Zusammenfassung
Die Maschinenethik ist den Kinderschuhen entwachsen. Man kann sie als Disziplin oder Unterdisziplin ansehen. Man darf sie auch als Arbeitsgebiet einstufen, entweder der Moralphilosophie, die damit über die Menschenethik hinausgehen würde, oder der Informatik bzw. der Künstlichen Intelligenz (KI) oder der Robotik. Die Forschung findet hauptsächlich in den USA statt, aber auch Europa verfügt inzwischen über einen vorzeigbaren Leistungsausweis. Die Schwerpunkte sind jeweils verschieden. In den Vereinigten Staaten wird, anders als auf dem alten Kontinent, immer wieder der militärische Zusammenhang gesucht. In Europa scheint man, in Fortsetzung der entsprechenden Traditionen, gerade an den theoretischen philosophischen Aspekten interessiert zu sein. Die Medien haben weltweit das Thema aufgegriffen, variieren bei Roboterautos das Trolley-Problem und insistieren in Bezug auf Kampfroboter.
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Notes
- 1.
Der Verfasser deutet „Informationsethik“ ähnlich wie „Informationsgesellschaft“ und „Informationsmanagement“, wo durchaus die Information durchscheint, die Nutzung (bzw. Bereitstellung) von Informations- und Kommunikationstechnologien und Informationssystemen aber im Vordergrund steht. Eine Informationsgesellschaft ist in erster Linie eine computerisierte, nicht eine informierte Gesellschaft, wobei sie sich natürlich über das Internet vorzüglich informieren (und desinformieren) kann. Das Informationsmanagement ist ein großes Gebiet der Wirtschaftsinformatik, und lediglich eine kleine Gruppe in dieser bzw. in der einen oder anderen Disziplin versteht den Begriff im Sinne der Ordnung und Aufbereitung von Information.
- 2.
Die Technikphilosophie kann als mit der Technikethik korrespondierende Disziplin verstanden werden. Sie klärt allgemeinere Fragen, die den Gegenstandsbereich der Ethik verlassen, und ist ihr in gewissem Sinne über-, zumindest aber beigeordnet.
- 3.
Der Verfasser forscht in erster Linie zu Maschinen, die Tierleid vermeiden und -leben retten können und in diesem Sinne moralisch sind. Er verbindet Maschinen- und Tierethik und hat versucht, Grundsätze einer Tier-Maschine-Interaktion darzulegen, in Anlehnung an die Tier-Computer-Interaktion und die Mensch-Maschine-Interaktion.
- 4.
In einem Folgeprojekt (Vorarbeiten ab Ende 2015, Durchführung von März bis August 2016) wurde der LÜGENBOT als Form einer Münchhausen-Maschine entwickelt (einer Maschine, die Lügen verbreitet und Lügengeschichten erzählt). Der LÜGENBOT oder LIEBOT kann als einfache unmoralische Maschine verstanden werden. Das Ziel des Projekts war es, das Lügen- und Gefahrenpotenzial von natürlichsprachlichen Systemen praktisch unter Beweis zu stellen (Bendel 2015d, 2017). In den Onlinemedien und auf den Websites werden immer mehr Texte maschinell erzeugt oder aggregiert (Robo Content), und der Roboterjournalismus nimmt zu. Auch natürlichsprachliche Dialogsysteme erfreuen sich großer Beliebtheit. Der programmierte Chatbot – eben der LÜGENBOT – produziert im Dialog mit dem Benutzer systematisch die Unwahrheit und reagiert moralisch unangemessen.
- 5.
LADYBIRD, 2014 als Designstudie entwickelt und in den Grundzügen mit Hilfe eines Entscheidungsbaums modelliert, 2017 als Prototyp umgesetzt, erkennt als Saugroboter, wie der Name andeutet, Marienkäfer und andere Kleintiere und hält für sie beim Saugen inne (Bendel 2017).
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Denkbar in diesem Zusammenhang ist, dass der Kunde online seine Wünsche äußern und der Produzent ihm die Maschine mit den zu ihm passenden Fähigkeiten schicken kann. Auch kann ein Saugroboter entwickelt werden, der verschiedene Optionen zur Verfügung stellt, die der Kunde per App oder Tastendruck aktiviert. Eine Alternative zu einem „Kill-Button“ wäre ein Button, der z. B. eine Spinne zeigt, die – etwa als Comicfigur – freundlich und anziehend wirkt und einen Namen trägt. Der Kunde kann sich aktiv dafür entscheiden, auch dieses Tier zu verschonen, und nicht nur dasjenige, das standardmäßig auf der Liste steht.
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Bendel, O. (2019). Die programmierte Moral. In: Woopen, C., Jannes, M. (eds) Roboter in der Gesellschaft. Schriften zu Gesundheit und Gesellschaft - Studies on Health and Society, vol 2. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-57765-3_3
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