FormalPara Worum geht’s?

Zelluläre Strukturen und Moleküle, die für die Skelettmuskelkontraktion verantwortlich sind

Muskelkraft und -bewegung beruhen auf molekularen Prozessen in den kontraktilen Bausteinen der Muskelzellen, den Sarkomeren. Dort liegen die Eiweiße Myosin und Aktin als Myofilamente vor (Abb. 13.1). Sie werden durch elastische Riesenmoleküle aus Titin zusammengehalten. Die Aktin- und Myosinfilamente treten durch Bildung bzw. Loslösung von Myosin-Querbrücken immer wieder miteinander in Kontakt. Dabei gleiten sie aneinander vorbei, wodurch es zur Muskelverkürzung kommt. Als molekularer Motor fungiert der Myosinkopf, der ATP spaltet und als Energiequelle einsetzt. Zur Aufrechterhaltung von Kontraktionen muss ATP ständig in den Muskelzellen regeneriert werden.

Abb. 13.1
figure 1

Die Bewegung von Skelettmuskeln wird auf zellulärer Ebene durch die Myofilamente in den Sarkomeren, den kleinsten kontraktilen Einheiten, ermöglicht

Regulation der Kraftentwicklung durch Signalprozesse in den Muskelzellen und durch das ZNS

Der elementare Kontraktionsprozess darf natürlich nicht immer ablaufen. Er wird durch regulatorische Proteine am Aktinfilament an- und ausgeschaltet. Diese Proteine reagieren auf eine Veränderung der Ca2+-Ionenkonzentration im Zytoplasma; erhöhtes Ca2+ bedingt Kontraktion. Die Ca2+-Konzentration wird wiederum über elektrische Vorgänge an der Muskelzellmembran moduliert: beim Eintreffen von Aktionspotenzialen werden Ca2+-Ionen aus intrazellulären Speicherorten freigesetzt sowie beim Abklingen der Erregung wieder dorthin zurückgepumpt. Es ist diese elektrische Aktivität, die wir willkürlich mithilfe des ZNS beeinflussen können. Erhöht sich die Aktionspotenzialfrequenz der die Muskelfasern innervierenden motorischen Nervenfasern, kontrahiert der Muskel stärker; kommt sie zum Erliegen, erschlafft der Muskel. Zur Regulierung der Muskelkraft wird außerdem eine variable Anzahl motorischer Nervenfasern zugeschaltet. Störungen der neuromuskulären Vorgänge untersucht man in der klinischen Praxis z. B. mittels Elektromyographie.

Mechanische Messungen zur Charakterisierung von Muskelkontraktionen

Die mechanischen Eigenschaften von Muskeln bestimmt man durch die Registrierung von Muskelkraft, -länge und Zeit. Aus diesen Parametern können dann wichtige Kennwerte wie Muskelarbeit, Verkürzungsgeschwindigkeit und Leistung berechnet werden. Solche Messungen zeigen auch das Vorhandensein von schnellen und langsamen Muskeln, die verschiedene Muskelfasertypen mit unterschiedlichen biochemischen und kontraktilen Eigenschaften enthalten.

1 Organisationsschema und kontraktile Einheiten

1.1 Das Sarkomer als kleinste kontraktile Einheit

Muskelfasern sind einzelne Zellen, die größtenteils aus kontraktilen Schläuchen, den Myofibrillen, aufgebaut sind. Die Myofibrillen bestehen aus Sarkomeren, die vor allem dicke und dünne Myofilamente sowie elastische Titinstränge enthalten.

Strukturelle Organisation des Skelettmuskels

Die Skelettmuskeln sind mit ~40% Anteil am Gesamtkörpergewicht unser größtes Organ. Zusammen mit dem Herzen (Myokard) werden sie als quergestreifte Muskulatur bezeichnet. Ein Skelettmuskel setzt sich aus zahlreichen Muskelfaserbündeln (Faszikeln) zusammen, die die Muskelfasern (Durchmesser 10–80 μm) enthalten (Abb. 13.2a). Die Skelettmuskelfaser (Synonym: Myozyte) ist eine vielkernige, nicht mehr teilungsfähige Zelle, die in der Embryonalentwicklung durch Fusion von einkernigen Myoblasten entsteht. Auf der unteren Stufe der hierarchischen Organisationsstruktur eines Skelettmuskels stehen die 1–2 μm dicken Myofibrillen. Diese langen, zylindrischen Strukturen werden durch die Z-Scheiben in hunderte 2–3 μm lange Fächer, die Sarkomere, unterteilt (Abb. 13.2). Im Übrigen enthalten Myozyten die für eukaryotische Zellen typische Ausstattung mit Organellen, wobei u. a. die Anzahl an Mitochondrien stark variabel ist.

Abb. 13.2a–c
figure 2

Bauplan von Skelettmuskeln, Feinstruktur der kontraktilen Einheiten und Hauptproteine der Myofilamente. a Hierarchische Organisationsstruktur des Muskels. b Elektronenmikrograph eines längsgeschnittenen Sarkomers. c Drei-Filament-Schema des Sarkomers mit Bezeichnung der Sarkomerbanden. Einsatzbilder: Myofilament-bildende Hauptproteine

Feinbau des Sarkomers

Die elektronenmikroskopische Aufnahme längsgeschnittener Myofibrillen lässt die sehr regelmäßige Sarkomerstruktur erkennen (Abb. 13.2b). Im mittleren Teil des Sarkomers liegen die dicken Filamente, die in beiden Sarkomerhälften mit den dünnen Filamenten interdigitieren (Abb. 13.2c). Die dünnen Filamente sind fest in den Z-Scheiben verankert. Auf Querschnitten des Sarkomers erkennt man, dass ein dickes Filament von sechs dünnen Filamenten umgeben ist. Ein drittes Filamentsystem im Sarkomer besteht aus dem Riesenmolekül Titin. Die Titinfilamente sind an der Z-Scheibe befestigt, überspannen dann als elastische Federn den Abstand zu den dicken Filamenten und verlaufen gebunden an Myosin bis zur Sarkomermitte.

Sarkomerbanden

Im mikroskopisch betrachteten Längsschnitt einer Myozyte erscheinen die Bündel der dicken Filamente als dunkle, im polarisierten Licht doppelbrechende, d. h. anisotrope A-Banden (Abb. 13.2b, c). Demgegenüber sind die myosinfreien Abschnitte des Sarkomers (außer der Z-Scheibe) heller bzw. isotrop; sie heißen I-Banden. Die Hell-Dunkel-Bänderung einer Muskelfaser beruht letztendlich auf der genau aufeinander ausgerichteten Lage der A- und I-Banden vieler paralleler Myofibrillen. Weitere Sarkomerbanden werden unterschieden: Die Zone der Überlappung von dicken und dünnen Filamenten erscheint deutlich dunkler als die von Aktinfilamenten freie Mittelzone der A-Bande, die H-Zone (Abb. 13.2b). In der Mitte der H-Zone erkennt man außerdem eine dunkle M-Bande, die wie die Z-Scheibe ein Maschenwerk von Proteinen darstellt.

Die hochgeordnete Struktur der Sarkomere ist charakteristisch für quergestreifte Muskeln.

Physiologische Sarkomer-Erneuerung und Muskelregeneration nach Verletzung

Der Proteinpool der Myozyten erneuert sich unter physiologischen Bedingungen regelmäßig durch ständigen Abbau und Neusynthese. So werden viele Sarkomerproteine in einem Turnus von mehreren Tagen bis Wochen (abhängig vom Lebensalter) erneuert. Darüber hinaus sind unsere Skelettmuskeln nach einer Verletzung begrenzt regenerierbar. Hierzu werden die adulten Stammzellen der Skelettmuskulatur, die einkernigen, spindelförmigen Satellitenzellen, zur Teilung angeregt. Diese aus der Embryonalentwicklung „übriggebliebenen“ Myoblasten fusionieren und differenzieren wieder zu vielkernigen Muskelfasern. Die Muskelgewebsregeneration ist bei Erwachsenen weniger effektiv als bei Kindern, da mit dem Lebensalter auch die Anzahl der Satellitenzellen sinkt. Darüber hinaus fördern die Satellitenzellen z. B. auch das Muskelwachstum nach Training.

1.2 Muskelzellproteine und -erkrankungen

Die Myozyten enthalten neben Aktin, Titin und Myosin wichtige regulatorische, Gerüst- und Signal-Proteine, deren mutationsbedingte Funktionsstörung muskuläre Dysfunktionen nach sich ziehen können.

Myofilament-Proteine

Ein Gramm Skelettmuskel enthält etwa 100 mg der Proteine Myosin (70 mg) und Aktin (30 mg), die zusammen mit Titin etwa drei Viertel des Gesamtproteingehalts ausmachen (Tab. 13.1). Der spiralförmig gewundene Aktin-Doppelstrang (Kap. 12.1.1) bildet im Sarkomer den Hauptbestandteil der dünnen Filamente, die außerdem Regulatorproteine (Abschn. 13.2.3) enthalten (Abb. 13.2c). Titin, das größte bekannte Protein, besteht zu 90% aus immunglobulin- und fibronektinartigen globulären Modulen und enthält im elastischen I-Banden-Segment lange Sequenzinsertionen (Abb. 13.2c). Die Sarkomerproteine kommen oft in mehreren oder vielen (Titin!) Isoformen vor, die sich in der Muskelentwicklung und z. T. bei Muskelerkrankungen ineinander umwandeln.

Tab. 13.1 Wichtige Sarkomerproteine (alphabetische Reihung)

Myosinmolekül und -filament

Das Muskelmyosin (Myosin der Klasse II) ist ein Mechanoenzym (Kap. 12.1.2). Es besteht aus zwei schweren und 2-mal zwei leichten Ketten (Abb. 13.2c). Jede schwere Myosinkette enthält am Kopfende die Motordomäne mit Bindungsstellen für Aktin und ATP. Die leichten Myosinketten stabilisieren am Kopf den Hebelarm. Im glatten Muskel hat die regulatorische leichte Kette eine wichtige Regulatorfunktion (Kap. 14.2). Die Muskelmyosine bilden Myosinfilamente aus, indem sich die Schaftregionen vieler Myosinmoleküle zusammenlagern (Abb. 13.2c). Die Anordnung der Myosinmoleküle im Filament ist bipolar, symmetrisch zur M-Bande. Die Myosinköpfe schauen in genau definierten Abständen seitlich aus dem Filament heraus. Ein Myosinfilament bildet im Sarkomer zusammen mit Titin und einigen anderen Proteinen (Tab. 13.1) das dicke Filament.

Funktionale Bedeutung weiterer Myozytenproteine

Insgesamt besteht das Sarkomer aus >50 verschiedenen Proteinen, von denen nur einige in Tab. 13.1 aufgeführt sind. Diese Proteine übernehmen regulatorische Aufgaben bei der Muskelkontraktion, wie Troponin und Tropomyosin, oder haben Gerüst- und Strukturfunktionen, wie α-Aktinin in der Z-Scheibe, Myomesin in der M-Bande und Nebulin als Aktin-Stabilisator. Außerdem können Sarkomer-assoziierte Proteine an der Umwandlung mechanischer in chemische Signale beteiligt sein, um z. B. das Myozyten-Wachstum nach Muskeltraining zu fördern. Wiederum andere Proteine sind für eine Transmission der in der Myozyte entwickelten Kräfte hin zu Proteinkomplexen in der Zellmembran mitverantwortlich. Hierzu gehören u. a. die Z-Scheiben-bindenden Moleküle Desmin (Intermediärfilament des Muskels) und Filamin-C (Abb. 13.2c), das zusätzlich an die zytoplasmatischen Aktin-Mikrofilamente bindet. Ein essentielles extra-sarkomerisches Protein, das Dystrophin, bindet sowohl an die Mikrofilamente als auch an Proteinkomplexe im Sarkolemm.

1.2.1 Klinik

1.2.1.1 Hereditäre Erkrankungen der Myozyte: Duchenne-Muskeldystrophie und Myofibrilläre Myopathien

Bestimmte progressive Erkrankungen der Skelettmuskulatur werden durch vererbbare Defekte in Zytoskelett- und Sarkomerproteinen hervorgerufen. Am häufigsten betreffen solche Defekte das Dystrophin. Bei Deletion oder Mutation des Dystrophingens entsteht eine Muskeldystrophie vom Typ Duchenne (Prävalenz 1:3.500) bzw. Typ Becker-Kiener (Prävalenz 1:17.000). Dystrophin verbindet normalerweise das Muskel-Zytoskelett mit der extrazellulären Matrix, indem es in den Dystrophin-assoziierten Proteinkomplex des Sarkolemms einstrahlt. Dieser Proteinkomplex wird bei fehlendem oder dysfunktionalem Dystrophin destabilisiert und die Expression der Proteine im Komplex nimmt ab, wodurch das Sarkolemm zunehmend leck wird und die Muskelfasern geschädigt werden. Langfristig wird Muskel- durch Bindegewebe ersetzt. Die Patienten (wegen X-chromosomal-rezessiven Erbgangs fast alle männlichen Geschlechts) leiden an dramatischen Paralysesymptomen der Muskulatur, die sich schon in der frühen Kindheit manifestieren. Die Herzfunktion ist beeinträchtigt und die Gefahr der Ateminsuffizienz (Atemmuskulatur betroffen!) ist bereits im jugendlichen Alter hoch. Eine sichere Diagnosestellung erlaubt die Dystrophinanalyse einer Muskelbiopsie.

Zu den hereditären Erkrankungen der Muskelzelle zählt auch die heterogene Gruppe der Myofibrillären Myopathien (MFM). Namensgebend ist, dass die Ursache der Erkrankung in der Mutation eines Gens liegt, das für ein myofibrilläres oder Myofibrillen-assoziiertes Protein (z. B. Titin, Desmin, Filamin-C) kodiert. Die MFM werden diagnostiziert durch die Identifikation des Gendefekts und das Feststellen degenerativer Veränderungen der Myofibrillen sowie Desmin-positiver Proteinaggregate. Typisch für diese immer größer werdende Gruppe seltener Myopathien sind die Fehlfaltung oder die Aggregation von Proteinen. Die Manifestation der Krankheit in Form von Muskelschwäche, Atrophien und Gangunsicherheiten variiert von der frühkindlichen bis zur fortgeschrittenen adulten Entwicklungsphase. Eine kausative Behandlung der MFM (wie im Übrigen auch der Duchenne-Muskeldystrophie) ist derzeit nicht möglich.

1.2.2 In Kürze

Die Skelettmuskulatur zählt zusammen mit dem Myokard zur quergestreiften Muskulatur. Die Skelettmuskelzellen (Muskelfasern; Myozyten) enthalten zahllose parallel angeordnete Myofibrillen, entlang derer man aufgrund der Sarkomerbanden eine Querstreifung findet. Das Sarkomer enthält interdigitierende Aktin- und Myosin-Filamente, die durch Titinstränge elastisch miteinander verbunden sind, sowie viele weitere für die Myozytenfunktion wichtige Proteine. Durch vererbbare Gendefekte kann es zur Fehlfunktion von Proteinen des Sarkomers und des Zytoskeletts im Muskel kommen, wie bei Muskeldystrophien und Myofibrillären Myopathien.

2 Molekulare Mechanismen der Skelettmuskelkontraktion

2.1 Gleitfilamentmechanismus und Titinfederfunktion

Ein Muskel verkürzt sich durch teleskopartiges Ineinanderschieben von Bündeln dünner und dicker Filamente im Sarkomer, während bei Dehnung der Muskelfasern die Titinfedern gespannt werden.

Kontraktion der Sarkomere

Die Muskelverkürzung resultiert aus der Längenveränderung unzähliger „in Serie“ geschalteter Sarkomere. Bei Kontraktion des Sarkomers schieben sich die Aktinfilamente – ganz nach dem Prinzip eines Teleskops (Gleitfilamentmechanismus) – tief in das Bündel der Myosinfilamente (Abb. 13.3).

Abb. 13.3
figure 3

Molekulare Mechanismen der Sarkomerkontraktion. Nach dem Geitfilamentmechanismus behalten bei Sarkomerlängenänderung die Aktin- und Myosinfilamente ihre Länge bei, während die I-Bande und die H-Zone schmaler (Kontraktion) bzw. breiter (Dehnung) werden; die Titinfeder wird komprimiert bzw. gedehnt. Einsatzbild rechts unten: Kraftschlag im Aktin-Myosin-Querbrückenzyklus

Bei Muskelverkürzung gleiten Aktin- und Myosinfilamente aneinander vorbei, verkürzen sich selbst aber nicht.

Dehnung der Sarkomere

Bei Anlegen einer Zugkraft wird das Bündel der dünnen Filamente aus der Anordnung der dicken Filamente teilweise herausgezogen, wodurch das Ausmaß der Filamentüberlappung abnimmt (Abb. 13.3). Der Zusammenhalt von dicken und dünnen Filamenten wird durch Titin gewährleistet, dessen Federregion bei Sarkomerdehnung extendiert wird. Dadurch entsteht eine „passive“ Rückstellkraft.

2.2 Molekularer Kontraktionsprozess

Die bei der Kontraktion aufgebrachte Kraft wird durch den Myosinmotor generiert.

Funktionsweise des Muskelmotors

Beim Kraftschlag im ATP-getriebenen Querbrückenzyklus führt die Hebelarmregion des Myosinkopfes eine ~60°-Rotationsbewegung relativ zur Aktinbindestelle aus (. Kap. 12.1.2). Die Aktinfilamente werden so um 5–10 nm in Richtung zur M-Bande bewegt. Fehlt ATP, bleibt der Zyklus im Zustand des „Rigorkomplex“ stehen (Abb. 12.3b). Dies äußert sich in der Totenstarre, dem Rigor mortis.

Umsetzung der Querbrückenaktivität in makroskopische Bewegung

Bei einmaligem Kraftschlag der Querbrücken würde sich ein einzelnes Sarkomer nur um rund 1% seiner Länge verkürzen. Indessen kann sich ein aktiviertes Sarkomer sehr schnell um 20% (~0,5 μm) verkürzen. Dies ist möglich, weil die Querbrücken die Ruderbewegung viele Male hintereinander ausführen, und zwar an einer immer neuen Stelle entlang des Aktinfilaments. Daraus folgt ein gerichtetes gegensinniges Gleiten der Aktinfilamente aus linker und rechter Sarkomerhälfte (Abb. 13.3). Durch Verwirklichung dieses Prinzips in Tausenden von Sarkomeren werden die Aktivitäten der Querbrücken in makroskopische Bewegung umgesetzt. Eine Weiterleitung der Kräfte erfolgt über die Z-Scheiben, Zytoskelett-Strukturen und Zellenden bis zu den Sehnen und dem Skelett.

Querbrückenzyklus bei Kraftentwicklung ohne Muskelverkürzung

Wenn sich bei einer Kontraktion die Muskellänge nicht verändert, obwohl Kraft entwickelt wird (isometrische Kontraktion, z. B. Koffer halten), wird trotzdem der Querbrückenzyklus durchlaufen. Der Myosinkopf greift nun immer an derselben Stelle am Aktinfilament an. Mechanische Energie wird u. a. in elastischen Sarkomer-Strukturen gespeichert.

2.3 Regulation der Aktin-Myosin- Interaktion

Troponin und Tropomyosin regulieren die Aktivität der Querbrücken Ca2+-abhängig: Bei niedriger Ca2+-Konzentration wird sie aus-, bei erhöhter Ca2+-Konzentration angeschaltet.

Wirkung von Ca2+

Die zyklische Aktivität der Querbrücken wird physiologisch durch die Ca2+-Konzentration im Sarkoplasma reguliert. Bei sehr niedriger Ca2+-Konzentration (etwa 10–7 mol/l) verhindern Regulatorproteine am dünnen Filament, nämlich Troponin und Tropomyosin (Abb. 13.4), den Querbrückenkraftschlag, indem sie eine feste Anheftung der zunächst nur schwach an Aktin gebundenen Myosinköpfe (Kap. 12.1.2) verhindern. Da nun alle Querbrücken lose oder überhaupt nicht gebunden sind, ist der Muskel relaxiert (kraftlos); sein Dehnungswiderstand ist relativ gering. Wird jedoch die Ca2+-Konzentration auf 10–6–10–5 mol/l erhöht, so können sich die Myosinquerbrücken fest an Aktin anheften und Kraft entwickeln (Abb. 13.4b).

Abb. 13.4a–c
figure 4

Regulation der Aktin-Myosin-Wechselwirkung im Sarkomer. Der Querbrückenzyklus wird durch Veränderungen der Ca2+-Konzentration und Konformationsänderungen regulatorischer Proteine am dünnen Filament aus- (a) und eingeschaltet (b). c Beziehung zwischen Kraftentwicklung des kontraktilen Apparats und (sarkoplasmatischer) Ca2+-Konzentration

Troponin als Ca2+-Schalter

Der Aktivierungsmechanismus der Ca2+-Ionen beruht auf der spezifischen Ultrastruktur des im menschlichen Skelettmuskel etwa 1,3 μm langen dünnen Filaments: Am Aktindoppelstrang bindet in regelmäßigen Abständen von 38,5 nm (entspricht einer Windung) ein Komplex aus drei Troponin-Untereinheiten (TnC, TnI, TnT). Zudem verläuft ein schmaler Doppelstrang, das Tropomyosin, spiralförmig um die Aktindoppelhelix (Abb. 13.4a).

Bei sehr niedriger Ca2+-Konzentration fungieren TnI und TnT im Zusammenspiel mit Tropomyosin als Hemmer des Querbrückenzyklus (Abb. 13.4a). Eine Erhöhung der Ca2+-Konzentration um das 10- bis 100-fache führt zur verstärkten Bindung von Ca2+ an TnC (Abb. 13.4a, b). Dadurch kommt es zur Konformationsänderung in der TnI-Untereinheit, welche wiederum eine Umlagerung im Tropomyosin-bindenden TnT nach sich zieht. Die Folge ist ein Wegdrücken des Tropomyosindoppelstranges in die Längsrinne der Aktindoppelhelix: die Bindungsstellen am Aktin für den Myosinkopf werden freigegeben. Die Regulatorproteine am dünnen Filament sind jetzt in einer Stellung, die die Bildung kraftgenerierender Querbrücken (Kap. 12.1.2) begünstigt und beschleunigt. Unter fortwährender ATP-Spaltung wird der Querbrückenzyklus repetitiv durchlaufen; der Muskel ist aktiviert.

Bei Absenkung der sarkoplasmatischen Ca2+-Konzentration auf etwa 10–7 mol/l wird der Querbrückenzyklus wieder gehemmt. Die Querbrücken werden zwar durch ATP abgelöst, können jedoch nicht neu geschlagen werden; der Muskel erschlafft.

Troponin und Tropomyosin sind Regulatorproteine, die bei geringer Ca2+-Konzentration im Sarkoplasma den Querbrückenzyklus blockieren.

Ca2+-Sensitivität der Myofilamente

Für den Zusammenhang zwischen sarkoplasmatischer Ca2+-Konzentration und Kontraktionskraft besteht eine charakteristische sigmoidale Dosis-Wirkungsbeziehung (Abb. 13.4c). Die Ca2+-Konzentration bei halbmaximaler Kraft ist hierbei ein Maß für die Ca2+-Sensitivität des kontraktilen Apparats. Rechtsverschiebung der Kurve bedeutet erniedrigte, Linksverschiebung erhöhte Ca2+-Sensitivität. Eine Linksverschiebung führt somit bei gleicher Ca2+ Konzentration zur stärkeren Kraftentwicklung. Solche Verschiebungen treten physiologisch z. B. bei Veränderungen in der Phosphorylierung von Regulatorproteinen auf. Auch bei Muskelerkrankungen kann es zu veränderter Ca2+-Sensitivität des kontraktilen Apparats kommen.

2.3.1 In Kürze

Nach dem Gleitfilamentmechanismus bewegen sich bei einer Sarkomerverkürzung die dünnen Filamente entlang der dicken Filamente in Richtung zur Sarkomermitte; dabei bleibt die Länge dieser Myofilamente konstant. Bei Dehnung des Sarkomers extendiert die Titinfeder. Der Aktin-Myosin-Querbrückenzyklus wird bei niedriger sarkoplasmatischer Ca2+-Konzentration (10–7 mol/l) im relaxierten Muskel durch Troponin und Tropomyosin gehemmt. Bei erhöhter Ca2+-Konzentration (10–6–10–5 mol/l) bindet Ca2+ verstärkt an TnC und es kommt zu Veränderungen im Troponin-Tropomyosin-Komplex. Die Querbrücken können jetzt an Aktin binden, der Muskel ist aktiviert.

3 Kontraktionsaktivierung im Skelettmuskel

3.1 Membransysteme der Muskelzelle

Das Sarkolemm bildet schlauchförmige Einstülpungen, die T-Tubuli, welche an das intrazelluläre, Ca2+-speichernde, sarkoplasmatische Retikulum ankoppeln.

Ionenströme

Während des Aktionspotenzials am Sarkolemm (Abb. 13.5) öffnen sich spannungsgesteuerte Na+-Kanäle. Bei der Repolarisation strömen K+-Ionen aus der Zelle heraus. Als Besonderheit gegenüber Nervenzellen kommt es bei der Repolarisation von Skelettmuskelzellen zu einem Cl-Einwärtsstrom, der mithilft, das Ruhemembranpotenzial zu stabilisieren. Die Aufrechterhaltung des Ruhepotenzials (–80 mV) wird durch eine ATP-getriebene Na+-K+-Pumpe (Na+/K+-ATPase) unterstützt. Diese treibt gleichzeitig den Na+/Ca2+-Austauscher an, der einen (im Skelettmuskel sehr kleinen) Anteil der Ca2+-Ionen aus der Myozyte heraus befördert.

Abb. 13.5
figure 5

Schema eines Ausschnitts aus einer menschlichen Skelettmuskelfaser. Auf der linken Seite sind wichtige Ionenkanäle bzw. -ströme am Sarkolemm aufgeführt: 1 spannungsgesteuerter Natriumkanal; 2 Kalium-Auswärtsstrom; 3 Na+/K+-ATPase; 4 Na+/Ca2+-Austauscher (Na+/Ca2+-Antiport); 5 Chlorid-Einwärtsstrom

Die relativ hohe Cl-Leitfähigkeit des Sarkolemms stabilisiert das Ruhepotenzial der Muskelfasern.

Transversal- und Longitudinalsystem

Eine Skelettmuskelfaser enthält zwischen den Myofibrillen ein weitverzweigtes Kanalsystem aus transversalen und longitudinalen Membranschläuchen, den Tubuli (Abb. 13.5 und 13.6). Indem sich die Membran der Muskelzelle an vielen Orten in das Faserinnere einstülpt, entsteht das transversale Tubulussystem (T-Tubuli) aus 50–80 nm dicken Schläuchen. Senkrecht dazu schließt sich intrazellulär ein longitudinales Membransystem an, das sarkoplasmatische Retikulum (SR). Das SR liegt mit seinen terminalen Bläschen (Zisternen) den T-Tubulus-Membranen eng an und bildet so eine Triadenstruktur.

Abb. 13.6a–d
figure 6

Elektromechanische Kopplung. a Aktivierung an einer motorischen Einheit (Einsatzbild oben links; vereinfachend mit nur 2 Muskelfasern) durch Aktionspotenziale (AP; Pfeile). b Kontraktionsauslösung (Anstieg der sarkoplasmatischen Ca2+-Konzentration). c Erschlaffung (Abfall der sarkoplasmatischen Ca2+-Konzentration). d Zeitverlauf von Muskelaktionspotenzial, sarkoplasmatischer Ca2+-Konzentration und isometrischer Einzelzuckung bei einem menschlichen Muskel (Adductor pollicis)

Ca2+-Speicherung im SR

Das sarkoplasmatische Retikulum stellt ein Speichersystem für Ca2+-Ionen dar, sodass die Ca2+-reichen Muskelfasern nicht dauernd kontrahieren. Bei Muskelaktivierung verlassen die Ca2+-Ionen das SR über ein Kanalprotein, den Ryanodinrezeptor (Abb. 13.6b). Die Relaxation wird durch eine in der SR-Membran befindliche ATP-getriebene Kalziumpumpe befördert (Ca2+-ATPase; engl. SERCA: sarcoplasmic/endoplasmic reticulum calcium ATPase), die die Ionen aktiv in das Innere des SR zurücktransportiert (Abb. 13.6c).

3.1.1 Klinik

3.1.1.1 Myotonieerkrankungen

Symptome

Symptomatisch für eine Myotonie ist ein erhöhter Spannungszustand willkürlich innervierter Skelettmuskeln; die Erschlaffung der Muskeln ist verlangsamt. Betroffene Patienten können z. B. einen umklammerten Gegenstand nicht sofort wieder loslassen, selbst wenn sie sich alle Mühe geben.

Ursachen

Verschiedene Myotonie-Formen sind durch Mutationen in unterschiedlichen Genen bedingt:

  • Die häufigste Form einer Myotonie ist die myotone Dystrophie (Inzidenz 1:20.000/Jahr), bei der es aufgrund einer Vervielfältigung von CTG-Triplets in einem Gen auf Chromosom 19q zur verminderten Produktion des Enzyms Myotonin-Proteinkinase kommt, in deren Folge Schäden v. a. am Sarkolemm auftreten.

  • Die Myotonia congenita beruht auf einer Mutation in einem Gen auf Chromosom 7q, das für den muskulären Cl-Kanal kodiert. Durch die Mutation wird dessen Leitfähigkeit verringert und die Repolarisation beeinträchtigt. Man unterscheidet den Typ Becker (Prävalenz 1:25 000; autosomal-rezessiver Erbgang) und den Typ Thomsen (Prävalenz 1:400.000; autosomal-dominanter Erbgang).

  • Bei der seltenen Paramyotonia congenita (autosomal-dominanter Erbgang) ist ein Gen auf Chromosom 17q mutiert, das für den Na+-Kanal im Sarkolemm kodiert. Die Mutation führt zu einer verlangsamten Inaktivierung des Kanals.

3.2 Elektromechanische Kopplung

Elektromechanische Kopplung beinhaltet die Prozesse, die von der Erregung der Muskelzellmembran zur Freisetzung von Ca2+ im Sarkoplasma und zur Kraftentwicklung führen.

Erregung und Aktivierung der Muskelfasern

Nach der Generierung eines Aktionspotenzials an der postsynaptischen Membran der motorischen Endplatte (Kap. 10.1) breitet sich die Depolarisation mit einer Geschwindigkeit von 3–5 m/s über die Skelettmuskelfaser aus (Abb. 13.6a). Folge der Erregung ist eine Erhöhung der sarkoplasmatischen Ca2+-Konzentration (Abb. 13.6b). Mit einer Latenzzeit von etwa 10–15 ms auf das 1–3 ms andauernde Aktionspotenzial (Abb. 13.6d) kommt es zum Kraftanstieg des Muskels, gefolgt von der Relaxation (Abb. 13.6c). Die Dauer der Abfolge von Aktionspotenzial, Ca2+-Signal und Einzelzuckung (Kontraktionsantwort auf einen Einzelreiz) ist in langsamen und schnellen Muskeln unterschiedlich.

Detaillierter Ablauf der elektromechanischen Kopplung

Das Aktionspotenzial am Sarkolemm breitet sich entlang der T-Tubuli auch in das Innere der Zellen aus (Abb. 13.6). Die Depolarisation der T-Tubulus-Membran beeinflusst die Konformation eines modifizierten Kalziumkanalproteins, des Dihydropyridinrezeptors (DHPR), der aber im Skelettmuskel kaum kalziumdurchlässig ist; er fungiert vielmehr als Sensor für die Veränderung der elektrischen Spannung. Durch die Konformationsänderung im DHPR wird über direkten mechanischen Kontakt der Ryanodinrezeptor in der Membran des SR geöffnet (Skelettmuskel: RyR1-Isoform). Die Öffnung dieses Ca2+-Kanalproteins bewirkt innerhalb weniger Millisekunden (Abb. 13.6d, „Ca2+-Signal“) eine Erhöhung der sarkoplasmatischen Ca2+-Konzentration bis auf etwa 10–5 mol/l. Nach Diffusion von Ca2+ zu Troponin C an den dünnen Filamenten setzt die Querbrückenaktivität ein; der Muskel kontrahiert.

Adulte Skelettmuskelzellen benötigen zur Kontraktionsaktivierung keinen Ca2+-Einstrom von extrazellulär.

Muskelrelaxation

Der Muskel erschlafft, sobald die Ca2+-Ionen durch die Tätigkeit der SERCA wieder in das SR zurückgepumpt werden (Abb. 13.6c). Sinkt die sarkoplasmatische Ca2+-Konzentration auf etwa 10–7 mol/l, werden Aktin-Myosin-Interaktion und Myosin-ATPase gehemmt.

3.2.1 Klinik

3.2.1.1 Maligne Hyperthermie

Krankhafte Störungen im Ablauf der elektromechanischen Kopplung beobachtet man bei maligner Hyperthermie. Außerdem sind solche Störungen charakteristisch für Myasthenia gravis.

Symptome

Bei malignen Hyperthermie-Patienten werden Komplikationen während Allgemeinnarkosen beobachtet, vorwiegend bei Anwendung von Inhalationsanästhetika wie Halothan oder Muskelrelaxanzien wie Succinylcholin.

Ursachen

Der Krankheit (Prävalenz 1 : 3000 – 1 : 10.000; zumeist autosomal-dominant vererbt) liegt in 80% der Fälle die Mutation eines Gens auf Chromosom 19q zugrunde, das für den Ryanodinrezeptor kodiert; seltener sind Mutationen im Dihydropyridinrezeptor die Ursache. Bei den Patienten kommt es unter der Narkose zu einem unkontrollierten Anstieg der zytosolischen Ca2+-Konzentration. Die Folge sind starke spontane Skelettmuskelkontraktionen, begleitet von übermäßiger Wärmebildung, die schnell zum Tode führen kann.

Therapie

Wirksam behandelt werden kann die maligne Hyperthermie durch Unterbrechung der Narkosemittel-Zufuhr und Gabe des Wirkstoffs Dantrolen.

3.2.2 In Kürze

Am Sarkolemm der Skelettmuskelzelle wird die elektrische Erregbarkeit durch charakteristische Na+-, K+- und Cl-Ionenbewegungen gewährleistet. Das Sarkolemm bildet schlauchförmige Einstülpungen, die T-Tubuli, die an das intrazelluläre, Ca2+-speichernde sarkoplasmatische Retikulum (SR) gekoppelt sind. Bei der elektromechanischen Kopplung laufen die Muskelaktionspotenziale über die T-Tubuli ins Innere der Faser und bewirken nach Aktivierung von Dihydropyridin- (im T-Tubulus) und Ryanodinrezeptoren (im SR) die Freisetzung von Ca2+ aus dem SR ins Sarkoplasma, worauf die Querbrückentätigkeit einsetzt (Kontraktion). Werden die Ca2+-Ionen durch eine ATP-getriebene Ca2+-Pumpe (SERCA) wieder in das SR zurückgepumpt, hört die Aktivität der Querbrücken auf (Relaxation).

4 Kontrolle der Skelettmuskelkraft

4.1 Abstufung der Kontraktionskraft in den motorischen Einheiten

Die zentralnervöse Regulation der Muskelkraft erfolgt durch Rekrutierung von mehr oder weniger motorischen Einheiten und durch Variation der Erregungsrate der Motoneurone.

Willkürliche Kontraktionen

Unsere Skelettmuskelkraft können wir willentlich beeinflussen. Zur Abstufung der Kraft sind Mechanismen wirksam, die unter zentralnervöser Kontrolle stehen. Vom motorischen Kortex ausgehend führen die absteigenden motorischen Bahnen bis zum Rückenmark, wo sie die α-Motoneurone aktivieren, welche nach vielfacher Aufspaltung die Muskelfasern direkt innervieren (motorische Einheiten) (Kap. 45.1).

Regulation der Muskelkraft durch Rekrutierung motorischer Einheiten

In einer einzelnen motorischen Einheit ergibt sich bei Einzelzuckungen keine Möglichkeit der Variation der Kraft der Muskelfasern, denn alle Fasern der Einheit sind entweder kontrahiert oder erschlafft (Alles-oder-Nichts-Gesetz). Soll die Muskelkraft abgestuft werden, müssen andere regulatorische Prinzipien greifen. So können Skelettmuskeln ihre Kontraktionsstärke (und auch die Verkürzungsgeschwindigkeit; Abschn. 13.5) sehr effektiv einstellen, indem sie eine variable Anzahl motorischer Einheiten aktivieren. Bei geringer willkürlicher Anspannung eines Muskels werden mittels Elektromyographie nur in wenigen motorischen Einheiten Aktionspotenziale beobachtet (Abb. 13.7b). Bei starker Willküranspannung feuern dagegen sehr viele Einheiten. Aufgrund der Rekrutierung nimmt auch die von der Hautoberfläche ableitbare integrierte elektrische Aktivität umso mehr zu, je kraftvoller die darunterliegenden Muskelpartien kontrahieren.

Abb. 13.7a–c
figure 7

Einstellung der Muskelkraft durch veränderliche Aktivität der motorischen Einheiten. a Elektromyographie zur extrazellulären Ableitung der elektrischen Aktivität motorischer Einheiten. b Registrierungen extrazellulärer Aktionspotenziale, die mit zwei Elektroden gleichzeitig von zwei verschiedenen motorischen Einheiten (I und II) eines Muskels abgeleitet wurden: (oben) im erschlafften Muskel; (Mitte) bei schwacher willkürlicher Kontraktion; (unten) bei maximaler willkürlicher Kontraktion. c Einfluss der Erregungsrate (Aktionspotenzial- bzw. Reizfrequenz) auf die Ca2+-Signale und die Kraftentwicklung einer Muskelfaser

Die Feinregulierung der Kraft ist umso besser abstufbar, je geringer die Größe (Anzahl der Muskelfasern) und damit die Kraft einer motorischen Einheit ist.

Reflextonus

Selbst bei scheinbarer Ruhe ist in manchen Muskeln die elektromyographisch feststellbare Aktivität nicht immer ganz erloschen: Niederfrequente Entladungen in nur wenigen motorischen Einheiten können in Haltemuskeln zu einem unwillkürlichen, reflexogenen Spannungszustand führen. Dieser neurogene Tonus ist über das γ-Fasersystem der Muskelspindeln (Kap. 45.1 und 45.2) beeinflussbar. Er wird durch geistige Anspannung oder Erregung unwillkürlich noch verstärkt und erlischt nur bei tiefer Entspannung.

Regulation der Kraft durch Modulation der Erregungsrate

Eine zweite Möglichkeit zur Anpassung der Muskelkraft beruht auf der Variation der Aktionspotenzialfrequenz. Experimentell kann man dies anhand der Effekte einer veränderten Reizfrequenz auf einen isolierten Muskel sehen. Stimuliert man den Muskel mit einer Reizfrequenz von 5 Hz, dann beobachtet man Einzelzuckungen (Abb. 13.7c). Nimmt man mit entsprechender Technik auch die sarkoplasmatische Ca2+-Konzentration auf, kann man kurzzeitige „Spikes“ (transiente Ca2+-Signale) erkennen, die den einzelnen elektrischen Erregungen folgen. Erhöht man die Reizfrequenz auf mindestens 10 Hz, überlagern sich nun die Kontraktionsantworten und die Spannungsmaxima in den aufeinanderfolgenden Zuckungen nehmen zu: Superposition (Überlagerung) bzw. Summation der Einzelzuckungen. Die Ca2+-Konzentration im Sarkoplasma fällt nach jeder Zuckung jedoch fast wieder auf den Ruhewert ab (Abb. 13.7c). Erst bei noch schnelleren Reizfrequenzen bzw. Aktionspotenzial-Folgen von 20 Hz oder mehr bleibt die Ca2+-Konzentration auch zwischen den elektrischen Stimuli erhöht. Der Grund dafür ist, dass die SERCA die Ca2+-Ionen nicht schnell genug in das SR zurückpumpen kann. Die Zuckungen verschmelzen schließlich vollständig zur Dauerkontraktion, dem Tetanus (Abb. 13.7c). Entscheidend ist, dass sich von der Einzelzuckung bis zum glatten Tetanus die Kontraktionskraft um das 2- bis 8-fache erhöht.

Ab einer Aktionspotenzialfrequenz von etwa 30 Hz kommt es zum glatten Tetanus des Muskels.

Reizfrequenz-Limit und Höhe der Kraft im Tetanus

Der minimale zeitliche Abstand zwischen aufeinander folgenden effektiven Reizen im Tetanus kann nicht kleiner als die Refraktärzeit sein, die ungefähr der Aktionspotenzialdauer entspricht (2–3 ms). Die erhöhte Kraftentwicklung im Tetanus gegenüber der Einzelzuckung könnte durch die längere Kontraktionsdauer zustande kommen, die es ermöglicht, dass die maximale Muskelkraft auch auf die Sehnen übertragen werden kann. Außerdem scheint eine vollständige Ca2+-Sättigung von Troponin C nur bei hoher Erregungsrate stattzufinden.

Tetanische Kontraktionen als physiologisches Prinzip

Die besprochenen Gesetzmäßigkeiten macht sich der Organismus zunutze: Durch Steigerung der Aktionspotenzialrate der Motoneurone von 10 auf über 30 Hz (in manchen schnellen Muskeln bis über 100 Hz) wird aus einem unvollständigen ein glatter Tetanus und die Kontraktionskraft erhöht sich. Die willkürlichen Kontraktionen unserer Skelettmuskeln sind i. d. R. superpositionierte Einzelzuckungen, bei großen Kraftanstrengungen auch bis hin zum glatten Tetanus. Selbst bei niedriger Aktionspotenzialfrequenz unduliert die Gesamtspannung des Muskels nicht, da die motorischen Einheiten die Zuckungsmaxima zeitlich versetzt produzieren.

Tetanus-Kontraktur-Tetanie

Wird eine Dauerkontraktion ohne Aktionspotenziale ausgelöst (z. B. experimentell durch Koffein oder erhöhte extrazelluläre K+-Konzentration), spricht man von Kontraktur. Sie ist vom Tetanus ebenso zu unterscheiden wie die Tetanie, eine durch Ca2+-Mangel begünstigte Übererregbarkeit der Plasmamembran von Nerven- und Muskelzellen. Beim Wundstarrkrampf – ebenfalls Tetanus genannt – kommt es zu lebensbedrohlichen Krämpfen, die durch die inhibierende Wirkung des Tetanusbakterien-Toxins auf die Freisetzung des Neurotransmitters Glyzin aus Renshaw-Zellen im Rückenmark (Kap. 9.2) hervorgerufen werden.

4.1.1 Klinik

4.1.1.1 Klinische Elektromyographie

Die elektrische Aktivität der motorischen Einheiten in Form von Aktionspotenzialen lässt sich mittels Elektromyographie ableiten (Abb. 13.7a). Die Ableitung kann von der Hautoberfläche über einem Muskel (größeres Muskelgebiet erfasst) oder mit eingestochenen Nadelelektroden aus dem Muskel (liefert stärkere elektrische Signale) erfolgen. Man registriert Frequenz und Amplitude der in beiden Methoden extrazellulär abgeleiteten Potenziale (Abb. 13.7b). Das Elektromyogramm (EMG) gibt u. a. Aufschluss über die Anzahl funktionsfähiger motorischer Einheiten des im Bereich der Elektroden liegenden Muskels. Pathophysiologische Veränderungen der im EMG erfassbaren Signale findet man u. a. bei Denervierung eines Muskels (z. B. bei Poliomyelitis).

4.2 Längerfristige Anpassungen der Muskelkraft

Langfristig kann die Kraft eines Muskels durch Hypertrophie bzw. Atrophie moduliert werden.

Muskelhypertrophie

Je dicker ein Muskel bzw. je größer die Summe der Querschnitte der einzelnen Muskelfasern ist, desto höhere Kräfte können entwickelt werden.

Durch Muskeltraining kann man eine Muskelhypertrophie erreichen; dabei nimmt die Dicke der Muskelfasern zu, während sich die Faserzahl im Muskel nicht verändert (es findet also keine Hyperplasie statt). Der hypertrophe Muskel synthetisiert mehr Proteine in den Zellen als er abbaut.

Muskelatrophie

Übersteigt im umgekehrten Fall der Abbau an Muskeleiweißen die Protein-Neusynthese über einen längeren Zeitraum, tritt eine Muskelatrophie ein; die entwickelten Muskelkräfte sind kleiner als normal. Zunehmende Atrophierung findet man bei Ruhigstellung des Muskels, Nahrungskarenz (Fasten), Denervierung oder Alterungsprozessen. Beim zunehmenden Muskelschwund im Alter, der Sarkopenie, kommt es zur Abkopplung motorischer Einheiten von der Nervenversorgung, Abnahme von Fasergröße und -zahl und zum Ersatz von Muskel- durch Fett- und Bindegewebe.

4.2.1 In Kürze

Die Muskelkraft unterliegt zentralnervöser Kontrolle. Die willkürliche Muskelkraft kann durch das ZNS über zwei prinzipielle Mechanismen reguliert werden: Rekrutierung von motorischen Einheiten und Variation der Erregungsrate der Motoneurone. Je geringer die Größe (Muskelfaserzahl) und damit die Kraft einer motorischen Einheit ist, desto feiner ist die Kraftabstufung regulierbar. Höhere Erregungsraten im Skelettmuskel führen zur Superposition der Zuckungen im unvollständigen Tetanus (hauptsächliche physiologische Kontraktionsform) bis hin zum glatten Tetanus. Dabei erhöht sich die Muskelkraft um einen Faktor von 2-8. Bei tetanischen Dauerkontraktionen bleibt die sarkoplasmatische Ca2+-Konzentration auch zwischen den Impulsen erhöht. Die Elektromyographie wird als diagnostische Hilfe zur Analyse neuromuskulärer Funktionsausfälle eingesetzt. Längerfristige Anpassungen der Muskelkraft erfolgen durch Muskelhypertrophie bzw. -atrophie.

5 Skelettmuskelmechanik

5.1 Kraft-Längen-Beziehung

Zur quantitativen Beschreibung von Muskelkontraktionen verwendet man die Parameter Kraft, Länge und Zeit sowie davon abgeleitet Geschwindigkeit, Arbeit und Leistung; man unterscheidet passive und aktive Kräfte, die beide mit dem Dehnungsgrad des Muskels variieren.

Mechanische Parameter der Muskelkontraktion

Um die mechanische Funktion eines Muskels zu beschreiben, benötigt man nur drei Variablen: Kraft, Länge und Zeit. Aus diesen lassen sich die funktional wichtigen Parameter Muskelarbeit, Verkürzungsgeschwindigkeit und Leistung ableiten. Zur besseren Veranschaulichung dieser Parameter stelle man sich einen in eine Kraft- und Längenmessvorrichtung eingespannten Muskel vor (Abb. 13.8a).

Abb. 13.8a,b
figure 8

Beziehung zwischen Kraft und Muskellänge. a Versuchsanordnung, bei der ein Muskel zwischen Kraftfühler und Längen-Positionierer eingespannt wird. b Kraft-Längen-Diagramm mit der Ruhedehnungskurve (RDK) und der Kurve der isometrischen Maxima (KIM) von zwei verschiedenen Skelettmuskeln mit steiler (M1) bzw. flacher (M2) RDK. Die totale Kraft bei einer bestimmten Vordehnung (rote Kurven) setzt sich aus der passiven Kraft (orange Kurve) und der aktiven isometrischen Kontraktionskraft (blaue Kurve) zusammen (a–b bzw. a’–b’: isometrische Kontraktionen bei maximaler Anspannung). Die orange Fläche bezeichnet den physiologischen Arbeitsbereich der Muskeln

Passive und aktive Kraft

Der ruhende (nicht stimulierte) Muskel übt keine aktive Kraft aus, entwickelt jedoch bei Dehnung über seine Ruhelänge hinaus eine passive Kraft (Abb. 13.8). Erfolgt nun eine Aktivierung durch einen elektrischen Reiz bzw. ein Aktionspotenzial, so kann sich im Experiment der Muskel wegen der Fixierung seiner Enden zwar unter aktiver Kraftentwicklung anspannen, jedoch nicht verkürzen (Abb. 13.8b); er kontrahiert isometrisch (Kap. 12.2.2). Bei dieser Kontraktionsform übertragen (in situ) die kontraktilen Elemente der Muskelfasern die entwickelte Kraft über intramuskuläre elastische Strukturen auf die Sehnen.

Ruhedehnungskurve

Die Beziehung zwischen Länge und passiver Kraft wird durch die Ruhedehnungskurve beschrieben (Abb. 13.8b). Anders als bei einer Feder nimmt die Kraft mit der Dehnung nicht linear zu: Der gekrümmte Verlauf der Ruhedehnungskurve ist umso steiler, je stärker der Muskel gedehnt wird. Das Elastizitätsmodul bzw. die Steifigkeit des ruhenden Muskels erhöht sich also mit der Dehnung. Elastizität und passive Kraftentwicklung kommen teils durch die Titinfedern, teils durch die Kollagenfasern des Bindegewebes zustande. Zu beachten ist, dass verschiedene Skelettmuskeln eine sehr unterschiedliche passive Steifigkeit aufweisen: Während die Ruhedehnungskurve in manchen Muskeln steil ansteigen kann, verläuft sie in anderen Muskeln flacher (Abb. 13.8b). Wesentliche Gründe hierfür sind das Vorhandensein unterschiedlich steifer Titinisoformen in verschiedenen Muskeltypen sowie Unterschiede in dem Gehalt und der Vernetzung von Kollagenfasern.

Die elastische Rückstellkraft des ruhenden Muskels nimmt wie beim Gummiband mit der Dehnung überproportional zu.

Aktive Kraft-Längen-Beziehung

Die Vordehnung bestimmt außerdem das Ausmaß an aktiver Kraft, welches der Muskel bei der jeweiligen Länge maximal entwickeln kann. Die aktive Kraft während der Kontraktion überlagert sich (additiv) der passiven Kraft des Muskels (Pfeile Abb. 13.8b). Trägt man die bei isometrischen Kontraktionen von unterschiedlichen Ausgangslängen maximal erreichbaren Kräfte gegen die Muskellänge auf, erhält man die Kurve der isometrischen Maxima (KIM, Abb. 13.8b). Die Form dieser Kurve kann in verschiedenen Muskeln unterschiedlich sein, wobei die Unterschiede nur in demjenigen Abschnitt der Kurve auftreten, der die Kräfte bei größeren Muskellängen anzeigt. Beispielsweise hat in Abb. 13.8b die am Muskel M2 registrierte Kurve der isometrischen Maxima ein lokales Minimum im Punkt b. Im Gegensatz dazu zeigt die Kurve von Muskel M1 kein solches Minimum.

Bedeutung der Vordehnung für die isometrischen Kraftmaxima

Die Variabilität in der Form der Kurve der isometrischen Maxima beruht einzig auf der unterschiedlichen Steilheit der Ruhedehnungskurve, denn die Abhängigkeit der aktiven Kontraktionskraft von der Muskellänge ist in den Muskeln invariabel (blaue Kurve Abb. 13.8b). Aus dem Diagramm ist weiterhin ersichtlich, dass man die aktive Kraft bestimmen kann, indem man die Ruhedehnungskurve von der Kurve der isometrischen Maxima wieder subtrahiert. Dann wird erkennbar, dass die aktive Muskelkraft bei mittleren Muskellängen am größten ist. Skelettmuskeln arbeiten in situ bei Längen nahe diesem charakteristischen Kraftoptimum oder am Beginn des absteigenden Astes der aktiven Kraft-Längen-Kurve (Abb. 13.8b).

Aktive Kraft und Überlappungsgrad von Aktin- und Myosinfilamenten

Die dem Umriss einer Glocke ähnelnde Form der aktiven Kraft-Längen-Kurve (Abb. 13.8b) ist durch unterschiedliche Überlappungsgrade von Aktin- und Myosinfilamenten erklärbar (Abb. 13.9). Registriert man anstelle der Muskellänge die Sarkomerlänge in einem isometrisch kontrahierenden (tetanisierten) humanen Skelettmuskel, dann findet man das Maximum der aktiven Kraft bei Sarkomerlängen zwischen 2,6 und 2,8 μm (Abb. 13.9a). In diesem Bereich erkennt man ein schmales Plateau auf der aktiven Kraft-Längen-Kurve, das in vielen Muskeln ungefähr mit der Ruhelänge im nicht-aktivierten Zustand zusammenfällt. Bei kürzeren Sarkomerlängen (z. B. 1,6 µm) ist die Kraft geringer, weil die Enden der Aktinfilamente aus den zwei Sarkomerhälften überlappen und die dicken Filamente an die Z-Scheiben gepresst werden (Abb. 13.9b). Außerdem wird der laterale Abstand zwischen den parallel verlaufenden Myofilamenten größer, was die Ausbildung aktiver Querbrücken erschwert. Werden Muskelfasern über den Bereich des Plateaus hinaus gedehnt, fällt die Kontraktionskraft ab, weil dann die Aktinfilamente aus der Anordnung der Myosinfilamente herausgezogen werden (Abb. 13.9). Dehnt man menschliche Muskeln auf etwa 4,2 μm Sarkomerlänge, kann keine aktive Kraft mehr entwickelt werden, da das Ende der Aktin-Myosin-Überlappung erreicht ist.

Abb. 13.9a,b
figure 9

Beziehung zwischen Kontraktionskraft, Sarkomerlänge und Filamentüberlappung. a Die im Tetanus entwickelte isometrische (relative) Maximalkraft einer Muskelfaser des Menschen bei verschiedenen Sarkomerlängen. b Überlappung von Aktin- und Myosinfilamenten in Sarkomeren mit einer Länge von a 1,6; b 2,8; c 3,5 und d 4,2 μm

5.2 Unterstützungskontraktionen und Muskelarbeit

Erst wenn sich der belastete Muskel verkürzt, verrichtet er eine äußere Arbeit.

Arbeit bei Kontraktion

Bei einer Kraftentwicklung ohne Verkürzung, also bei rein isometrischer Kontraktion (Kap. 12.2.2), verrichtet der Muskel keine äußere Arbeit. Ist diese Kontraktionsform jedoch mit einer isotonischen Kontraktion gekoppelt, wie bei der Unterstützungszuckung oder der auxotonischen Kontraktion (Kap. 12.2.2), wird eine Arbeit geleistet (Abb. 13.10).

Abb. 13.10
figure 10

Beziehung zwischen Kraft (Belastung) und Verkürzung im Arbeitsdiagramm des Muskels. Die Registrierung der maximalen isotonischen Verkürzung eines tetanisierten Muskels von verschiedenen Punkten auf der Ruhedehnungskurve aus (z. B. a–b) ergibt die Kurve der isotonischen Maxima (rot). Ergänzend dargestellt sind die Ruhedehnungskurve (orange) und die Kurve der isometrischen Maxima (lila). Die rot schattierten Flächen markieren die geleistete Arbeit bei Unterstützungskontraktionen gegen eine leichte (Punkte c–d–e), mittelschwere (c–f–g) bzw. schwere (c–h–i) Last. Die Endpunkte dieser Kontraktionen ergeben bei Verbindung die Kurve der Unterstützungsmaxima (grün)

Unterstützungsmaxima

Abb. 13.10 verdeutlicht die am tetanisch stimulierten Muskel experimentell ermittelbaren Kontraktionsverläufe beim Anheben eines leichten (c–d–e), mittelschweren (c–f–g) und schweren (c–h–i) Gewichts, und zwar von derselben Ausgangslänge des Muskels. Verbindet man die auf dem Höhepunkt einer jeden Unterstützungszuckung gemessenen Datenpunkte, erhält man die Kurve der Unterstützungsmaxima („U-Kurve“). Man erkennt, dass sich der Muskel bei stärkerer Belastung weniger verkürzen kann als bei geringer Belastung. Erwähnenswert ist, dass die systolische Kontraktionsphase des linken Herzventrikels auf der U-Kurve endet, da sie eine Unterstützungskontraktion darstellt (Kap. 15.1.3).

Muskelarbeit im Arbeitsdiagramm

Man kann die Muskelarbeit als Produkt aus Hubhöhe (Muskelverkürzung) und Last (Kraft) errechnen. Im „Arbeitsdiagramm“ (Abb. 13.10) entspricht dies der Fläche eines Rechtecks, dessen Seiten aus Kraftkomponente und Verkürzungsweg gebildet werden. Die rötlichen Flächen in Abb. 13.10 verdeutlichen, dass die Arbeit bei mittlerer Belastung größer ist (Fläche c–f–g) als bei starker (c–h–i) oder geringer (c–d–e) Belastung. Die äußere Arbeit ist null, wenn die Last gleich der isometrischen Maximalkraft ist oder wenn sich der Muskel unbelastet verkürzt.

5.3 Verkürzungsgeschwindigkeit und Muskelleistung

Die Verkürzungsgeschwindigkeit des Muskels ist unbelastet am höchsten und nimmt mit zunehmender Belastung ab; das Produkt aus Verkürzungsgeschwindigkeit und Kraft, die Muskelleistung, ist bei mittleren Belastungen maximal.

Beziehung zwischen Last (Kraft) und muskulärer Verkürzungsgeschwindigkeit

Die Geschwindigkeit, mit der ein Muskel kontrahiert, ist ein wichtiger funktionaler Parameter u. a. zur Klassifizierung von Muskeltypen (Abschn. 13.6.2). Im sich aktiv verkürzenden Muskel hängt die Kontraktionsgeschwindigkeit von der Belastung ab (Abb. 13.11a), wobei diese gleich der vom Muskel während der Verkürzung aufzubringenden Kraft ist. Unbelastet verkürzt sich der Muskel mit maximaler Geschwindigkeit (Vmax). Mit zunehmender Last nimmt die Kontraktionsgeschwindigkeit in hyperbolischer Weise ab (Abb. 13.11a). Ist die Belastung gerade so groß wie die isometrisch mögliche Kraft, verkürzt sich der Muskel nicht mehr (isometrische Kontraktion). Deutlich wird, dass die Muskeln bei schneller Verkürzung weniger Kraft generieren können als bei langsamer Verkürzung.

Abb. 13.11a,b
figure 11

Beziehung zwischen Kraft (Last) und Kontraktionsgeschwindigkeit bzw. Muskelleistung. a Hyperbolisch verlaufende Kraft-Geschwindigkeits-Kurve. Abszisse: Belastung bzw. wirkende Gegenkraft eines menschlichen Armmuskels. Ordinate: Verkürzungsgeschwindigkeit in % der maximalen unbelasteten Geschwindigkeit (Vmax). Die Rechteckflächen ergeben die Muskelleistung bei geringer bzw. großer Belastung. Einsatzbild: Zeitverlauf der Kontraktion bei leichter bzw. schwerer Last. b Muskelleistung in Abhängigkeit von der Belastung

Determinanten der Kraft-Geschwindigkeits-Beziehung

Vmax entspricht der maximalen Geschwindigkeit des Übereinandergleitens der Aktin- und Myosinfilamente. Je schneller die Myosinköpfe ATP spalten und mit Aktin in Wechselwirkung treten, d. h. je höher die Myosin-ATPase-Aktivität ist, desto größer ist die Geschwindigkeit dieses Gleitprozesses (Kap. 12.2.2). Schnelle Zuckungsfasern haben z. B. eine hohe ATPase-Aktivität und können daher besonders schnell kontrahieren (Abschn. 13.6.2). Allerdings kann selbst bei gleicher ATP-Spaltungsrate der Myosine zweier Muskeln die Verkürzungsgeschwindigkeit dieser Muskeln variieren, denn lange Muskeln kontrahieren schneller als kurze, weil sich die Verkürzungen vieler hintereinander geschalteter Sarkomere in den Myofibrillen addieren. Darüber hinaus ist die Kontraktionsgeschwindigkeit eines Muskels ebenso wie die Kraftentwicklung zentralnervös kontrolliert (Abschn. 13.4.1): Sie kann (bei gleichbleibender Muskelbelastung) durch Rekrutierung motorischer Einheiten gesteigert werden.

Der schneller ablaufende Querbrückenzyklus führt zu der erhöhten Verkürzungsgeschwindigkeit von schnellen gegenüber langsamen Muskeln.

Konzentrische und exzentrische Kontraktionen

Im Gegensatz zu konzentrischen Kontraktionen, bei denen sich der aktivierte Muskel verkürzt, wird er bei exzentrischen Kontraktionen gedehnt (Abb. 13.11a). Solche Kontraktionen treten physiologisch vor allem bei ungewohnten Abbremsbewegungen auf (z. B. Bergabgehen). Oft entwickelt sich dann Muskelkater (Kap. 44.5.4).

Muskelleistung

Das Produkt aus Muskelkraft und Verkürzungsgeschwindigkeit (auch: Arbeit pro Zeiteinheit) ist die Muskelleistung (Abb. 13.11b). Sie entspricht im Diagramm der Abb. 13.11a der Fläche von Rechtecken, deren Seiten aus Kraft- und Geschwindigkeitskomponente gebildet werden. Die Leistung ist sowohl bei leichter als auch bei schwerer Last submaximal. Die maximale Leistung erreichen wir bei einer Belastung, die etwa 1/3 der maximalen isometrischen Kraft entspricht, bzw. bei etwa 1/3 Vmax.

5.3.1 In Kürze

Die mechanischen Eigenschaften eines Muskels beschreibt das Kraft-Längen-Diagramm; es zeigt passive („Ruhedehnungskurve“) und aktive Kräfte. Diese Kräfte hängen von der Vordehnung des Muskels und damit von der aktuellen Sarkomerlänge ab. Die aktive Kontraktionskraft menschlicher Skelettmuskeln ist bei 2,6–2,8 μm Sarkomerlänge maximal. Die Muskelarbeit ist das Produkt aus Muskelkraft (Last) und -verkürzung (Hubhöhe). Diese Arbeit ist, wie auch die Muskelleistung (Kraft × Geschwindigkeit), bei mittlerer Belastung am größten. Der unbelastete Muskel verkürzt sich mit maximaler Geschwindigkeit, jedoch nimmt die Geschwindigkeit mit steigender Belastung ab. Für die Schnelligkeit der Verkürzung ist die ATPase-Aktivität der Myosinmoleküle mitentscheidend.

6 Energetik der Skelettmuskelkontraktion

6.1 Energiequellen der Muskelaktivität und Energieumsatz

ATP wird im Muskel durch direkte Phosphorylierung, Glykolyse und oxidative Phosphorylierung wiederaufgefrischt. Die Energie aus ATP wird mit gutem Wirkungsgrad in mechanische Energie umgesetzt.

ATP-Bereitstellung

Adenosintriphosphat wird im Muskel durch die Myosin-ATPase in ADP und Phosphat gespalten (Kap. 12.1.2). Das in den Muskelzellen gespeicherte ATP würde nur für einige wenige Kontraktionen ausreichen. Um die ATP-Reserven wiederaufzufrischen, nutzt der Muskel drei verschiedene Regenerationsmechanismen (Tab. 13.2):

  • die direkte Phosphorylierung von ADP in der Kreatinphosphatreaktion. Das in dieser Reaktion unter enzymatischer Wirkung der Kreatinkinase gespaltene Kreatinphosphat (in den Myozyten gespeichert) ermöglicht den schnellen Nachschub von ATP zu Beginn einer kontraktilen Aktivität.

  • die anaerobe ATP-Gewinnung in der Glykolyse (2–3 Mol ATP pro Mol Glukose). Für große und länger andauernde mechanische Leistungen muss eine echte ATP-Neusynthese stattfinden. Dies erfolgt mit hoher Syntheserate aus Glukose in der Glykolyse (Tab. 13.2). Jedoch sind die anaerob verfügbaren Energieressourcen beschränkt und nach etwa 30 s hat die Glykolyse ihr Maximum bereits überschritten. Im Zytosol und im Blut häuft sich außerdem Milchsäure (Laktat) an, was schließlich zur metabolischen Azidose und damit zur Einschränkung der Leistungsfähigkeit, zur Ermüdung (Kap. 44.2 und 44.4), führt.

  • die aerobe ATP-Gewinnung in den Mitochondrien (etwa 30 Mol ATP pro Mol Glukose). Sie läuft bei andauernder Muskeltätigkeit verzögert an (30–60 s nach Beginn der Tätigkeit) und ist 2- bis 3-mal langsamer als die ATP-Synthese in der Glykolyse. Die aerobe ATP-Bildung unter O2-Verbrauch erfolgt sehr effizient über oxidative Phosphorylierung in der Atmungskette. Die zur ATP-Synthese notwendige Energie stammt aus der Oxidation von Kohlenhydraten oder Fetten (Tab. 13.2).

Tab. 13.2 Unmittelbare und mittelbare Energiequellen im Skelettmuskel des Menschen

Energieumsatz und Wärmeentwicklung

Bei der Aktivierung des Muskels führt die vermehrte ATP-Spaltung zur 100- bis 1.000-fachen Erhöhung des Energieumsatzes. Auch wenn keine physikalisch messbare Muskelarbeit geleistet wird, etwa beim Stehen, wird im Muskel fortwährend chemische Energie in Wärme transformiert: die zyklisch am Aktin angreifenden Myosin-Querbrücken verrichten eine „innere“, ermüdende Haltearbeit. Eine zusätzliche Menge ATP wird dann umgesetzt, wenn ein Muskel eine Last hebt, dabei arbeitet und „Verkürzungswärme“ produziert. Generell dient die muskuläre Wärmeproduktion der Temperaturregulation (Kap. 42.5, Kap. 44.3.3).

Wirkungsgrad

Die Sarkomere wandeln die chemische Energie (ATP) mit einer Effizienz von maximal 40–50% in mechanische Energie oder Arbeit um; der Rest entspricht der Wärmebildung. Der Wirkungsgrad des gesamten Muskels liegt jedoch eher bei 20–30%, da während und nach der Kontraktion energetisch aufwändige zelluläre Erholungsprozesse außerhalb der Myofibrillen ablaufen, die mit beträchtlicher Wärmebildung einhergehen.

6.2 ATPase-Aktivität der Myosinisoformen und Muskelfasertypen

Die ATPase-Aktivität der schweren Myosinketten ist für das Kontraktionsverhalten eines Muskels entscheidend und definiert die Muskelfasertypen.

ATP-Spaltungsrate und Isoformen der schweren Myosinkette

Muskeln können umso schneller kontrahieren, je häufiger der Querbrückenzyklus pro Zeiteinheit durchlaufen wird. Die Zyklusgeschwindigkeit hängt von der ATPase-Aktivität der jeweiligen Isoform der schweren Myosinkette („Myosinisoform“) ab. Langsame Muskeln enthalten vorzugsweise eine langsame Isoform der schweren Myosinkette vom Typ I bzw. beta. Diese spaltet weniger ATP pro Zeiteinheit als die schnellen Isoformen der schweren Myosinkette vom Typ-II bzw. alpha, die in schnellen Muskeln vorherrschen (Abb. 13.12).

Abb. 13.12a,b
figure 12

Skelettmuskel- und Muskelfasertypen. a Typisierung von Skelettmuskelfasern in verschiedenen Muskeltypen. Detektion der Muskelfasern vom Typ I (dunkler Farbton), IIA (heller Ton) bzw. IID (mittelgrauer Ton) durch Sichtbarmachen der unterschiedlichen ATPase-Aktivitäten der schweren Myosinketten. Angefärbt wurden 20-µm dicke Kryoschnitte von Kaninchenmuskeln. Balkenlängen 100 µm. b Einteilung der Muskelfasertypen beim Menschen

Die ATPase-Aktivität der Myosinisoform determiniert den Energieverbrauch während der Kontraktion.

Skelettmuskelfasertypen

Weil das kontraktile Verhalten eines Muskels ganz wesentlich vom Isoformentyp der schweren Myosinkette bestimmt wird, hat sich für die unterschiedlich schnell kontrahierenden Muskelfasertypen eine Nomenklatur in Anlehnung an die Myosinisoformen-Bezeichnung eingebürgert. Man unterscheidet beim erwachsenen Menschen drei Muskelfasertypen, langsame Typ-I-, schnelle Typ-IIA- und am schnellsten kontrahierende Typ-IIX- (oder IID-) Fasern (Abb. 13.12). Ein weiterer schneller Typ, die IIB-Fasern, kommt im Menschen selten vor. Die meisten Muskeln enthalten eine Mischung aus zwei oder drei Muskelfasertypen, die sich in ihren Myosinisoformen bzw. ATPase-Aktivitäten unterscheiden (Abb. 13.12a). Einzelne Muskelfasern enthalten oft eine einzige Myosinisoform, manchmal aber auch 2-3 verschiedene Myosinisoformen (Hybridfasern).

Weitere Unterschiede zwischen den Muskelfasertypen

Die Muskelfasertypen differieren nicht nur in ihrer Myosin- ATPase-Aktivität, sondern auch in anderer funktioneller, struktureller und biochemischer Hinsicht (Abb. 13.12b). Zu nennen sind z. B. der Gehalt an Enzymen des oxidativen bzw. glykolytischen Energiestoffwechsels, die Anzahl an Mitochondrien und die Menge an gespeichertem Myoglobin, einem dem Hämoglobin verwandten Protein in den Myozyten, das Sauerstoff bindet. Der unterschiedliche Myoglobingehalt bestimmt die Farbgebung der Muskeln: myoglobinarme Muskeln sehen weiß aus, myoglobinreiche rot, wobei viele Mischformen existieren. Rote Muskeln, wie z. B. der Soleusmuskel der Waden, enthalten hauptsächlich langsame Typ-I-Fasern (Abb. 13.12). Sie sind besonders für energiesparende unermüdliche Halteleistungen geeignet. Schnelle, weiß oder rosa aussehende Muskeln (z. B. Psoasmuskel; M. vastus lateralis) bestehen überwiegend aus Typ-IIA- und Typ-IIX- (IID-)Fasern (Abb. 13.12). Die Typ-IIA-Fasern sind ebenso wie die Typ-I-Fasern metabolisch für ausdauernde Aktivität programmiert. Die glykolytischen weißen Typ-IIX-Fasern ermüden dagegen rasch und sind für andauernde Halteleistungen oder kontinuierliche Muskelarbeit ungeeignet. Sie werden dafür bei schnellen und kraftvollen Bewegungen zugeschaltet und gewinnen dann ATP hauptsächlich anaerob, wobei sie in relativ kurzer Zeit Laktat akkumulieren.

6.2.1 In Kürze

ATP als unmittelbare Energiequelle der Muskelkontraktion wird in den Myozyten durch drei verschiedene Mechanismen regeneriert: Abbau von energiereichem Kreatinphosphat, anaerobe Glykolyse und Oxidation von Fettsäuren und Kohlenhydraten. Der Wirkungsgrad des gesamten Muskels beträgt 20–30%, der des kontraktilen Apparats sogar 40–50%, wobei die Wärmebildung im Muskel der Temperaturregulation dient. Entscheidend für das Kontraktionsverhalten eines Muskels ist seine Zusammensetzung aus schnellen (Typ IIA, IIX) bzw. langsamen (Typ I) Muskelfasertypen. Dauerleistungen und Haltearbeit werden am effektivsten durch langsame Muskeln bewerkstelligt. Dagegen sind schnelle Muskeln auf rasche Zuckungen mit hoher Kraftentwicklung spezialisiert.