Zusammenfassung
Die Beobachtung, dass insbesondere die interdisziplinäre Lehre an den Hochschulen eher stiefmütterlich behandelt wird, und die These, dass gerade die Bearbeitung von Fragen im Zusammenhang der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen (Corporate Social Responsibility, CSR) eine stärkere Berücksichtigung von Interdisziplinarität erfordern würde, liefern die Idee für diesen Beitrag. CSR bietet sich als Gegenstand für interdisziplinäre Forschung und Lehre in und zwischen Hochschulen an, weil diese Thematik sozusagen quer zu einzelnen Fachbereichen und wissenschaftlichen Disziplinen liegt. Über die Lehre können zudem vielfältige Vernetzungen auch mit dem gesellschaftlichen Umfeld von Hochschulen stattfinden. In diesem Beitrag werden deshalb einige ausgewählte Argumente für die Notwendigkeit interdisziplinärer Lehre – nach dem Motto: Eine gute Lehre ist die Grundlage für eine gute Forschung – sowie Argumente, warum diese nicht realisiert wird, erörtert. Auf dieser Grundlage werden abschließend Vorschläge entwickelt, wie sich die strukturellen Hindernisse überwinden lassen, mit denen sich die interdisziplinäre Lehre gegenwärtig konfrontiert sieht.
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Notes
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Selbst wenn Lern‑ und Anpassungsprozesse stattfinden, die zur Behebung der Ressourcenknappheit in Zukunft beitragen, lassen sich künftige Engpässe und Probleme mit dem Ressourcenabbau wahrnehmen und prognostizieren (vgl. z. B. in populärer Präsentation Kamphausen und Lesch 2017). Entsprechende Strategien zur Behebung der Ressourcenknappheit rufen dann wieder neue (Knappheits‑)Probleme hervor, wie dies z. B. die Diskussion um das sog. Fracking zeigt.
- 2.
Zur diesbezüglichen Diskussion um die ausgebliebene Vorhersage der Finanzkrise zumindest im ökonomischen Mainstream vgl. Hefeker (2016, S. 130).
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Nicht zuletzt aufgrund des Drängens studentischer Initiativen gerät die Notwendigkeit einer deutlicheren Behandlung unterschiedlicher Paradigmen v. a. in der wirtschaftswissenschaftlichen Ausbildung mehr und mehr in den Blick und führte etwa an der Universität Siegen zur Einrichtung des Masterstudiengangs Plurale Ökonomik (vgl. Bergmann und Keppeler 2016).
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- 5.
Die klassische Formulierung bei Herbert Simon (1957, S. xxiv) lautet: „[…] human behavior is intendedly rational, but only limitedly so […]“. Auf dieser Grundlage entwickelte sich dann mit der Verhaltensökonomik ein Forschungsfeld, das den systematischen Verzerrungen menschlichen Entscheidungsverhaltens differenziert auf den Grund geht (Kahneman 2003).
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Die Leidenschaft an der eigenen disziplinären Sache kann zur Beschränkung der Rationalität im Sinn motivierter Kognition führen. In solchen Fällen determiniert die Motivation, bestimmte Ergebnisse zu erzielen und die eigene Weltsicht empirisch bestätigt und nicht entwertet zu sehen, das kognitive System (Lindenberg 2006). Motivierte Kognition ist der Nährboden für inzuchtartige Zitationsgemeinschaften, Ausgrenzung anderer Schulen, Vervielfältigung und Vermarktung der eigenen Ideen und führt zur Ignoranz und Verdrängung konkurrierender Paradigmen (Kuhn 1996).
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Dieses Besoldungssystem ist im Jahr 2002 in Anlehnung an die Entgeltsysteme in der Wirtschaft geschaffen worden, um individuelle Leistung anzustacheln und entsprechend zu belohnen. Interessanterweise beginnen Unternehmen gegenwärtig mit der Abschaffung dieser variablen Entgeltsysteme (o.V. 2016). Die individuellen Leistungssteigerungen sind nicht wie erwartet eingetreten und haben sich v. a. nicht in einer Verbesserung der organisationalen Gesamtleistung niedergeschlagen. Zu einer kurzen Erläuterung der Gründe für diese Dysfunktionalität variabler Vergütung s. Osterloh (2017).
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Krickhahn, T., Rennert, C. (2018). CSR als Gegenstand interdisziplinärer Lehre. In: Raueiser, M., Kolb, M. (eds) CSR und Hochschulmanagement. Management-Reihe Corporate Social Responsibility. Springer Gabler, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-56314-4_3
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