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Ausbreitung elektromagnetischer Wellen

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Theoretische Physik 2 | Elektrodynamik

Zusammenfassung

Das Licht der Sterne erreicht uns aus großen Entfernungen durch das Vakuum des Weltalls; sehr lange war aber nicht klar, was Licht überhaupt ist und wie es sich durch das Vakuum ausbreiten kann. Maxwell äußerte bereits kurz nach Aufstellen seiner Gleichungen die Vermutung, dass es „elektromagnetische Wellen“ gäbe und Licht eine solche sei. Im Jahre 1886 bestätigte dann der deutsche Physiker Heinrich Hertz experimentell, dass elektromagnetische Wellen in der Tat existieren und sich auch genauso verhalten wie Lichtwellen (siehe auch Kap. 9).

Zunächst wurde jedoch noch davon ausgegangen, dass elektromagnetische Wellen (wie die schon bekannten mechanischen Wellen) ein Medium benötigen, um sich auszubreiten, dass also das gesamte Weltall mit einem „Äther“ ausgefüllt ist. In den folgenden Jahrzehnten ergaben sich aber zunehmend experimentelle Befunde gegen diese Annahme, und Einsteins spezielle Relativitätstheorie zeigte dann endgültig, dass ein Äther nicht nötig ist: Licht kann sich auch durch ein reines Vakuum ausbreiten.

Licht hat aber zahlreiche Wirkungen auf Materie. Eine besonders eindrucksvolle wird beim Eröffnungsbild dieses Kapitels sichtbar: Der Strahlungsdruck des Sonnenlichtes sorgt dafür, dass ein Komet nicht nur einen Schweif hat (der durch den Sonnenwind entsteht, also geladene Teilchen, die von der Sonne abgegeben werden), sondern auch noch einen zweiten sogenannten Strahlungsschweif.

Sowohl die Ausbreitung von elektromagnetischen Wellen im Vakuum als auch einige ihrer Wechselwirkungen mit Materie werden in diesem Kapitel genauer beleuchtet.

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Literatur

  • Boas, M.L.: Mathematical Methods in the Physical Sciences. 3. Aufl., Wiley, Hoboken (2005)

    Google Scholar 

  • Sexl, R.U., Urbantke, H.K.: Relativität, Gruppen, Teilchen, 3. Aufl., Springer, Wien (1992)

    Book  Google Scholar 

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Correspondence to Matthias Bartelmann .

Appendices

So geht’s weiter

Wie in Abschn. 6.2 erwähnt wurde, hängen in Medien sowohl die Dielektrizitätszahl \(\epsilon\) als auch die Permeabilitätszahl \(\mu\) im Allgemeinen von der Frequenz \(\omega\) ab; daraus ergibt sich eine Frequenzabhängigkeit des Brechungsindexes.

Einige Gründe dafür sollen hier diskutiert werden, wobei wir uns allerdings auf \(\epsilon\) beschränken, da in optischen Anwendungen meist in guter Näherung \(\mu\approx 1\) gilt. Die beiden hier vorgestellten Modelle sind relativ grob, stimmen aber trotzdem in vielen Fällen recht gut mit realen Phänomenen überein. (Für eine tiefergehende Diskussion sei auf Werke zur Festkörperphysik verwiesen.)

Außerdem werden wir allgemeine Zusammenhänge zwischen Dispersion und Absorption herleiten, die sogenannten Dispersionsrelationen von Kramers und Kronig.

6.1.1 Freie Elektronen in einem Leiter und die Plasmafrequenz

Nach (6.80) hängt die (verallgemeinerte) Dielektrizitätszahl \(\eta\) bereits direkt von \(\omega\) ab. Hinzu kommt allerdings, dass die Leitfähigkeit \(\sigma\) im Allgemeinen ihrerseits auch von \(\omega\) abhängt.

Um dies zu verstehen, betrachten wir als einfaches Modell ein Medium, in dem sich Elektronen relativ frei bewegen können; es soll nur eine zur Geschwindigkeit proportionale Reibungskraft auftreten (Drude-Modell , 1900, nach dem deutschen Physiker Paul Karl Ludwig Drude, 1863–1906). Dies gilt beispielsweise in einem Plasma, aber auch für Metalle ist das bei hohen Frequenzen eine brauchbare Näherung.

In einem Volumen \(V\) befinden sich \(N_{e}\) Elektronen mit den Geschwindigkeiten \({\boldsymbol{v}}_{i}\), auf welche jeweils das elektrische Feld \({\boldsymbol{E}}\) wirke. Dann gelten die Bewegungsgleichungen

$$\dot{{\boldsymbol{v}}}_{i}=-\frac{e}{m}{\boldsymbol{E}}-\gamma{\boldsymbol{v}}_{i}$$
(6.152)

mit dem Reibungskoeffizienten \(\gamma\). Die Stromdichte ist

$${\boldsymbol{j}}=\frac{1}{V}\sum_{i}\left(-e{\boldsymbol{v}}_{i}\right),$$
(6.153)

also folgt

$$\partial_{t}\,{\boldsymbol{j}}=\frac{N_{e}e^{2}}{mV}{\boldsymbol{E}}-\gamma{\boldsymbol{j}}=\frac{n_{e}e^{2}}{m}{\boldsymbol{E}}-\gamma{\boldsymbol{j}},$$
(6.154)

wobei \(n_{e}\) die Elektronendichte ist.

Schwingt das elektrische Feld harmonisch mit der Frequenz \(\omega\), so wird die Stromdichte sicher mit derselben Frequenz harmonisch schwingen. Also ist

$$\partial_{t}\,{\boldsymbol{j}}=-\mathrm{i}\omega{\boldsymbol{j}},$$
(6.155)

womit wir für die Stromdichte

$${\boldsymbol{j}}=\frac{n_{e}e^{2}}{m}\frac{1}{\gamma-\mathrm{i}\omega}{\boldsymbol{E}}$$
(6.156)

erhalten (die physikalisch relevante Stromdichte ist natürlich wie üblich der Realteil hiervon). Für die Leitfähigkeit folgt daraus

$$\sigma(\omega)=\frac{n_{e}e^{2}}{m}\frac{1}{\gamma-\mathrm{i}\omega}.$$
(6.157)

Insbesondere für \(\omega\to 0\) ist

$$\sigma_{0}:=\sigma(0)=\frac{n_{e}e^{2}}{m\gamma},$$
(6.158)

die Leitfähigkeit \(\sigma_{0}\) für stationäre Ströme ist also proportional zum Inversen des Reibungskoeffizienten \(\gamma\).

Eingesetzt in (6.80 ) haben wir nun

$$\begin{aligned}\displaystyle\eta&\displaystyle=\epsilon\left(1+\frac{4\uppi\mathrm{i}}{\epsilon\omega}\frac{\sigma_{0}\gamma}{\gamma-\mathrm{i}\omega}\right)\\ \displaystyle&\displaystyle=\epsilon\left(1+\omega_{\mathrm{p}}^{2}\frac{\mathrm{i}}{\omega(\gamma-\mathrm{i}\omega)}\right).\end{aligned}$$
(6.159)

Die hier zur Abkürzung geschriebene Plasmafrequenz

$$\omega_{\mathrm{p}}=\sqrt{\frac{4\uppi\sigma_{0}\gamma}{\epsilon}}=\sqrt{\frac{4\uppi n_{e}e^{2}}{\epsilon\,m}}$$
(6.160)

ist dabei die Frequenz der Eigenschwingungen der Elektronen. Typische Werte sind beispielsweise \(3{,}8\cdot 10^{15}\,\mathrm{Hz}\) für Aluminium und \(1{,}6\cdot 10^{16}\,\mathrm{Hz}\) für Kupfer.

Interessant ist vor allem der Grenzfall hoher Frequenzen, \(\omega\gg\gamma\). Dann ergibt sich einfach

$$\eta=\epsilon\left(1-\frac{\omega_{\mathrm{p}}^{2}}{\omega^{2}}\right).$$
(6.161)

Insbesondere für \(\omega> \omega_{\mathrm{p}}\) ist die verallgemeinerte Dielektrizitätszahl positiv und damit der Brechungsindex rein reell. Da die Absorption von elektromagnetischen Wellen durch den Imaginärteil des Brechungsindexes beschrieben wird, folgt, dass Wellen mit hohen Frequenzen nicht absorbiert werden. Physikalisch bedeutet dies, dass Metalle bei genügend hohen Frequenzen (beispielsweise Röntgenstrahlung) durchsichtig sind.

6.1.2 Harmonisch gebundene Elektronen in einem Isolator

Auch in Isolatoren (\(\sigma\to 0\)) wie beispielsweise Ionenkristallen oder (neutralen) Gasen hängt die Dielektrizitätszahl von der Frequenz ab. Dies rührt daher, dass selbst gebundene Elektronen von einer einfallenden elektromagnetischen Welle zu Schwingungen angeregt werden können, wodurch das Medium (veränderlich) polarisiert wird – und in Kap. 4 haben wir gesehen, dass es einen engen Zusammenhang zwischen der Polarisation eines Mediums und seiner Dielektrizitätszahl gibt (siehe insbesondere (4.23) und (4.24)).

Betrachten wir als einfaches Modell wieder Elektronen, deren Bewegung mit einer Konstanten \(\gamma\) gedämpft wird. Im Gegensatz zum vorhergehenden Abschnitt sollen sie aber nicht frei sein, sondern harmonisch gebunden mit der Eigenfrequenz \(\omega_{0}\) (Lorentz-Oszillator-Modell , um 1905, nach dem bekannten Mathematiker und Physiker Hendrik Antoon Lorentz, 1853–1928).

Die Bewegungsgleichung für ein Elektron ist also

$$m\left(\ddot{{\boldsymbol{x}}}+\gamma\dot{{\boldsymbol{x}}}+\omega_{0}^{2}{\boldsymbol{x}}\right)=-e{\boldsymbol{E}}$$
(6.162)

bzw. mit einer harmonischen Zeitabhängigkeit

$$m\left(-\omega^{2}-\mathrm{i}\gamma\omega+\omega_{0}^{2}\right){\boldsymbol{x}}=-e{\boldsymbol{E}}.$$
(6.163)

Für das Dipolmoment \({\boldsymbol{p}}=-e{\boldsymbol{x}}\) folgt daraus

$${\boldsymbol{p}}=\frac{e^{2}}{m}\frac{1}{\omega_{0}^{2}-\omega^{2}-\mathrm{i}\gamma\omega}{\boldsymbol{E}}.$$
(6.164)

Hat man im betrachteten Material wieder die Elektronendichte \(n_{e}\), so folgt

$${\boldsymbol{P}}=\frac{n_{e}e^{2}}{m}\frac{1}{\omega_{0}^{2}-\omega^{2}-\mathrm{i}\gamma\omega}{\boldsymbol{E}}=\chi_{\mathrm{e}}{\boldsymbol{E}}$$
(6.165)

mit \(\epsilon=1+4\uppi\chi_{\mathrm{e}}\), also

$$\epsilon(\omega)=1+\frac{4\uppi n_{e}e^{2}}{m}\frac{1}{\omega_{0}^{2}-\omega^{2}-\mathrm{i}\gamma\omega}.$$
(6.166)

Verallgemeinert man dies auf mehrere Arten von Oszillatoren mit Eigenfrequenzen \(\omega_{k}\), Dämpfungskonstanten \(\gamma_{k}\) und Dichten \(n_{k}\) (beispielsweise unterschiedlich stark gebundene bzw. gedämpfte Elektronen oder unterschiedliche Ionen in einem Ionenkristall), so ergibt sich

$$\epsilon(\omega)=1+\frac{4\uppi e^{2}}{m}\sum_{k}\frac{n_{k}}{\omega_{k}^{2}-\omega^{2}-\mathrm{i}\gamma_{k}\omega}.$$
(6.167)

Außerdem ist anzumerken, dass in Leitern neben diesen Beitrag auch der im vorherigen Abschnitt hergeleitete von den Leitungselektronen tritt. Dieser ist im Allgemeinen aber bei deutlich anderen Frequenzen wichtig und wird deshalb im Folgenden ignoriert.

Wir beschränken uns nun wieder auf den Fall nur einer Sorte von Oszillatoren. Außerdem nehmen wir an, dass der zweite Summand klein ist verglichen mit 1, also \(\epsilon\approx 1\) gilt; dies ist beispielsweise in vielen Gasen eine gute Näherung. Für den komplexen Brechungsindex gilt

$$n+\mathrm{i}\kappa=\sqrt{\epsilon}.$$
(6.168)

Mit der Näherung \(\sqrt{1+x}\approx 1+x/2\) für \(x\ll 1\) folgt

$$\begin{aligned}\displaystyle n&\displaystyle=1+\frac{1}{2}\operatorname{Re}\frac{4\uppi n_{e}e^{2}}{m}\frac{1}{\omega_{0}^{2}-\omega^{2}-\mathrm{i}\gamma\omega}\\ \displaystyle&\displaystyle=1+\frac{2\uppi n_{e}e^{2}}{m}\frac{\omega_{0}^{2}-\omega^{2}}{(\omega_{0}^{2}-\omega^{2})^{2}+\gamma^{2}\omega^{2}},\\ \displaystyle\kappa&\displaystyle=\frac{1}{2}\operatorname{Im}\frac{4\uppi n_{e}e^{2}}{m}\frac{1}{\omega_{0}^{2}-\omega^{2}-\mathrm{i}\gamma\omega}\\ \displaystyle&\displaystyle=\frac{2\uppi n_{e}e^{2}}{m}\frac{\gamma\omega}{(\omega_{0}^{2}-\omega^{2})^{2}+\gamma^{2}\omega^{2}}.\end{aligned}$$
(6.169)

Diese Ergebnisse sind in Abb. 6.12 grafisch dargestellt. Man sieht zunächst, dass \(\kappa\) bei \(\omega_{0}\) ein Maximum hat. Die physikalische Interpretation ist naheliegend: bei der Resonanzfrequenz der Oszillatoren wird am meisten absorbiert.

Abb. 6.12
figure 12

Die Frequenzabhängigkeit von Brechungsindex \(n\) und Extinktionskoeffizient \(\kappa\) im Lorentz-Oszillator-Modell (für \(\omega_{0}=10\) und \(\gamma=1\)). Bei der Eigenfrequenz \(\omega_{0}\) der Oszillatoren hat \(\kappa\) ein Maximum, \(n\) fällt dagegen monoton ab (anomale Dispersion). Auf der Achse sind außerdem \(\omega_{0}\pm\gamma\) markiert. Man erkennt, dass \(\gamma\) ein Maß für die Breite des Maximums bzw. des Bereichs anomaler Dispersion ist

Außerdem ist zu erkennen, dass für die meisten Werte von \(\omega\) der Brechungsindex monoton ansteigt; man spricht von normaler Dispersion . Nur in einem engen Bereich in der Nähe des Maximums von \(\kappa\) nimmt \(n\) mit wachsendem \(\omega\) ab (anomale Dispersion ).

Diese engen Zusammenhänge zwischen \(n\) und \(\kappa\) sind letztlich auf Beziehungen zwischen dem Real- und dem Imaginärteil von \(\epsilon\) zurückzuführen. Im folgenden Abschnitt werden wir zeigen, dass sich solche Beziehungen aus sehr wenigen allgemeinen Grundannahmen ergeben. Dispersion und Absorption beeinflussen sich also allgemein gegenseitig, nicht nur in diesem einfachen Modell.

6.1.3 Die Dispersionsrelationen von Kramers und Kronig

Zunächst gehen wir davon aus, dass der Zusammenhang zwischen elektrischem Feld und Polarisation linear ist. Außerdem berücksichtigen wir, dass die Polarisation an einer Stelle \({\boldsymbol{r}}\) im Allgemeinen nicht nur von der elektrischen Feldstärke zur selben Zeit abhängen kann, sondern auch von der „Vorgeschichte“ des Systems, also der elektrischen Feldstärken zu früheren Zeiten. Andererseits nehmen wir aber an, dass \({\boldsymbol{P}}\) und \({\boldsymbol{E}}\) lokal (in \({\boldsymbol{r}}\)) zusammenhängen, d. h., die Polarisation an einer Stelle \({\boldsymbol{r}}\) hängt auch nur von der elektrischen Feldstärke an dieser Stelle an.

Der allgemeinste lineare, isotrope, räumlich lokale Ansatz ist also

$$\begin{aligned}\displaystyle{\boldsymbol{D}}(t,{\boldsymbol{r}})&\displaystyle={\boldsymbol{E}}(t,{\boldsymbol{r}})+4\uppi{\boldsymbol{P}}(t,{\boldsymbol{r}})\\ \displaystyle&\displaystyle={\boldsymbol{E}}(t,{\boldsymbol{r}})+\int_{-\infty}^{\infty}f(\tau){\boldsymbol{E}}(t-\tau,{\boldsymbol{r}})\mathrm{d}\tau.\end{aligned}$$
(6.170)

Eine Polarisation kann aber nicht auftreten, bevor die Teilchen des Körpers das elektrische Feld spüren (Kausalität!). Also muss \(f(\tau)=0\) gelten für \(\tau<0\).

Außerdem setzen wir für die Funktion \(f(\tau)\) noch voraus, dass sie für alle \(\tau\) endlich sein soll und für \(\tau\to\infty\) stärker als \(1/\tau\) gegen null gehen soll. Im Allgemeinen wird \(f(\tau)\) sogar viel schneller abfallen; typische Zeitskalen, auf denen \(f(\tau)\) nicht vernachlässigbar ist, sind für Dielektrika lediglich \(10^{-9}\) bis \(10^{-7}\) Sekunden.

Eine Fourier-Transformation überführt das obige Faltungsintegral in ein Produkt:

$$\tilde{{\boldsymbol{D}}}(\omega,{\boldsymbol{r}})=\tilde{{\boldsymbol{E}}}(\omega,{\boldsymbol{r}})+\tilde{f}(\omega)\tilde{{\boldsymbol{E}}}(\omega,{\boldsymbol{r}}).$$
(6.171)

Definiert man die frequenzabhängige Dielektrizitätszahl durch

$$\tilde{{\boldsymbol{D}}}(\omega,{\boldsymbol{r}})=\epsilon(\omega)\tilde{{\boldsymbol{E}}}(\omega,{\boldsymbol{r}}),$$
(6.172)

so folgt

$$\epsilon(\omega)=1+\tilde{f}(\omega)=1+\int_{0}^{\infty}f(\tau)\mathrm{e}^{\mathrm{i}\omega\tau}\mathrm{d}\tau,$$
(6.173)

wobei die Kausalitätsbedingung \(f(\tau)=0\) für \(\tau<0\) berücksichtigt wurde.

Hieraus kann man zunächst ablesen, dass

$$\epsilon^{*}(\omega)=\epsilon(-\omega)$$
(6.174)

gilt; damit kann man die Funktion \(\epsilon\) analytisch zu negativen Frequenzen fortsetzen. Daraus folgt auch für die Real- und Imaginärteile \(\epsilon_{r}\) bzw. \(\epsilon_{i}\), dass sie gerade bzw. ungerade Funktionen sein müssen:

$$\epsilon_{r}(-\omega)=\epsilon_{r}(\omega)\quad\text{und}\quad\epsilon_{i}(-\omega)=-\epsilon_{i}(\omega).$$
(6.175)

Wir definieren nun durch

$$\tilde{f}(\zeta)=\int_{0}^{\infty}f(\tau)\mathrm{e}^{\mathrm{i}\zeta\tau}\mathrm{d}\tau$$
(6.176)

eine analytische Fortsetzung von \(\epsilon(\omega)-1\) in die komplexe Ebene; für die komplexe Verallgemeinerung der Frequenz \(\omega\) schreiben wir also \(\zeta\) (mit den Real- und Imaginärteilen \(\zeta_{r}\) und \(\zeta_{i}\)).

Für \(\zeta_{i}> 0\) ist diese Funktion sicher definiert und analytisch, da \(\tau\) dank der Kausalitätsbedingung positiv ist und der Integrand mit einem Faktor \(\mathrm{e}^{-\zeta_{i}\tau}\) exponentiell gedämpft ist, sofern \(f(\tau)\) höchstens wie eine positive Potenz von \(\tau\) wächst. Auf der reellen Achse bleibt \(\tilde{f}(\zeta)\) analytisch, wenn entsprechend unseren Voraussetzungen \(f(\tau)\) beschränkt ist und für \(\tau\to\infty\) stärker als \(1/\tau\) gegen null strebt.

Außerdem gilt in der oberen Halbebene \(\tilde{f}(\zeta)\to 0\) für \(|\zeta|\to\infty\). Für \(\zeta_{i}\to\infty\) folgt das aus dem exponentiellen Abfall des Exponenten, für \(\zeta_{r}\to\infty\) daraus, dass dann (für festes \(\zeta_{i}\)) der Integrand unendlich schnell oszilliert.

Aus dem oben Gesagten können wir folgern, dass die Funktion

$$\frac{\tilde{f}(\zeta)}{\zeta-\omega}$$
(6.177)

für jedes feste \(\omega\) in der oberen Halbebene analytisch ist, für \(|\zeta|\to\infty\) gegen null geht und auf der reellen Achse eine Polstelle erster Ordnung bei \(\zeta=\omega\) hat. Integrieren wir diese Funktion über einen beliebigen geschlossenen Weg in der oberen Halbebene, so muss sich wegen der Analytizität null ergeben (Cauchy’scher Integralsatz):

$$\oint\frac{\tilde{f}(\zeta)}{\zeta-\omega}\mathrm{d}\zeta=0.$$
(6.178)

Wir wählen nun als Integrationsweg einen Halbkreisbogen in der oberen Halbebene „im Unendlichen“ und schließen diesen entlang der reellen Achse. Die Polstelle wird dabei durch einen kleinen Halbkreisbogen (Radius \(r\)) umgangen. Der gesamte Integrationsweg ist in Abb. 6.13dargestellt.

Abb. 6.13
figure 13

Der für den Beweis der Kramers-Kronig-Relationen gewählte Integrationsweg: entlang der reellen Achse, wobei die Polstelle des Integranden \(\tilde{f}(\zeta)/(\zeta-\omega)\) bei \(\zeta=\omega\) durch einen kleinen Halbkreis mit Radius \(r\) umgangen wird, und zurück entlang eines Halbkreises in der oberen Halbebene „im Unendlichen“

Nach dem eben Gesagten liefert der Halbkreis „im Unendlichen“ keinen Beitrag; also muss die Integration entlang der reellen Achse plus dem Halbkreis um den Pol ihrerseits bereits null ergeben. Die Integration entlang der reellen Achse muss damit gleich dem Negativen des Integrals über den Halbkreis sein:

$$ \left(\int_{-\infty}^{\omega-r}+\int_{\omega+r}^{\infty}\right)\frac{\tilde{f}(\zeta)}{\zeta-\omega}\mathrm{d}\zeta$$
$$ =-\int_{\mathrm{Hk}}\frac{\tilde{f}(\zeta)}{\zeta-\omega}\mathrm{d}\zeta.$$
(6.179)

Letzteres kann man aber (für \(r\to 0\)) analog zum Residuensatz auswerten. Die Polstelle wird hier zwar nur halb umlaufen, außerdem im mathematisch negativen Sinn. Für \(r\to 0\) verhält sich der Integrand an der Polstelle aber wie \({\mathrm{const}}/(\zeta-\omega)\); mit einer Rechnung völlig analog zu (3.38) bis (3.40), mit \(\zeta-\omega=r\mathrm{e}^{\mathrm{i}\varphi}\), \(\mathrm{d}\zeta=\mathrm{i}r\mathrm{e}^{\mathrm{i}\varphi}\mathrm{d}\varphi\) und \(\int_{\mathrm{Hk}}\mathrm{d}\zeta/(\zeta-\omega)=\mathrm{i}\int_{\uppi}^{0}\mathrm{d}\varphi=-\mathrm{i}\uppi\), folgt deshalb, dass das Integral über den kleinen Halbkreis das \(-\mathrm{i}\uppi\)-fache des Residuums liefert:

$$\lim_{r\to 0} \left(\int_{-\infty}^{\omega-r}+\int_{\omega+r}^{\infty}\right)\frac{\tilde{f}(\zeta)}{\zeta-\omega}\mathrm{d}\zeta$$
$$ =\mathrm{i}\uppi\operatorname{Res}_{\zeta=\omega}\frac{\tilde{f}(\zeta)}{\zeta-\omega}=\mathrm{i}\uppi\tilde{f}(\omega).$$
(6.180)

Die linke Seite von (6.180 ) ist dagegen gerade der Cauchy’sche Hauptwert des Integrals. Insgesamt ergibt sich somit

$$\tilde{f}(\omega)=\frac{1}{\mathrm{i}\uppi}\text{P}\int_{-\infty}^{\infty}\frac{\tilde{f}(\omega^{\prime})}{\omega^{\prime}-\omega}\mathrm{d}\omega^{\prime}.$$
(6.181)

Nimmt man davon den Real- und Imaginärteil, so hat man die Dispersionsrelationen von Kramers und Kronig (nach dem niederländischen Physiker Hendrik Anthony Kramers, 1894–1952, und dem deutsch/US-amerikanischen Physiker Ralph de Laer Kronig, 1904–1995):

$$\begin{aligned}\displaystyle\operatorname{Re}\tilde{f}(\omega)&\displaystyle=\text{P}\int_{-\infty}^{\infty}\frac{\mathrm{d}\omega^{\prime}}{\uppi}\frac{\operatorname{Im}\tilde{f}(\omega^{\prime})}{\omega^{\prime}-\omega},\\ \displaystyle\operatorname{Im}\tilde{f}(\omega)&\displaystyle=-\text{P}\int_{-\infty}^{\infty}\frac{\mathrm{d}\omega^{\prime}}{\uppi}\frac{\operatorname{Re}\tilde{f}(\omega^{\prime})}{\omega^{\prime}-\omega}.\end{aligned}$$
(6.182)

Diese gelten allgemein für eine in der oberen Halbebene einschließlich der reellen Achse analytischen Funktion \(\tilde{f}(\zeta)\) mit \(\tilde{f}(\zeta)\to 0\) für \(|\zeta|\to\infty\). Wie wir gesehen haben, ist die Analytizität in der oberen Halbebene eine Konsequenz der Bedingung, dass \(f(\tau)\) eine kausale Funktion ist, d. h. \(f(\tau)=0\) für \(\tau<0\).

Speziell für \(\tilde{f}(\omega)=\epsilon(\omega)-1\) erhalten wir

$$\epsilon_{r}(\omega) =1+\frac{1}{\uppi}\text{P}\int_{-\infty}^{\infty}\frac{\epsilon_{i}(\omega^{\prime})}{\omega^{\prime}-\omega}\mathrm{d}\omega^{\prime},$$
$$\epsilon_{i}(\omega) =-\frac{1}{\uppi}\text{P}\int_{-\infty}^{\infty}\frac{\epsilon_{r}(\omega^{\prime})-1}{\omega^{\prime}-\omega}\mathrm{d}\omega^{\prime}.$$
(6.183)

Für Anwendungen in der Physik ist es sinnvoll, diese Ergebnisse noch auf Integrale über nur positive Frequenzen umzuschreiben. Hierfür kann man die Symmetrien (6.175) von \(\epsilon_{r}\) und \(\epsilon_{i}\) unter \(\omega\to-\omega\) ausnutzen.

Das Endresultat ist

$$\epsilon_{r}(\omega) =1+\frac{2}{\uppi}\text{P}\int_{0}^{\infty}\frac{\omega^{\prime}\epsilon_{i}(\omega^{\prime})}{\omega^{\prime 2}-\omega^{2}}\mathrm{d}\omega^{\prime},$$
$$\epsilon_{i}(\omega) =-\frac{2\omega}{\uppi}\text{P}\int_{0}^{\infty}\frac{\epsilon_{r}(\omega^{\prime})-1}{\omega^{\prime 2}-\omega^{2}}\mathrm{d}\omega^{\prime}.$$
(6.184)

Wie im Kasten „Vertiefung: Energiebilanz in dissipativen Medien“ am Ende des vorherigen Kapitels gezeigt wurde, ist die Absorption von elektromagnetischen Wellen in einem dielektrischen Medium direkt proportional zu \(\operatorname{Im}\epsilon(\omega)\). Eine experimentelle Ausmessung dieser Absorption für alle Frequenzen \(\omega\) erlaubt es also, über die erste Gleichung von (6.184) auch \(\operatorname{Re}\epsilon(\omega)\) für alle Frequenzen zu bestimmen.

Hat man ein leitendes Medium vorliegen, dann bietet es sich an, analog zu (6.84) die verallgemeinerte Dielektrizitätsfunktion

$$\eta(\omega)=\eta_{r}(\omega)+\mathrm{i}\eta_{i}(\omega)=\epsilon_{r}(\omega)+\mathrm{i}\epsilon_{i}(\omega)+\mathrm{i}\frac{4\uppi\sigma_{0}}{\omega}$$
(6.185)

zu definieren, wobei \(\sigma_{0}\) die statische spezifische Leitfähigkeit ist. (Die im Allgemeinen auftretende Frequenzabhängigkeit von \(\sigma\) kann in \(\epsilon(\omega)\) absorbiert werden.) Einsetzen in obige Relationen ergibt

$$\eta_{r}(\omega) =1+\frac{2}{\uppi}\text{P}\int_{0}^{\infty}\frac{\omega^{\prime}\eta_{i}(\omega^{\prime})-4\uppi\sigma_{0}}{\omega^{\prime 2}-\omega^{2}}\mathrm{d}\omega^{\prime},$$
$$\eta_{i}(\omega) =\frac{4\uppi\sigma_{0}}{\omega}-\frac{2\omega}{\uppi}\text{P}\int_{0}^{\infty}\frac{\eta_{r}(\omega^{\prime})-1}{\omega^{\prime 2}-\omega^{2}}\mathrm{d}\omega^{\prime}.$$
(6.186)

(Im ersten Integral liefert der Term \({-4\uppi\sigma_{0}}/(\omega^{\prime 2}-\omega^{2})\) dank der Hauptwertsvorschrift keinen Beitrag, wenn \(\omega> 0\) ist, wie man leicht nachrechnet, und kann daher weggelassen werden. Für \(\omega=0\) ist er allerdings nützlich, um eine Singularität des Integranden bei \(\omega^{\prime}=0\) zu vermeiden und \(\eta_{r}(0)\) direkt, d. h. ohne Grenzwertbildung \(\omega\to 0\), berechnen zu können.)

Aus den Kramers-Kronig-Relationen ergibt sich, dass die beim Lorentz-Oszillator-Modell gefundenen Zusammenhänge allgemein gelten:

  1. (a)

    Für Frequenzen, bei denen ein Material transparent ist (vernachlässigbares \(\kappa\)), ist die Dispersion normal (\(\mathrm{d}n/\mathrm{d}\omega> 0\)).

  2. (b)

    Anomale Dispersion \((\mathrm{d}n/\mathrm{d}\omega<0\)) tritt nur in der Nähe eines Maximums von \(\kappa\) auf.

Diese Aussagen für \(n=\sqrt{\epsilon}\) kann man wie folgt aus den Kramers-Kronig-Relationen schließen. Ist in der Umgebung der betrachteten Frequenz \(\omega\) der Imaginärteil von \(\epsilon(\omega)\) vernachlässigbar, dann verschwindet der Pol bei \(\omega^{\prime}=\omega\) in der Integraldarstellung von \(\epsilon_{r}\) in (6.184), und die Hauptwertsvorschrift ist nicht mehr erforderlich. In diesem Fall kann man unter dem Integral differenzieren, und man bekommt

$$\frac{\mathrm{d}\epsilon_{r}}{\mathrm{d}\omega}=\frac{4\omega}{\uppi}\int_{0}^{\infty}\frac{\omega^{\prime}\epsilon_{i}(\omega^{\prime})}{(\omega^{\prime 2}-\omega^{2})^{2}}\mathrm{d}\omega^{\prime}> 0\quad\text{f{\"u}r }\epsilon_{i}(\omega)=0,$$
(6.187)

da, wie am Ende des vorherigen Kapitels (Kasten „Vertiefung: Energiebilanz in dissipativen Medien“) gezeigt wurde, allgemein gilt:

$$\operatorname{Im}\epsilon(\omega^{\prime})\geq 0\quad\text{f{\"u}r }\omega^{\prime}> 0.$$
(6.188)

Aus \({\mathrm{d}\epsilon_{r}}/{\mathrm{d}\omega}> 0\) mit vernachlässigbarem \(\epsilon_{i}(\omega)\) folgt unmittelbar \(\mathrm{d}n/\mathrm{d}\omega> 0\).

Aufgaben

Gelegentlich enthalten die Aufgaben mehr Angaben, als für die Lösung erforderlich sind. Bei einigen anderen dagegen werden Daten aus dem Allgemeinwissen, aus anderen Quellen oder sinnvolle Schätzungen benötigt.

• leichte Aufgaben mit wenigen Rechenschritten

•• mittelschwere Aufgaben, die etwas Denkarbeit und unter Umständen die Kombination verschiedener Konzepte erfordern

••• anspruchsvolle Aufgaben, die fortgeschrittene Konzepte (unter Umständen auch aus späteren Kapiteln) oder eigene mathematische Modellbildung benötigen

6.1 •• Elliptische und zirkulare Polarisation

Zeigen Sie: Für \(0\leq\psi<2\uppi\) beschreibt

$${\boldsymbol{x}} =\left[a\cos\psi+b\cos(\psi+\Updelta\varphi)\right]{\boldsymbol{\hat{e}}}_{1}$$
$$ \quad-\left[a\sin\psi-b\sin(\psi+\Updelta\varphi)\right]{\boldsymbol{\hat{e}}}_{2}$$
(6.189)

mit zueinander senkrechten Einheitsvektoren \({\boldsymbol{\hat{e}}}_{1}\) und \({\boldsymbol{\hat{e}}}_{2}\) eine Ellipse, deren Halbachsen die Längen \(|a+b|\) bzw. \(|a-b|\) haben und gegenüber \({\boldsymbol{\hat{e}}}_{1}\) bzw. \({\boldsymbol{\hat{e}}}_{2}\) um den Winkel \(\Updelta\varphi/2\) gedreht sind.

Lösungshinweis:

Schreiben Sie sich zunächst \({\boldsymbol{x}}^{2}\) möglichst einfach hin und überlegen Sie, für welche Werte von \(\psi\) dieser Ausdruck Minima und Maxima hat. Drehen Sie dann die Einheitsvektoren passend hin.

6.2 •• Elliptische und lineare Polarisation

Im Kapiteltext und in Aufgabe 6.1 wurde gezeigt, dass sich als Linearkombination zweier zueinander phasenverschobener links- und rechtszirkular polarisierter Wellen eine allgemeine elliptisch polarisierte Welle ergibt; die links- und rechtszirkular polarisierten Wellen bilden also eine Basis, aus der man beliebig polarisierte Wellen zusammensetzen kann. Hier soll nun gezeigt werden, dass die linear polarisierten Wellen ebenfalls eine solche Basis bilden.

Gegeben sei eine Summe zweier gegeneinander phasenverschobener Wellen, von denen die eine in \(x\)-, die andere in \(y\)-Richtung linear polarisiert ist (wobei die \(x\)- und \(y\)-Achsen beliebig senkrecht zur Ausbreitung in \(z\)-Richtung gewählt wurden):

$${\boldsymbol{E}}(t,{\boldsymbol{r}})=E_{x0}\mathrm{e}^{\mathrm{i}(kz-\omega t)}{\boldsymbol{\hat{e}}}_{x}+E_{y0}\mathrm{e}^{\mathrm{i}(kz-\omega t+\varphi)}{\boldsymbol{\hat{e}}}_{y}$$
(6.190)

mit reellen Amplituden \(E_{x0}\) und \(E_{y0}\); die gesamte Intensität ist also \(I=E_{x0}^{2}+E_{y0}^{2}\).

  1. (a)

    Zeigen Sie zunächst, dass gilt

    $$\frac{|E_{x}(t,{\boldsymbol{r}})|^{2}}{E_{x0}^{2}}+\frac{|E_{y}(t,{\boldsymbol{r}})|^{2}}{E_{y0}^{2}}-\frac{2\operatorname{Re}E^{*}_{x}E_{y}\cos\varphi}{E_{x0}E_{y0}}=2\sin^{2}\varphi.$$
    (6.191)
  2. (b)

    Zeigen Sie mittels einer Hauptachsentransformation, dass die Gleichung in Teilaufgabe (a) eine Ellipse beschreibt, deren Hauptachsenverhältnis gegeben ist durch

    $$\frac{b}{a}=\sqrt{\frac{I-\sqrt{I^{2}-4E_{x0}^{2}E_{y0}^{2}\sin^{2}\varphi}}{I+\sqrt{I^{2}-4E_{x0}^{2}E_{y0}^{2}\sin^{2}\varphi}}}$$
    (6.192)

    und deren große Hauptachse gegenüber der \(x\)-Achse um den Winkel \(\alpha\) gedreht ist, wobei gilt

    $$\tan\alpha=\frac{E_{y0}^{2}-E_{x0}^{2}+\sqrt{I^{2}-4E_{x0}^{2}E_{y0}^{2}\sin^{2}\varphi}}{2E_{x0}E_{y0}\cos\varphi}.$$
    (6.193)

6.3 •• Stokes-Parameter

Zur Beschreibung der Polarisation elektromagnetischer Wellen werden oft die Stokes-Parameter \((I;M;C;S)\) verwendet (auch mit \((I;Q;U;V)\) oder \((S_{0};S_{1};S_{2};S_{3})\) bezeichnet; Stokes selbst benutzte \((A;B;C;D)\)). Dabei ist \(I\) die gesamte Intensität, und für die anderen Komponenten gilt:

$$\begin{aligned}\displaystyle M&\displaystyle=I_{0^{\circ}}-I_{90^{\circ}},\\ \displaystyle C&\displaystyle=I_{45^{\circ}}-I_{135^{\circ}},\\ \displaystyle S&\displaystyle=I_{\mathrm{LZ}}-I_{\mathrm{RZ}},\end{aligned}$$
(6.194)

wobei \(I_{\alpha}\) jeweils für die Intensität steht, die hinter einem linearen Polarisator gemessen wird, der gegenüber der \(x\)-Achse um den Winkel \(\alpha\) gedreht ist, und \(I_{\mathrm{LZ}}\) bzw. \(I_{\mathrm{RZ}}\) für die Intensitäten der links- bzw. rechtszirkular polarisierten Anteile. Die \(x\)- und \(y\)-Achse werden dabei willkürlich festgelegt senkrecht zur Ausbreitung in \(z\)-Richtung. (Beachten Sie: Teilweise sind auch andere Vorzeichenkonventionen üblich.) Die Wirkung von optischen Geräten auf die Polarisation kann dann mit \(4\times 4\)-Matrizen (Müller-Matrizen ) beschrieben werden.

Natürliche Strahlungsquellen senden im Allgemeinen nicht oder nur teilweise polarisiertes Licht aus. Dies kann man im Formalismus der Stokes-Parameter durch Einführung des Polarisationsgrades und zeitliche Mittelung berücksichtigen. Der Einfachheit halber betrachten wir hier aber nur vollständig polarisierte Wellen. Diese sind letztlich immer elliptisch polarisiert; lineare und zirkulare Polarisation sind davon lediglich Spezialfälle.

  1. (a)

    Begründen Sie, dass

    $$\begin{aligned}\displaystyle M&\displaystyle=E_{x0}^{2}-E_{y0}^{2},\\ \displaystyle C&\displaystyle=2E_{x0}E_{y0}\cos\varphi,\\ \displaystyle S&\displaystyle=2E_{x0}E_{y0}\sin\varphi\end{aligned}$$
    (6.195)

    gilt, wobei \(E_{x0}\) und \(E_{y0}\) jeweils für die Amplituden der elektrischen Feldstärken in \(x\)- bzw. \(y\)-Richtung stehen und \(\varphi\) für die Phasenverschiebung zwischen \(E_{x}\) und \(E_{y}\). Zeigen Sie außerdem, dass

    $$M^{2}+C^{2}+S^{2}=I^{2}$$
    (6.196)

    gilt, die vier Parameter also nicht unabhängig voneinander sind.

  2. (b)

    Begründen Sie, dass

    $$\begin{aligned}\displaystyle M&\displaystyle=I\cos 2\omega\cos 2\alpha,\\ \displaystyle C&\displaystyle=I\cos 2\omega\sin 2\alpha,\\ \displaystyle S&\displaystyle=I\sin 2\omega\end{aligned}$$
    (6.197)

    gilt, wobei \(\alpha\) die Neigung der großen Halbachse der Ellipse, auf der \({\boldsymbol{E}}\) umläuft, gegen die \(x\)-Achse und \(\tan\omega\) das Verhältnis \(b/a\) der kleinen Halbachse \(b\) zur großen Halbachse \(a\) angibt. Hat \(\omega\) (und damit auch \(S\)) positives Vorzeichen, so handelt es sich um links-, ansonsten um rechtselliptisch polarisiertes Licht. Geben Sie außerdem mittels dieser Formeln eine geometrische Interpretation der Koordinaten \((M;C;S)\) an.

  3. (c)

    Geben Sie für folgende Polarisationszustände jeweils die zugehörigen Stokes-Parameter an: (1) in \(x\)-Richtung linear polarisiert, (2) in \(y\)-Richtung linear polarisiert, (3) in einem Winkel von \(45^{\circ}\) zur \(x\)-Achse linear polarisiert, (4) in einem Winkel von \(135^{\circ}\) zur \(y\)-Achse linear polarisiert, (5) rechtszirkular polarisiert, (6) linkszirkular polarisiert, (7) elliptisch polarisiert, wobei das Achsenverhältnis 1:2 beträgt und die große Halbachse in \(x\)-Richtung zeigt, (8) elliptisch polarisiert mit demselben Achsenverhältnis, die große Halbachse aber in \(y\)-Richtung zeigt, (9) elliptisch polarisiert, wobei die große Halbachse mit der \(x\)-Achse den Winkel \(22{,}5^{\circ}\) einschließt und das Achsenverhältnis \(\sqrt{3}-\sqrt{2}\) ist.

  4. (d)

    Geben Sie für folgende optische „Geräte“ die zugehörige Matrix an: (1) homogener Absorber mit Transmissionskoeffizient \(T\), (2) linearer Polarisator in \(x\)-Richtung, (3) \(\lambda/4\)-Plättchen, bei dem die schnelle Achse in \(x\)-Richtung zeigt.

Lösungshinweis:

  1. (b)

    Benutzen Sie die Ergebnisse aus Aufgabe 6.2 und schreiben Sie diese zunächst mithilfe der Formeln in Teilaufgabe (a) kürzer.

6.4 •• Green’sche Funktion zur Helmholtz-Gleichung

Zeigen Sie:

$$({\varDelta}+k^{2})\frac{\mathrm{e}^{\mathrm{i}kr}}{r}=-4\uppi\delta(r).$$
(6.198)

Lösungshinweis:

Betrachten Sie das Volumenintegral der linken Seite über eine Kugel um den Ursprung und benutzen Sie den Gauß’schen Satz.

6.5 ••• Skineffekt

Im Folgenden soll gezeigt werden, dass Wechselstrom hoher Frequenzen in metallischen Leitern bevorzugt nur in einer relativ dünnen Oberflächenschicht fließt (Skineffekt ). Wir betrachten dafür einen einfachen Spezialfall: Ein unendlich langer, homogener, gerader Leiter (Leitfähigkeit \(\sigma\)), der entlang der \(z\)-Achse liegt und den Radius \(\varrho_{0}\) hat, werde von einem harmonischen Wechselstrom \(I(t)=I_{0}\mathrm{e}^{-\mathrm{i}\omega t}\) durchflossen.

  1. (a)

    Zeigen Sie zunächst, dass für die Stromdichte näherungsweise

    $$\left(\varDelta+\frac{2\mathrm{i}}{d^{2}}\right){\boldsymbol{j}}=0$$
    (6.199)

    gilt, wenn \(\sigma\gg\omega\) und \(\mu=1\) ist; dabei ist

    $$d=\frac{c}{\sqrt{2\uppi\sigma\omega}}$$

    die Eindringtiefe.

  2. (b)

    Lösen Sie die Differenzialgleichung allgemein.

  3. (c)

    Finden Sie die spezielle Lösung für die gegebenen physikalischen Randbedingungen.

  4. (d)

    Ermitteln Sie insbesondere, wie sich \({\boldsymbol{j}}\) für \(\varrho\gg d\) verhält.

Lösungshinweis:

  1. (a)

    Benutzen Sie die Telegrafengleichung (6.73).

  2. (b)

    Für \(j_{z}\) ergibt sich eine Bessel’sche Differenzialgleichung (6.51 ); die Lösungen sind also Bessel-Funktionen (allerdings mit komplexem Argument).

  3. (c)

    Beachten Sie das Verhalten von \(J_{0}(x)\) bzw. \(Y_{0}(x)\) für \(x\to 0\) und die gesamte Stromstärke \(I_{0}\).

  4. (d)

    Verwenden Sie das Verhalten von \(J_{n}(x)\) für \(x\to\infty\) aus dem „Mathematischen Hintergrund“ 6.2.

6.6 • Geschwindigkeiten im rechteckigen Hohlleiter

Ermitteln Sie explizite Ausdrücke für die Phasen- , Gruppen- und Frontgeschwindigkeit in einem rechteckigen Hohlleiter (Seitenlängen \(a\) und \(b\)) und vergleichen Sie jeweils mit der Vakuumlichtgeschwindigkeit. Welcher Zusammenhang besteht hier zwischen Phasen- und Gruppengeschwindigkeit?

Lösungshinweis:

Verwenden Sie die Dispersionsrelation (6.130); die hier relevante Wellenzahl ist natürlich \(k_{z}\).

6.7 •• Zylindrischer Hohlleiter

Ermitteln Sie die Felder und die Dispersionsrelation bei den TM-Moden eines unendlich langen metallischen Hohlleiters mit kreisförmigem Querschnitt (Radius \(\varrho_{0}\)), dessen Mittelachse die \(z\)-Achse ist.

Lösungshinweis:

Verwenden Sie die Lösungen der Wellengleichung in Zylinderkoordinaten (6.52) für \(E_{z}\) sowie die Beziehungen (6.147 ) und beachten Sie die Randbedingungen bei TM-Moden. Die Nullstellen von Bessel-Funktionen finden sich in der mathematischen Literatur.

6.8 •• Natürliche Linienbreite

Strahlt ein Atom oder Molekül, das von einem angeregten Zustand in einen niedrigeren übergeht, eine elektromagnetische Welle der Frequenz \(\omega_{0}\) ab, so muss die Amplitude dieser Welle zeitlich abnehmen (warum?). Im Allgemeinen ergibt sich deshalb für die elektrische Feldstärke dieser Welle am Ort des Atoms eine exponentiell gedämpfte Schwingung (Anfangsamplitude \({\boldsymbol{E}}_{0}\), Frequenz \(\omega_{0}\), Dämpfungskonstante \(\gamma\); vgl. auch die Strahlungsdämpfung in Aufgabe 9.4). Berechnen Sie die Fourier-Transformierte \(\tilde{{\boldsymbol{E}}}(\omega)\) der elektrischen Feldstärke und daraus, wie die abgestrahlte Energie pro infinitesimalem Frequenzintervall von \(\omega\) abhängt. Interpretieren Sie Ihr Ergebnis.

Lösungshinweis:

Überlegen Sie sich, wie der Poynting-Vektor einer ebenen monochromatischen Welle im Vakuum von der elektrischen Feldstärke abhängt.

Ausführliche Lösungen zu den Aufgaben

6.1

Wir haben

$$\begin{aligned}\displaystyle{\boldsymbol{x}}^{2}&\displaystyle=\left[a\cos\psi+b\cos(\psi+\Updelta\varphi)\right]^{2}\\ \displaystyle&\displaystyle\quad+\left[a\sin\psi-b\sin(\psi+\Updelta\varphi)\right]^{2};\end{aligned}$$
(6.200)

nach Auflösen der Klammern und Zusammenfassen mithilfe des Additionstheorems für den Kosinus bleibt davon nur

$${\boldsymbol{x}}^{2}=a^{2}+b^{2}+2ab\cos(2\psi+\Updelta\varphi)$$
(6.201)

übrig. Als Funktion von \(\psi\) hat dies Maxima bei \(-\Updelta\varphi/2\) und \(\uppi-\Updelta\varphi/2\) sowie Minima bei \(\uppi/2-\Updelta\varphi/2\) und \(3\uppi/2-\Updelta\varphi/2\) (und periodisch fortgesetzt). Die Richtung zum ersten Maximum erhalten wir, indem wir \(-\Updelta\varphi/2\) in \({\boldsymbol{x}}\) einsetzen:

$${\boldsymbol{x}}_{\mathrm{max}}=(a+b)\cos(\Updelta\varphi/2){\boldsymbol{\hat{e}}}_{1}+(a+b)\sin(\Updelta\varphi/2){\boldsymbol{\hat{e}}}_{2};$$
(6.202)

die Richtung zu diesem Maximum liegt somit um den Winkel \(\Updelta\varphi/2\) gegen die \({\boldsymbol{\hat{e}}}_{1}\)-Achse geneigt.

Das legt nahe, die Einheitsvektoren passend hinzudrehen: Wir wählen sie so, dass

$${\boldsymbol{\hat{e}}}_{1} =\cos(\Updelta\varphi/2){\boldsymbol{\hat{e}}}^{\prime}_{1}-\sin(\Updelta\varphi/2){\boldsymbol{\hat{e}}}^{\prime}_{2},$$
$${\boldsymbol{\hat{e}}}_{2} =\sin(\Updelta\varphi/2){\boldsymbol{\hat{e}}}^{\prime}_{1}+\cos(\Updelta\varphi/2){\boldsymbol{\hat{e}}}^{\prime}_{2}$$
(6.203)

gilt. Setzen wir dies in (6.189) ein, so bleibt nach länglicher, aber nicht grundsätzlich schwieriger Rechnerei mithilfe der Additionstheoreme nur noch

$${\boldsymbol{x}}=x^{\prime}_{1}(\psi){\boldsymbol{\hat{e}}}^{\prime}_{1}+x^{\prime}_{2}(\psi){\boldsymbol{\hat{e}}}^{\prime}_{2}$$
(6.204)

mit

$$x^{\prime}_{1}(\psi) :=(a+b)\cos(\psi+\Updelta\varphi/2),$$
$$x^{\prime}_{2}(\psi) :=(b-a)\sin(\psi+\Updelta\varphi/2).$$
(6.205)

Dann gilt:

$$ \frac{(x^{\prime}_{1}(\psi))^{2}}{(a+b)^{2}}+\frac{(x^{\prime}_{2}(\psi))^{2}}{(a-b)^{2}}$$
$$ =\cos^{2}(\psi+\Updelta\varphi/2)+\sin^{2}(\psi+\Updelta\varphi/2)$$
$$ =1.$$
(6.206)

Dies ist aber nun genau die Gleichung einer Ellipse, deren große Halbachsen die Längen \(|a+b|\) bzw. \(|a-b|\) haben; dass ihre Halbachsen um den Winkel \(\Updelta\varphi/2\) gedreht sind, haben wir oben schon am Beispiel des ersten Maximums begründet.

6.2

  1. (a)

    Dies ist einfach nachzurechnen:

    $$\frac{|E_{x}(t,{\boldsymbol{r}})|^{2}}{E_{x0}^{2}}=\frac{|E_{y}(t,{\boldsymbol{r}})|^{2}}{E_{y0}^{2}}=1$$
    (6.207)

    und

    $$\frac{2\operatorname{Re}E^{*}_{x}E_{y}\cos\varphi}{E_{x0}E_{y0}}=2\cos^{2}\varphi.$$
    (6.208)

    Daraus folgt sofort die Behauptung.

  2. (b)

    Die Gleichung ist auch folgendermaßen darstellbar:

    $$(E_{x},E_{y})^{\top}{\boldsymbol{A}}\left(\begin{array}[]{c}E_{x}\\ E_{y}\end{array}\right)=1,$$
    (6.209)

    wobei die Matrix \({\boldsymbol{A}}\) folgende Gestalt hat:

    $$\left(\begin{array}[]{cc}\displaystyle\frac{1}{2E_{x0}^{2}\sin^{2}\varphi}&\displaystyle-\frac{\cos\varphi}{2E_{x0}E_{y0}\sin^{2}\varphi}\\ \displaystyle-\frac{\cos\varphi}{2E_{x0}E_{y0}\sin^{2}\varphi}&\displaystyle\frac{1}{2E_{y0}^{2}\sin^{2}\varphi}\\ \end{array}\right).$$
    (6.210)

    Für das Hauptachsenverhältnis ist nur das Verhältnis der Eigenwerte dieser Matrix wesentlich, für den Tangens des Drehwinkels nur das Verhältnis der Komponenten der Eigenvektoren. Beides ändert sich nicht, wenn man die Matrix mit einer beliebigen Konstanten multipliziert. Wir arbeiten deshalb im Folgenden mit der Matrix \({\boldsymbol{B}}={\boldsymbol{A}}\cdot 2E_{x0}^{2}E_{y0}^{2}\sin^{2}\varphi\), also

    $${\boldsymbol{B}}=\left(\begin{array}[]{cc}E_{y0}^{2}&\quad-E_{x0}E_{y0}\cos\varphi\\ -E_{x0}E_{y0}\cos\varphi&E_{x0}^{2}\\ \end{array}\right).$$
    (6.211)

    Zunächst bestimmen wir die Eigenwerte dieser Matrix aus der charakteristischen Gleichung:

    $$(E_{y0}^{2}-\lambda)(E_{x0}^{2}-\lambda)-E_{x0}^{2}E_{y0}^{2}\cos^{2}\varphi=0.$$
    (6.212)

    Ausmultiplizieren und Vereinfachen führt auf eine quadratische Gleichung mit den Lösungen

    $$\lambda_{1,2}=\frac{I\pm\sqrt{I^{2}-4E_{x0}^{2}E_{y0}^{2}\sin^{2}\varphi}}{2}.$$
    (6.213)

    Zunächst sehen wir, dass beide Eigenwerte positiv sind, also handelt es sich hier in der Tat um eine Ellipse. Deren Halbachsen ergeben sich direkt aus den Eigenwerten:

    $$a=\frac{1}{\sqrt{\lambda_{1}}}\quad\text{und}\quad b=\frac{1}{\sqrt{\lambda_{2}}},$$
    (6.214)

    wobei \(\lambda_{1}\) bzw. \(\lambda_{2}\) die Lösung mit dem negativen bzw. dem positiven Vorzeichen der Wurzel ist. Aus diesen Zusammenhängen erhält man die Behauptung über das Achsenverhältnis.

    Der Drehwinkel ergibt sich aus den Eigenvektoren, da ja die Drehmatrix, mit der die Matrix \({\boldsymbol{B}}\) in Diagonalgestalt gebracht wird, aus den Eigenvektoren aufgebaut ist. Der Eigenvektor \({\boldsymbol{v}}_{1}\) zu \(\lambda_{1}\) entspricht der ersten Spalte der Matrix. Somit kann man schreiben

    $${\boldsymbol{v}}_{1}=\left(\begin{array}[]{c}\cos\alpha\\ \sin\alpha\end{array}\right),$$
    (6.215)

    und man erhält den Tangens des Winkels als

    $$\tan\alpha=\frac{v_{1y}}{v_{1x}}.$$
    (6.216)

    Es bleibt noch \({\boldsymbol{v}}_{1}\) zu bestimmen. Diesen Eigenvektor erhält man aus

    $$({\boldsymbol{B}}-\lambda_{1}{\boldsymbol{E}}_{2}){\boldsymbol{v}}_{1}=0.$$
    (6.217)

    Es muss also

    $$(b_{11}-\lambda_{1})v_{1x}+b_{12}v_{1y}=0$$
    (6.218)

    gelten (und eine weitere Gleichung, die sich aus der zweiten Zeile der Matrix ergibt, aber zu demselben Ergebnis führt). Somit hat man

    $$\tan\alpha=\frac{\lambda_{1}-b_{11}}{b_{12}},$$
    (6.219)

    woraus man sofort das angegebene Ergebnis erhält.

6.3

  1. (a)

    Ein Polarisator, der um \(0^{\circ}\) bzw. \(90^{\circ}\) gegen die \(x\)-Achse gedreht ist, lässt nur die \(E_{x}\)- bzw. die \(E_{y}\)-Komponente des elektrischen Feldes durch; also ist \(I_{0^{\circ}}=E_{x0}^{2}\) und \(I_{90^{\circ}}=E_{y0}^{2}\) und damit \(M=E_{x0}^{2}-E_{y0}^{2}\).

    Schreibt man für den elektrischen Feldvektor

    $$\begin{aligned}\displaystyle&\displaystyle\left(E_{x0}{\boldsymbol{\hat{e}}}_{x}+E_{y0}\mathrm{e}^{\mathrm{i}\varphi}{\boldsymbol{\hat{e}}}_{y}\right)\mathrm{e}^{\mathrm{i}(kz-\omega t)}\\ \displaystyle&\displaystyle=\left(\frac{E_{x0}+E_{y0}\mathrm{e}^{\mathrm{i}\varphi}}{\sqrt{2}}{\boldsymbol{\hat{e}}}_{45^{\circ}}+\frac{E_{x0}-E_{y0}\mathrm{e}^{\mathrm{i}\varphi}}{\sqrt{2}}{\boldsymbol{\hat{e}}}_{135^{\circ}}\right)\mathrm{e}^{\mathrm{i}(kz-\omega t)},\end{aligned}$$
    (6.220)

    wobei \({\boldsymbol{\hat{e}}}_{x}\) bzw. \({\boldsymbol{\hat{e}}}_{y}\) Einheitsvektoren in \(x\)- bzw. \(y\)- Richtung und \({\boldsymbol{\hat{e}}}_{45^{\circ}}\) bzw. \({\boldsymbol{\hat{e}}}_{135^{\circ}}\) entsprechend gedrehte Einheitsvektoren sind, so ergibt sich zunächst

    $$\begin{aligned}\displaystyle I_{45^{\circ}}&\displaystyle=\frac{1}{2}\left|E_{x0}+E_{y0}\mathrm{e}^{\mathrm{i}\varphi}\right|^{2}\\ \displaystyle&\displaystyle=\frac{1}{2}E_{x0}^{2}+\frac{1}{2}E_{y0}^{2}+E_{x0}E_{y0}\cos\varphi,\\ \displaystyle I_{135^{\circ}}&\displaystyle=\frac{1}{2}\left|E_{x0}-E_{y0}\mathrm{e}^{\mathrm{i}\varphi}\right|^{2}\\ \displaystyle&\displaystyle=\frac{1}{2}E_{x0}^{2}+\frac{1}{2}E_{y0}^{2}-E_{x0}E_{y0}\cos\varphi,\end{aligned}$$
    (6.221)

    also \(C=2E_{x0}E_{y0}\cos\varphi\). Schreibt man dagegen den elektrischen Feldvektor wie in Abschn. 6.1 als Summe eines links- und rechtszirkular polarisierten Anteils, d. h.

    $${\boldsymbol{E}}=E_{\mathrm{LZ}}\frac{1}{\sqrt{2}}\left({\boldsymbol{\hat{e}}}_{x}+\mathrm{i}{\boldsymbol{\hat{e}}}_{y}\right)+E_{\mathrm{RZ}}\frac{1}{\sqrt{2}}\left({\boldsymbol{\hat{e}}}_{x}-\mathrm{i}{\boldsymbol{\hat{e}}}_{y}\right),$$
    (6.222)

    so ist zunächst \(I_{\mathrm{LZ}}=|E_{\mathrm{LZ}}|^{2}\) und \(I_{\mathrm{RZ}}=|E_{\mathrm{RZ}}|^{2}\). Da aber andererseits

    $$E_{\mathrm{LZ}}=\frac{E_{x0}-\mathrm{i}E_{y0}\mathrm{e}^{\mathrm{i}\varphi}}{\sqrt{2}}\quad\text{und}\quad E_{\mathrm{RZ}}=\frac{E_{x0}+\mathrm{i}E_{y0}\mathrm{e}^{\mathrm{i}\varphi}}{\sqrt{2}}$$
    (6.223)

    gilt, ergibt sich

    $$\begin{aligned}\displaystyle|E_{\mathrm{LZ}}|^{2}&\displaystyle=\frac{1}{2}E_{x0}^{2}+\frac{1}{2}E_{y0}^{2}+E_{x0}E_{y0}\sin\varphi,\\ \displaystyle|E_{\mathrm{RZ}}|^{2}&\displaystyle=\frac{1}{2}E_{x0}^{2}+\frac{1}{2}E_{y0}^{2}-E_{x0}E_{y0}\sin\varphi\\ \displaystyle\end{aligned}$$
    (6.224)

    und damit \(S=2E_{x0}E_{y0}\sin\varphi\).

    Dass \(M^{2}+C^{2}+S^{2}=I^{2}\) ist, zeigt man einfach durch direktes Nachrechnen.

  2. (b)

    Zunächst ist aus \(S=I_{\mathrm{LZ}}-I_{\mathrm{RZ}}\) klar, dass das Vorzeichen von \(S\) die Richtung der elliptischen Polarisation angibt.

    Die Ergebnisse aus Aufgabe 6.2 kann man mittels der Formeln in Teilaufgabe (a) auch kürzer schreiben:

    $$\tan\omega =\frac{b}{a}=\sqrt{\frac{I-\sqrt{I^{2}-S^{2}}}{I+\sqrt{I^{2}-S^{2}}}}$$
    (6.225)
    $$ =\sqrt{\frac{I-\sqrt{M^{2}+C^{2}}}{I+\sqrt{M^{2}+C^{2}}}},$$
    $$\tan\alpha =\frac{-M+\sqrt{I^{2}-S^{2}}}{C}=\frac{-M+\sqrt{M^{2}+C^{2}}}{C}.$$

    Außerdem gelten die trigonometrischen Beziehungen

    $$\begin{aligned}\displaystyle\sin(2\omega)&\displaystyle=2\sin\omega\cos\omega=\frac{2\tan\omega}{1+\tan^{2}\omega},\\ \displaystyle\cos(2\omega)&\displaystyle=\cos^{2}\omega-\sin^{2}\omega=\frac{1-\tan^{2}\omega}{1+\tan^{2}\omega}\end{aligned}$$
    (6.226)

    und entsprechend für \(\alpha\). Setzt man die obigen Ausdrücke für \(\tan\omega\) und \(\tan\alpha\) ein, so erhält man nach einigen Umformungen

    $$\begin{aligned}\displaystyle\sin(2\omega)&\displaystyle=\frac{S}{I},\\ \displaystyle\cos(2\omega)&\displaystyle=\frac{\sqrt{M^{2}+C^{2}}}{I},\\ \displaystyle\sin(2\alpha)&\displaystyle=\frac{C}{\sqrt{M^{2}+C^{2}}},\\ \displaystyle\cos(2\alpha)&\displaystyle=\frac{M}{\sqrt{M^{2}+C^{2}}},\end{aligned}$$
    (6.227)

    woraus sofort die angegebenen Ergebnisse für \(M\), \(C\) und \(S\) folgen.

    Interpretiert man \((M;C;S)\) als kartesische Koordinaten in einem dreidimensionalen Raum, so entspricht jeder Polarisationszustand einem Punkt auf der Oberfläche einer Kugel mit Radius \(I\), der sogenannten Poincar\(\acute{e}\)-Kugel. Die Winkel \(2\omega\) bzw. \(2\alpha\) entsprechen dabei jeweils der Breite bzw. Länge auf dieser Kugel, und das Vorzeichen von \(\omega\), d. h., der Umlaufsinn der Polarisation gibt an, ob der Punkt auf der oberen oder unteren Halbkugel liegt.

  3. (c)

    Alle Ergebnisse erhält man leicht direkt oder nach kurzer Rechnung aus den Formeln in Teilaufgabe (b):

    1. (1)

      \((I;I;0;0)\)

    2. (2)

      \((I;-I;0;0)\)

    3. (3)

      \((I;0;I;0)\)

    4. (4)

      \((I;0;-I;0)\)

    5. (5)

      \((I;0;0;-I)\)

    6. (6)

      \((I;0;0;I)\)

    7. (7)

      \((I;0{,}6I;0;0{,}8I)\)

    8. (8)

      \((I;-0{,}6I;0;0{,}8I)\)

    9. (9)

      \((I;I/\sqrt{3};I/\sqrt{3};I/\sqrt{3})\)

  4. (d)
    1. (1)

      Ein isotroper Absorber absorbiert in allen Richtungen denselben Anteil der Intensität, also ändern sich alle Stokes-Parameter um denselben Faktor \(T\), d. h., die Matrix ist hier einfach

      $$\left(\begin{array}[]{cccc}T&0&0&0\\ 0&T&0&0\\ 0&0&T&0\\ 0&0&0&T\\ \end{array}\right).$$
      (6.228)
    2. (2)

      Nach dem Polarisator muss sowohl die gesamte Intensität also auch diejenige in \(x\)-Richtung gleich derjenigen sein, die man vorher in \(x\)-Richtung hatte, die Intensität in \(y\)-Richtung muss dagegen verschwinden. Also hat man

      $$I^{\prime}=M^{\prime}=I_{0^{\circ}}\quad\text{und}\quad C^{\prime}=S^{\prime}=0.$$
      (6.229)

      Da aber offensichtlich

      $$I_{0^{\circ}}=\frac{I+M}{2}$$
      (6.230)

      gilt, folgt sofort die Matrix

      $$\left(\begin{array}[]{cccc}0{,}5&0{,}5&0&0\\ 0{,}5&0{,}5&0&0\\ 0&0&0&0\\ 0&0&0&0\\ \end{array}\right).$$
      (6.231)
    3. (3)

      Das \(\lambda/4\)-Plättchen vermindert die Phasenverschiebung der \(y\)-Komponente gegenüber der \(x\)-Komponente um \(\uppi/2\); die Amplituden ändern sich nicht. Also ändern sich \(I\) und \(M\) nicht, aber mit den Formeln in Teilaufgabe (a) folgt sofort

      $$C^{\prime}=S\quad\text{und}\quad S^{\prime}=-C.$$
      (6.232)

      Damit ist die Matrix

      $$\left(\begin{array}[]{cccc}1&0&0&0\\ 0&1&0&0\\ 0&0&0&1\\ 0&0&-1&0\\ \end{array}\right).$$
      (6.233)

6.4

Zunächst ist die Funktion \(\mathrm{e}^{\mathrm{i}kr}/r\) eine Lösung der Wellengleichung, d. h., es gilt

$$({\varDelta}+k^{2})\frac{\mathrm{e}^{\mathrm{i}kr}}{r}=0$$
(6.234)

überall dort, wo die Funktion überhaupt differenzierbar ist. Probleme macht also nur der Ursprung selbst. Dort hat die Funktion eine Polstelle, die Ableitung wird somit auch unendlich groß. Dieses Verhalten passt zu dem der Deltafunktion, die sich ergeben soll.

Außerdem muss das Volumenintegral über eine Deltafunktion 1 ergeben, d. h., es muss hier

$$\int\mathrm{d}V({\varDelta}+k^{2})\frac{\mathrm{e}^{\mathrm{i}kr}}{r}=-4\uppi$$
(6.235)

gelten. Dieses Volumenintegral ist noch zu berechnen:

$$\int\mathrm{d}V({\varDelta}+k^{2})\frac{\mathrm{e}^{\mathrm{i}kr}}{r}=\int\mathrm{d}V{\varDelta}\frac{\mathrm{e}^{\mathrm{i}kr}}{r}+k^{2}\int\mathrm{d}V\frac{\mathrm{e}^{\mathrm{i}kr}}{r}.$$
(6.236)

Wir integrieren über eine Kugel mit Radius \(R\) um den Ursprung. Das erste Integral kann man dann mit dem Gauß’schen Satz umschreiben, beim zweiten Integral kann man die Winkelintegrationen ausführen:

$$=\oint_{\partial V}R^{2}\mathrm{d}\Upomega\,\left({\boldsymbol{\hat{e}}}_{r}\cdot{\boldsymbol{\nabla}}\frac{\mathrm{e}^{\mathrm{i}kr}}{r}\right)_{r=R}+4\uppi k^{2}\int_{0}^{R}r\mathrm{e}^{\mathrm{i}kr}\,\mathrm{d}r.$$
(6.237)

Für die Ableitung ergibt sich

$$\left({\boldsymbol{\hat{e}}}_{r}\cdot{\boldsymbol{\nabla}}\frac{\mathrm{e}^{\mathrm{i}kr}}{r}\right)_{r=R}=\left(\mathrm{i}k-\frac{1}{R}\right)\frac{\mathrm{e}^{\mathrm{i}kR}}{R}.$$
(6.238)

Damit erhält man für das Volumenintegral zunächst

$$=4\uppi\left(\mathrm{i}kR-1\right)\mathrm{e}^{\mathrm{i}kR}+4\uppi k^{2}\int_{0}^{R}r\mathrm{e}^{\mathrm{i}kr}\,\mathrm{d}r.$$
(6.239)

Nun führt man das Integral über \(r\) aus:

$$\begin{aligned}\displaystyle\int_{0}^{R}r\mathrm{e}^{\mathrm{i}kr}\,\mathrm{d}r&\displaystyle=\frac{1}{\mathrm{i}}\frac{\partial}{\partial k}\int_{0}^{R}\mathrm{e}^{\mathrm{i}kr}\,\mathrm{d}r\\ \displaystyle&\displaystyle=\frac{1}{\mathrm{i}}\frac{\partial}{\partial k}\frac{\mathrm{e}^{\mathrm{i}kR}-1}{\mathrm{i}k}\\ \displaystyle&\displaystyle=-\frac{\mathrm{i}kR\mathrm{e}^{\mathrm{i}kR}-(\mathrm{e}^{\mathrm{i}kR}-1)}{k^{2}}.\end{aligned}$$
(6.240)

Damit bleibt für das Volumenintegral

$$\begin{aligned}\displaystyle&\displaystyle=4\uppi\left(\mathrm{i}kR-1\right)\mathrm{e}^{\mathrm{i}kR}-4\uppi\left(\mathrm{i}kR\mathrm{e}^{\mathrm{i}kR}-(\mathrm{e}^{\mathrm{i}kR}-1)\right),\\ \displaystyle&\displaystyle=-4\uppi,\end{aligned}$$
(6.241)

was zu zeigen war.

Anmerkung: Dieses Resultat kennen wir übrigens bereits. Die hier betrachtete Funktion ist letztlich nichts anderes als die Lösung der Helmholtz-Gleichung, die in Abschn. 3.2 berechnet wurde; man muss nur in der dort gefundenen Lösung (3.61) \(k_{0}\) durch \(-ik\) ersetzen.

6.5

  1. (a)

    Aus der Telegrafengleichung (6.73) folgt mit \({\boldsymbol{j}}=\sigma{\boldsymbol{E}}\) sofort

    $$\Box^{\prime}{\boldsymbol{j}}=-\frac{4\uppi\sigma}{c^{2}}\partial_{t}{\boldsymbol{j}}.$$
    (6.242)

    Da \({\boldsymbol{j}}\) sicher dieselbe harmonische Zeitabhängigkeit hat wie \(I\), kann man die Zeitableitungen gleich ausführen und erhält

    $$\left(-\frac{\omega^{2}}{c^{\prime 2}}-\varDelta\right){\boldsymbol{j}}=\frac{4\uppi\mathrm{i}\sigma\omega}{c^{2}}{\boldsymbol{j}}.$$
    (6.243)

    Da aber \(\sigma\gg\omega\) vorausgesetzt wurde, kann der erste Term gegenüber dem auf der rechten Seite vernachlässigt werden, und es bleibt

    $$\varDelta{\boldsymbol{j}}+\frac{4\uppi\mathrm{i}\sigma\omega}{c^{2}}{\boldsymbol{j}}=0.$$
    (6.244)

    Aus (6.96) erhalten wir für \(\sigma\gg\omega\) und \(\mu=1\) außerdem

    $$\kappa=\sqrt{\frac{2\uppi\sigma}{\omega}},$$
    (6.245)

    woraus mit (6.87) und (6.91) dann das angegebene Ergebnis für \(d\) folgt. Eingesetzt in (6.244) ergibt sich dann die behauptete Differenzialgleichung.

  2. (b)

    Der Strom fließt in \(z\)-Richtung. Wegen der Symmetrie des Systems ist \({\boldsymbol{j}}\) außerdem sicher von \(z\) und \(\varphi\) unabhängig. Es gilt also:

    $${\boldsymbol{j}}({\boldsymbol{r}})=j_{z}(\varrho){\boldsymbol{\hat{e}}}_{z}.$$
    (6.246)

    Setzt man dies in die Differenzialgleichung ein und benutzt die explizite Gestalt des Laplace-Operators in Zylinderkoordinaten, so ergibt sich für \(j_{z}\) die Differenzialgleichung

    $$\left(\frac{1}{\varrho}\partial_{\varrho}\varrho\partial_{\varrho}+\frac{2\mathrm{i}}{d^{2}}\right)j_{z}(\varrho)=0.$$
    (6.247)

    Nach Umschreiben des Differenzialoperators und Multiplizieren mit \(\varrho^{2}\) bleibt

    $$\left(\varrho^{2}\partial^{2}_{\varrho}+\varrho\partial_{\varrho}+\frac{2\mathrm{i}}{d^{2}}\varrho^{2}\right)j_{z}(\varrho)=0.$$
    (6.248)

    Nun gehen wir noch zu einheitenlosen Größen über, indem wir die Abkürzungen

    $$x:=\sqrt{2\mathrm{i}}\frac{\varrho}{d}=(1+\mathrm{i})\frac{\varrho}{d}\quad\text{und}\quad\tilde{j}(x)=j_{z}(\varrho).$$
    (6.249)

    einführen. Dann hat man schlussendlich

    $$\left(x^{2}\frac{\mathrm{d}^{2}}{\mathrm{d}x^{2}}+x\frac{\mathrm{d}}{\mathrm{d}x}+x^{2}\right)\tilde{j}(x)=0.$$
    (6.250)

    Dies ist aber einfach die Bessel’sche Differenzialgleichung mit \(m=0\); die allgemeinen Lösungen sind also

    $$j_{z}(\varrho)=A\,J_{0}\left((1+\mathrm{i})\frac{\varrho}{d}\right)+B\,Y_{0}\left((1+\mathrm{i})\frac{\varrho}{d}\right)$$
    (6.251)

    mit den Bessel-Funktionen erster und zweiter Art und nullter Ordnung \(J_{0}\) und \(Y_{0}\).

  3. (c)

    Für \(x\to 0\) gilt \(Y_{0}(x)\to\infty\); eine physikalisch sinnvolle Lösung haben wir deshalb nur für \(B=0\). Die Konstante \(A\) können wir aus der Bedingung

    $$\int_{A}{\boldsymbol{j}}\cdot\mathrm{d}{\boldsymbol{f}}=I$$
    (6.252)

    bestimmen. Hier wird über eine Kreisscheibe integriert:

    $$\int_{0}^{2\uppi}\mathrm{d}\varphi\int_{0}^{\varrho_{0}}\varrho\,j_{z}(\varrho)\,\mathrm{d}\varrho=I_{0}.$$
    (6.253)

    Die Winkelintegration ist sofort ausführbar. Für die radiale Integration beachte

    $$\int_{0}^{x_{0}}xJ_{0}(x)\,\mathrm{d}x=x_{0}J_{1}(x_{0});$$
    (6.254)

    dies erhält man beispielsweise aus den Rekursionsbeziehungen im „Mathematischen Hintergrund“ 6.2. Damit ergibt sich schließlich

    $$\frac{2\uppi Ad}{1+\mathrm{i}}\varrho_{0}J_{1}\left((1+\mathrm{i})\frac{\varrho_{0}}{d}\right)=I_{0},$$
    (6.255)

    also

    $$j_{z}(\varrho)=\frac{(1+\mathrm{i})\,I_{0}}{2\uppi d\varrho_{0}}\frac{J_{0}\left((1+\mathrm{i})\frac{\varrho}{d}\right)}{J_{1}\left((1+\mathrm{i})\frac{\varrho_{0}}{d}\right)}.$$
    (6.256)
  4. (d)

    Für \(\varrho\gg d\) können wir die Bessel-Funktionen entwickeln. Aus dem „Mathematischen Hintergrund“ 6.2 entnehmen wir, dass

    $$J_{0}(x)\approx\sqrt{\frac{2}{\uppi x}}\cos\left(x-\frac{\uppi}{4}\right)$$
    (6.257)

    ist, also

    $$J_{0}\left((1+\mathrm{i})\frac{\varrho}{d}\right) \approx\sqrt{\frac{2d}{\uppi(1+\mathrm{i})\varrho}}\cos\left((1+\mathrm{i})\frac{\varrho}{d}-\frac{\uppi}{4}\right)$$
    $$ =\sqrt{\frac{2d}{\uppi(1+\mathrm{i})\varrho}}\left[\cos\left(\frac{\varrho}{d}-\frac{\uppi}{4}\right)\cos\left(\mathrm{i}\frac{\varrho}{d}\right)\right.$$
    $$ \quad\left.-\sin\left(\frac{\varrho}{d}-\frac{\uppi}{4}\right)\sin\left(\mathrm{i}\frac{\varrho}{d}\right)\right]$$
    $$ =\sqrt{\frac{2d}{\uppi(1+\mathrm{i})\varrho}}\left[\cos\left(\frac{\varrho}{d}-\frac{\uppi}{4}\right)\cosh\left(\frac{\varrho}{d}\right)\right.$$
    $$ \quad\left.-\mathrm{i}\sin\left(\frac{\varrho}{d}-\frac{\uppi}{4}\right)\sin\left(\frac{\varrho}{d}\right)\right]$$
    (6.258)
    $$ =\sqrt{\frac{2d}{\uppi(1+\mathrm{i})\varrho}}\mathrm{e}^{\varrho/d}\exp\left(-\mathrm{i}\left[\frac{\varrho}{d}-\frac{\uppi}{4}\right]\right).$$

    Ebenso folgt

    $$J_{1}\left((1+\mathrm{i})\frac{\varrho_{0}}{d}\right)\approx\sqrt{\frac{2d}{\uppi(1+\mathrm{i})\varrho_{0}}}\mathrm{e}^{\varrho_{0}/d}\,\mathrm{i}\,\exp\left(-\mathrm{i}\left[\frac{\varrho_{0}}{d}-\frac{\uppi}{4}\right]\right),$$
    (6.259)

    also ist insgesamt

    $$j_{z}(\varrho)=\frac{(1-\mathrm{i})\,I_{0}}{2\uppi d\sqrt{\varrho\varrho_{0}}}\,\mathrm{e}^{(\varrho-\varrho_{0})/d}\,\mathrm{e}^{-\mathrm{i}(\varrho-\varrho_{0})/d}.$$
    (6.260)

    Zum Rand des Leiters hin steigt die Stromdichte also exponentiell an (und oszilliert außerdem). Der größte Teil des Stroms fließt deshalb in einer dünnen „Haut“ des Drahts; daher stammt die Bezeichnung „Skineffekt“.

6.6

Zunächst haben wir aus (6.130):

$$\omega(k_{z})=c\sqrt{k_{z}^{2}+\left(\frac{m\uppi c}{a}\right)^{2}+\left(\frac{n\uppi c}{b}\right)^{2}}.$$
(6.261)

Damit ist also einfach

$$c_{\mathrm{ph}}(k_{z})=\frac{\omega(k_{z})}{k_{z}}=c\sqrt{1+\left(\frac{m\uppi c}{k_{z}a}\right)^{2}+\left(\frac{n\uppi c}{k_{z}b}\right)^{2}}.$$
(6.262)

Die Gruppengeschwindigkeit ist dagegen

$$\begin{aligned}\displaystyle c_{\mathrm{gr}}(k_{z})&\displaystyle=\frac{\partial\omega(k_{z})}{\partial k_{z}}=c\frac{k_{z}}{\sqrt{k_{z}^{2}+\left(\frac{m\uppi c}{a}\right)^{2}+\left(\frac{n\uppi c}{b}\right)^{2}}}\\ \displaystyle&\displaystyle=\frac{c}{\sqrt{1+\left(\frac{m\uppi c}{k_{z}a}\right)^{2}+\left(\frac{n\uppi c}{k_{z}b}\right)^{2}}}.\end{aligned}$$
(6.263)

Also gilt hier immer \(c_{\mathrm{ph}}> c\) und \(c_{\mathrm{gr}}<c\), genauer sogar

$$c_{\mathrm{ph}}\cdot c_{\mathrm{gr}}=c^{2}.$$
(6.264)

Die Frontgeschwindigkeit, die letztlich die Geschwindigkeit angibt, mit der Informationen übertragen werden, ist dagegen exakt gleich der Vakuumgeschwindigkeit:

$$c_{\mathrm{fr}}=\lim_{k_{z}\to\infty}c_{\mathrm{ph}}(k_{z})=c.$$
(6.265)

6.7

Die Wellengleichung für \(E_{z}\) führt in Zylinderkoordinaten auf eine Bessel’sche Differenzialgleichung. Die Lösungen für \(E_{z}\) sind daher laut (6.52) zunächst (mit \(\omega=kc\)):

$$\begin{aligned}\displaystyle E_{z}(t,\varrho,\varphi,z)&\displaystyle=\left[A\,J_{m}\left(\sqrt{k^{2}-k_{z}^{2}}\,\varrho\right)\right.\\ \displaystyle&\displaystyle\quad\left.+B\,Y_{m}\left(\sqrt{k^{2}-k_{z}^{2}}\,\varrho\right)\right]\mathrm{e}^{\mathrm{i}(k_{z}z-\omega t\pm m\varphi)}.\end{aligned}$$
(6.266)

Die Funktionen \(Y_{m}(x)\) sind für \(x\to 0\) aber alle divergent, sodass sich physikalisch sinnvolle Lösungen nur für \(B=0\) ergeben. Für \(A\) schreiben wir im Folgenden einfach \(E_{0z}\).

Außerdem ist wieder die Randbedingung zu erfüllen, dass die Tangentialkomponente von \({\boldsymbol{E}}\) auf der Oberfläche des Leiters verschwinden muss, d. h.

$$E_{z}(t,\varrho_{0},\varphi,z)=0.$$
(6.267)

Dies führt auf

$$J_{m}\left(\sqrt{k^{2}-k_{z}^{2}}\,\varrho_{0}\right)=0.$$
(6.268)

Es muss somit

$$\sqrt{k^{2}-k_{z}^{2}}\,\varrho_{0}=x_{mn}$$
(6.269)

gelten, wobei \(x_{mn}\) für die \(n\)te Nullstelle der Bessel-Funktion \(J_{m}\) steht (diese kann man in der mathematischen Literatur nachlesen). Damit haben wir für die TM-Moden die Dispersionsrelation

$$\frac{\omega^{2}}{c^{2}}=\left(\frac{x_{mn}}{\varrho_{0}}\right)^{2}+k_{z}^{2},$$
(6.270)

und für das elektrische Feld in \(z\)-Richtung ergibt sich jeweils

$$E_{z}(t,\varrho,\varphi,z)=E_{0z}\,J_{m}\left(\frac{x_{mn}}{\varrho_{0}}\varrho\right)\mathrm{e}^{\mathrm{i}(k_{z}z-\omega t\pm m\varphi)}$$
(6.271)

mit \(m=0,1,2,\ldots\) und \(n=1,2,3,\ldots\) Außerdem gilt natürlich

$$B_{z}=0,$$
(6.272)

da wir ja die TM-Moden betrachten.

Die restlichen Feldkomponenten in den transversalen Richtungen erhält man mithilfe von (6.147). Im Folgenden sind jeweils nur die Abhängigkeiten von \(\varrho\) explizit angegeben; die Abhängigkeiten von \(t\), \(\varphi\) und \(z\) sind wie bei \(E_{z}\).

$$\begin{aligned}\displaystyle E_{\varrho}(\varrho)&\displaystyle=\frac{\mathrm{i}k_{z}}{\omega^{2}/c^{2}-k_{z}^{2}}\partial_{\varrho}E_{z}\\ \displaystyle&\displaystyle=\frac{\mathrm{i}k_{z}}{\omega^{2}/c^{2}-k_{z}^{2}}\frac{x_{mn}E_{0z}}{\varrho_{0}}\,J^{\prime}_{m}\left(\frac{x_{mn}}{\varrho_{0}}\varrho\right),\\ \displaystyle E_{\varphi}(\varrho)&\displaystyle=\frac{1}{\varrho}\frac{\mathrm{i}k_{z}}{\omega^{2}/c^{2}-k_{z}^{2}}\partial_{\varphi}E_{z}\\ \displaystyle&\displaystyle=\mp\frac{mk_{z}}{\omega^{2}/c^{2}-k_{z}^{2}}E_{0z}\,\frac{J_{m}\left(\frac{x_{mn}}{\varrho_{0}}\varrho\right)}{\varrho},\\ \displaystyle B_{\varrho}(\varrho)&\displaystyle=-\frac{\omega}{k_{z}c}E_{\varphi}\\ \displaystyle&\displaystyle=\pm\frac{m\,\omega/c}{\omega^{2}/c^{2}-k_{z}^{2}}E_{0z}\,\frac{J_{m}\left(\frac{x_{mn}}{\varrho_{0}}\varrho\right)}{\varrho},\\ \displaystyle B_{\varphi}(\varrho)&\displaystyle=\frac{\omega}{k_{z}c}E_{\varrho}\\ \displaystyle&\displaystyle=\frac{\mathrm{i}\omega/c}{\omega^{2}/c^{2}-k_{z}^{2}}\frac{x_{mn}E_{0z}}{\varrho_{0}}\,J^{\prime}_{m}\left(\frac{x_{mn}}{\varrho_{0}}\varrho\right).\end{aligned}$$
(6.273)

Für die Ableitungen der Bessel-Funktionen könnte man außerdem noch den allgemeinen Zusammenhang

$$J^{\prime}_{m}(x)=\frac{1}{2}\left[J_{m-1}(x)-J_{m+1}(x)\right]$$
(6.274)

verwenden.

6.8

Die abgestrahlte Energie pro Zeiteinheit und damit auch die elektrische Feldstärke muss zeitlich abnehmen, weil insgesamt ja nur eine endliche Energiemenge abgestrahlt wird. Speziell bei einer exponentiell gedämpften Schwingung gilt für die elektrische Feldstärke in Abhängigkeit von der Zeit:

$${\boldsymbol{E}}(t)=\left\{\begin{array}[]{ll}0&\text{f{\"u}r }t<0\\ {\boldsymbol{E}}_{0}\cos(\omega_{0}t)\mathrm{e}^{-\gamma t}&\text{f{\"u}r }t\geq 0\\ \end{array}\right..$$
(6.275)

Die Fourier-Transformierte ist also

$$\tilde{{\boldsymbol{E}}}(\omega) =\frac{{\boldsymbol{E}}_{0}}{\sqrt{2\uppi}}\int_{0}^{\infty}\mathrm{d}t\frac{\mathrm{e}^{[\mathrm{i}(\omega_{0}-\omega)-\gamma]t}+\mathrm{e}^{[\mathrm{i}(-\omega_{0}-\omega)-\gamma]t}}{2}$$
$$ =-\frac{{\boldsymbol{E}}_{0}}{2\sqrt{2\uppi}}\left(\frac{1}{\mathrm{i}(\omega_{0}-\omega)-\gamma}+\frac{1}{\mathrm{i}(-\omega_{0}-\omega)-\gamma}\right)$$
$$ =\frac{{\boldsymbol{E}}_{0}}{\sqrt{2\uppi}}\frac{\gamma+\mathrm{i}\omega}{\omega_{0}^{2}-\omega^{2}+\gamma^{2}+2\mathrm{i}\gamma\omega}.$$
(6.276)

Da der Poynting-Vektor proportional zur elektromagnetischen Energiedichte ist und in einer elektromagnetischen Welle im Vakuum die Amplituden des elektrischen und magnetischen Feldes gleich sind, ist die abgestrahlte Energie (pro Frequenzintervall) letztlich einfach proportional zum (Betrags-)Quadrat der elektrischen Feldstärke, also proportional zu

$$\frac{\gamma^{2}+\omega^{2}}{(\omega^{2}-\omega_{0}^{2}-\gamma^{2})^{2}+4\gamma^{2}\omega^{2}}.$$
(6.277)

Dies beschreibt eine typische Resonanzkurve mit dem Maximum bei der Frequenz \(\sqrt{\omega_{0}^{2}+\gamma^{2}}\) und der Breite \(2\gamma\). Obwohl die Energie eigentlich bei der festen Frequenz \(\omega_{0}\) abgestrahlt wird, ergibt sich im Spektrum also keine scharfe Linie bei \(\omega_{0}\), sondern eine verbreiterte Linie bei \(\sqrt{\omega_{0}^{2}+\gamma^{2}}\). Diese Verbreiterung (und Verschiebung) der Linie rührt nur daher, dass die Abstrahlung zeitlich abnehmen muss, geschieht also völlig ohne äußere Einflüsse (wobei die Linie umso schmäler ist, je länger die Abstrahlung dauert). Deshalb spricht man hier von der natürlichen Linienbreite.

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Bartelmann, M., Feuerbacher, B., Krüger, T., Lüst, D., Rebhan, A., Wipf, A. (2018). Ausbreitung elektromagnetischer Wellen. In: Theoretische Physik 2 | Elektrodynamik. Springer Spektrum, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-56117-1_6

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