5.1 5.1

5.2 Grundsätzliches zum Studium der Pädagogischen Psychologie

Gegenstand der Pädagogischen Psychologie ist die Beschreibung und Erklärung menschlichen Erlebens und Verhaltens in Erziehungs-, Lern- und Unterrichtssituationen. Dabei können sowohl institutionalisierte Lern- und Sozialisationsprozesse betrachtet werden (z. B. in der Schule oder in der Kindertagesstätte) als auch nichtinstitutionalisierte wie sie z. B. in der Familie stattfinden. Historisch betrachtet ist die Pädagogische Psychologie eines der ältesten Anwendungsfächer der Psychologie. Zahlreiche Begriffe und Theorien (wie z. B. das Konzept des Intelligenzquotienten, IQ) entstanden ursprünglich in einem pädagogischen Kontext. Das Fach weist eine große Nähe zu anderen Disziplinen auf: Fragestellungen der Pädagogischen Psychologie werden z. B. auch in den Erziehungswissenschaften oder der empirischen Pädagogik aufgegriffen.

Die Pädagogische Psychologie ist seit jeher eng mit dem Bildungssektor verknüpft und somit in hohem Maße von aktuellen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen geprägt. Inhalte und Ausrichtungen sind stark von bildungs- und sozialpolitischen Strömungen abhängig, weshalb sich die Aufgaben und Anforderungen in diesem Arbeitsfeld stetig wandeln.

In Deutschland liegt die Kulturhoheit bei den einzelnen Bundesländern. Dies bedeutet, dass jedes Land in Bezug auf sein Bildungswesen eigene Gesetze erlassen kann. Somit unterscheiden sich die professionellen Strukturen im Schul- und Kitabereich zwischen den einzelnen Ländern teilweise erheblich. Entsprechend variieren auch die beruflichen Perspektiven für Pädagogische Psychologen. Diese länderspezifischen Besonderheiten gilt es bei der Studienplanung zu beachten.

5.2.1 Aufgabenfelder in der Pädagogischen Psychologie

Die wichtigsten Aufgabenfelder, in denen pädagogisch-psychologische Erkenntnisse zur Anwendung kommen, werden im Folgenden kurz skizziert.

5.2.1.1 Erziehungs- und Familienberatung

Dieses Handlungsfeld zielt darauf ab, Eltern und andere Personensorgeberechtigte bei der Erziehung von Kindern und Jugendlichen zu unterstützen und somit Sozialisationsbedingungen zu gewährleisten, die dem Wohl des Kindes bzw. Jugendlichen förderlich sind. Erziehungs- und Familienberatung erfolgt in der Regel durch spezialisierte Beratungsstellen, welche von öffentlichen oder freien Trägern betrieben werden. Die gesetzliche Grundlage hierfür bildet der Rechtsanspruch auf Hilfen zur Erziehung gemäß § 27 SGB VIII. Häufige Anlässe für die Inanspruchnahme von Erziehungs- und Familienberatung sind Probleme im Zusammenhang mit der Trennung von Eltern, auffälliges Sozialverhalten, schulische Probleme, Entwicklungsverzögerungen oder eine belastete Eltern-Kind-Beziehung. Erziehungs- und Familienberatung (Abschn. 3.4) weist inhaltlich eine große Nähe zum Arbeitsfeld der Familienpsychologie (Abschn. 7.5) auf, weshalb an dieser Stelle auf eine nähere Darstellung verzichtet wird.

5.2.1.2 Schulpsychologische Beratung

Die Schulpsychologie setzt psychologische Erkenntnisse und Methoden ein, um Schulen in ihrem öffentlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag zu unterstützen. Sie will Kinder und Jugendliche in ihren schulischen Lern- und Entwicklungsprozessen fördern und sie darin unterstützen, einen angemessenen Bildungsabschluss zu erlangen. Häufige Beratungsanlässe sind: allgemeine Lern- und Konzentrationsschwierigkeiten, spezifische Probleme in einzelnen Fächern, Schul- und Prüfungsangst sowie Probleme mit Mitschülern. Zielgruppe können neben Schülern auch Eltern und Lehrer sein. Die schulpsychologische Beratung ist nicht in allen Bundesländern gesetzlich verankert. Entsprechend variiert die Organisationsstruktur stark und die Ausbildung zum Schulpsychologen ist in den einzelnen Ländern teilweise sehr unterschiedlich geregelt. In vielen Bundesländern ist ein Diplom bzw. Master in Psychologie Voraussetzung für eine Anstellung als Schulpsychologe. In einigen Bundesländern wie z. B. Berlin wird allerdings eine Doppelqualifikation als Lehrer und Psychologe verlangt. In Bayern erfolgt schulpsychologische Beratung durch Lehrer mit einer speziellen Zusatzqualifikation. Entsprechend ist hier die Ausbildung fest in die Lehrerausbildung integriert und das Fach „Psychologie mit schulpsychologischem Schwerpunkt“ kann im Rahmen des Lehramtsstudiums anstelle eines Unterrichtsfachs gewählt werden.

Schulpsychologische Beratung erfolgt somit nicht in allen Bundesländern durch Psychologen im engeren Sinn. Entsprechend wird in diesem Abschnitt auch auf eine vertiefende Darstellung des Berufsfeldes verzichtet. Studieninteressierte mit dem Berufsziel „Schulpsychologe“ sollten sich unbedingt über Strukturen und Einstellungsvoraussetzungen des jeweiligen Bundeslandes informieren. Auskünfte erteilen die Kultusministerien und die Berufs- und Landesverbände für Schulpsychologen der einzelnen Länder.

5.2.1.3 Fort- und Weiterbildung

Ziel von Maßnahmen der Fort- und Weiterbildung ist die bedarfsorientierte Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten, die für die Ausübung eines Berufes relevant sind. In der Regel wird hierbei auf Kompetenzen aufgebaut, die im Rahmen einer vorangegangenen beruflichen Ausbildung erworben wurden. Zielgruppe von Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen sind in der Regel Erwachsene. Auftraggeber können sowohl öffentliche Institutionen (Behörden, Ämter, Stiftungen) als auch privatwirtschaftliche Unternehmen sein. Inhalt und Form von Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen können stark variieren und reichen von Computerkursen über Verkäuferschulungen bis hin zu Führungskräftetrainings. Ein umfassender Überblick über das Berufsfeld wird im Abschn. 5.3 gegeben, darüber hinaus gibt es zahlreiche Gemeinsamkeiten mit der Tätigkeit als Trainer und Coach, die im Abschn. 4.5 dargestellt wird.

5.2.1.4 Beratung von öffentlichen und freien Bildungsträgern

Die Beratung von öffentlichen und freien Bildungsträgern (z. B. Ministerien, Schul- und Jugendämter, Trägerverbände und private Einrichtungsträger) stellt ein zentrales pädagogisch-psychologisches Berufsfeld dar, welches in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen hat. Der Bereich ist eng mit dem Feld der Bildungsforschung und -evaluation verbunden, weshalb oft Psychologen zum Einsatz kommen, welche als Wissenschaftler an einer Universität oder einer anderen Forschungseinrichtung tätig sind. Einen Einblick in das Berufsfeld bietet Abschn. 5.2.

5.2.2 Studium der pädagogischen Psychologie

Die folgenden Abschnitte beschreiben, welche Inhalte sich im Psychologiestudium anbieten, wenn eine zukünftige Tätigkeit als Pädagogischer Psychologe angestrebt wird und welche Aspekte bei der Studienplanung zu beachten sind.

5.2.2.1 Inhalte Bachelor

Das Fach „Pädagogische Psychologie“ ist für Bachelorstudierende in der Regel nicht als Pflichtfach vorgesehen. Eine Ausnahme bildet der Studiengang „Psychologie mit Schwerpunkt Pädagogische Psychologie (B.Sc.)“ an der Universität Hildesheim, welcher explizit auf eine spätere Tätigkeit im pädagogisch-psychologischen Bereich vorbereiten will. An einigen Universitäten werden jedoch Vertiefungen mit pädagogisch-psychologischer Ausrichtung als Wahlfach angeboten, teilweise im Rahmen von Modulen, die unter Überbegriffen wie „Entwicklung, Lernen und Instruktion“ o. ä. stehen. Als angehender Pädagogischer Psychologe sollte man das Bachelorstudium nutzen, um sich ein breites psychologisches Grundlagenwissen anzueignen. Von besonderer Bedeutung sind Kenntnisse über Lern- und Sozialisationsprozesse wie sie im Rahmen der Fächer „Allgemeine Psychologie I & II“ und „Entwicklungspsychologie“ gelehrt werden. Auch Wissen im klinischen Bereich (z. B. über Lern- und Entwicklungsstörungen) sowie diagnostische Kenntnisse können für die spätere Arbeit von Bedeutung sein. Wenn eine Tätigkeit in der beruflichen Fort- und Weiterbildung angestrebt wird, ist es sinnvoll, vertiefende Kenntnisse in der Arbeits- und Organisationspsychologie zu erlangen und z. B. Veranstaltungen in Personalmanagement oder Mitarbeiterführung zu besuchen.

5.2.2.2 Inhalte Master

Zahlreiche Universitäten bieten im Rahmen eines allgemeinen universitären Masterstudiengangs Psychologie (M.Sc.) eine Vertiefung im Bereich „Pädagogische Psychologie“ an. Masterstudiengänge mit explizit pädagogisch-psychologischer Ausrichtung werden derzeit nur von wenigen Hochschulen angeboten. An einigen Universitäten werden Inhalte der Pädagogischen Psychologie im Rahmen von eher forschungsorientierten Masterstudiengängen vermittelt (z. B. am Munich Center of the Learning Sciences der Ludwig-Maximilians-Universität München; siehe www.en.mcls.lmu.de). Je nach Ausrichtung des Studiengangs können im Rahmen des Masterstudiums vertiefte Kenntnisse in pädagogisch-psychologischer Diagnostik und Intervention erworben werden, oder es werden Methoden der Bildungsforschung und -evaluation vermittelt.

5.2.2.3 Was ist bei der Studienplanung zu bedenken?

Seit der Einführung von Bachelor und Master gilt mehr denn je: „Nicht überall, wo Psychologie drauf steht, ist auch wirklich Psychologie drin“. Zahlreiche Universitäten bieten psychologische Studiengänge und Abschlüsse an, welche nicht mit dem ehemaligen Diplomstudiengang „Psychologie“ zu vergleichen sind und dem Absolventen somit nur eingeschränkte Chancen auf dem Arbeitsmarkt einräumen. Einen guten Anhaltspunkt für die Wertigkeit eines Studienabschlusses bietet eine vom Berufsverband deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP) veröffentlichte Liste anerkannter Studiengänge (www.bdp-verband.de/beruf/ba-ma/clips/anerkannt.pdf). Der Liste ist zu entnehmen, welche Studiengänge im Hinblick auf eine BDP-Mitgliedschaft als vollwertige psychologische Studiengänge anerkannt sind. Allerdings ist an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass einige Masterstudiengänge erst seit kurzer Zeit angeboten werden und deshalb noch nicht in dieser Liste enthalten sein können. Im Zweifel können Sie sich auch direkt beim BDP erkundigen, ob ein von Ihrer Seite favorisierter Studiengang die Qualitätsmaßstäbe erfüllt.

Wie bereits erwähnt, ergeben sich aus den verschiedenen Sozial- und Bildungssystemen der einzelnen Bundesländer unterschiedliche berufliche Perspektiven im Bereich der Pädagogischen Psychologie: Ein Abschluss bzw. eine Studienausrichtung, die in einem Bundesland gute Berufschancen im Bildungssektor bietet, ist u. U. in einem anderen wenig sinnvoll. Studieninteressierte sollten sich deshalb bereits vor Antritt des Studiums mit landesspezifischen Regelungen vertraut machen und Informationen darüber einholen, welche Qualifikationen für eine bestimmte berufliche Position verlangt werden. Auskünfte hierüber erteilen die Studienberatungen der Universitäten, psychologische Berufs- und Landesverbände oder die für den Bildungssektor verantwortlichen Landesministerien.

Wenn eine beratende Tätigkeit angestrebt wird (z. B. in der Erziehungs- oder Familienhilfe), kann eine Weiterbildung zum „Psychologischen Psychotherapeuten“ (PP) oder zum „Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten“ (KJP) oder eine systemische Weiterbildung sinnvoll sein. Nicht wenige Psychologen im Berufsfeld der Pädagogischen Psychologie haben eine entsprechende Ausbildung berufsbegleitend absolviert. Auch wenn kein unmittelbarer Wunsch nach einer Therapieausbildung besteht, ist es ratsam, sich diese Option für das spätere Berufsleben offenzuhalten. Voraussetzung für die Zulassung zur Therapieausbildung ist in der Regel ein abgeschlossenes Masterstudium, im Rahmen dessen das Fach „Klinische Psychologie“ in ausreichendem Umfang gelehrt wird. Genauere Informationen zur Therapieausbildung erhalten Sie im Kap. 3.

Wird eine Tätigkeit im Bereich der Bildungsforschung und -evaluation bzw. der Politikberatung angestrebt, ist es u. U. sinnvoll, eine Promotion ins Auge zu fassen. Diese schließt sich in der Regel an ein abgeschlossenes Masterstudium an. Genauere Informationen zu den Möglichkeiten einer Promotion finden Sie im Kap. 6.

5.2.2.4 Praxis schon im Studium

Wie für alle anderen Psychologiestudierenden empfiehlt es sich auch für angehende Pädagogische Psychologen, bereits während des Studiums so viel praktische Erfahrung wie möglich zu sammeln. Gelegenheiten hierfür bieten sich an Beratungsstellen, Heil- und Sonderpädagogischen Einrichtungen, Schulen, Sozial- und Jugendämtern oder Fort- und Weiterbildungsinstituten.

Auch eine ehrenamtliche Tätigkeit (z. B. in der Hausaufgabenbetreuung oder als Jugendleiter) kann gute Einblicke in den Bildungs- und Erziehungsbereich bieten und für pädagogische Probleme und Fragestellungen sensibilisieren.

Für Studierende, die später im Bereich der Bildungsforschung und -evaluation arbeiten wollen, kann es sinnvoll sein, ein Forschungspraktikum an einem einschlägigen Institut zu absolvieren. Auch eine Tätigkeit als studentische Hilfskraft (Hiwi) gibt gute Einblicke in den Forschungsprozess und bietet zudem die Möglichkeit, nebenher Geld zu verdienen.

5.3 Tätigkeiten im Bereich der Bildungsberatung und -evaluation

Die deutsche Bildungslandschaft befindet sich mehr denn je im Wandel. Der Begriff des „Lebenslangen Lernens“ ist in aller Munde und die Erkenntnis, dass Bildung lange vor der Schule beginnt und im Grunde nie endet, hat sich in weiten Kreisen durchgesetzt. Die PISA-Studien der OECD haben der Öffentlichkeit eindrücklich vor Augen geführt, wie stark der individuelle Schulerfolg eines Kindes vom sozialen Umfeld und dem Bildungshintergrund der Eltern abhängig ist. Entsprechend sollen Kinder bereits vor dem Eintritt in die Grundschule individuell gefördert werden, weshalb seit ein paar Jahren auch Kitas, also Kindertagesstätten (d. h. Krippen, Kindergärten und Horte) als Bildungsorte verstanden werden. Die zunehmende Flexibilisierung am Arbeitsmarkt und die wachsende Vielfalt in unserer Gesellschaft stellen die deutschen Bildungssysteme vor zusätzliche Herausforderungen. Es gilt, Betreuungsmodelle und Schulformen zu entwickeln, die zum einen Forderungen aus Politik und Wirtschaft aufgreifen und zum anderen das Wohl des einzelnen Kindes nicht aus den Augen verlieren.

Für Psychologen bieten sich vor dem Hintergrund der o. g. Entwicklungen interessante berufliche Perspektivem im Bereich der Bildungsberatung und -evaluation. Aufgrund ihrer theoretischen Ausbildung verfügen sie über ein breites Wissen in Bezug auf menschliche Lern- und Entwicklungsprozesse. Bildungsverantwortliche wissen diese fundierten Kenntnisse zu schätzen und greifen deshalb häufig auf den Rat von Psychologen zurück, wenn es um die Entwicklung von neuen pädagogischen Konzepten und Handlungsrichtlinien geht. In Zeiten leerer öffentlicher Kassen ist zudem der Druck, die vorhandenen finanziellen Mittel so effizient wie möglich einzusetzen, größer denn je. Deshalb müssen neue Finanzierungs- und Steuerungsmodelle gefunden werden. Psychologen können hierbei aufgrund ihrer forschungsmethodischen und statistischen Kenntnisse einen wichtigen Beitrag leisten. Im folgenden Abschnitt soll das Feld der Bildungsberatung und -evaluation, welches eng mit dem Bereich der Bildungsforschung und der empirischen Pädagogik verknüpft ist, vorgestellt werden. Hierfür wird zunächst ein typisches Szenario geschildert, in dem ein Kita-Verantwortlicher auf die Dienste eines Psychologen zurückgreift.

▶ Ein Szenario

5.3.1 Bildungsberatung und -evaluation – was ist das?

Wie bereits beschrieben, ist das Feld der Bildungsberatung und -evaluation eng mit dem Feld der Bildungsforschung verbunden. Beratungsinhalte sind abhängig vom aktuellen Stand der Bildungsforschung, und umgekehrt richtet die – oftmals staatlich finanzierte – Bildungsforschung ihre Inhalte stark am Beratungs- und Erkenntnisbedarf der öffentlichen Bildungsträger aus. Anders ausgedrückt: Kompetente Bildungsberatung setzt vorangegangene Bildungsforschung voraus, und folglich wird vor allem in Bereichen geforscht, in denen es Beratungsbedarf gibt. Somit liegt es nahe, dass in der Bildungsberatung überwiegend Psychologen zum Einsatz kommen, die an einer Universität oder einer anderen Forschungseinrichtung wissenschaftlich tätig sind.

Ein großer Erkenntnisbedarf bestand lange Zeit in Bezug auf Lern- und Erziehungsprozesse in klassischen Bildungsinstitutionen wie z. B. der Schule. Hierbei werden hauptsachlich Lehr- und Unterrichtssituationen untersucht und die Bedingungen betrachtet, unter denen das Lernen in diesen Einrichtungen erfolgt. Im Gegensatz hierzu rücken heutzutage immer mehr Fragen in den Vordergrund, welche sich auf nichtinstitutionalisierte Lernprozesse beziehen; Bildung wird als ein fortwährender Prozess über die gesamte Lebensspanne begriffen. Entsprechend wird auch das familiäre Umfeld zunehmend als Bildungsort betrachtet und Prozesse des selbstgesteuerten Lernens und der Selbstbildung rücken verstärkt in den Fokus.

Unter Bildungsevaluation versteht man Untersuchungen, mit denen die Effektivität und Effizienz von Bildungsmaßnahmen beurteilt werden soll. In der Regel geht es hierbei darum, den Wissens- oder Kompetenzzuwachs bei einer Gruppe von Personen zu messen, um so das Ergebnis einer pädagogischen Maßnahme unmittelbar beurteilen zu können. Es kommt aber ebenfalls vor, dass nicht der Lernfortschritt an sich, sondern Merkmale der Lernumgebung (z. B. die Ausgestaltung des Unterrichtsraums) oder die Qualität des pädagogischen Prozesses, wie das Verhalten einer Erzieherin, untersucht und bewertet werden. Gegenstand von Evaluationsmaßnahmen können Prozesse in einer einzelnen Gruppe, in einer kompletten Einrichtung oder sogar in einem ganzen Land sein. Die Übergänge zwischen Bildungsevaluation und Bildungsforschung sind somit fließend, besonders wenn sich Erkenntnisse in Bezug auf einzelne Maßnahmen verallgemeinern lassen.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Bildungsforschung als angewandte Wissenschaft bildet die Grundlage für kompetente Bildungsberatung und bildungspolitische Entscheidungen. Das Ziel von Bildungsberatung ist es letztendlich, die pädagogische Arbeit in Kitas, Schulen, Universitäten, Berufsbildungszentren etc. zu optimieren. Bildungsevaluation kommt im Rahmen der Qualitätsentwicklung in den oben genannten Institutionen eine zentrale Rolle zu. Sie trägt dazu bei, die Nachhaltigkeit von pädagogischen Maßnahmen zu sichern und die größtmögliche Effizienz des Bildungssystems zu gewährleisten.

5.3.2 Bildungsberatung und -evaluation – ein ganz besonderes Tätigkeitsfeld?

Wie kaum ein anderes Berufsfeld ist der Bildungsbereich von Interdisziplinarität und dem komplexen Zusammenspiel verschiedener Professionen und Institutionen geprägt. Die Arbeit spielt sich in der Regel immer zwischen drei Interessensgruppen ab: Politik, Wissenschaft und Praxis. Jede der drei Interessensgruppen ist von spezifischen Sichtweisen, Standards und teilweise auch von einer eigenen Sprache geprägt. Die Erwartungen und Anforderungen der drei Bereiche können u. U. stark voneinander abweichen: So sind beispielsweise für die Politik parlamentarische Beschlüsse und gesetzliche Grundlagen ausschlaggebend, wohingegen für die Wissenschaft der aktuelle Forschungsstand und empirische Fakten relevant sind. Darüber hinaus erwartet die Wissenschaft Publikationen, die fachspezifischen Richtlinien genügen, die Praxis hingegen verlangt nach gut verständlichen Texten, die im Rahmen der Arbeit der Fachkräfte vor Ort direkt genutzt werden können. Politik, Wissenschaft und Praxis stehen also in einem Spannungsverhältnis zueinander, und als Psychologe sitzt man oftmals zwischen den Stühlen. Andererseits bietet kaum ein Berufsfeld so gute Möglichkeiten, Brücken zwischen Theorie und Praxis zu schlagen und bedeutsame gesellschaftliche Prozesse aktiv mitzugestalten.

5.3.2.1 Aufgaben im Rahmen der Tätigkeit

Die Aufgaben können höchst unterschiedlich ausfallen. In Abhängigkeit von Arbeitgeber, Projektziel und individueller Ausrichtung ergeben sich somit diverse Tätigkeits- und Anforderungsprofile. Im Folgenden werden einige Tätigkeitsfelder genannt:

  • Pädagogische Grundlagenforschung

  • Evaluation und Zertifizierung von pädagogischen Maßnahmen und Einrichtungen

  • Beratung von Einrichtungsträgern und politischen Verantwortlichen

  • Erstellen von Praxismaterialien und Handreichungen für pädagogische Fachkräfte

  • Entwicklung von Bildungsleitlinien und Curricula

  • Fort- und Weiterbildung von pädagogischen Fachkräften

Aus den genannten Tätigkeitsfeldern ergibt sich eine Vielzahl von Arbeiten, die alle in den Aufgabenbereich eines Psychologen fallen können. Dazu gehören umfangreiche Recherchetätigkeiten, die Planung und Durchführung von Erhebungen vor Ort, die Auswertung und Aufbereitung von Daten sowie das Verfassen von wissenschaftlichen und fachpraktischen praxisorientieren Abhandlungen. Außerdem zählen dazu die Präsentation von Ergebnissen in Rahmen von politischen Gremien und Kongressen sowie das Abhalten von Fortbildungen und Informationsveranstaltungen für Fachkräfte.

In Abhängigkeit von der personellen Besetzung des jeweiligen Projekts und den administrativen Strukturen, auf die zurückgegriffen werden kann, müssen auch zahlreiche organisatorische Aufgaben übernommen werden. Diese können von der Finanzplanung bis hin zum Einkauf von Verbrauchsmaterialien reichen.

5.3.2.2 Mobilitätsbereitschaft

Die Reisetätigkeit richtet sich sehr stark nach der genauen Tätigkeit und den zu betreuenden Projekten. Arbeits- und Vernetzungstreffen mit Kooperationspartnern wie Ämtern, Ministerien und Einrichtungsträgern finden in aller Regel an deren Dienstort statt. Je nach Entfernung des Dienstortes können also regelmäßig längere Reisen anfallen. Oftmals arbeitet man mit kleinen und mittelgroßen Städten und Kommunen zusammen, die u. U. in strukturschwachen Regionen liegen und mit dem Flugzeug gar nicht und mit der Bahn nicht direkt zu erreichen sind. Das bedeutet folglich, dass sehr lange Reisezeiten anfallen können. Arbeitet man in größeren, möglicherweise länderübergreifenden Projekten mit mehreren Projektbeteiligten und Institutionen zusammen, sind regelmäßige Vernetzungstreffen unumgänglich, für die ebenfalls mehrtägige Dienstreisen anfallen können.

5.3.2.3 Arbeitszeit

An den meisten Tagen wird man seine Arbeit zu den normalen Bürozeiten verrichten. Gleitzeitregelungen sind in den meisten Instituten üblich, sodass eine flexible Einteilung der Arbeitszeit möglich ist. Sitzungen und Arbeitstreffen mit Kooperationspartnern finden in der Regel während der Bürozeiten statt. Bei Terminen außerhalb des Wohnorts können allerdings längere Reisezeiten entstehen, die teilweise nicht in vollem Umfang angerechnet werden. Bildungsforschung bedeutet fast immer Projektarbeit, d. h. in „heißen“ Phasen (z. B. wenn vor Beginn einer Feldphase Erhebungsunterlagen fertiggestellt werden müssen, oder wenn ein Bericht kurz vor der Abgabe steht) können erhebliche Überstunden anfallen. Idealerweise können diese aber in ruhigeren Projektphasen wieder abgebaut werden. Ob und wie Überstunden abgegolten werden, hängt von der Art des Dienstverhältnisses ab. Im öffentlichen Dienst kann fast immer Zeitausgleich genommen werden, bei anderen Arbeitgebern kann es sein, dass unbezahlte Überstunden erwartet werden.

5.3.2.4 Bezahlung und Aufstiegschancen

Bei Anstellungen im öffentlichen Dienst kommt je nach Arbeitgeber in der Regel der Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst (TVöD) oder der Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) zur Anwendung (www.oeffentlicher-dienst.info/einstieg). Wenn die genannten Tarifverträge dem Arbeitsverhältnis nicht unmittelbar zugrundegelegt werden, erfolgt die Bezahlung oftmals in Anlehnung an diese. Die Gehaltssteigerungen im öffentlichen Dienst richten sich nach der Dienstzugehörigkeit und sind in den genannten Tarifverträgen genau geregelt. In einigen Bereichen des öffentlichen Dienstes wurden in den letzten Jahren leistungsorientierte Vergütungssysteme eingeführt, d. h. ein Teil des Gehalts wird in Abhängigkeit von der erbrachten Leistung des Arbeitnehmers ausgezahlt. Die leistungsabhängige Komponente des Gehalts ist im öffentlichen Dienst jedoch deutlich geringer als bei einer Tätigkeit in der freien Wirtschaft und beträgt in der Regel nicht mehr als 1–2 % des Jahresgehalts. Die Eingruppierung für einen Berufsanfänger mit Diplom oder Master erfolgt üblicherweise in die Entgeltgruppe E13. Mit einer niedrigeren Gruppe sollte man sich folglich nicht zufrieden geben. Bezüglich der Eingruppierung von Bachelorabsolventen gibt es derzeit im öffentlichen Dienst nach wie vor eine gewisse Unsicherheit und somit Unterschiede. Sie erfolgt in der Regel zwischen den Entgeltstufen E9 und E12. Hier kann es sich als Berufsanfänger u. U. lohnen, auf eine höhere Eingruppierung zu bestehen. Die genaue Höhe des Gehalts richtet sich nach der aktuellen Tarifvereinbarung und dem Tarifgebiet. Sie kann anhand der entsprechen Tabellen genau bestimmt werden.

Als Berufsanfänger wird man in aller Regel noch keine Projektverantwortung tragen. Entsprechend ist – wie bereits erwähnt – eine TVöD/TV-L Eingruppierung in die Stufe E13 realistisch. Für eine Tätigkeit als Projektleitung ist die Stufe E14 vorgesehen. Je nach Arbeitsstelle sind auch höhere Eingruppierungen möglich. Diese sind dann zumeist mit der Übernahme von größerer Personalverantwortung, einer Abteilungsleitung o. ä. verbunden.

5.3.2.5 Persönliche Weiterbildung

Wie in fast allen psychologischen Berufsfeldern ist es auch im Bereich der Bildungsberatung und -evaluation wichtig, sich kontinuierlich weiterzubilden und über den aktuellen Forschungsstand informiert zu sein. Die regelmäßige Lektüre von Fachzeitschriften und wissenschaftlichen Journals sollte selbstverständlich sein. Auch Kongresse und Tagungen sollten regelmäßig besucht werden, um Kontakte mit anderen Wissenschaftlern aufzubauen und zu pflegen. Das Bildungssystem ist in administrative und gesellschaftliche Strukturen eingebettet und wird daher von politischen Vorgaben und gesetzlichen Beschlüssen geformt. Diese haben somit einen großen Einfluss auf die Arbeit. Entsprechend sollte man gesellschaftliche und politische Diskurse verfolgen und über bildungspolitische Entscheidungen stets auf dem Laufenden sein.

Über kurz oder lang sollte eine Promotion ins Auge gefasst werden. Der Doktortitel gilt als Nachweis für die Fähigkeit zum selbstständigen wissenschaftlichen Arbeiten und wird von einigen Arbeitgebern als obligatorisch für eine leitende Tätigkeit erachtet. An vielen Instituten wird von einem Berufsanfänger die Bereitschaft zur Promotion ausdrücklich erwartet, und nicht wenige Stellen sind explizit als Qualifikationsstellen ausgeschrieben. Aber auch in Projekten, in denen dies nicht von vornherein vorgesehen ist, bietet sich oftmals die Chance, einen Doktortitel zu erwerben.

5.3.2.6 Selbstständigkeit

Wenn man als Psychologe im Feld der Bildungsberatung und -evaluation tätig ist, wird man zumeist als wissenschaftlicher Mitarbeiter oder Referent an einem Institut, einer Behörde oder einer Hochschule angestellt sein. Staatliche Aufträge und Drittmittel werden in aller Regel nur an renommierte Institutionen vergeben und Kooperationsverträge mit Bildungsträgern kommen in der Regel nicht mit Privatpersonen zustande. Selbstständige sind daher im Bereich der Bildungsberatung eher selten anzutreffen. Das Feld bietet allerdings gute Möglichkeiten für nebenberufliche Tätigkeiten, z. B. als Autor von Expertisen, als Gutachter, Referent oder Fortbilder.

5.3.3 Die Rolle von Psychologen in der Bildungsforschung

Im öffentlichen Bildungswesen und im Bereich der Bildungsforschung ist eine Vielzahl von Qualifikationen und Ausbildungshintergründen vertreten. In Anbetracht der Tatsache, dass es eine fast unüberschaubare Anzahl von Studiengängen und Berufen gibt, die sich im weitesten Sinne mit Lern- und Erziehungsprozessen beschäftigen, ist dies auch nicht verwunderlich. So trifft man u. a. auf Pädagogen, Erziehungswissenschaftler, Soziologen, Sozialpädagogen, Sozialarbeiter, Kindheitspädagogen, Sprachwissenschaftler und Lehrer. Da die Tätigkeit eng in administrative und politische Strukturen eingebunden ist, wird man oftmals auch mit Juristen und Verwaltungsbeamten zusammenarbeiten. Jede dieser Berufsgruppen ist durch spezifische Profile und Basiskompetenzen, aber auch durch einen berufsgruppenspezifischen Habitus, eine eigene Sprache und einen eigenen Blickwinkel gekennzeichnet.

Die Rolle, die einem Psychologen in diesem Konglomerat aus unterschiedlichen Professionen häufig zufällt, ist die des Empirikers und Methodenexperten. In der Tat sind die diagnostischen und testtheoretischen Kenntnisse das wesentliche Alleinstellungsmerkmal des Psychologen. In keinem anderen Studium lernt man, wie Entwicklungstests konstruiert werden oder wie die sozialen Kompetenzen von Menschen gemessen und mit statistischen Mitteln verglichen werden können. Gute Methoden- und Statistikkenntnisse werden von einem Psychologen in der Bildungsforschung erwartet und sind somit unerlässlich. Die Psychologie ist im Gegensatz zu vielen der o. g. Disziplinen eine empirische und evidenzbasierte Wissenschaft. Einen guten Psychologen zeichnen somit auch sein strukturiertes, systematisches Vorgehen und seine fundierten theoretischen Kenntnisse aus.

Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal des Psychologen kann sein klinisches Wissen sein. Insbesondere in Bezug auf Lern- und Entwicklungsstörungen, Reifeverzögerungen etc. sind diese Kenntnisse u. U. sehr hilfreich.

5.3.4 Anforderungen an eine Tätigkeit als Psychologe in der Bildungsberatung und -evaluation

Im Folgenden sollen wichtige Punkte angesprochen werden, die für angehende Psychologen relevant sein können, die eine forschende oder beratende Funktion im Bildungssystem anstreben.

Die deutsche Bildungslandschaft ist extrem heterogen und von Multiprofessionalität geprägt. Entsprechend unterschiedlich können Karrierepfade in diesem Berufsfeld verlaufen und entsprechend schwer ist es, allgemeingültige Hinweise für eine Schwerpunktsetzung oder individuelle Studienausrichtung zu geben.

▶ Eine Perspektive aus der Praxis

5.3.4.1 Schwerpunktsetzung und fachliche Inhalte

Es ist mit Sicherheit von Vorteil, im Studium seine Schwerpunkte in der Pädagogischen Psychologie oder der Entwicklungspsychologie zu setzen. Die Aufgaben und Anforderungen in der Bildungsforschung sind jedoch so vielfältig, dass Psychologen u. U. auch mit anderen Studienausrichtungen gute Chancen haben. So können z. B. Kenntnisse in der Arbeits- und Organisationspsychologie hilfreich sein, wenn es um Beratung von Bildungsträgern geht, oder klinisches Wissen, wenn man sich schwerpunktmäßig mit sonderpädagogischen Fragestellungen beschäftigt. Wem sich die Gelegenheit bietet, vertiefte Kenntnisse in Forschungsmethoden zu erlangen, sollte diese auf jeden Fall nutzen. Auch sollten angehende Psychologen sich bereits während des Studiums Wissen über Trägerstrukturen, gesetzliche Grundlagen und bildungspolitische Zusammenhänge aneignen.

5.3.4.2 Computerkenntnisse

Gute bis sehr gute Kenntnisse in den gängigen Office-Anwendungen sind unumgänglich. Ein Forscher verbringt einen Großteil seiner Arbeitszeit vor dem Computer. Das Verfassen und Gestalten von Schriftstücken und das Erstellen von PowerPoint-Präsentationen sollten folglich keine Schwierigkeiten bereiten. Eine Grundvoraussetzung ist der sichere Umgang mit gängigen Statistikprogrammen wie SPSS. Auch die Literaturrecherche und -beschaffung via onlinebasierter Datenbanken sollten beherrscht werden.

5.3.4.3 Sprachkenntnisse

In Vergleich zu privatwirtschaftlichen Berufsfeldern sind aktive Fremdsprachenkenntnisse im Bereich der Bildungsberatung weniger zentral. Vertragspartner sind in aller Regel deutschsprachige Kommunen oder Institutionen und die Verhandlungs- und Geschäftssprache ist in der Regel Deutsch. Im Rahmen von länderübergreifenden Projekten und beim Besuch von internationalen Kongressen und Tagungen sind Englischkenntnisse natürlich unumgänglich.

Wie in jedem anderen Wissenschaftsbereich ist auch in der Bildungsforschung ein Großteil der relevanten Literatur in englischer Sprache verfasst. Zumindest das Lesen von englischsprachlichen Texten sollte also keine Schwierigkeiten bereiten.

5.3.4.4 Praxis, Praxis, Praxis

Wie für jedes andere Berufsfeld empfiehlt es sich auch für den Bereich der Bildungsberatung und -evaluation, bereits während des Studiums möglichst umfassende Praxiserfahrungen zu sammeln. Besonders geeignet sind hierfür sog. Forschungspraktika, wie sie von vielen Lehrstühlen, aber auch von außeruniversitären Institutionen angeboten werden. Im Rahmen dieser Praktika können erste Einblicke in den Bereich der angewandten Bildungsforschung gewonnen werden. Bezahlt werden Forschungspraktika in der Regel nicht. Auch eine Tätigkeit als studentische Hilfskraft (Hiwi) ermöglicht es einem, erste Erfahrungen im Bereich der Forschung und Evaluation zu machen – und nebenher Geld zu verdienen. Auch Praktika im sozialen oder pädagogischen Bereich (z. B. bei einer Erziehungsberatungsstelle oder einer Kita) werden gerne gesehen. Mit Sicherheit hilfreich, aber natürlich nicht notwendig, ist eine bereits abgeschlossene soziale oder erzieherische Ausbildung, z. B. als staatlich anerkannte Erzieherin oder Hebamme. Erfahrungsgemäß haben Personen mit einschlägiger Berufserfahrung bei Kooperationspartnern ein gutes Ansehen und genießen eine hohe Glaubwürdigkeit.

5.3.4.4 Fazit

Wie kaum ein anderes Berufsfeld bietet der Bereich der Bildungsberatung und -evaluation die Möglichkeit, gesellschaftliche und sozialpolitische Prozesse unmittelbar zu erleben und selbst mitzugestalten. Im Rahmen der Tätigkeit lassen sich die Bildungs- und Entwicklungsbedingungen von Kindern und Jugendlichen beeinflussen und nachhaltig verbessern. Der Beruf bietet die Möglichkeit, Brücken zwischen Wissenschaft, Politik und Praxis zu schlagen und mit Menschen aus den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Bereichen zusammenzuarbeiten.

5.3.4 Eine Perspektive aus der Praxis

Dr. Monika Wertfein, Staatsinstitut für Frühpädagogik, Wissenschaftliche Referentin, Klinische Psychologie, Familienpsychologie

Wieso haben Sie sich für eine Tätigkeit in diesem Berufsfeld entschieden?

Das Feld ist extrem abwechslungsreich: Es verbindet die Bereiche Forschung, Lehre und Beratung. Insbesondere gefällt mir das teamorientierte Arbeiten, die eigenverantwortliche Durchführung und Leitung von Forschungsprojekten. Besonders schätze ich auch die guten Fortbildungsmöglichkeiten und den Austausch mit anderen Wissenschaftlern. Auch die Kooperation mit anderen Instituten ist ein spannender Bestandteil meiner Arbeit.

Was glauben Sie, können Psychologen in diesem Berufsfeld bewegen?

Viel! Durch gute, qualitativ hochwertige Forschung und Publikationen sowie durch die Verzahnung von Forschung und Praxis. Ergebnisse aus der Forschung können unmittelbar weitergegeben werden und tragen somit direkt zur Weiterentwicklung im Feld bei. Durch Politikberatung besteht – zumindest indirekt – die Möglichkeit, politischen und gesellschaftlichen Einfluss zu nehmen. Außerdem besteht in meinem Beruf die Möglichkeit, Studierende und Nachwuchswissenschaftler aktiv zu fördern.

Man kann Modell sein für einen wertschätzenden, ressourcenorientierten Umgang mit Kollegen, Auftraggebern und Personen in der Praxis sowie für eine systemisch orientierte Denk- und Arbeitsweise.

Was hat Sie an Ihrer Tätigkeit am meisten überrascht?

Dass sich alle Stationen und Umwege in meinem bisherigen beruflichen Werdegang durch diese Tätigkeit als sinnvoll erwiesen haben.

Außerdem bin ich überrascht, wie erfüllend meine Tätigkeit auch nach sechs Jahren noch sein kann – es gibt immer Neues zu entdecken und zu lernen.

Ist es überhaupt möglich, diesen Beruf mit einem normalen Familienleben zu vereinen?

Ja, ich denke schon, auch wenn bestehende zeitliche Spielräume und eine hohe Autonomie bei der Arbeitsaufteilung immer auch mit dem Risiko verbunden sind, dass die berufliche Tätigkeit viel Raum einnimmt und die Familienzeiten beeinträchtigt. Das liegt aber weitgehend in der eigenen persönlichen Verantwortung.

Welchen Tipp haben Sie für Psychologen, die sich überlegen, in diesem Feld zu arbeiten?

Wichtig sind Vorerfahrungen in der Frühpädagogik und fundierte Kenntnisse in Forschungsmethoden.

Vorteilhaft ist ein pädagogischer Erstberuf, z. B. als Erzieherin oder Heilpädagogin.

Empfehlenswert ist ein längeres Forschungspraktikum (mindestens sechs Wochen) oder eine studentische Hilfskrafttätigkeit während des Studiums.

Auch eine Promotion schadet nicht.

Stoßen Sie manchmal auf Vorurteile wegen Ihrer Ausbildung?

Kaum – Vorurteile kenne ich eher aus dem therapeutischen Tätigkeitsbereich von Psychologen.

5.3 Ein Szenario

Peter Nürth ist Verwaltungsbeamter in Musterstadt, einer mittelgroßen deutschen Kommune mit ca. 120.000 Einwohnern. Er ist Leiter des Amts für Familie, Senioren und Soziales, welches die sozialen Aufgaben der Stadt Musterstadt übernimmt. In seinen Zuständigkeitsbereich fallen neben anderen sozialen Einrichtungen auch die Kindertagesstätten in Musterstadt. Als örtlicher Träger der Jugendhilfe hat die Stadt den Bedarf an Betreuungsplätzen für Vorschulkinder regelmäßig zu erfassen und diese in ausreichendem Umfang zur Verfügung zu stellen. Die städtischen Kitas sind Herrn Nürth direkt unterstellt, für die Einrichtungen der freien Träger hat sein Amt die Fachaufsicht, d. h. es kontrolliert, ob gesetzliche Vorgaben eingehalten und umgesetzt werden. Außerdem entscheidet es über finanzielle Zuschüsse und die Verteilung von Fördergeldern.

Nach den Kommunalwahlen beschließt der frisch gewählte Stadtrat eine Neuausrichtung der Sozialpolitik. Ab dem nächsten Kindergartenjahr sollen jährlich ca. fünf Millionen Euro zusätzlich in den Ausbau der Kindertagesbetreuung investiert werden. Dieser Betrag soll in sinnvolle Maßnahmen in den einzelnen Stadtteilen fließen. Es ist geplant, die Ressourcenausstattung einzelner Kitas bedarfsgerecht zu verbessern und z. B. zusätzliches Personal einzustellen oder spezielle Förderprogramme abzuhalten. Die bewilligten Gelder sollen nach bestimmten Vergabekriterien an einzelne Einrichtungen verteilt werden und es soll zudem überprüft werden, ob die getätigten Investitionen auch sinnvoll sind. Herr Nürth wird mit der Koordination dieses Prozesses beauftragt.

Die neue Aufgabe bereitet Herrn Nürth großes Kopfzerbrechen. Als städtischer Beamter hat er gelernt, Verwaltungsvorschriften umzusetzen und gesetzliche Rahmenbedingungen zu beachten. Mit der Evaluation erzieherischer Maßnahmen hat er sich nie beschäftigt – kann man die pädagogische Qualität einer Kita überhaupt messen? Und lässt sich belegen, ob Kinder von einem bestimmten Sprachförderprogramm mehr profitieren als von einem anderen? Herr Nürth merkt sehr schnell, dass weder er noch einer seiner Mitarbeiter über das nötige Wissen verfügen, um die geforderte Evaluation der Fördermaßnahmen durchzuführen. Nach reiflicher Überlegung beschließt er daher, sich externe Hilfe zu holen. Nach geraumer Zeit und vielen Verhandlungen wird ein Kooperationsvertrag mit der PÄDAGOGIKA GmbH geschlossen. Das Projekt soll zunächst über drei Jahre laufen.

Die PÄDAGOGIKA GmbH ist ein Kooperationsinstitut einer renommierten deutschen Universität. Das Institut führt seit mehr als 30 Jahren sowohl anwendungsbezogene Untersuchungen als auch Grundlagenforschung im Bereich der Frühpädagogik durch. Gegenüber Kommunen und Kita-Trägern tritt das Institut als Dienstleister auf, der externe Evaluationen der pädagogischen Qualität, aber auch Fortbildungs- und Zertifizierungsprogramme anbietet.

Seitens der PÄDAGOGIKA GmbH wird Michael Kunze das Projekt anvertraut. Herr Kunze ist Dipl.-Psychologe und seit vier Jahren als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut tätig. Für ihn bedeutet das Kooperationsprojekt mit Musterstadt die erste Projektleitung. Sein Team besteht noch aus einer weiteren Mitarbeiterin. Diese wurde eigens für das Projekt eingestellt und erhielt dementsprechend nur einen befristeten Arbeitsvertrag.

Bald wird in Musterstadt ein erstes Treffen zwischen dem Team von Herrn Kunze, Vertretern der Stadtverwaltung, wichtigen Trägervertretern und diversen anderen Stakeholdern angesetzt. In diesem Rahmen stellt Herr Kunze das von ihm ausgearbeitete Erhebungsdesign vor: In den Kitas, die zusätzliche finanzielle Mittel erhalten, soll zu insgesamt drei Zeitpunkten die pädagogische Prozessqualität erfasst werden. Für diese Messungen sollen vornehmlich standardisierte Selbstevaluationsbögen eingesetzt werden. Darüber hinaus sollen aber auch geschulte Rater in die Kitas gehen und anhand von strukturierten Beobachtungsinstrumenten wichtige Faktoren der pädagogischen Qualität beurteilen. Außerdem sollen an einer kleinen Stichprobe von Vorschulkindern zu verschiedenen Zeitpunkten Sprachstandmessungen durchgeführt werden. Herr Kunze ist stolz auf sein Design und prophezeit, dass sich aus der Zusammenschau der verschiedenen Erhebungen interessante Erkenntnisse über den Nutzen und die Effektivität der getätigten Fördermaßnahmen ableiten ließen. Diese könnten in Zukunft gut für die Steuerung von Bildungsprozessen genutzt werden und als Grundlage für die Vergabe weiterer finanzieller Mittel dienen.

Die Vorschläge von Herrn Kunze führen bei den anwesenden Personen zu sehr geteilten Reaktionen. Bei der Stadtverwaltung ist man begeistert. Endlich – so hofft man – wird sich der Nutzen von Bildungsinvestitionen quantifizieren lassen. Man wird genau wissen, wofür es sich lohnt, Geld auszugeben, und wofür nicht. Die anwesenden Vertreter der freien Träger sind allerdings skeptisch. Sie fürchten, dass ihre Kitas besonders genau unter die Lupe genommen werden und man in einen sehr großen Rechtfertigungsdruck kommen könnte. Auch die anwesenden Kita-Leitungen und eine Personalratsvertreterin sind nicht überzeugt. Sie fühlen sich durch die angekündigten Erhebungen kontrolliert und fürchten, in ihrer Arbeit behindert zu werden. Die Arbeitsbelastung sei für die Erzieherinnen ohnehin schon viel zu hoch und die kommenden Untersuchungen würden viel Zeit in Anspruch nehmen, welche dann für die pädagogische Arbeit mit den Kindern fehle. Zu guter Letzt teilt eine als Elternvertretung eingeladene Mutter Herrn Kunze noch mit, dass sie die geplanten Sprachstandserhebungen grundsätzlich ablehnt. Sie fürchtet, dass die Kinder durch die Testungen seelischen Schaden nehmen könnten.

Herr Kunze merkt, dass er noch viel Überzeugungsarbeit leisten muss, bevor er mit seiner Studie beginnen kann. Aus Erfahrung weiß er, dass es für den Erfolg eines Projektes entscheidend ist, dass es von allen Beteiligten mitgetragen wird. Deshalb nimmt er sich viel Zeit und geht auf jeden einzelnen Kritikpunkt ein. Durch seine sachliche und zugleich wertschätzende Art gelingt es ihm schließlich, die meisten Befürchtungen auszuräumen und fast alle Anwesenden vom Sinn des Vorhabens zu überzeugen. Dem Beginn der Evaluationsstudie steht nun nichts mehr im Wege.

5.4 Tätigkeiten in der Fort- und Weiterbildung

Im Studium der Psychologie beschäftigt man sich ausführlich mit dem Themenkomplex „Lernen und Entwicklung“. Eine Tätigkeit in der Fort- und Weiterbildung ist deshalb ein mögliches Berufsfeld für Psychologen, das in diesem Kapitel näher vorgestellt wird. Zunächst soll ein Beispielszenario einen realistischen Einblick in die Tätigkeit gewähren. Im Anschluss wird auf die charakteristischen Merkmale dieses Berufsfelds eingegangen. Zudem wird beschrieben, welchen Beitrag Psychologen in diesem Berufsfeld leisten können, und skizziert, wie man sich während des Studiums auf diese Tätigkeit vorbereiten kann. Das Kapitel wird abgerundet durch ein Experteninterview mit einer erfahrenen Psychologin, die über langjährige Erfahrung in vielfältigen Bereichen der Fort- und Weiterbildung verfügt. Während in Abschn. 4.5 insbesondere das Berufsfeld eines freiberuflichen Trainers vorgestellt wird, bezieht sich dieser Beitrag auf die Rolle eines Psychologen in der Fort- und Weiterbildung, der für eine Institution tätig ist.

Die Fort- und Weiterbildung verfolgt das Ziel, Erwerbstätige bei der Entwicklung von berufsrelevanten Kompetenzen zu unterstützen, um sie damit zum Ausüben ihrer Arbeitstätigkeit zu befähigen. Diese Aufgabe umfasst eine Vielzahl unterschiedlicher Tätigkeiten: Nach Ermittlung des Qualifizierungsbedarfs werden Bildungsveranstaltungen ausgearbeitet, durchgeführt und anschließend evaluiert. Eine wichtige Herausforderung besteht darin, die Weiterbildungsangebote auf den Berufsalltag der jeweiligen Zielgruppe abzustimmen und anzupassen.

▶ Ein Szenario

5.4.1 Fort- und Weiterbildung – was ist das?

Immer häufiger erleben Erwerbstätige eine Situation, die mit der der Mitarbeiter bei der Pharmatiko-Muster AG im Exkurs „Ein Szenario“ vergleichbar ist: In den meisten Berufsgruppen reicht das durch die Erstausbildung oder das Studium erworbene Kompetenzniveau nicht aus, um den sich ständig ändernden beruflichen Anforderungen gerecht zu werden (z. B. durch die steigende Halbwertszeit von Wissen bzw. die voranschreitende Digitalisierung). Im Laufe ihrer Erwerbstätigkeit müssen Mitarbeiter deshalb ihr Wissen und ihre Fähigkeiten immer wieder auf den aktuellen Stand bringen und sich neue Kompetenzen aneignen. Zudem können sie eigeninitiativ durch den Erwerb zusätzlicher Qualifikationen eine berufliche Weiterentwicklung anregen. Ein breites Kompetenzprofil wird oftmals mit aussichtsreichen Karriereperspektiven in Verbindung gebracht. Auch aus der Perspektive der Arbeitgeber rückt die Bildung der Beschäftigten immer mehr in den Fokus. Durch gezielte Qualifizierung können sie ihre Mitarbeiter dazu befähigen, ihre Arbeit erfolgreich zu verrichten. Die berufliche Fort- und Weiterbildung gewinnt deshalb sowohl für Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber an Bedeutung und wird zunehmend als strategischer Erfolgsfaktor gesehen. Eine kontinuierliche und hochwertige Qualifizierung

  1. 1.

    erhöht die Aussicht auf beruflichen Erfolg für Erwerbstätige und

  2. 2.

    gewährleistet den Erfolg von Institutionen und Organisationen.

Das Wissen und die Kompetenzen der Erwerbstätigen werden gerne auch als das „intellektuelle Kapital“ einer Gesellschaft oder eines Wirtschaftsstandorts gesehen. Dementsprechend wichtig ist hierbei der Beitrag, den das Tätigkeitsfeld der Fort- und Weiterbildung zu leisten vermag.

Dabei wird die Relevanz der Weiterbildung nicht nur aus psychologischer Sicht, sondern auch von organisationalen Entscheidungsträgern geteilt: Über 80 % der von Deloitte im Rahmen des jährlichen Human Capital Surveys 2016 befragten Geschäftsführungsmitglieder sind der Auffassung, dass die Bedeutung der betrieblichen Weiterbildung weiter steigen wird.

5.4.2 Fort- und Weiterbildung – ein ganz besonderes Tätigkeitsfeld?

Der Deutsche Bildungsrat (1970, S. 197) definiert die Fort- und Weiterbildung als „Fortsetzung oder Wiederaufnahme organisierten Lernens nach Abschluss einer unterschiedlich ausgedehnten ersten Bildungsphase“.

Auf den ersten Blick mag diese Definition überholt und allenfalls vage formuliert erscheinen. Allerdings deckt sie drei Kernmerkmale ab, die für die Tätigkeit in der Fort- und Weiterbildung nach wie vor charakteristisch sind. Mit dem „Abschluss einer unterschiedlich ausgedehnten ersten Bildungsphase“ wird deutlich, dass Fort- und Weiterbildung auf den bisher erworbenen Qualifikationen von Erwerbstätigen aufbaut, individuelle Bildungsunterschiede berücksichtigt und sich mit ihren Angeboten an unterschiedliche Zielgruppen richtet. Im beschriebenen fiktiven Szenario passt die Pharmatiko-Muster AG die Schulungen an das Vorwissen der Mitarbeiter an, da hier je nach Ausbildungshintergrund und Berufserfahrung ein unterschiedlicher Bedarf besteht. Die „Fortsetzung oder Wiederaufnahme“ deutet darauf hin, dass die letzten Bildungsaktivitäten länger zurückliegen. In der Regel wird der Erwerb von Bildung, der nach dem Abschluss der ersten Bildungsphase stattfindet, durch einen bestimmten Anlass ausgelöst. Fort- und Weiterbildung erfüllt deswegen keinen Selbstzweck, sondern ist mit dem Ziel und der Erwartung verbunden, den persönlichen Bildungsbedarf zu erfüllen. Beispielsweise reagiert die Pharmatiko-Muster AG auf die durch die neue Produktlinie entstandene Wissenslücke der Mitarbeiter mit einer umfassenden Qualifizierungsmaßnahme. Sie verspricht sich davon, dass die Mitarbeiter wieder über ausreichend Informationen verfügen, um ihre Kunden zufriedenstellend beraten zu können. Schließlich meint „organisiertes Lernen“, dass Fort- und Weiterbildung in einem strukturierten Rahmen stattfindet und die Lernenden beim Wissens- und Kompetenzerwerb nicht auf sich allein gestellt sind. Sie werden durch die Fort- und Weiterbildung vielmehr systematisch begleitet und unterstützt. Zu diesem strukturierten Rahmen zählen u. a. die Auswahl und Aufbereitung von Inhalten und Themen sowie die Art und Weise der Wissensvermittlung. Herr Meier versucht beispielsweise das Lernen der Mitarbeiter der Pharmatiko-Muster AG durch eine Kombination aus E-Learning und Präsenztrainings zu strukturieren.

Um auf Akzeptanz bei den Teilnehmern zu stoßen und eine nachhaltige Wirkung zu erzielen, sollten Weiterbildungsinitiativen stets teilenehmerzentriert gestaltet werden, d. h., sie sollten sich an den Bedürfnissen, Präferenzen und situativen Charakteristiken ihrer Zielgruppe orientierten. Das nachfolgende Zitat aus dem Human Capital Report 2016 von Deloitte bringt diese Notwendigkeit treffend auf den Punkt: „Employees need to be viewed as customers to be satisfied, rather than as students to be pressured into traditional learning classrooms.“ (S. 62)

Zusammenfassend kann man also sagen, dass Fort- und Weiterbildung versucht, sich am gegenwärtigen Kompetenzstand ihrer jeweiligen Zielgruppe zu orientieren, das angestrebte Kompetenzniveau zu erkennen und diese Lücke durch entsprechende Bildungsprogramme gezielt zu schließen. Ob das angestrebte Kompetenzniveau durch eine Notwendigkeit (z. B. steigende berufliche Anforderungen) oder persönliche Motive (z. B. fachliches Interesse oder persönliche Weiterentwicklung) festgelegt wird, ist dabei unerheblich.

5.4.2.1 Aufgaben im Rahmen der Tätigkeit

Ganz allgemein kann man bezüglich des Aufgabenbereichs in der Fort- und Weiterbildung zwei unterschiedliche Ausrichtungen unterscheiden: konzeptionell-inhaltliche (bzw. strategische) und operative Tätigkeiten.

Wie im Szenario geschildert, sollte vor jeder Bildungsmaßnahme der eigentliche Qualifizierungsbedarf ermittelt werden. In enger Zusammenarbeit mit den Vertretern aus den Fachbereichen versucht die Fort- und Weiterbildung herauszufinden, in welchen Kompetenzen die Mitarbeiter trainiert werden sollten. Im Anschluss daran wird ein Plan zur konkreten Umsetzung des Bildungsprogramms ausgearbeitet. Dabei wird u. a. festgelegt, aus wie vielen Bausteinen eine Seminarreihe besteht und wie man die einzelnen Module inhaltlich sinnvoll aufeinander abstimmen kann. Gegebenenfalls greift man bereits an dieser Stelle auf die Expertise externer Trainer zurück. Diese unterstützen bei der Konzeption des Bildungsprogramms. Ob und in welchem Umfang sich eine Institution hier Beratung von außen holt, hängt u. a. davon ab, inwieweit die Mitarbeiter in der Fort- und Weiterbildung selber über spezifische Kenntnisse in der Trainingsgestaltung und Umsetzung verfügen. Mit dem externen Trainer werden beispielsweise der konkrete Ablauf der Bildungsveranstaltungen und die Seminarunterlagen erarbeitet oder aber die gesamte Entwicklung eines Bildungsbausteins an ihn ausgelagert. Beim Einsatz von E-Learning sollte man sehr früh den externen Anbieter mit einbeziehen, um die technische Umsetzung abzuklären. Auch die Durchführung der Trainings und Bildungsveranstaltungen wird meistens durch externe Trainer und Seminarleiter unterstützt. Häufig ist dies notwendig, da Institutionen in der Regel personell nicht ausreichend besetzt sind, um die Schulungen vollkommen selbstständig durchführen zu können.

Neben der inhaltlichen Vorbereitung einer Bildungsveranstaltung fallen eine Vielzahl an operativen Aufgaben an. Dabei besteht ein hoher Bedarf an Planung und Organisation. Mit externen Trainern und der Zielgruppe der Bildungsveranstaltungen müssen Termine abgestimmt und ggf. Seminarhotels oder -räume ausgewählt und gebucht werden. Vor allem Verhandlungen bezüglich des Bildungsbudgets können zusätzliche Zeit in Anspruch nehmen. Unmittelbar vor einer Veranstaltung müssen Druck und Versand der Teilnehmer- und Präsentationsunterlagen für das Seminar koordiniert werden. Auf den ersten Blick mögen diese Tätigkeiten als basale organisatorische Aufgaben erscheinen. Tatsächlich nehmen sie viel Zeit in Anspruch und können je nach Phase den Großteil des Tagesgeschäfts ausmachen. Eine gute Vorbereitung ist wichtig für den reibungslosen Ablauf und ein ernst zu nehmender Erfolgsfaktor von Bildungsprogrammen.

Auch nach Abschluss einer Bildungsveranstaltung kommen weitere Aufgaben auf die Fort- und Weiterbildung zu. Zur Qualitätssicherung und kontinuierlichen Verbesserung wird in der Regel jedes Seminar im Anschluss anhand eines Fragebogens evaluiert. Dabei wird üblicherweise nach der Zufriedenheit der Teilnehmer mit dem Seminar und dem Trainer gefragt. Zudem sollen die Teilnehmer immer häufiger die Relevanz des Seminars für ihren beruflichen Alltag einschätzen. Da die Investition in Bildung mit Kosten verbunden ist, gewinnt die Frage nach der Nachhaltigkeit von Bildungsveranstaltungen zunehmend an Bedeutung. Aufgabe der Fort- und Weiterbildung ist dabei, Lösungen zu erarbeiten, um den Praxistransfer und damit die konkrete Anwendung des vermittelten Wissens während der Arbeit zu verbessern.

Eine Tätigkeit in der Fort- und Weiterbildung umfasst damit sowohl konzeptionell-inhaltliche als auch operative Aufgaben, denen je nach Phase unterschiedliche Bedeutung zukommt. In Abb. 5.1 ist dargestellt, wie sich konzeptionelle und operative Aufgaben im Verlauf eines Bildungsprogramms verteilen. Dabei soll angemerkt sein, dass es je nach Bildungsprogramm auch durchaus zu Abweichungen kommen kann.

Abb. 5.1
figure 1

Aufgabenspektrum bei Tätigkeiten in der Fort- und Weiterbildung

5.4.2.2 Mögliche Beschäftigungsfelder

Da die Fort- und Weiterbildung ihr Angebot auf unterschiedliche Zielgruppen ausrichten muss, sind entsprechend vielfältige Beschäftigungsmöglichkeiten denkbar.

Ein mögliches Beschäftigungsfeld bietet die freie Wirtschaft. Wie im obigen Szenario beschrieben, investieren immer mehr Wirtschaftsunternehmen in die Kompetenzen ihrer Mitarbeiter, um durch bedarfsgerechte Qualifizierungen ihre Wettbewerbsfähigkeit zu gewährleisten. Aber auch Gewerkschaften sowie Industrie- und Berufsverbände ermöglichen ihren Mitgliedern den Zugang zu berufsbegleitender Bildung und sind damit ein potenzieller Arbeitgeber. Zudem etablieren sich auch immer mehr private Bildungsanbieter. Durch den Besuch ihrer offenen und in der Regel sehr fachspezifischen Seminarreihen können berufsbegleitende Zusatzqualifikationen erworben werden. Beispiele für private Bildungsanbieter aus dem Bereich der Psychologie sind Ausbildungsinstitute für Psychologische Psychotherapeuten oder für Coaches und Berater.

Je nach Beschäftigungsart können sich die Tätigkeitsschwerpunkte unterscheiden. Bei privaten Bildungseinrichtungen stellen die Weiterbildungsangebote das Hauptgeschäftsfeld dar. Die Mitarbeiter im Bildungsbereich können ihren Arbeitsschwerpunkt tendenziell eher auf die Vorbereitung und Durchführung der Seminare legen. In Institutionen oder Berufsverbänden stellt der Bereich der Fort- und Weiterbildung lediglich einen Teilbereich der unternehmerischen Tätigkeit dar. Die Fort- und Weiterbildung hat hierbei die strategische Aufgabe, Mitarbeiter bei der Ausübung ihrer Tätigkeit und der kontinuierlichen Kompetenzentwicklung zu unterstützen. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor dabei ist die Abstimmung und das Zusammenspiel mit anderen Unternehmens- und Geschäftsbereichen. Für Mitarbeiter im Bereich Fort- und Weiterbildung, die für eine Institution oder einen Verband tätig sind, besteht deswegen die besondere Aufgabe darin, ihre Bildungs- und Qualifizierungsangebote an den Bedarf und die Prozesse der einzelnen Fachbereiche anzupassen. Eine weitere Herausforderung ist es, die eigenen Qualifizierungsangebote an die entsprechenden Zielgruppen zu kommunizieren und für diese zu werben. Eine zusätzliche Besonderheit ergibt sich oftmals für Mitarbeiter in der Fort- und Weiterbildung, die in kleineren Institutionen tätig sind: Häufig betreuen sie auch noch den Bereich Ausbildung und begleiten damit die Entwicklung von Personen, die sich in ihrer ersten Bildungsphase befinden (z. B. Auszubildende).

5.4.2.3 Mobilitätsbereitschaft

Die Mobilitätsbereitschaft ist von der Art der Stelle abhängig. Ausschlaggebend ist die Entfernung des Veranstaltungsorts der Bildungsmaßnahmen vom eigentlichen Arbeitsplatz. Nicht selten werden die Veranstaltungen in Trainings- und Bildungsakademien durchgeführt, die entfernt vom Hauptsitz einer Organisation gelegen sind. Zudem können der Besuch von Kongressen und Termine mit Vertretern aus den Fachbereichen eine erhöhte Reiseaktivität erfordern.

5.4.2.4 Arbeitszeit

Die Arbeitszeiten sind an die jeweiligen tariflichen Bestimmungen gebunden. Häufig werden die Termine für die Bildungsveranstaltungen so gelegt, dass sie von Erwerbstätigen neben ihrer Arbeit gut besucht werden können. Das betrifft vor allem die Abendstunden und das Wochenende. Wer sich also für das Berufsfeld der Fort- und Weiterbildung interessiert, sollte wissen, dass man gelegentlich auch zu Terminen außerhalb der Regel arbeiten muss.

5.4.2.5 Besonderheiten des Arbeitsmarktes

Die Bedeutung der ganzheitlichen Qualifizierung von Erwerbstätigen für den Wirtschaftsstandort Deutschland hat in der öffentlichen Diskussion deutlich an Gewicht gewonnen. Durch verstärkte Investitionen von Staat und Wirtschaft konnten hier viele neue Stellen geschaffen werden. Allerdings ist die Aussicht auf Beschäftigung – analog zu anderen Berufsgruppen – erfahrungsgemäß konjunkturellen Schwankungen unterworfen. Dies gilt für die Anstellungsmöglichkeiten in sämtlichen Tätigkeitsbereichen der Fort- und Weiterbildung. Unternehmen in der freien Wirtschaft werden bei finanziellen Engpässen in der Regel die Besetzung von Stellen im betrieblichen Bildungsbereich prüfen. Gleiches gilt für eine Tätigkeit in einer staatlichen Bildungseinrichtung, da die Beschäftigungspolitik an die Bewilligung von Fördermitteln gebunden ist.

5.4.2.6 Persönliche Weiterbildung

Auch Beschäftigte in der Fort- und Weiterbildung müssen ihre Kompetenzen auf dem aktuellen Stand halten und sich weiterbilden. Ganz allgemein lassen sich dabei zwei unterschiedliche Ausrichtungen der Fortbildung unterscheiden: inhaltliche und methodische Fortbildungen.

Durch inhaltliche Fortbildungen kann man Themen vertiefen, zu denen man als interner Referent eigene Seminare anbietet (z. B. Umgang mit Stress, Konfliktlösung am Arbeitsplatz). Empfehlenswert ist es zudem, sich zur Methodik der Seminargestaltung auf dem aktuellen Wissenstand zu halten. Dazu gehören Präsentationstechniken und didaktische Konzepte, die den Lernerfolg der Seminarteilnehmer begünstigen. Hierfür kann man entsprechende Qualifizierungsveranstaltungen besuchen, die sich auch an externe Trainer richten. Je nachdem, wie sehr vom Arbeitgeber gewünscht und gefördert, kann man dabei eine vollständige Ausbildung zum Trainer oder Moderator absolvieren. Die strategische Ausrichtung der persönlichen Fortbildungen hängt stark davon ab, in welche Richtung man sich entwickeln möchte. Vor allem methodische Weiterbildungen sind hilfreich, wenn man selbst verstärkt als interner Referent eigene Seminare halten möchte. Außerdem ist ein Verständnis für aktuelle Trends und für allgemeine Qualitätsstandards im Bereich Erwachsenenbildung wichtig, um damit geeignete externe Trainer auswählen zu können.

Eine beliebte Form der Weiterbildung für diese Berufsgruppe ist der Besuch von Fachmessen und Kongressen. Bildungsträger informieren dabei über ihre Angebote. Oftmals hat man dabei die Gelegenheit, neue didaktische Konzepte kennenzulernen und selbst auszuprobieren. Schließlich profitiert man vom Erfahrungsaustausch mit Vertretern aus anderen Institutionen über bewährte Bildungsansätze.

5.4.2.6 Eine Perspektive aus der Wissenschaft

Prof. Dr. Heinz Mandl ist emeritierter Professor für empirische Pädagogik und Pädagogische Psychologie und Experte auf dem Gebiet der Erwachsenenbildung. Im folgenden Abschnitt erläutert er, welche Rolle Psychologen für die Fort- und Weiterbildung spielen:

Vor dem Hintergrund der technischen, wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung und damit verbundenen Veränderungen in der Lebens- und Arbeitswelt gewinnt Weiterbildung in unserer Gesellschaft zunehmend an Bedeutung. Um einen guten Berufseinstieg im Bereich Weiterbildung zu erhalten, sollten Studierende der Psychologie spezifische Angebote von Bachelor- und Masterstudiengängen nutzen.

Beispielsweise werden im Bereich der Wirtschafts- und Organisationspsychologie oder der Pädagogischen Psychologie Bachelor-Studiengänge angeboten, die durch ihre anwendungsorientierte Ausrichtung weiterbildungsrelevante Themenfelder abdecken. Oftmals können Studierende dabei Basiskompetenzen wie etwa Kommunikationsfähigkeit und psychologische Gesprächsführung erwerben. Hervorzuheben ist die Möglichkeit eines Praktikums, das auch in Weiterbildungsinstitutionen geleistet werden kann.

Auch bei den Masterstudiengängen gibt es die Möglichkeit für weiterbildungsaffine Studienangebote. Neben theoretischen Grundlagen können bei zahlreichen Masterstudiengängen im Bereich Wirtschafts-, Organisations- und Sozialpsychologie auch praktische Kompetenzen u. a. im Bereich Intervention, Evaluation, Präsentations- und Moderationstechniken erworben werden. Auch Masterstudiengänge im Bereich der Pädagogischen Psychologie bieten weiterbildungsrelevante Inhalte zu Lernen, Instruktion und Training an. Darüber hinaus kommt Schlüsselqualifikationen wie Informations- und Medienkompetenz, Vermittlungskompetenz sowie Team- und Kommunikationsfähigkeit besondere Bedeutung zu.

Zu empfehlen ist auch, bereits während des Studiums mit Weiterbildungsinstitutionen Kontakt aufzunehmen und dort praktische Erfahrungen zu sammeln.

5.4.3 Die Rolle von Psychologen im Berufsfeld der Fort- und Weiterbildung

Die Beschäftigung im Bereich der Fort- und Weiterbildung ist nicht auf einzelne Studienrichtungen beschränkt. Da die meisten Erwerbstätigen mit dem Thema Weiterbildung in Berührung kommen, findet man hier Vertreter aus unterschiedlichen Fachdisziplinen.

An Psychologen wird besonders geschätzt, dass sie über umfassende Kenntnisse zum Themenkomplex „Lernen und Entwicklung“ verfügen. Bereits durch die Grundlagenfächer der Psychologie (z. B. Biologische Psychologie, Entwicklungspsychologie und Allgemeine Psychologie) setzen sich Studierende der Psychologie intensiv mit menschlichen Lernprozessen auseinander. Somit begegnen Psychologen dem Thema „Lernen und Entwicklung“ mit einem ganzheitlichen Blick. Sie wissen, nach welchen grundlegenden Mechanismen menschliches Lernen erfolgt. Diese Fähigkeiten sind u. a. förderlich, um die Inhalte eines Seminars zielgruppengerecht zu vermitteln. Darüber hinaus können Psychologen Empfehlungen aussprechen, welche Kontextfaktoren eine kontinuierliche Entwicklung begünstigen und welche Bedeutung das Thema Lernen für den Menschen hat. Diese Kompetenzen sind hilfreich, um die Teilnehmer der Bildungsveranstaltungen zu unterstützen, das im Seminar vermittelte Wissen auch im Praxisalltag anzuwenden. Damit kann ein wichtiger Beitrag zur Nachhaltigkeit der Bildungsveranstaltungen geleistet werden.

5.4.4 Anforderungen an eine Tätigkeit in der Fort- und Weiterbildung

Im Folgenden soll dargelegt werden, wie man bereits während des Studiums durch das Setzen von Schwerpunkten gezielt sein individuelles Kompetenzprofil schärfen kann. Allerdings dürfen diese Ausführungen nicht als Patentrezept oder verbindliche Empfehlungen verstanden werden. Aufgrund der mannigfaltigen Beschäftigungsmöglichkeiten in diesem Bereich sind hier durchaus unterschiedliche Karrierewege möglich.

▶ Eine Perspektive aus der Praxis

5.4.4.1 Schwerpunktsetzung

Im Rahmen dieses Buches ist das Berufsfeld der Fort- und Weiterbildung der Pädagogischen Psychologie zugeordnet, doch es gibt selbstverständlich zahlreiche Parallelen zum Abschn. 4.5. Die Zuordnung zur Pädagogischen Psychologie erscheint sinnvoll, da sich Pädagogische Psychologen im Allgemeinen mit der Entwicklung von Menschen in unterschiedlichen Kontexten beschäftigen. Studierende der Psychologie, die sich für eine Beschäftigung in der Fort- und Weiterbildung interessieren, können deswegen Inhalte der Pädagogischen Psychologie in Erwägung ziehen. Allerdings sollte vor der Wahl von Masterstudiengängen oder anderweitigen Vertiefungen geprüft werden, ob ausreichend Veranstaltungen belegt werden können, die sich mit der Bildung im Erwachsenenalter beschäftigen. Auch viele Studiengänge mit wirtschaftspsychologischer Vertiefung decken diesen Themenbereich ab. Fort- und Weiterbildung ist eine allgemeine Berufsform, denn Bildungsveranstaltungen werden fach- und disziplinenübergreifend angeboten. Es ist deshalb durchaus denkbar, mit der Wahl eines anderen Studienschwerpunktes seinen Weg in die Fort- und Weiterbildung zu finden. Letztlich ist es immer ausschlaggebend, dass die individuellen Erfahrungen und Kompetenzen eines Bewerbers zu den spezifischen Anforderungen einer Stelle passen.

5.4.4.2 Fachliche Inhalte

Es ist sicher zu empfehlen, Veranstaltungen zu besuchen, die sich mit den Themen der Erwachsenenbildung beschäftigen (z. B. „Wissensvermittlung bei Erwachsenen“ und „Bildungs- und Entwicklungsmotivation“). Man sollte die Möglichkeit ergreifen, sich anwendungsorientiertes Fachwissen in Statistik und Datenanalyse anzueignen. Methodische Kompetenzen sind oftmals ein Alleinstellungsmerkmal von Psychologen und beispielsweise bei der Evaluation und der Bewertung der Nachhaltigkeit von Bildungsveranstaltungen hilfreich. Ferner ist es zu empfehlen, sich frühzeitig mit E-Learning zu beschäftigen. Beispielsweise kann man sich durch den Besuch virtueller Lehrveranstaltungen mit der Teilnehmerperspektive beim E-Learning vertraut machen. Zusätzlich kann man durch eine unterstützende Tätigkeit in der akademischen Lehre einen ersten Einblick in die Vorbereitung und Durchführung von Bildungsveranstaltungen erhalten (z. B. als Tutor oder studentische Hilfskraft). Auf die Bedeutung von Erfahrungen in der akademischen Lehre wird im Abschnitt „Praxis, Praxis, Praxis“ vertiefend eingegangen.

Manche Lehrstühle bieten neben ihrem regulären Lehrangebot auch Zusatzqualifizierungen an, die Studierende auf eine Tätigkeit in der Fort- und Weiterbildung vorbereiten. Dazu zählen u. a. Kompaktausbildungen zum Verhaltenstrainer oder Tutor für virtuelle Seminare.

5.4.4.3 Computerkenntnisse

IT-Affinität ist für eine Tätigkeit in der Fort- und Weiterbildung durchaus förderlich. Der sichere Umgang mit gängigen Microsoft-Office-Produkten ist – wie auch in anderen Tätigkeitsfeldern – eine Grundvoraussetzung. Häufig wird man auch mit organisationsspezifischen Softwarelösungen konfrontiert, um damit administrative Aufgaben des Seminarmanagements erledigen zu können. Durch den verstärkten Einsatz von E-Learning entsteht ein zusätzlicher Berührungspunkt mit Technologie. Neben klassischen Computer- oder internetbasierten Bildungsprogrammen werden immer häufiger auch neuartige multimediale Produkte als Lernmedien eingesetzt (z. B. Smartphones). Zudem werden sog. soziale Medien verstärkt als didaktische Elemente genutzt. Deshalb kann es sein, dass man sich aktiv mit Kommunikations-Tools wie Blogs, Chat-Programmen oder Foren auseinanderzusetzen hat. Deshalb sollten Interessenten für das Berufsfeld Fort- und Weiterbildung die Bereitschaft zeigen, sich mit neuartigen technischen Herausforderungen und Innovationen auseinanderzusetzen. In Abhängigkeit vom konkreten Aufgabengebiet ist deshalb auch eine vertiefte Zusammenarbeit mit Berufsgruppen aus technischen Disziplinen möglich.

5.4.4.4 Praxis, Praxis, Praxis

Durch studienbegleitende Praktika kann man umfassende Praxiserfahrungen sammeln, um das theoretische Wissen zu erweitern. Für Interessenten an der Fort- und Weiterbildung bieten sich vielfältige Alternativen an. Durch ein Praktikum bei einem Bildungsanbieter oder einem Unternehmen kann man einen guten Einblick in das Tagesgeschäft der Fort- und Weiterbildung gewinnen. Um zusätzlich die Perspektive des externen Referenten kennenzulernen, lohnt es sich u. U. auch noch ein Praktikum bei einem freiberuflichen Trainer zu absolvieren. In beiden Fällen kann man in der Regel bei der Konzeption und der operativen Vorbereitung von Bildungsveranstaltungen mitarbeiten. Ob man selber bei der Durchführung von Trainingseinheiten beteiligt wird (z. B. als Seminarassistent), sollte man vor Praktikumsbeginn klären. Hierbei ist es vorteilhaft, wenn man bereits über erste praktische Erfahrung verfügt. Eine Lerngelegenheit bietet hierfür die akademische Lehre. Beispielsweise hat man als Tutor die Gelegenheit, Lehrveranstaltungen vorzubereiten oder Seminareinheiten selber zu gestalten. Der universitäre Kontext bietet dabei einen weitestgehend geschützten Rahmen, um sich kritischen Fragen zu stellen und eine Seminargruppe beim Wissenserwerb zu begleiten.

Obige Punkte ermöglichen es, einen realistischen Einblick in dieses Berufsfeld zu erlangen. Man kann für sich persönlich abwägen, ob es den persönlichen Vorstellungen und Erwartungen entspricht. Zudem kann man sich in einem Bewerbungsprozess durch diese studienbegleitenden Erfahrungen empfehlen.

5.4.4.4 Fazit

Die Arbeit in der Fort- und Weiterbildung ist sehr abwechslungsreich, wie z. B. das Wechselspiel von operativen und inhaltlich-konzeptionellen Aufgaben zeigt. Ein weiterer Punkt ist die zukunftsorientierte Ausrichtung. Man kann Menschen bei ihrer persönlichen Entwicklung unterstützen und sie bei diesem Prozess begleiten. Durch die Weiterbildungsveranstaltungen kommt man mit unterschiedlichen Berufsgruppen in Berührung und erhält einen Einblick in vielfältige Arbeits- und Lebensrealitäten. Zudem kommt man dabei mit unterschiedlichen Themen in Kontakt, die von aktueller Bedeutung sind. Dadurch ist man selber immer gefordert, sich mit neuen Inhalten auseinanderzusetzen und erfährt dadurch einen Anstoß für seine persönliche Weiterentwicklung.

5.4.4 Eine Perspektive aus der Praxis

Birgit Lösch, msg systems ag, Senior Specialist HR Development & Education, Familienpsychologie, Zertifizierung TCi TelecoachInternational®

Wieso haben Sie sich für eine Tätigkeit im Bereich Fort- und Weiterbildung entschieden?

Ich habe Spaß daran, anderen Menschen Inhalte zu vermitteln und Entwicklungsfortschritte zu beobachten. Auch selbst finde ich es spannend, immer wieder Neues zu entdecken und auszuprobieren. Dazu kommt die Überzeugung, dass motivierte und qualifizierte Mitarbeitende ein zentraler Erfolgsfaktor sind. Und so habe ich meinen beruflichen Weg in diese Richtung eingeschlagen. Werkstudententätigkeiten und Praktika sowie Konzeption und Durchführung von Trainings im Laufe des Studiums haben mich weiter bestärkt.

Was glauben Sie, welchen Beitrag können Psychologen in diesem Berufsfeld bewegen?

Durch ein Grundverständnis wie Menschen handeln, lernen und sich verändern, können Psychologen dazu beitragen, vielen relevanten Fragen dieses Berufsfelds nachzugehen: Was motiviert Mitarbeitende sich weiterzuentwickeln? Auf welchem Weg können Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten erfolgreich vermittelt und angewandt werden? Wie können Kontextfaktoren positiv beeinflusst werden? Es gilt wirksame Instrumente und Konzepte zu entwickeln. Durch die digitalen Medien verändern sich Wissensmanagement und die Formen des Lernens derzeit stark. Hier gilt es Wege zu finden, durch Digitalisierung einen tatsächlichen Mehrwert zu schaffen und nicht nur eine „moderne Außenwirkung“. Bei Themen wie Führung, Konfliktmanagement, Veränderungsmanagement etc. können Psychologen inhaltlich fundiert mitgestalten und z. B. die Bewertung von Konzepten unterstützen, die in großer Vielfalt durch Berater und Trainer am Markt vertreten werden. Mit einer fundierten Ausbildung im Bereich Fragetechniken und Gesprächsführung können sie zudem in der Beratung von Führungskräften und Mitarbeitenden einen wertvollen Beitrag leisten. Denn oft geht es darum, Hintergründe und Interaktionsmuster zu verstehen, Zusammenhänge und Motive zu erkennen und daraus Handlungsempfehlungen abzuleiten.

Was hat Sie an Ihrer Tätigkeit am meisten überrascht?

Wie weit entfernt Theorie bzw. wissenschaftliche Erkenntnisse und Praxis liegen. Die zeitliche Verzögerung mit der wissenschaftliche Erkenntnisse in der Praxis ankommen ist zum Teil erstaunlich. Der (fundierten) Wissenschaft scheint es leider auch nur eingeschränkt zu gelingen, praxistaugliche Erkenntnisse zu gewinnen bzw. sie für die Praxis nutzbar aufzubereiten.

Wie steht es um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie?

Insgesamt sehr gut. Eine gewisse Arbeitszeitflexibilität ist häufig gegeben, Termine außerhalb der regulären Arbeitszeit sind meist gut im Voraus planbar. Sicherlich spielen jedoch das Unternehmen und die konkrete Stelle eine entscheidende Rolle (Teamgröße, Reisetätigkeiten, typische Zeiten für Weiterbildungsmaßnahmen …).

Stoßen Sie manchmal auf Vorurteile wegen Ihrer Ausbildung?

Gelegentlich ja, oft aber mit einem (halben) Augenzwinkern beim Gegenüber. Und sobald man zeigt, dass man doch auch einfach ein Mensch ist, lassen sich Vorbehalte meist leicht zerstreuen. Deutlich häufiger trifft man auf großes Interesse an der Psychologie. Als Psychologe betrachten einen zunächst jedoch viele als „Quereinsteiger“ in diesem Bereich und sind überrascht, dass es eigentlich ein „normales“ Berufsfeld für Psychologen ist.

5.4 Ein Szenario

Die Pharmatiko-Muster AG ist ein großes Pharmaunternehmen. Der Schwerpunkt ihres Geschäftsbereichs liegt im deutschsprachigen Raum. Wegen grundlegenden Gesetzesänderungen im deutschen Gesundheitswesen müssen bestimmte Produkte der Pharmatiko-Muster AG an die neuen rechtlichen Vorgaben angepasst werden. Sämtliche überarbeitete Produkte sollen in einer neu geschaffenen Produktlinie zusammengefasst und vermarktet werden. Dabei ist es wichtig, dass die Mitarbeiter der Pharmatiko-Muster AG auf der einen Seite die wichtigen Gesetzesänderungen und auf der anderen Seite auch die Angebote der neuen Produktlinie kennen. Vor allem die Mitarbeiter in der Produktberatung sind von diesen Änderungen betroffen. Bei der Betreuung und Beratung von gewerblichen und privaten Kunden müssen sie gut über die aktuelle Gesetzeslage und die technischen Produktdetails informiert sein. Umfassende Schulungs- und Qualifizierungsprogramme sollen helfen, das Wissen der Mitarbeiter auf den neuesten Stand zu bringen. Zudem bemängelt die Geschäftsführung, dass die Verkaufszahlen der Mitarbeiter im Vertrieb seit längerem nicht ihren Erwartungen entsprechen.

Herr Meier arbeitet als Psychologe im Personalbereich der Pharmatiko-Muster AG. Als Verantwortlicher für den Bereich „Qualifizierung und Bildung“ wird er damit beauftragt, einen Lösungsvorschlag für den Qualifizierungsbedarf zu entwickeln. Er ist dazu angehalten, ein möglichst nachhaltiges und effektives Weiterbildungskonzept zu erstellen. Zudem soll er prüfen, inwiefern die Leistung der Vertriebsmitarbeiter durch spezielle Trainings verbessert werden kann.

Im ersten Schritt möchte Herr Meier sich erst einmal selbst ein Bild von der Situation machen und den Qualifizierungsbedarf ermitteln. Zusammen mit den Ansprechpartnern aus den Fachbereichen Produktberatung und Vertrieb identifiziert er die Themen und Inhalte, bei denen der Schulungsbedarf besonders hoch ist. In der Kundenberatung beschäftigt die Pharmatiko-Muster AG zahlreiche Quereinsteiger, die über vergleichsweise wenig Erfahrung in dieser Branche verfügen. Der Fachbereich sieht hier weiteren Nachholbedarf und befürwortet, dass diese Mitarbeiter besonders umfassend geschult werden. Herr Meier will ihnen deshalb Zugang zu Seminaren ermöglichen, die grundlegende Inhalte für die Produktberatung vermitteln und über die eigentliche Schulung zur neuen Produktlinie hinausgehen. Zudem erfährt Herr Meier, dass bei der Weiterbildung der Vertriebsmitarbeiter bis jetzt überwiegend fachliche Schwerpunkte gesetzt wurden. Er möchte diese um Seminare erweitern, die an der Außenwirkung der Vertriebsmitarbeiter in der Verkaufssituation ansetzen.

Für ein solch aufwendiges Qualifizierungsprojekt arbeitet die Pharmatiko-Muster AG mit externen Bildungs- und Trainingsanbietern zusammen. Herr Meier veröffentlicht deshalb eine Ausschreibung, um sich dabei von unterschiedlichen externen Anbietern die Angebote und Konzepte zur Umsetzung des Qualifizierungsvorhabens einzuholen.

An der Ausschreibung beteiligt sich auch e-Ducational Training, die neben klassischen Präsenzseminaren auch moderne E-Learning-Lösungen anbietet. Dieser Bildungs- und Trainingsanbieter hat bereits vergleichbare Qualifizierungsprojekte durchgeführt. Zudem beschäftigt dieser Anbieter Trainer, die sich auf den Vertrieb spezialisiert haben und bereits mehrere Kunden in der Pharmaindustrie betreut haben.

Nach Durchsicht und Vergleich der Angebote und Konzepte entschließt sich Herr Meier dazu, mit e-Ducational Training zusammenzuarbeiten. Besonders interessant erscheint ihm dabei der Vorschlag, dass die Schulungen zu den rechtlichen Rahmenbedingungen und für die neue Produktlinie durch eine Kombination aus Präsenzveranstaltungen und E-Learning abgedeckt werden sollen. Die Mitarbeiter haben die Möglichkeit, ihr Lernpensum individuell anzupassen und in den Präsenzveranstaltungen das erworbene Wissen zu diskutieren und in Übungen anzuwenden. Herr Meier verspricht sich zudem von diesem Qualifizierungsansatz, dass durch die internetbasierten Angebote eine besonders breite Zielgruppe qualifiziert werden kann. Reisekosten und Ausgaben für Seminarhotels können damit zusätzlich eingespart werden. Die Vertriebsmitarbeiter sollen auch spezielle Verkaufstrainings bekommen, um damit ihr Auftreten und ihre Präsentationen vor dem Kunden zu verbessern. Dabei sollen sowohl Seminarleiter der Pharmatiko-Muster AG, als auch auf den Vertrieb spezialisierte Trainer der e-Ducational Training eingesetzt werden.

Herr Meier trifft sich deswegen mit Vertretern von e-Ducational Training, um mit ihnen das Qualifizierungsprojekt zu planen. Zusammen erarbeiten sie ein konkretes Bildungsprogramm für die unterschiedlichen Zielgruppen. Sie verständigen sich darauf, wie die Inhalte auf E-Learning und Präsenzveranstaltungen verteilt werden sollen.

Die Mitarbeiter der Pharmatiko-Muster AG werden die Teilnahme an den Weiterbildungsmaßnahmen mit ihren hohen terminlichen Verpflichtungen vereinbaren müssen. Um die Mitarbeiter vom Sinn und Nutzen des Qualifizierungsprogramms zu überzeugen und damit die Akzeptanz zu erhöhen, will Herr Meier rechtzeitig und umfassend über die Hintergründe und den Ablauf informieren. Hierfür ist es besonders wichtig, intensiv mit den Fachbereichen zusammenarbeiten.

Da Herr Meier an die Geschäftsführung über die Effektivität des Qualifizierungsprojekts zu berichten hat, möchte er Kriterien aufstellen, anhand derer die Bildungsveranstaltungen evaluiert werden können. Zudem will er ein Konzept vorstellen, wie die Mitarbeiter im Anschluss an die Seminare bei der Anwendung der Inhalte im Berufsalltag unterstützt werden können. Herr Meier ist sich sicher, dass ein ganzheitliches Verständnis der Fort- und Weiterbildung ein wesentlicher Erfolgsfaktor für ein solches Qualifizierungsprojekt ist.

5.5 Anforderungen an Tätigkeiten in der Pädagogischen Psychologie

In den vorangehenden Abschnitten wurden die Tätigkeiten von Pädagogischen Psychologen vorgestellt, die in staatlichen Bildungseinrichtungen sowie in der Fort- und Weiterbildung arbeiten. Im folgenden Beitrag wird dargestellt, wie diese beiden Tätigkeiten zusammenhängen, welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede bestehen. Es wird skizziert, in welcher Form bestimmte Kompetenzen eines Psychologen für die jeweiligen Tätigkeitsfelder bedeutsam sind. Hierbei wird besonders auf den unterschiedlichen Einsatz von Methodenkompetenzen in beiden Tätigkeitsfeldern eingegangen. Zudem wird herausgearbeitet, in welchen interdisziplinären Kontext beide Tätigkeiten eingebettet sind. Abschließend wird diskutiert, welche Implikationen die unterschiedlichen Kompetenzprofile beider Tätigkeitsfelder für die Schwerpunktsetzung während des Psychologiestudiums haben können.

5.5.1 Die Tätigkeitsfelder der Pädagogischen Psychologie – eine ganzheitliche Perspektive

Die Pädagogische Psychologie hat den ganzheitlichen Anspruch, Menschen bei ihrer Entwicklung über ihre Lebensspanne hinweg zu begleiten und bei der Bewältigung ihrer altersabhängigen Entwicklungsherausforderungen zu unterstützen.

Psychologen aus Fort- und Weiterbildung und Psychologen in staatlichen Bildungseinrichtungen beschäftigen sich dabei mit verschiedenen Zielgruppen, die sich jeweils in unterschiedlichen Stadien ihres Entwicklungsverlaufs befinden. Während sich Psychologen in staatlichen Bildungseinrichtungen vornehmlich mit Personen im Kindes- und Jugendalter beschäftigen, richtet sich das Angebot der Fort- und Weiterbildung in der Regel an Erwachsene. Pädagogische Psychologen in staatlichen Bildungseinrichtungen sind bestrebt, möglichst optimale Bedingungen für den Entwicklungs- und Reifungsprozess von Kindern und Jugendlichen zu schaffen. Die Fort- und Weiterbildung versucht hingegen durch die bedarfsorientierte Vermittlung von berufsrelevanten Kompetenzen Erwerbstätige zur Verrichtung ihrer Arbeit zu befähigen oder diese Befähigung aufrechtzuerhalten. Unter dem Blickwinkel eines ganzheitlichen Ansatzes der Pädagogischen Psychologie kann man also feststellen, dass sich die beiden Tätigkeitsfelder gegenseitig ergänzen. Die Rahmenbedingungen der Entwicklung im Kindes- und Jugendalter können durchaus Einfluss auf die Weiterbildungsfähigkeit und das Weiterbildungsverhalten im erwerbsfähigen Alter haben. Legt man den ganzheitlichen Anspruch der Pädagogischen Psychologie zu Grunde, dann sollten die Anstrengungen der Psychologen in staatlichen Bildungseinrichtungen eine Grundlage schaffen, auf der die Tätigkeit der Fort- und Weiterbildung zu einem späteren Zeitpunkt aufbauen kann.

5.5.2 Gemeinsamkeiten in den Tätigkeitsfeldern der Pädagogischen Psychologie

Bei der Gegenüberstellung der beiden Tätigkeitsfelder lassen sich zwei grundlegende Gemeinsamkeiten festhalten: Bei beiden geht es darum, Wissen altersgerecht zu vermitteln und lernförderliche Rahmenbedingungen zu gestalten. Beispielsweise versuchen Pädagogische Psychologen Antworten auf Herausforderungen der Digitalisierung zu erarbeiten: Während Schüler auf die Chancen und Risiken der digitalen Welt vorbereitet werden, gilt es ältere Arbeitnehmer für den erfolgreichen Umgang mit neuen Medien zu befähigen. Des Weiteren beschäftigten sich Pädagogische Psychologen mit der Kompetenzfeststellung, um auf Basis des bestehenden Bildungsniveaus zielgruppenadäquate Qualifizierungen anbieten zu können. Damit sollen Lern- und Entwicklungsverläufe begünstigt werden. Zudem nehmen Pädagogische Psychologen in beiden Fällen die Rolle eines Dienstleisters ein. So treten bei beiden Tätigkeitsfeldern unterschiedliche Auftraggeber an Pädagogische Psychologen mit dem Anliegen heran, geeignete Lösungen im Bildungsbereich zu erarbeiten. Zu den Auftraggebern von staatlichen Bildungseinrichtungen zählen z. B. Verwaltungen oder Bildungsträger, in der Fort- und Weiterbildung sind es Fachabteilungen von Unternehmen und Organisationen oder Privatkunden. Pädagogische Psychologen müssen sich also in jedem Fall darum bemühen, die Anliegen ihres jeweiligen Auftraggebers zu verstehen, um etwaige Missverständnisse erkennen und klären zu können. Ein gewisses diplomatisches Geschick, sicheres Auftreten und Überzeugungsstärke sind hierbei von Vorteil.

5.5.3 Unterschiede in den Tätigkeitsfeldern der Pädagogischen Psychologie

Unter der ganzheitlichen Perspektive bauen die beiden Tätigkeitsfelder der Pädagogischen Psychologie aufeinander auf und ergänzen sich dadurch gegenseitig. Im Umkehrschluss lässt sich daraus ableiten, dass sie sich inhaltlich vergleichsweise geringfügig überschneiden. Je nachdem, ob man mit Personen in einer früheren (Kindes- oder Jugendalter) oder späteren Entwicklungsphase (Erwachsenenalter) arbeitet, bestehen verschiedenartige Anforderungen. Folglich sind unterschiedliche Qualifikationen und Kompetenzen hilfreich. Tabelle 5.1 versucht diese Unterschiede zu veranschaulichen.

Tab. 5.1 Gegenüberstellung von charakteristischen Tätigkeiten in staatlichen Bildungseinrichtungen und in der Fort- und Weiterbildung

Es fällt auf, dass man für beide Tätigkeitsfelder eine Vielzahl an Kompetenzen benötigt, die man im Rahmen des Studiums der Psychologie erwerben kann. Aufgrund der Unterschiede im Tätigkeitsprofil werden diese Kompetenzen jeweils auf unterschiedliche Art und Weise angewendet. Dies soll exemplarisch am Beispiel der Methoden- und Statistikkenntnisse veranschaulicht werden, die auch als Alleinstellungsmerkmal von Psychologen gelten:

  • Pädagogische Psychologen in staatlichen Bildungseinrichtungen können ihre Methodenkenntnisse zum Zwecke empirischer Forschung einsetzen. In der Regel werden dabei Fragestellungen bearbeitet, die für eine breite Zielgruppe relevant sind. Ihr Ziel ist es, einen Mehrwert an Wissen zu generieren, der sowohl für Wissenschaftler als auch unterschiedliche Vertreter aus der Praxis relevant erscheint (z. B. Psychologen aus anderen Bildungseinrichtungen, Vertreter von Interessensverbänden und Politik). Grundsätzliche wissenschaftliche Spielregeln sollten dabei eingehalten werden. Die Ergebnisse werden durch Aufsätze und Beiträge in unterschiedlichen Zeitschriften kommuniziert. Hierbei ist also auch die Fähigkeit gefragt, als Autor ein sprachliches Geschick zu entwickeln, um die Beiträge für den Leser ansprechend zu gestalten. Die Resultate der statistischen Analyse und deren Interpretation sollten in eine geeignete Sprache übersetzt werden, die das Verständnis, die Interpretation und die Verarbeitung der Ergebnisse begünstigen. Zusätzlich sollte berücksichtig werden, dass wissenschaftliche und praxisorientierte Publikationen unterschiedliche Anforderungen an den sprachlichen Ausdruck haben.

  • Für Pädagogische Psychologen in der Fort- und Weiterbildung sind ebenfalls grundlegende Statistikkenntnisse und eine Affinität zum Umgang mit Zahlen von Vorteil. Allerdings verfolgen sie nicht den Anspruch, empirische Forschung zu betreiben und damit allgemeine wissenschaftliche Erkenntnis zu schaffen. Vielmehr werden spezifische Fragestellungen bearbeitet, die in der Regel nur für die jeweilige Organisation von Relevanz sind. Beispielsweise könnte die Geschäftsführung eines Unternehmens an die Abteilung für Fort- und Weiterbildung mit dem Auftrag herantreten, dass die Effektivität der angebotenen Bildungsveranstaltungen überprüft werden soll. Bei der Bearbeitung eines solchen Auftrags ist die Berücksichtigung von wissenschaftlichen Standards selbstverständlich wünschenswert. Jedoch liegt hier der Schwerpunkte auf der Nachvollziehbarkeit der Datenanalyse durch Nichtpsychologen. Methodenkompetenz zeichnet sich in diesem Tätigkeitsfeld durch eine intuitive und weitestgehend selbsterklärende Darstellung des Vorgehens und der Ergebnisse aus. Daher ist es entscheidend, dass Hintergründe und Ergebnisse in einem verständlichen Sprachstil präsentiert und prägnant auf wenigen Folien zusammengefasst werden. Ein Qualitätsmerkmal eines erfolgreichen Einsatzes von statistischen Methoden besteht letztlich darin, dass Entscheidungsträger innerhalb einer Organisation das Resultat einer Datenanalyse möglichst unmittelbar interpretieren und praktisch verarbeiten können.

Neben dem unterschiedlichen Einsatz von psychologischen Fachkompetenzen gibt es weitere Besonderheiten, die die beiden Tätigkeitsfelder voneinander unterscheiden: z. B. sind beide Tätigkeiten in unterschiedliche strukturelle Rahmen eingebettet. Die Tätigkeit in einer staatlichen Bildungseinrichtung ist oftmals mit einer Beamtenlaufbahn verbunden. Im Gegensatz dazu sind die Psychologen in der Fort- und Weiterbildung häufig in Kontexten der freien Wirtschaft tätig, wie z. B. Unternehmen, private Bildungsanbieter oder Institutionen von Wirtschafts- und Berufsverbänden. Zwischen diesen beiden Arbeitskontexten sind durchaus Unterschiede denkbar (z. B. Gehalt, Urlaubsanspruch, sowie Kriterien für Aufstiegs- und Entwicklungsmöglichkeiten).

5.5.4 Unterschiede in der Ausrichtung im Studium

Wenn man sich für eine Tätigkeit als Pädagogischer Psychologe interessiert, dann erscheint es sinnvoll, sich frühzeitig und ausführlich damit auseinanderzusetzen, in welche Richtung man sich entwickeln möchte. Beide Tätigkeitsfelder der Pädagogischen Psychologie sind durch jeweils unterschiedliche Anforderungen charakterisiert und erfordern damit auch verschiedene Kompetenzprofile. Deshalb erscheinen auch unterschiedliche berufsvorbereitende Studiengänge sinnvoll.

Für Psychologen in staatlichen Bildungseinrichtungen sind entwicklungspsychologische und auch klinische Fachkenntnisse von Vorteil. Im Gegensatz dazu erfordert eine Tätigkeit in der Fort- und Weiterbildung hauptsächlich Fertigkeiten, die im Bereich der Erwachsenenbildung liegen. Diese Kompetenzen werden beispielsweise durch Studiengänge der Pädagogischen Psychologie vermittelt, die durch eine inhaltliche Überschneidung zu Angeboten der Organisations- und Wirtschaftspsychologie gekennzeichnet sind. Entwicklungspsychologische Inhalte spielen hier erfahrungsgemäß eine untergeordnete Rolle.

Selbstverständlich soll nicht ausgeschlossen werden, dass man sich durch eine geeignete Ausrichtung im Studium auf beide Tätigkeitsfelder vorbereiten kann. Letztlich sind es immer individuelle Bildungsverläufe, die Erwerbstätige befähigen, eine bestimmte Tätigkeit erfolgreich auszuüben. Eine Möglichkeit bietet hierfür beispielsweise eine strategische Kombination der Vertiefung im Bachelor- und Masterstudium oder das Absolvieren fachspezifischer Praktika. Allerdings soll darauf hingewiesen werden, dass ein Wechsel zwischen den beiden Tätigkeitsfeldern eingeschränkt möglich ist.

5.5.5 Interdisziplinäre Ausrichtung als Besonderheit der Pädagogischen Psychologie

Als empirische Wissenschaft ist die Pädagogische Psychologie das Bindeglied zwischen der Pädagogik und der Psychologie. Auch der Praxisalltag der beiden vorgestellten Tätigkeitsfelder ist dementsprechend durch eine starke interdisziplinäre Ausrichtung geprägt.

Bei der Arbeit in staatlichen Bildungseinrichtungen ist die Zusammenarbeit mit einer besonders großen Bandbreite von Vertretern aus anderen Bereichen nötig. Im Tagesgeschäft treffen Pädagogische Psychologen häufig auf Sozialpädagogen, Sozialarbeiter und Kindheitspädagogen. In Abhängigkeit der konkreten Arbeitsaufgabe kann zudem ein verstärkter Austausch mit Lehrern und Sprachwissenschaftlern notwendig sein. Aufgrund der sozial- und bildungspolitischen Natur dieses Tätigkeitsfeldes ist oftmals auch die Zusammenarbeit mit Juristen, Verwaltungsbeamten und Vertretern aus der Politik erforderlich.

Ähnlich verhält es sich bei Pädagogischen Psychologen, die in der Fort- und Weiterbildung einer Organisation beschäftig sind. Ob betriebliche Qualifizierungsprogramme den erhofften Mehrwert leisten können, ist oftmals davon abhängig, wie gut die Fort- und Weiterbildung mit den jeweiligen Fachbereichen zusammenarbeitet. Erst im interdisziplinären Austausch kann der Bildungsbedarf ermittelt und eine passende Qualifizierungsstrategie erarbeitet werden. Auch bei der der Tätigkeit bei privaten Bildungsanbietern ist eine intensive Zusammenarbeit mit anderen Disziplinen denkbar. Beispielsweise müssen Psychologen eng mit Informatikern bei der Entwicklung einer E-Learning-Umgebung zusammenarbeiten, sodass lernförderliche Gestaltungselemente bereits während der technischen Umsetzung integriert werden können.

Die Arbeit im interdisziplinären Kontext gleicht oftmals der viel zitierten Medaille mit zwei unterschiedlichen Seiten: Auf der einen Seite mag eine interdisziplinäre Tätigkeit abwechslungsreich und interessant sein. Als Psychologe erhält man einen Einblick in andere Disziplinen und kann somit eine fachübergreifende Perspektive entwickeln. Diese Erfahrung kann für die persönliche Entwicklung förderlich und fruchtbar sein. Auf der anderen Seite kann diese Form der Beschäftigung auch als ungewohnt und anstrengend erlebt werden. Vor allem zum Beginn einer Tätigkeit im interdisziplinären Kontext treten häufig Missverständnisse bei der Kommunikation auf. Vertreter unterschiedlicher Disziplinen verfügen in der Regel über unterschiedliche Wissensstände und verfolgen unterschiedliche Arbeits- und Lösungsstrategien. Selbstverständlich sind diese Herausforderungen im Laufe der Zusammenarbeit überwindbar, sie können aber große Anforderungen an die eigene Frustrationstoleranz und Veränderungsbereitschaft stellen.

Wer sich also für eine Tätigkeit in der Pädagogischen Psychologie interessiert, sollte sich mit den vielfältigen Vor- und Nachteilen eines interdisziplinären Arbeitsfelds auseinandersetzen.

5.5.5 Fazit

Die hier vorgestellten Praxisfelder der Pädagogischen Psychologie beinhalten abwechslungsreiche und reizvolle Aufgaben- und Verantwortungsbereiche. Alle Tätigkeitsbereiche sind bestrebt, optimale Bedingungen für die Entwicklung ihrer jeweiligen Zielgruppen zu schaffen. Sie erlauben, dass man als Psychologe gestaltend tätig werden und eigene Schwerpunkte setzen kann. Zudem sind beide durch eine zukunftsorientierte Ausrichtung gekennzeichnet: Die Tätigkeitsfelder der Pädagogischen Psychologie versuchen Menschen bei ihrer persönlichen (Weiter‑)Entwicklung zu unterstützen und sie zu befähigen, bevorstehende Herausforderungen zu bewältigen.