrauen gegenüber der wissenschaftlichen Form des Erkenntnisgewinns verbunden mit einer gesunden Portion Skepsis und der Kompetenz, Informationen aus Wissenschaft und Forschung zumindest ansatzweise einordnen und bewerten zu können. Ein Vertrauen, das aktiv hinterfragt und das idealerweise immer wieder bestätigt wird.

In der heutigen Medienwelt verliert der Journalismus zunehmend seine Funktion als einordnende, bewertende und hinterfragende Instanz. Die Bürger müssen eine Einordnungs- und Bewertungskompetenz für Informationen aus gesellschaftlichen Feldern wie der Wissenschaft und für deren Erkenntnisse und Ergebnisse selbst ausbilden. Das bedeutet Anstrengung – und Mündigkeit; hier also Wissenschaftsmündigkeit. Wobei es durchaus Hilfsmittel gibt, wenn es gilt, sich wissenschaftsmündig zu machen: Neue Vertrauensanker (wie z. B. Wikipedia) oder Intermediäre (wie z. B. das Science Media Center) können beim Einordnen, Bewerten, Hinterfragen unterstützend wirken. Ihr Anspruch bzw. ihre Reichweite sind jedoch noch nicht mit denen des Qualitätsjournalismus alten Stils vergleichbar.

Mit der geschwächten, zumindest aber veränderten Rolle der Medien bei der Vermittlung, Einordnung, Bewertung von Wissenschaft und mit der zunehmend geforderten Autonomie der Bürger bei dieser Aufgabe müssen die Ziele von Wissenschaftskommunikation neu gewichtet werden. Bisher waren und häufig sind noch (wenn auch unausgesprochen) die Nachwuchswerbung und die Imageverbesserung zum Zweck besserer Mittelakquise wichtigste Ziele institutioneller Kommunikation. Diese Ziele sollten nun aber in den Hintergrund rücken.

Stattdessen muss sich der Fokus auf langfristige, übergeordnete Perspektiven richten. Eine Aufgabe der Wissenschaftskommunikation könnte und sollte es beispielsweise sein, Plattformen zu stärken und zu schaffen, auf denen Forschungsentwicklungen und wissenschaftliche Werte öffentlich dargelegt, debattiert, angegriffen und verteidigt werden. Der Wissenschaftskommunikation von morgen sollte es wichtiger sein, in der Öffentlichkeit realistische Erwartungen zu wecken, Möglichkeiten und Grenzen der Forschung aufzuzeigen und die Mechanismen der Selbstkritik in der Wissenschaft zu veranschaulichen, als ein gutes institutionelles Image zu kreieren (vgl. Siggener Kreis 2018).

Allerdings ist die Notwendigkeit dieses Paradigmenwechsels bisher kein Konsens in der Wissenschaftscommunity. Starker Wettbewerb um Ressourcen, angefeuert von immer weniger Grundfinanzierung und immer neuen Exzellenzinitiativen, befördert, dass kurzfristige Perspektiven und der Wettbewerbsgedanke auch in der Wissenschaftskommunikation in Deutschland überwiegen. Daran muss sich etwas ändern, wenn Wissenschaft das (bisher) in sie gesetzte Vertrauen bewahren und ausbauen will und sich dazu auch stärker in gesellschaftliche Debatten einbringen soll als bisher.

Konkret heißt das, dass Wissenschaftskommunikatoren der Wissenschaft die passenden Werkzeuge bereitstellen und ihre professionelle Nutzung möglich machen müssen. Zum Beispiel Plattformen, die Forschenden die Möglichkeit bieten, sich in gesellschaftlichen Diskussionen einzubringen. Gleichzeitig gilt es, bereits vorhandene, gemeinschaftliche und gemeinwohlorientierte Institutionen zu stärken. Potenzielle Vertrauensanker wie eben Wikipedia. Statt das Online-Lexikon immer wieder bloß zu kritisieren, sollten Wissenschaft und Wissenschaftskommunikation ihm umfassende Unterstützung geben. Wikipedia ist nun einmal der erste und oft der einzige Anlaufpunkt für Menschen, die Informationen zu Wissenschaft und Forschung suchen.

Darüber hinaus müssen Anreize und Beratungsangebote für Wissenschaftler geschaffen werden, die sich in den öffentlichen Diskurs einbringen wollen. Insbesondere auch Nachwuchswissenschaftlern sollte es mit professioneller Unterstützung stärker ermöglicht werden, sich beispielsweise in sozialen Medien zu äußern oder dort aktiv in Debatten einzusteigen. Damit ein echter Dialog gelingt, brauchen sie dafür selbstverständlich auch Zeit und Wertschätzung – wichtige Ressourcen, die ihnen im derzeitigen Wissenschaftssystem nur in Einzelfällen gegeben werden.

Grundvoraussetzung dafür, dass Wissenschaftler und Wissenschaftskommunikatoren sich öffentlich positionieren und glaubhaft für Wissenschaft und ihre Werte werben können, ist aber, dass Werte wie Kritikfähigkeit, Transparenz und Integrität in der Wissenschaft auch tatsächlich gelebt werden. Regelverstöße und Fehlentwicklungen, die unter dem derzeit herrschenden hohen Druck nun einmal geschehen, müssen benannt werden (dürfen) und Konsequenzen nach sich ziehen. Dabei kommt der Wissenschaftskommunikation eine wichtige Rolle zu. Sie sollte diese Schwachpunkte offensiv gegenüber den Leitungsebenen der Wissenschaft ansprechen und für Änderungen werben. Wirklich etablieren lassen sich solche Prozesse aber nur, wenn auch die Leitungsebenen innerhalb des Systems Wissenschaft aktiver als bisher werden und sich für den offenen und ehrlichen Dialog nach innen und außen einsetzen, ihn fördern und initialisieren.

Um in der Bevölkerung Gehör und Unterstützung für Forschung zu finden, ist es wichtig, dass Bürger nachvollziehen können, wie Wissenschaft funktioniert. Dabei geht es nicht nur um die Methoden von Forschung, sondern auch um die sozialen Rahmenbedingungen wie Finanzierung, Arbeitssituation für Forscher oder Teamstrukturen. Um diese soziale Dimension von Wissenschaft kommunizieren zu können, muss die Wissenschaftskommunikation die Menschen im Blick behalten, über die sie spricht. Wir können auf den „erlebbaren“ Wissenschaftler selbst und auf die persönliche Begegnung nicht verzichten. Wir brauchen ihn für Debatten, Tage der offenen Tür, Interviews. Und sein Engagement für die Wissenschaftskommunikation muss honoriert werden. Hier brauchen wir ganz neue Ansätze, damit Wissenschaftskommunikation zum Karrieretreiber und nicht zum lästigen Zeitkiller wird.

Darüber hinaus bieten Ansätze wie Open Science oder Citizen Science große Möglichkeiten, diese Themen stärker in den Vordergrund zu rücken. Hier wird dann eben auch deutlich, welch vergleichbar größeren finanziellen und personellen Ressourcen hinter einer derartigen Umorientierung der Wissenschaftskommunikation (die dann vermutlich einen neuen Namen bräuchte) stecken sollten.

FormalPara Kommunikation als integraler Bestandteil der Forschung

Aus der Beschreibung der Herausforderungen sowie aus den dargestellten Handlungsstrategien wird klar, dass sich Wissenschaftskommunikation und ihr Umfeld deutlich verändern werden. Wissenschaftskommunikation wird sich zukünftig nicht mehr als Anhängsel der Wissenschaft verstehen, sondern sich als integraler Bestandteil von Forschung etablieren müssen, wenn Wissenschaft in der Gesellschaft ihre Stellung und ihr Renommee bewahren will. Kommunikation muss sich weiterhin professionalisieren, aber auch an sehr konkreten Werten ausrichten. Nur dann kann es ihr gelingen, die nötige Wertschätzung und Aufmerksamkeit seitens der Leitungsebenen in der Wissenschaft zu bekommen und damit das Mandat, das für die Erfüllung der genannten Aufgaben erforderlich ist.