1.1 Warum dieses Buch?

Händigkeit ist ein faszinierendes, höchst komplexes und offensichtlich abstruses Phänomen. Die jahrzehntelange Forschung hat eine enorme Fülle an unterschiedlichsten und widersprüchlichen Ergebnissen generiert. Obgleich man sich inzwischen relativ einig ist, dass Händigkeit ein multidimensionales Verhalten ist, das unter anderem vererbbare, umweltbasierte sowie entwicklungsbedingte Ursprünge hat, bleiben mehr Fragen offen, als beantwortet werden. Tendenziell wird einer Forschungsfrage zu einem Aspekt der Händigkeit nachgegangen, und die Ergebnisse münden oft in einer Hypothese oder Theorie, die dann in nachfolgenden Studien mal widerlegt und mal bestätigt wird. Dazu kommt, dass man in der Forschung Händigkeit nach eigenem Gutdünken definiert, kategorisiert, misst und analysiert – denn es gibt weder Konsens über eine einheitliche Definition und Klassifikation noch über die am besten geeigneten Testerfahren zur Händigkeitsermittlung (Kap. 2).

So könnte man die weite, unübersichtliche Forschungslandschaft zur Händigkeitsthematik mit einem Dschungel aus vielen dichten und verworrenen Ästen und Zweigen vergleichen. Es sind weder die ganzen Bäume klar zu erkennen, noch kann die Sonne das Dickicht durchdringen, um Gegebenheiten deutlich zu beleuchten. Einge der unversiegbaren Fragen, die zu der Verworrenheit beitragen, schließen Folgende Punkte ein:

  • Ist Lateralität gleich Händigkeit gleich Handpräferenz gleich Handleistung? Wenn nicht, wie unterscheiden sie sich? Wie hängen sie zusammen?

  • Ist ein Linkshänder tatsächlich linkshändig, wenn er 10 aus 10, 8 aus 10 oder lediglich 6 aus 10 Testaufgaben (Items) mit links verrichtet?

  • Wenn nicht, was ist er dann? „Beidhänder“? Und sind Beidhänder im Grunde auch Links- oder Rechtshänder oder sind sie tatsächlich weder Links- noch Rechtshänder oder beides? Haben sie mehr Probleme als eindeutige Links- oder Rechtshänder oder haben sie mehr Vorteile?

  • Sind Linkshänder tatsächlich anders als Rechtshänder? Wenn ja, in welcher Hinsicht? Und sind die Unterschiede wesentlich bzw. kann man sie generalisieren?

  • Äußert sich Händigkeit in Tätigkeiten mit einer Hand oder mit beiden oder sowohl mit der einen wie auch der anderen Hand? Ist eine Form aussagekräftiger als die andere?

  • Welche Items sind am besten dazu geeignet, um die Handpräferenz zu ermitteln? Sind dies Items mit der höchsten Zuverlässigkeit, die in der Regel Tätigkeiten entsprechen, die durch Umwelteinflüsse und Übung behaftet sind? Oder handelt es sich dabei um die spontanen, nicht geübten Handlungen, die aber generell keine hohe Zuverlässigkeit aufweisen?

  • Ist das Überkreuzen der Körpermitte mit der Händigkeit gleichzustellen oder zumindest damit zu verbinden?

  • Warum ist die bevorzugte Hand nicht immer auch die bessere? Weshalb ist der Zusammenhang zwischen Präferenz und Leistung oft nur mäßig?

  • Kann die nicht-dominante Hand durch Übung tatsächlich die bessere werden, ohne dass es, wie bei vielen umgeschulten Linkshändern, zu Umschulungsfolgen kommt? Oder anders gefragt: Weshalb zeigen nicht alle umgeschulten Linkshänder Probleme auf?

  • Wie genau gestaltet sich das Verhältnis zwischen Motorik und Präferenz? Ist eines als Ursache wichtiger als das andere, oder gibt es eine wechselseitige Beeinflussungen?

  • Und ist es wirklich so wichtig, ob man links- oder rechtshändig ist, oder ist es wesentlicher, wie stark links oder rechts ausgeprägt man ist?

  • Wie ausschlaggebend ist der genetische Anteil der Händigkeit? Ist er bei allen Menschen gleich stark? Oder könnte die Umwelt doch einen größeren Einfluss haben als vermutet? Und wenn ja, ist das bei allen Menschen gleich?

  • Kann sich Händigkeit unter Umständen entgegengesetzt der ursprünglichen genetischen Veranlagung entwickeln? Könnten sich z. B. leicht ausgeprägte Linkshänder mit guten motorischen Voraussetzungen problemlos zu leicht ausgeprägten Rechtshändern entwickeln?

  • Und ist es möglich, dass aufgrund der Händigkeit prognostische Schlüsse in Bezug auf Persönlichkeitsstrukturen, Fähigkeiten, Krankheitsbilder etc. gezogen werden können? Wenn ja, welche?

So viele offene Fragen, so wenige klare Antworten – vermutlich ist es nicht nur der Komplexität des Händigkeitsphänomens und unserem beschränkten Wissen über die zugrunde liegenden neurophysiologischen Prozesse geschuldet, dass noch Vieles im einerseits Unklaren bleibt. Es ist sicherlich auch das Resultat eines reduzierten, andererseits eines uneinheitlichen und unsystematischen Umgangs mit den unterschiedlichen Aspekten der Händigkeit (Kap. 3). Es gibt zum einen die typische, meist forschungsbedingte, Vereinfachung und Reduzierung der Händigkeit als Untersuchungsgegenstand, in dem begrenzt nur ein paar wenige Aspekte beforscht werden können und andere, die eventuell auch ausschlaggebend wären, ausgelassen werden. So untersuchen einige Studien z. B. nur die Handpräferenz , ohne die motorische Leistung oder ohne einen eventuellen Übungs-/Gewohnheitsaspekt zu berücksichtigen. Andere Studien beziehen sich nur auf die Leistung bei einhändigen Aktionen, ohne Bezug zu der beidhändigen Leistung im Alltag herzustellen. Diese ist jedoch für die Handlungsfähigkeit eines Menschen wesentlich und wird von der Händigkeit beeinflusst. Das ist sicherlich der Nachteil von experimenteller Forschung generell – der Alltagsbezug und die tatsächlichen Lebensbedingungen werden kaum oder gar nicht berücksichtigt, da man Störfaktoren kontrollieren möchte. Deshalb kann immer nur ein kleiner Teil eines Forschungsgegenstands beleuchtet werden.

Nichtsdestotrotz liefern zu den bestimmten Teilaspekten der Händigkeit Grundlagenforscher im Bereich Neuropsychologie und Neurophysiologie sehr interessante Erkenntnisse. Vor allem werden vermehrt die relativ neuen Möglichkeiten der bildgebenden Verfahren (Neuroimaging) verwendet und bieten spannende Einblicke in die Funktion der menschlichen Gehirnhälften in Bezug auf die Händigkeit – auch wenn die Ergebnisse dieses Forschungszweigs eher einer Ausweitung des Händigkeitsdschungels gleicht.

Für therapeutische, pädagogische, medizinische und soziale Berufe ist Händigkeit ebenfalls ein interessantes und potenziell wichtiges Thema. Hat man doch hier häufiger mit Menschen zu tun, die einen ungewöhnlichen wechselnden Handgebrauch aufzeigen, z.B. deren dominante Hand durch einen Unfall oder eine Krankheit eingeschränkt ist oder deren Händigkeitsentwicklung an sich verzögert ist. Eine unklare Händigkeit wird zusammen mit Problemen in anderen Bereichen wie dem Überkreuzen der Körpermitte und der Ausführung von Spiegelbewegungen als Indiz für Auffälligkeiten der interhemisphärischen Zusammenarbeit gesehen – was für die Praxis prognostische Wichtigkeit besitzt. Die vielfältigen Belege eines Zusammenhangs zwischen wechselhafter Händigkeit (oder „Mischhändigkeit “ bzw. „Beidhändigkeit “) und bestimmten Krankheitsbildern und Auffälligkeiten stehen allerdings oft im Widerspruch zu Studien, die „Beidhändigkeit“ mit bestimmten Vorteilen in Verbindung bringen (Kap. 4).

Sucht man vor diesem Hintergrund jedoch nach Forschungsergebnissen zum Thema Händigkeit, die relevant und anwendbar für die Praxis sind und eine Richtung für Therapie, Intervention oder pädagogisch Konzepte vorgeben könnten, dann gleicht die Forschungslandschaft eher einer Wüste. Hier und da ist ein Gebüsch oder Pflänzchen zu finden, aber generell herrscht eine unbewachsene Weite. Auch zwischen den Disziplinen, z. B. der klinischen Psychologie und der Neuropsychologie, gibt es wenig Austausch im Hinblick auf Forschungsergebnisse und Praxiserfahrungen (Prichard, Propper & Christman, 2013). Das ist durchaus verständlich, denn zur Komplexität des Phänomens Händigkeit kommen unzählige Einflüsse des tatsächlichen Lebens, die auch damit zusammenhängen und irgendwie erfasst werden müssten, aber sehr schwer zu kontrollieren sind.

Es ist jedoch vor allem im klinischen und pädagogischen Kontext notwendig, relevante Faktoren detailliert zu ermitteln, zu sortieren und zu systematisieren. Das betrifft vorwiegend die Arbeit mit Menschen, die eine unklare Händigkeit bzw. wechselnden Handgebrauch zeigen. Dieses Buch setzt sich vor dem Hintergrund einer gründlichen Literaturrecherche zu den Aspekten der Händigkeit insbesondere mit dem wechselnden Handgebrauch bzw. einer Misch- oder Beidhändigkeit im Forschungs- und Theoriediskurs auseinander.

Im Rahmen meiner langjährigen ergotherapeutischen Erfahrung hatte ich wiederholt mit Kindern mit wechselndem Handgebrauch zu tun, die z. B. kurz vor der Einschulung noch nicht wissen, mit welcher Hand sie in der Schule schreiben sollen. Auch andere Therapeuten oder Eltern, Erzieher, Lehrer, Kinderärzte und Psychologen sind sich oft unschlüssig, ob ein Kind links- oder rechtshändig ist. Da Händigkeit unter anderem entwicklungsbedingt ist und das Entwicklungstempo bei Kindern unterschiedlich sein kann, gibt es relativ viele Kinder, die zur Einschulung noch eine unklare Händigkeit aufweisen. Da es inzwischen aber allgemein bekannt ist, dass eine sogenannte „Umschulung “ der eigentlich dominanten auf die nicht-dominante Hand, vor allem beim Schreiben, zu gravierenden Problemen führen kann, ist es wichtig, dass man mit der „richtigen“ dominanten Hand schreibt. Eine „falsche“ Entscheidung für die Schreibhand würde also in einer Umschulung münden und könnte Umschulungsfolgen verursachen. Allerdings können die genannten Störungen auch unabhängig von einer Umschulung existieren, sodass sie keinen eindeutigen Hinweis darauf geben können.

Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, eine Umschulung als Ursache der Probleme durch eine umfassende Befunderhebung auszuschließen oder von vornherein eine Umschulung zu verhindern. Eine umfassende Händigkeitsermittlung der vielseitigen Händigkeitsfacetten ist notwendig, um eine eventuell folgenschwere Entscheidung der Schreibhand fällen zu können. Und obgleich Umschulungen von links auf rechts in Amerika, Kanada, Australien und vielen europäischen Ländern schon lange nicht mehr (offiziell) vorgenommen werden, gibt es immer noch teilweise die Ansicht, dass es prinzipiell besser und einfacher ist, mit rechts zu schreiben, weil wir in einer rechtshändigen Welt leben. So ist es auch heute noch gängig, dass vor allem bei unklarer Händigkeit empfohlen wird, der rechten Hand den Vorzug zu geben. Außerdem gibt es noch viele Länder in Asien, Afrika, Mittelosteuropa und Südamerika, die durch sehr niedrige Linkshänderzahlen flächendeckend auf Umschulungen hinweisen (Kushner, 2013; Porac & Martin, 2007; vgl. Kap. 2). In unserem globalen Zeitalter, gekennzeichnet von Migration und Mobilität, leben Menschen aus diesen Ländern vermehrt in der westlichen Welt und besuchen therapeutische und pädagogische Einrichtungen. Daher bleibt das Thema Umschulung der Händigkeit in allen Ländern relevant.

Aus dieser Situation heraus habe ich aufgrund meiner Praxiserfahrung bei Kindern mit wechselndem Handgebrauch im Rahmen meiner Doktorarbeit ein Instrument entwickelt, mit dem versucht wird, die relevanten Teilaspekte der Händigkeit in der Forschungslandschaft zu sammeln, zu bündeln und zu systematisieren, um eine gründliche und umfassende Grundlage für klinische Entscheidungen zu schaffen (Kraus, 2003). So entstand das Händigkeitsprofil , ein Instrument für die Praxis. Als standardisiertes Assessment mit Strukturhilfen zur Analyse der Daten erfasst es die Wahrscheinlichkeit einer Links- oder Rechtshändigkeit bei Kindern mit wechselndem Handgebrauch, indem das Ausmaß der Händigkeit anhand mehrere Dimensionen ermittelt und zusammen mit der motorischen Leistung analysiert wird. Ziel ist es, den wechselnden Handgebrauch eines Kindes verstehen und einordnen zu können, um dann angemessene Entscheidungen nicht nur für die Schreibhand und für andere anspruchsvolle Tätigkeiten zu fällen, sondern auch den weiteren Interventionsverlauf entsprechend gestalten zu können (siehe auch Kraus, 2006).

Das Händigkeitsprofil ist für 6-jährige Kinder normiert und wird bei Kindern zurzeit in Deutschland, aber auch in Südafrika und Australien, angewandt. Es hat sich aus Sicht der Praktikerinnen mit seiner umfassenden Struktur und systematischen Vorgehensweise zu den unterschiedlichen Aspekten oder Dimensionen der Händigkeit bewährt (Kraus, 2018a, b; Schübl, 2010). Die im Assessment berücksichtigten Dimensionen beinhalten Handpräferenz und Handleistung , Überkreuzen der Körpermitte und bimanuelle Kooperation . Während der Testdurchführung werden Informationen in Bezug auf die motorische Qualität dokumentiert. Des Weiteren werden sowohl Umweltfaktoren wie der Übungsfaktor oder soziokultureller Druck, mit der rechten Hand zu schreiben, als auch pathologische Faktoren wie traumatische Umstände vor, bei oder nach der Geburt sowie veranlagungsbedingte Faktoren mit einbezogen. Das aktuelle Händigkeitsprofil beruht außerdem auf der Praxiserfahrung von über 500 geschulten Therapeutinnen und Therapeuten, deren Rückmeldungen über die Jahre systematisch erfasst wurden und in die Weiterentwicklung des Händigkeitsprofils mit einflossen.

Es ist unter anderem auch Sinn und Zweck dieses Buches, das Händigkeitsprofil als Beispiel eines Versuchs, den wechselnden Handgebrauchs multidimensional und systematisch zu erfassen und zu analysieren, vorzustellen. Das Händigkeitsprofil geht als exemplarisches Vorgehen auch über den Bereich der Pädiatrie hinaus, da nicht nur praktisch tätige Therapeuten, Psychologen, Pädagogen und Ärzte daran interessiert sein könnten, sondern auch Forscher, Neuropsychologen, Theoretiker und Akademiker, die das Thema Händigkeit bearbeiten oder berücksichtigen. Im Bereich Psychologie wurden wechselhafter Handgebrauch und/oder ähnliche Leistungen der Hände z. B. wiederholt in Zusammenhang mit Aspekten wie verminderter Sensationssuche und erhöhtem Autoritarismus gebracht. So sollten beispielsweise Persönlichkeitsforscher ermutigt werden, die Händigkeit, insbesondere den Ausprägungsgrad, als einen Faktor in die Analyse einzubeziehen (Christman, 2014). Der Ausprägungsgrad scheint mit einer Vielfalt von Merkmalen, Symptomen, oder auch Krankheitsbildern, wie der kognitiven Flexibilität oder Essstörungen zu korrelieren (Christman, Jasper, Sontam, & Cooil, 2007). Ein anderes Beispiel kommt aus dem Bereich der Entwicklungsforschung: Selbst im frühen Kindesalter könnte das Erfassen von altersgerechten rollendifferenzierten bimanuellen Aktionen Hinweise auf weitere Entwicklungsmeilensteine geben und eventuell Präventionsmaßnahmen sowie die pädagogische Herangehensweise beeinflussen (Babik, 2014). Auch in der Grundlagenforschung gibt es noch viele offene Fragen, was diverse anatomische Strukturen der Hemisphären betrifft, die deshalb systematisiert untersucht werden sollte (Ocklenburg, Garland, Ströckens & Uber Reinert, 2015; Kap. 2 und 4).

Ferner könnte das Thema Umschulung von Relevanz für die Bildungsregeln und Verfahrensweisen im internationalen Bereich haben. Gruber (2016, S. 23) formuliert dies wie folgt:

Institutionen, insbesondere Schulen, sollten Eltern und Lehrer über die negativen Folgen einer Umschulung informieren und sie davon abhalten. Dies ist wichtig für die politischen Entscheidungsträger, insbesondere in den Entwicklungsländern […], in denen Umschulungen immer noch üblich sind.Footnote 1

Aber auch ohne die spezifische Anwendung des Händigkeitsprofils als Instrument werden die Prinzipien und Systematik einer Hänbdigkeitsermittlung deutlich gemacht und können hilfreich sein. Die Anwendung eines einheitlichen multidimensionalen Instruments aus der Praxis mit Vorschlägen zu einer systematischen Strukturierung und zur Definition von Händigkeitstypen könnte helfen, Licht in den Händigkeitsdschungel sowie auch mehr Pflanzen in die Praxiswüste zu bringen. Es könnte zudem zu einem besseren Verständnis der sogenannten „Beidhänder“ beitragen und die Brücke zwischen Forschung, Theorie und Praxis stärken.

1.2 Überblick des Buchs

Die Geleitworte zu diesem Buch wurden dankenswerterweise von zwei internationalen Expertinnen in der Pädiatrie und zum Thema Händigkeit, Prof. Dr. Helen Polatajko aus Kanada und Erna Schönthaler aus Österreich, verfasst.

In Kap. 15 werden die Grundlagen aus der Händigkeitsliteratur anhand von Fragen aufbereitet, zusammen mit der Mitautorin Theresa Allweiss, die ihre Masterarbeit zu dem Händigkeitsprofil und einer digitalisierten Auswertung geschrieben hat. Es wird Bezug auf Veranlagung, Umwelt und Pathologie genommen, Testungsmethoden werden erörtert und die sogenannte „Beidhändigkeit“ diskutiert. In Kap. 2 und 3 werden Schlussfolgerungen und auch Prinzipien zur Händigkeitsermittlung zusammengetragen.

In Kap. 610 wird das Assessment des Händigkeitsprofils als ein Beispiel zur umfassenden und standardisierten Ermittlung der Händigkeit vorgestellt. Das Händigkeitsprofil basiert einerseits auf der Grundlagenforschung und andererseits auf Erfahrungen aus der pädiatrischen Praxis, und es differenziert wesentliche Händigkeitsaspekte (Kap. 6). Es wird Bezug auf die Entwicklung des Händigkeitsprofils mit seinen Subtests, Strukturhilfen zur Analyse und Interpretation genommen. Daraus erschließen sich die konzipierten Händigkeitstypen (► Glossar) bezüglich Veranlagung, Motorik/Pathologie und Umwelt, die an exemplarischen Kategorisierungsprofilen konkretisiert werden. Sie dienen als Angebot oder Einordnungsstruktur (Kap. 7). Zur Praxisverknüpfung werden mögliche Therapieansätze zur Intervention bei den Händigkeitstypen, die in der Regel einer Intervention bedürfen, vorgestellt (Kap. 8). In Kap. 9 werden tatsächliche Fälle aus der Praxis von Kindern mit wechselndem Handgebrauch beschrieben. Diese beiden Kapitel wurden gemeinsam mit Ursula Nagele-Hiedl geschrieben, eine Motopädin und Lehrerin, die eine langjährige Erfahrung mit händigkeitsauffälligen Kindern und umgeschulten Linkshändern hat. Zum Schluss werden eine kurze Zusammenfassung und ein Ausblick in Bezug auf weitere Forschung dargestellt (Kap. 10).

Die Kapitel sind sehr unterschiedlich in ihrem Aufbau, Inhalt und der Präsentation. Manche Kapitel sind sicherlich interessanter für Praktiker, andere wiederum für Theoretiker oder Forscher. Aber es bedarf diese mannigfachen Ausgangspunkte zur Bearbeitung des Themas Händigkeit, um zu einem soliden Gesamtverständnis und zu schlüssigen Ergebnissen kommen zu können.

1.3 Lesefahrplan

Zur leichteren Lesbarkeit wird in diesem Buch unter anderem die erste Person (Singular und Plural) verwendet. Die „Ich-Form“ bezieht sich immer auf mich, Elke Kraus als Hauptautorin des Buchs; die „Wir-Form“ bezieht sich entweder auf die kollektive Expertenerfahrung der Autorinnen, der Therapeuten aus der Praxis und/oder auf die Leserschaft. Die Sprache ist nicht gegendert, aber die männliche Form beinhaltet natürlich immer auch die weibliche Form. Zitate und Paraphrasierungen aus Büchern sind in der Regel mit Seiten verzeichnet, die anderen Literaturquellen nur mit Autoren und Jahresangaben.

Das Glossar am Ende des Buchs enthält Erläuterungen wesentlicher Begriffe, die in diesem Buch verwendet werden. Diese Begriffe sind immer fett und vor allem bei Erstnennung mit einem Pfeil Glossar gekennzeichnet. Es stützt sich auf eine Kombination von DefinitionenFootnote 2 aus der Fachliteratur und eigener Konzeptionen, da anhand der Logik der theoretischen Auseinandersetzung mit der Händigkeitsthematik Begriffe angepasst oder anders formuliert wurden. Diese Definitionen sind in dem Sinne nicht für die Allgemeinheit bestimmt, sondern dienen einem einheitlichen und verständlichen Sprachgebrauch in Bezug auf das Händigkeitsprofil und seine konzeptionelle Einbettung. Zur leichteren Orientierung werden die wichtigsten Synonyme aus der englischen und deutschen Fachliteratur mit aufgeführt.

Jedes Kapitel eröffnet sich mit zwei Zitaten über das menschliche Handeln und Tun im Allgemeinen. Damit soll symbolisiert werden, dass sich dieses Buch auch jenseits der Links-rechts-Dichotomie und dem Phänomen Händigkeit orientiert – Händigkeit ist letztendlich einer von vielen Aspekten, die das alltägliche Handeln mit beeinflussen, ob in der typisch entwickelten Bevölkerung oder im klinischen Setting. Aus Kostengründen sind die Abbildungen des Buchs nur sehr begrenzt farbig. In der elektronischen Version des Buchs sind jedoch alle Abbildungen farbig.

Wir hoffen, das Buch verschafft nicht nur in das Thema Händigkeit einen guten Einblick, sondern auch in mögliche Analysen und Interpretation unterschiedlicher Wechselverhalten aufgrund einer systematischen Differenzierung der Dimensionen der Händigkeit. Händigkeit ist mehr als nur ein interessantes Phänomen – es ist auf komplexe Weise mit motorischen, psychischen und sozialen Facetten verknüpft und kann die Funktionsfähigkeit von Kindern und Menschen sowohl positiv als auch negativ beeinflussen. Therapeutische, pädagogische, medizinische und psychosoziale Berufe sowie auch Forscher tun daher gut daran, die händigkeitsbedingten Aspekte des menschlichen Handelns besser zu erfassen und zu verstehen.