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Zusammenfassung

Die gezielte Werteentwicklung von Persönlichkeiten, früher oft irreführend Werteerziehung genannt, setzt voraus, dass wir verstehen, wie jeder einzelne Mensch seine Werte entwickelt und wie eine solche Entwicklung ermöglicht und gefördert werden kann. Wir gehen davon aus, dass Werte Ordner sind, welche die individuelle, psychische und gesellschaftlich-kooperative sowie kommunikative menschliche Selbstorganisation bestimmen oder maßgeblich beeinflussen. Dabei ist das Wertekleeblatt zu beachten, das aufzeigt, dass wir es bei allen Werten immer mit vier grundlegenden Komponenten von Wertungen zu tun haben. Jeder Versuch, auf Wertehaltungen von Menschen entwickelnd einzuwirken, muss deshalb an den Anfang die Fragen stellen: Um welche Werte soll es gehen – also nach dem gesamten Wertekleeblatt – und dann: Um welche Objekte der Wertung handelt es sich dabei, welche Subjekte der Wertung sind dabei einbezogen, auf welchen Grundlagen und nach welchen Maßstäben wird gewertet?

Aus den Erkenntnissen der Werte- und Gehirnforschung können Konsequenzen für die gezielte Werteentwicklung von Persönlichkeiten abgeleitet werden. Das ganze Leben ist ein wertegewinnender Prozess und Werte sind allgegenwärtig. Im Mittelpunkt der Werteentwicklung steht dabei die Selbstorganisation des Handelns, die durch vier Grundwerte – Genusswerte, Nutzenwerte, ethisch-moralische Werte und sozial-weltanschauliche Werte – bestimmt wird. Für die gezielte Werteentwicklung sind die Fragen nach den Objekten, Subjekten, Grundlagen und Maßstäben der Werte von zentraler Bedeutung. Werte sind dabei nicht wahr oder falsch. Sie sind vielmehr den Herausforderungen mehr oder weniger angemessen.

Werte können nicht „vermittelt“ werden, auch nicht durch noch so schöne Hochglanzbroschüren oder detailliert geplante Lehreinheiten. Ihre Entwicklung kann nur über emotionale Irritation, Berührung, Erschütterung, kurz: emotionale Labilisierung in realen Herausforderungen selbstorganisiert aufgebaut werden. Und sie müssen in Form eigener Emotionen und Motivationen verinnerlicht – interiorisiert – werden. Diese Werteinteriorisation erfolgt dabei über Stufen, die bei vielen psychologischen, psychotherapeutischen und gruppendynamischen Prozessen ähnlich sind.

Eine gezielte emotionale Labilisierung lässt sich durch bestätigende Bewunderung, Begeisterung, Interesse, aber auch durch Widersprüche, Konfrontationen und Konflikte aufbauen. Gezielte Werteentwicklung ist damit letztlich immer auf verändertes Handeln gerichtet. Deshalb muss man mit jedem Werteentwicklungspartner realistisch die zukünftigen Handlungsmöglichkeiten abschätzen und mit ihm umsetzbare Handlungspläne entwickeln.

Gezielte Werteentwicklung von Persönlichkeiten ist keine Psychotherapie und soll es auch nicht sein. Sie kann aber aus diesem formenreichsten, methodisch am gründlichsten diskutierten, am umfangreichsten ausgearbeiteten Gebiet individuellen Wertewandels wichtige gedankliche und methodische Anregungen beziehen.

Deshalb sind Methoden, wie beispielsweise die weit verbreitete Werteklärung (Value Clarification), nicht wirklich zur gezielten Werteentwicklung geeignet. Auch die im Unterricht eingesetzten Modelle sogenannter direkter Werteerziehung führen zu Wissenserweiterungen, stoßen aber kaum Änderungen von Haltungen und Verhalten an und erhöhen nicht die Sicherheit im Umgang mit werterelevanten Entscheidungen. Der gelebte Alltag, die individuelle und soziale Praxis mit ihrem hohen Labilisierungspotenzial ist das Hauptfeld von gezielter Werteentwicklung und Wertewandel.

Praxis – Coaching und Mentoring – Training – Bildung und Weiterbildung, in dieser abnehmenden Reihenfolge werden Maßnahmen zur Werteentwicklung wirksam. Entsprechend haben wir die Körbe, d. h. Kapitel, in diesem Werk gestaltet.

Die Evolution von Organisationen führt in vielen Fällen dazu, dass der Mensch, seine Werte und Kompetenzen sowie seine Beziehungen im Mittelpunkt stehen, um sie zum Wohl der Organisation einzusetzen. Die gemeinsamen Werte der Mitarbeiter dienen dabei als Ordner selbstorganisierten Handelns im Arbeitsprozess, sodass eine enge Kontrolle überflüssig wird. Die Mitarbeiter werden deshalb ganzheitlich betrachtet. Sie sind mehr als nur Mitarbeiter der Organisation, sondern gestalten diese maßgeblich mit.

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Notes

  1. 1.

    Und jede Frau oder Diverse… Wir benutzen im weiteren Text der leichteren Lesbarkeit wegen und um uns nicht im Genderdickicht zu verirren durchgehend die männliche Form, schließen aber ausdrücklich Frauen, Intersexuelle und Kinder ein.

  2. 2.

    Der Begriff Wertung ist im gleichen Sinne doppelt belegt wie der Begriff Erkenntnis. „Der Begriff der Erkenntnis bezeichnet das Ergebnis (das Erkannte) und den Prozess des Erkennens (den Erkenntnisakt).“ https://de.wikipedia.org/wiki/ Erkenntnis, abgerufen am 15.05.2017 „Wenn etwa die Arbeit des Bauern anstrengend ist, und in der Kunsthalle die neueste Arbeit des Malers × ausgestellt wird, so wird mit demselben Wort einmal ein Vorgang und einmal ein Ergebnis bezeichnet“ (Janich 2000, S. 13).

  3. 3.

    Auch weil man den Wert von Geoffenbartem und Göttlichem nicht als menschlich-historische Setzung verstehen mochte.

  4. 4.

    Veritas est adequatio intellectus et rei: Wahrheit ist die Übereinstimmung von erkennendem Verstand und Sache.

  5. 5.

    Der Einsatz eines Heartmath-Messinstruments in unseren Seminaren ging auf einen Vorschlag von Melanie Gampe zurück.

  6. 6.

    Seit etwa 1960 gibt es viele Versuche, emotionale Labilisierung, meist in anderer Terminologie, aber ähnlicher Grundüberzeugung zu erfassen. So etwa die Dissonanztheorie mit dem Kern der Neubewertung emotional dissonanter Situationen (Festinger, L. 1978: Theorie der kognitiven Dissonanz. Bern; Erpenbeck, J. 1986: Motivation. Ihre Psychologie und Philosophie. Berlin), die Theorie der Attitude Change über Werthaltungen und ihre Änderungen (McGuire et al. 1985: Attitudes and attitude change. Handbook of social psychology: Special fields and applications, 2, S. 233–346); der Ansatz kritischer Lebensereignisse, die bestehende Wert- und Weltanschauungen massiv verändern (H. Filipp und P. Aymanns 2010: Kritische Lebensereignisse und Lebenskrisen; T. Klauer und W. Greve 2005: Kritische Lebensereignisse und Gesundheit, Berlin); die Analyse des Zusammenhangs von Unternehmenskulturänderungen und individuellen Emotionen (Edgar H. Schein 2003: Organisationskultur. „The Ed Schein Corporate Culture Survival Guide“, EHP, Bergisch Gladbach); der Ansatz labilisierter Emotionen bei korrektiven Erfahrungen innerhalb der Psychotherapie (Ferrari, N. 2014: Korrektive Erfahrungen. Eine Untersuchung der Formen, begleitenden Emotionen und Prozesse. Bern); das Umlernen irrationaler emotionaler Bewertungsmuster („irrational beliefs“) und des Neugewinns zielführender Emotionen nach Ellis (Ellis, A. 1997: Grundlagen und Methoden der Rational-Emotiven Verhaltenstherapie. Stuttgart); die Synthese von emotionsbezogener Psychotherapie und Neuropsychologie (Grawe, K. 2004: Neuropsychotherapie. Göttingen 2004); und der Ansatz der Beherrschung der Emotionen (Epstein, S. 2010 Emotional Mastery. Life Transformation Through Higher Conciousness. Conant).

  7. 7.

    Vgl. http://www.neurensics.com/(aufgenommen 18.08.2018): „We were the first to make brain scanning (fMRI) commercially available to market research, and have performed 50.000 scans for over 150 clients since“.

  8. 8.

    http://www.e-work.ethz.ch/praesentationen/ss_04/gruppe_1/homepage/inhalt/messung_4.htm Seite 1 von 2 (aufgenommen am 18.08.2018). Im Rahmen der Untersuchung wurde das PEC-TOOL zur Messung einer wahrgenommenen emotionellen Wertigkeit (PEC =  „erceived emotional content“) am Institut für Arbeitsphysiologie der ETH Zürich entwickelt.

  9. 9.

    https://www.psychic.de/forum/spezifische-phobien-f55/ailurphobie-katzenphobie-t89471.html

  10. 10.

    https://www.medizin-im-text.de/blog/2015/21/neurose-und-psychose/(letzte Korrektur 2017).

  11. 11.

    Entspannung, Stresscoping, Verhaltensberatung, Verhaltenstherapie, Gruppentherapie, Selbsthilfegruppen, Formen klientenzentrierter Therapie…

  12. 12.

    Besonders gruppentherapeutische Verfahren zeichnen diese Grundelemente als Stufen des therapeutischen Prozesses nach.

  13. 13.

    Kruse (1985) benennt als Strategien: Identifikation und Benennung von Emotionen, Lernen, mit eigenen Emotionen umzugehen, Durchbrechen emotionaler Blockaden, Vermitteln neuer emotionaler Erfahrungen, Durcharbeiten motivationaler Strukturen, Verändern sozialer Bezüge; S. 139 ff.

  14. 14.

    Ein sehr anschauliches Beispiel finden Sie auch unter http://www.schleckysilberstein.com/2012/06/das-initiationsritual-der-satare-mawe-die-harteste-ausbildung-der-welt/.

  15. 15.

    Birnthaler (2016): „Viele Jahrzehnte haben Forscher, Pädagogen und Psychologen gerätselt, woher die eigentümliche Kraft hinter den erlebnispädagogischen Aktivitäten stammt. Woher dieses Gefühl kommt – wenn man an einem Lagerfeuer sitzt, wenn man eine Höhle erkundet, wenn man mit einem schnittigen Boot dahingleitet oder mit einem kraftgeladenen Bogen schießt – das Gänsehautgefühl, das Gefühl wie elektrisiert zu sein. Der Autor ist nun diesem zunächst diffusen aber magischen Gefühl auf den Grund gegangen und hat entdeckt, dass dahinter eine Welt von archaischen oder gar archetypischen Empfindungen steckt“, heißt es in Zusammenfassung. Birnthalers eigener erlebnispädagogischer Erfahrungen. Auch der bei Steiner anknüpfende Ansatz bezieht Freiwilligendienste, Ferienlager, Klassenfahrten, spezifische Trainings und echte Verlagsarbeit mit ein.

  16. 16.

    https://www.christentum-hinterfragt.de/ethik.htm

  17. 17.

    In der Koranschule, aber auch in der säkularen Schule, lernen Kinder in weiten Teilen der islamischen Welt vor allem durch Auswendiglernen und Wiederholen. Eigene Gedanken, Diskutieren, Hinterfragen oder sogar das Ablehnen des Lernstoffs sind in aller Regel nicht gefragt. http://www.orientdienst.de/muslime/minikurs/kindererziehung.shtml.

  18. 18.

    https://www.therapistaid.com/therapy-worksheet/values-clarification; https://positivepsychologyprogram.com/values-clarification/

  19. 19.

    https://www.therapistaid.com/therapy-worksheet/values-clarification

  20. 20.

    https://positivepsychologyprogram.com/values-clarification/

  21. 21.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Ausschreitungen_in_Rostock-Lichtenhagen

  22. 22.

    Es handelt sich stets um Normen und Werte, wir haben im Nachtigall-Text den Normen- durch den Wertebegriff ersetzt, der uns primär erscheint.

  23. 23.

    https://soziale-bildung.org/jugend-und-erwachsenenbildung/projekte/lichtenhagen-im-gedaechtnis/; https://www.politische-jugendbildung-et.de/lichtenhagen-1992/

  24. 24.

    https://soziale-bildung.org/jugend-und-erwachsenenbildung/projekte/historisch-politische-bildung/

  25. 25.

    https://www.swr.de/swraktuell/Pro-Contra-Brauchen-wir-einen-Werteunterricht-fuer-Fluechtlingskinder,wertekundeunterricht-gefluechtete-102.html

  26. 26.

    https://www.swr.de/swraktuell/Pro-Contra-Brauchen-wir-einen-Werteunterricht-fuer-Fluechtlingskinder,wertekundeunterricht-gefluechtete-102.html

  27. 27.

    http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/hochschule

  28. 28.

    Aus Politik und Zeitgeschichte (APU 34–36/2012).

  29. 29.

    vgl. https://www.bpb.de/apuz/166638/politische-grundwerte (aufgenommen 12. Januar 2019).

  30. 30.

    https://de.statista.com/statistik/daten/studie/151354/umfrage/meinung-ueber-die-wichtigsten-werte/

  31. 31.

    https://www.bibelwissenschaft.de/wirelex/das-wissenschaftlich-religionspaedagogische-lexikon/lexikon/sachwort/anzeigen/details/deutscher-evangelischer-kirchentag/ch/1ccd01a9d4326f1c1cc666a184301b8c/

  32. 32.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Tugend#Christliche_Tugenden (aufgenommen am 03. 05. 2017).

  33. 33.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Helfende_Berufe

  34. 34.

    vgl. https://eu.patagonia.com/de/de/shop/web-specials?gclid=Cj0KCQiAj4biBRC-ARIsAA4WaFic0qZvcVE3LcdXZhbzB0F7xIBWafkhu6-os1D1S7iGxbbPZJ0zY6kaAjDUEALw_wcB.

  35. 35.

    vgl. www.weq-alliance.net

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Erpenbeck, J., Sauter, W. (2019). Einführung – Gezielte Werteentwicklung von Persönlichkeiten. In: Wertungen, Werte – Das Buch der gezielten Werteentwicklung von Persönlichkeiten. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-59115-4_1

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