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Zusammenfassung

Bisher haben wir uns entweder mit der Dynamik von Punktmassen oder von starren Körpern beschäftigt. Die dabei gelernten Methoden und Verfahren reichen für viele physikalische Anwendungen aus. In sehr vielen Problemen hat man es allerdings mit Systemen zu tun, die sich am zweckmäßigsten durch ein nichtstarres Kontinuum beschreiben lassen. Beispiele sind Flüssigkeiten und Gase (zusammengefasst auch als Fluide bezeichnet) oder elastische Festkörper wie Gummibänder oder Gitarrensaiten.

Wir werden hier untersuchen, wie sich verformbare Kontinua mathematisch beschreiben lassen und welche physikalischen Konsequenzen sich daraus ergeben. Zunächst wird der Kontinuumslimes durchgeführt. Dies erfordert die Einführung von sogenannten Feldern, die in der Elektrodynamik (Bd. 2) eine fundamentale Rolle spielen werden. Die einfachsten Beispiele sind die lineare Kette und die schwingende Saite in Abschn. 8.1 und 8.2.

Als mathematischer Exkurs werden die sogenannten Fourier-Reihen in Abschn. 8.3 diskutiert. Sie stellen ein wichtiges Hilfsmittel für viele Probleme in der Physik dar, z. B. für schwingende Kontinua.

Nach einer kurzer Einführung in den Lagrange-Formalismus für Felder in Abschn. 8.4 beschäftigen wir uns mit den Grundlagen der Elastizitätstheorie (Abschn. 8.5). Dabei taucht auch der sogenannte Spannungstensor auf, der in Feldtheorien eine bedeutende Rolle spielt.

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Literatur

  • Hänel, D.: Molekulare Gasdynamik: Einführung in die kinetische Theorie der Gase und Lattice-Boltzmann-Methoden. Springer, Berlin (2004)

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  • Stephani, H., Kluge, G.: Theoretische Mechanik: Grundlagen und Übungen. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg (1995)

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Correspondence to Matthias Bartelmann .

Appendices

So geht’s weiter

8.1.1 Fluiddynamik in Physik und Technik

Die Navier-Stokes-Gleichungen spielen fast überall dort eine wichtige Rolle, wo die Beschreibung von Fluiden berücksichtigt werden muss. Dazu gehören Wettervorhersage, Blutfluss, chemische Industrie, Luft- und Raumfahrt oder Sternentwicklung – um nur einige wenige Beispiele zu nennen.

Aufgrund ihrer Nichtlinearität (die Geschwindigkeit kommt quadratisch vor) und da es sich bei ihnen um partielle Differenzialgleichungen handelt, sind die Navier-Stokes-Gleichungen generell nur sehr schwer zu lösen. Hinzu kommen die benötigten Rand- und Anfangsbedingungen, die bei realistischen Problemen beliebig kompliziert werden können. Je komplexer die betrachtete Geometrie ist, desto aufwendiger wird die Lösung des Problems. Beispiele sind Ozeanströmungen entlang einer Küste oder die Strömung in veränderlichen Geometrien (z. B. Suspensionen, d. h. Flüssigkeiten mit suspendierten Teilchen, deren Oberflächen sowohl komplexe Randbedingungen für die Flüssigkeit darstellen, die aber auch durch die umgebende Flüssigkeit mitbewegt werden). In vielen Fluiden kommt es zudem zu chemischen Reaktionen (reaktiven Strömungen ), die sowohl durch die Strömung beeinflusst werden als auch auf diese zurückwirken.

Häufig kommen noch weitere Komplikationen hinzu: Beispielsweise gibt es kompressible Fluide (die weitere Terme in der Navier-Stokes-Gleichung erfordern) oder Fluide mit veränderlicher bzw. inhomogener Viskosität.

In diesem Ausblick soll nur auf drei Punkte eingegangen werden: Turbulenz, Oberflächenspannung und numerische Lösungsansätze. Das Gebiet der Fluiddynamik ist jedoch viel umfangreicher und hat in der aktuellen Forschung nichts von seiner ursprünglichen Faszination verloren.

8.1.2 Turbulenz

Die Navier-Stokes-Gleichungen gestatten turbulente Lösungen. Turbulenz bedeutet, dass im Strömungsfeld scheinbar willkürliche und stark zeitabhängige Strukturen auftreten, die sich analytisch nur sehr schwer beschreiben lassen. Prominente Alltagsbeispiele sind das Mischen von Kaffee und Milch oder Luftwirbel, die durch Wind erzeugt werden.

Um zu verstehen, wann Turbulenz auftritt, schreiben wir (8.202 ) in dimensionsloser Form:

$$\frac{\boldsymbol{\partial}\tilde{\boldsymbol{u}}}{\partial\tilde{t}}+(\tilde{\boldsymbol{u}}\cdot\tilde{\boldsymbol{\nabla}})\tilde{\boldsymbol{u}}=-\tilde{\boldsymbol{\nabla}}\tilde{P}+\frac{1}{\mathrm{Re}}\tilde{\Updelta}\tilde{\boldsymbol{u}}+\tilde{\boldsymbol{f}}.$$
(8.210)

Dies lässt sich durch die folgenden Ersetzungen erreichen (sämtliche mit einer Tilde versehenen Größen sind dimensionslos):

$$\displaystyle\tilde{\boldsymbol{u}}=\frac{{\boldsymbol{u}}}{u_{c}},\quad\tilde{\boldsymbol{r}}=\frac{\boldsymbol{r}}{\ell_{c}},\quad\tilde{t}=\frac{t}{\ell_{c}/u_{c}},\quad\tilde{P}=\frac{P}{\rho u_{c}^{2}},\quad\tilde{\boldsymbol{f}}=\frac{{\boldsymbol{f}}}{u_{c}^{2}/\ell_{c}},$$
(8.211)

wobei \(u_{c}\) und \(\ell_{c}\) eine typische Geschwindigkeit und Länge des betrachteten Systems sind und sich die Differenzialoperatoren entsprechend wie \(\tilde{\boldsymbol{\nabla}}=\ell_{c}{\boldsymbol{\nabla}}\) und \(\tilde{\Updelta}=\ell_{c}^{2}\Updelta\) verhalten. Außerdem wurde die dimensionslose Reynolds-Zahl (benannt nach dem britischen Physiker Osborne Reynolds, 1842–1912, der diese bereits durch Stokes eingeführte Zahl populär machte)

$$\mathrm{Re}:=\frac{\rho u_{c}\ell_{c}}{\eta}$$
(8.212)

definiert.

Für das bereits angesprochene Beispiel wählt man typischerweise den Durchmesser der Kaffeetasse für \(\ell_{c}\) und die Geschwindigkeit des Löffels für \(u_{c}\). Man kann sich sehr leicht vorstellen, dass verschiedene physikalische Systeme auf völlig unterschiedliche Reynolds-Zahlen führen. Die folgende Tabelle gibt einen kurzen Überblick:

System

\(\ell_{c}\)

\(u_{c}\)

Re

schwimmende Bakterien

\(1\,\upmu\mathrm{m}\)

\(10\,\upmu\mathrm{m}/\mathrm{s}\)

\(10^{-5}\)

Blutfluss in Kapillargefäßen

\(10\,\upmu\mathrm{m}\)

\(1\,\mathrm{mm}/\mathrm{s}\)

\(10^{-2}\)

Blutfluss in Aorta

\(1\,\mathrm{cm}\)

\(10\,\mathrm{cm}/\mathrm{s}\)

\(10^{3}\)

schwimmender Mensch

\(1\,\mathrm{m}\)

\(1\,\mathrm{m}/\mathrm{s}\)

\(10^{6}\)

Passagierflugzeug

\(10\,\mathrm{m}\)

\(200\,\mathrm{m}/\mathrm{s}\)

\(10^{8}\)

Eine physikalisch wichtige Folgerung der dimensionslosen Gleichung (8.210 ) ist das Ähnlichkeitsgesetz der Navier-Stokes-Gleichung. Es besagt, dass sich alle Strömungen mit gleicher Geometrie (d. h. gleichen Anfangs- und Randbedingungen) und gleicher Reynolds-Zahl ähnlich verhalten, egal welche physikalischen Werte \(\rho\), \(u_{c}\), \(\ell_{c}\) und \(\eta\) im Detail annehmen. Beispielsweise lässt sich die in Abb. 8.25 gezeigte Wirbelstraße (die dort auf der Skala von vielen Kilometern existiert) auch im Labor auf der Zentimeterskala erzeugen. Dies ist für das Testen der Aerodynamik von Fahr- und Flugzeugen wichtig, die im Windkanal anhand von Miniaturmodellen untersucht werden kann.

Turbulenz tritt auf, wenn die Reynolds-Zahl hinreichend groß (und damit die viskose Reibung relativ unwichtig) ist. Da die kinetische Energie der Strömung so nur langsam in Wärme umgewandelt wird, verbleibt sie lange in der Strömung; es bilden sich dann häufig Wirbel wie in Abb. 8.25 gezeigt.

Der Grenzbereich zwischen laminarer (d. h. nichtturbulenter) und turbulenter Strömung liegt im Bereich um \(\mathrm{Re}\approx 10^{3}\), ist aber stark problemspezifisch.

Abb. 8.25
figure 25figure 25

Eine Kármán’sche Wirbelstraße (nach dem ungarisch-amerikanischen Physiker Theodore von Kármán , 1881–1963) in der Nähe der Insel Robinsón Crusoe (Chile), aufgenommen von Landsat 7 am 15. September 1999. Die Wirbelstraße wird durch einen Berg verursacht, der die Luftströmung stört. Die Wirbelstraße selbst ist noch nicht turbulent, da das Wirbelmuster regelmäßig ist. Wirbelstraßen können schon ab \(\mathrm{Re}\approx 50\) entstehen, wohingegen „echte“ Turbulenz erst ab \(\mathrm{Re}\approx 1000\) auftritt

Turbulente Strömungen haben die Eigenschaft, dass größere Wirbel nach und nach in kleinere zerfallen. Dieser Prozess findet so lange statt, bis die kleinsten Wirbel aufgrund von viskoser Dissipation verschwinden, d. h., ihre kinetische Energie wird letztlich in Wärme umgewandelt. Dass dies nur in den kleineren Wirbeln geschieht, erkennt man an der Definition der Reynolds-Zahl: Die lokale Reynolds-Zahl (definiert durch die Wirbelgröße und -geschwindigkeit) ist bei kleineren Wirbeln wesentlich kleiner, sodass dort die viskose Reibung wichtig wird. Die Längenskala, unterhalb der Wirbel durch Dissipation zerfallen, nennt man Mikroskala von Kolmogorow (der russische Mathematiker Andrei Nikolajewitsch Kolmogorow , 1903–1987, leistete wegweisende Beiträge zur Theorie der Turbulenz).

Da Turbulenz vor allem bei der Wettervorhersage und in industriellen Produktionsprozessen eine große Rolle spielt, ist ihr Verständnis von großer Wichtigkeit. Ausgesprochen schwierig wird die Beschreibung turbulenter Systeme aufgrund der großen Spanne der relevanten Längenskalen. Die größte Skala ist selbstverständlich die Systemgröße selbst. Die kleinste relevante Skala ist gerade die Kolmogorow-Länge. In vielen Systemen trennen diese beiden Skalen viele Größenordnungen.

8.1.3 Oberflächenspannung

Die Navier-Stokes-Gleichungen (8.202) beschreiben zunächst nur eine einzelne Fluidphase (verschiedene Fluidphasen sind beispielsweise Wasser und Luft oder Wasser und Öl). Hat man es mit mehreren Phasen zu tun, so müssen zusätzliche Gleichungen bzw. Terme berücksichtigt werden, die das Verhalten der Grenzflächen zwischen diesen Phasen beschreiben.

Ist Wasser (oder ein anderes Fluid) in Kontakt mit einem zweiten Fluid, so spielt die molekulare Wechselwirkung zwischen diesen Phasen eine wichtige Rolle. Beispielsweise wechselwirken zwei Wassermoleküle ganz anders miteinander als zwei Stickstoffmoleküle der Luft oder ein Wasser- und ein Stickstoffmolekül. Je nach Art dieser Wechselwirkungen kann sich eine sogenannte Oberflächenspannung zwischen den beiden Phasen ergeben.

Wassermoleküle ziehen sich aufgrund ihrer Dipolwechselwirkung gegenseitig stark an. Es ist daher energetisch günstiger, wenn ein gegebenes Wasservolumen (z. B. ein Tropfen in Luft) eine minimale Oberfläche hat, sodass eine möglichst geringe Anzahl von Wassermolekülen weniger Nachbarn vorfindet als diejenigen Moleküle, die sich im Inneren des Volumens befinden. Dies ist der Grund, warum kleinere Wassertropfen mit einem Durchmesser von bis zu wenigen Millimetern kugelförmig sind. Größere Tropfen unterliegen dem Einfluss der Schwerkraft und werden daher verformt. Dies kann man beispielsweise bei einem tropfenden Wasserhahn beobachten.

Mechanisch kann man die Oberflächenspannung folgendermaßen verstehen: Stoßen sich zwei Fluide aufgrund ihrer molekularen Eigenschaften ab (z. B. Öl und Wasser), so ist es energetisch ungünstig, die Grenzfläche zwischen diesen beiden Phasen zu vergrößern. Es kostet also eine Energie \(\Updelta E\), um die Grenzfläche um eine Fläche \(\Updelta A\) zu erhöhen. Die Oberflächenspannung ist gerade das Verhältnis

$$\gamma=\frac{\Updelta E}{\Updelta A}$$
(8.213)

und damit eine Art Grenzflächenenergiedichte. Umgekehrt bedeutet dies, dass eine existierende Grenzfläche einer äußeren (nicht zu großen) Kraft entgegenwirken kann, indem sich die Grenzfläche verformt und eine zusätzliche Gegenspannung erzeugt. Dies erlaubt es einem Wasserläufer, auf einer Wasseroberfläche zu laufen, ohne diese zu durchdringen (Abb. 8.26).

Es ist wichtig zu betonen, dass die Oberflächenspannung keine Eigenschaft eines Fluids ist, sondern stets zwei nicht mischbare Fluide charakterisiert. Mischbare Fluide (z. B. Alkohol und Wasser) bilden keine Grenzfläche, da ihre molekularen Wechselwirkungen ähnlich sind und keine makroskopische Abstoßung resultiert. Folglich gibt es keine Oberflächenspannung zwischen mischbaren Fluiden. Diese Effekte sind temperaturabhängig; so gibt es Fluide, die in bestimmten Temperaturintervallen mischbar und in anderen nicht mischbar sind.

Abb. 8.26
figure 26figure 26

Ein Wasserläufer kann aufgrund der Oberflächenspannung auf einer Wasseroberfläche (Grenzfläche zwischen Wasser und Luft) laufen, ohne dabei unterzugehen

Die Oberflächenspannung zwischen Luft und Wasser beträgt bei \(20\,^{\circ}\mathrm{C}\) etwa \(0{,}073\,\mathrm{J}/\mathrm{m}^{2}\). Damit lässt sich abschätzen, für welche Ausdehnungen Wassertropfen durch Oberflächenspannung (und nicht durch Gravitation) dominiert werden. Hierzu betrachtet man einen Wassertropfen mit Radius \(r\), Oberfläche \(A\) und Volumen \(V\). Die Kraft, mit der die Oberflächenspannung den Wassertropfen zusammenhält, ist von der Ordnung

$$F_{\gamma}=\frac{\gamma}{r}A=4\uppi\gamma r.$$
(8.214)

Dagegen wirkt insgesamt eine Gravitationskraft

$$F_{g}=\rho gV=\frac{4\uppi}{3}\rho gr^{3}$$
(8.215)

auf den Tropfen. Also haben wir

$$\displaystyle F_{\gamma}> F_{g}\quad\Longrightarrow\quad\gamma> \frac{\rho gr^{2}}{3}\quad\Longrightarrow\quad r_{\gamma}<\sqrt{\frac{\gamma}{\rho g}}\sim 3\,\mathrm{mm}.$$
(8.216)

Im letzten Schritt wurde der numerische Faktor \(\sqrt{3}\sim 1\) ignoriert. Man nennt \(r_{\gamma}\) die Kapillarlänge von Wasser. Wir sehen, dass Oberflächenspannungen nur für kleine Ausdehnungen (kleiner als wenige Millimeter) wichtig sind und demnach nur Insekten, nicht aber Säugetiere, über Wasser laufen können.

Noch interessanter wird es, wenn zwei nicht mischbare Fluide mit einem Festkörper in Kontakt kommen (Abb. 8.27 ). Dort hat man es dann mit drei verschiedenen Oberflächenspannungen zu tun (\(\gamma_{1f}\) zwischen Fluid 1 und Festkörper, \(\gamma_{2f}\) zwischen Fluid 2 und Festkörper sowie \(\gamma_{12}\) zwischen Fluid 1 und Fluid 2). Je nach Verhältnis dieser drei Oberflächenspannungen ergibt sich ein anderer Kontaktwinkel der Fluid-Fluid-Grenzfläche an der Oberfläche des Festkörpers.

Abb. 8.27
figure 27figure 27

Der Kontaktwinkel \(\theta\) wird durch die Steigung der Tangente an die Fluid-Fluid-Oberfläche am gemeinsamen Kontaktpunkt aller drei Phasen definiert und ist eine Funktion der drei Oberflächenspannungen \(\gamma_{12}\), \(\gamma_{1f}\) und \(\gamma_{2f}\)

Der Kontaktwinkel ist über die Young-Laplace-Gleichung (nach dem englischen Physiker Thomas Young, 1773–1829, und Pierre-Simon Laplace) festgelegt:

$$\cos\theta=\frac{\gamma_{1f}-\gamma_{2f}}{\gamma_{12}}.$$
(8.217)

Diese Gleichung lässt sich unmittelbar aus der Forderung eines mechanischen Kräftegleichgewichts ableiten.

Am häufigsten findet man die Situation, dass die beiden Fluide gerade Wasser und Luft sind. Dann spricht man bei \(\theta<90^{\circ}\) von hydrophilen und bei \(\theta> 90^{\circ}\) von hydrophoben Oberflächen. Von besonderem Interesse sind superhydrophobe Materialien mit einem Kontaktwinkel \(> 150^{\circ}\) (Lotuseffekt ; Abb. 8.28). An diesen perlt Wasser ab und transportiert mögliche Verschmutzungen fort; solche Materialien sind also potenziell selbstreinigend.

Abb. 8.28
figure 28figure 28

Der Kontaktwinkel von Wassertropfen auf einem Lotusblatt ist mit etwa \(150^{\circ}\) sehr groß. Das Wasser perlt daher ab und kann das Blatt nicht benetzen

8.1.4 Numerische Lösungsansätze

In den meisten Fällen werden die Navier-Stokes-Gleichungen numerisch, also mithilfe von Computeralgorithmen, gelöst.

Es gibt eine Vielzahl klassischer CFD -Werkzeuge (Computational Fluid Dynamics), die mittlerweile extrem ausgereift sind. Dazu gehören die Finite-Differenzen- und Finite-Volumen-Methoden , aber auch Finite-Elemente- und Spektralmethoden . In den vergangenen 20 Jahren wurden allerdings eine ganze Reihe weitere Methoden entwickelt, die als Navier-Stokes-Löser verwendet werden können, obwohl sie nicht direkt auf einer Diskretisierung der Navier-Stokes-Gleichungen aufbauen. Beispiele sind die Lattice-Boltzmann- oder Dissipative-Particle-Dynamics-Methode.

Eine Gemeinsamkeit der meisten dieser Methoden ist die notwendige Diskretisierung des Raumes und der Zeit. Der einfachste (aber nicht immer der sinnvollste und effizienteste) Zugang ist es, den Raum durch ein orthogonales und regelmäßiges Gitter mit Gitterkonstante \(\Updelta x\) zu beschreiben sowie die Zeit in äquidistante Zeitschritte der Länge \(\Updelta t\) zu unterteilen. Die Gleichungen werden dann nur an diskreten Orten und zu diskreten Zeiten gelöst.

Dies soll kurz anhand der Finite-Differenzen-Methode illustriert werden. Um die Ableitung von \(u(x)\) an einem Gitterpunkt \(x_{i}\) mit Nachbarn \(x_{i\pm 1}\) im Abstand \(\Updelta x\) zu bestimmen, berechnet man in erster Näherung

$$u^{\prime}(x_{i})\approx\frac{u(x_{i+1})-u(x_{i-1})}{2\Updelta x}.$$
(8.218)

Entsprechend kann die zweite Ableitung folgendermaßen angenähert werden (siehe auch (8.18)):

$$u^{\prime\prime}(x_{i})\approx\frac{u(x_{i-1})-2u(x_{i})+u(x_{i+1})}{(\Updelta x)^{2}}.$$
(8.219)

Das Voranschreiten in der Zeit stellt eine andere Herausforderung dar. Die einfachste Zeitintegration stellt das explizite Euler-Verfahren dar. Für die Geschwindigkeit an einem gegebenen Punkt im Raum gilt dann (mit \(t_{j+1}=t_{j}+\Updelta t\))

$$u(t_{j+1})=u(t_{j})+\dot{u}(t_{j})\Updelta t,$$
(8.220)

wobei die zeitliche Änderung \(\dot{u}(t_{j})\) bekannt sein muss. Dieses Verfahren ist relativ ungenau; es gibt aber eine große Palette verfeinerter Algorithmen wie die sogenannten Runge-Kutta-Verfahren.

Literatur

  • Davidson, P. A.: Turbulence: An Introduction for Scientists and Engineers. Oxford University Press, 2004

  • Ferziger, J. H, Peric, M., Leonard, A.: Computational Methods for Fluid Dynamics. 3. Aufl., Springer Verlag, 2002

  • Krüger, T. et al.: The Lattice Boltzmann Method – Principles and Practice. Springer, 2017

  • Oertel, H. Jr. et al.: Prandtl – Führer durch die Strömungslehre: Grundlagen und Phänomene. 13. Aufl., Springer Verlag, 2012

Aufgaben

Gelegentlich enthalten die Aufgaben mehr Angaben, als für die Lösung erforderlich sind. Bei einigen anderen dagegen werden Daten aus dem Allgemeinwissen, aus anderen Quellen oder sinnvolle Schätzungen benötigt.

• leichte Aufgaben mit wenigen Rechenschritten

•• mittelschwere Aufgaben, die etwas Denkarbeit und unter Umständen die Kombination verschiedener Konzepte erfordern

••• anspruchsvolle Aufgaben, die fortgeschrittene Konzepte (unter Umständen auch aus späteren Kapiteln) oder eigene mathematische Modellbildung benötigen

8.1 • Randbedingungen für das elastische Band

Am Beispiel der eingespannten Saite wurde in Abschn. 8.2 gezeigt, wie sich Dirichlet’sche Randbedingungen, also z. B. \(q(t,0)=q(t,\ell)=0\), berücksichtigen lassen. In dieser Aufgabe sollen die Neumann’schen Randbedingungen betrachtet werden. Wir verlangen hier, dass das Band aus Abschn. 8.1 am Rand einer Kraft \(F\) ausgesetzt ist. Es ist aber im Vorfeld nicht klar, wie die Verformung \(q(t,x)\) bei \(x=0\) und \(x=\ell\) aussieht.

  1. a)

    Zeigen Sie, dass (8.5) im Kontinuumslimes die Form

    $$\rho\left.\frac{\partial^{2}q}{\partial t^{2}}\right\rvert_{x=\ell}+\frac{Y}{a_{0}}\left.\frac{\partial q}{\partial x}\right\rvert_{x=\ell}=\frac{F}{a_{0}}$$
    (8.221)

    annimmt. Eine entsprechende Gleichung gilt auch an der Stelle \(x=0\).

  2. b)

    Leiten Sie einen Zusammenhang ab, der verhindert, dass (8.221) im Grenzfall \(a_{0}\to 0\) divergiert. Zeigen Sie damit, dass die äußere Kraft am Rand eine Bedingung an die erste Ortsableitung von \(q\) stellt (und nicht an die Funktion \(q\) selbst). Damit handelt es sich um eine Neumann’sche Randbedingung.

8.2 • Schwingende Membran

Wir betrachten eine zweidimensionale elastische Membran in der \(x\)-\(y\)-Ebene, die bei \(x=0\) und \(x=\ell_{x}\) sowie bei \(y=0\) und \(y=\ell_{y}\) eingespannt ist. Gesucht ist die allgemeine Lösung \(q_{z}(t,x,y)\) für die Auslenkung der Membran entlang der \(z\)-Achse. Dies könnte beispielsweise das einfache Modell einer rechteckigen Trommel sein. Man kann die Bewegungsgleichung der schwingenden Saite (8.47) verallgemeinern und findet für die Membran ganz analog

$$\ddot{q}_{z}-v_{\perp}^{2}\left(\frac{\partial^{2}q_{z}}{\partial x^{2}}+\frac{\partial^{2}q_{z}}{\partial y^{2}}\right)=0.$$
(8.222)

Die Wellengeschwindigkeit erfüllt

$$v_{\perp}=\sqrt{\frac{\tau}{\rho}},$$
(8.223)

wobei \(\rho\) die Massendichte bezogen auf die Fläche ist und die Spannung \(\tau\) die zur Kraft \(F\) in (8.47) analoge Größe. Die Spannung hat die Bedeutung einer Kraft pro Länge, d. h., pro eingespannter Einheitslänge wirkt die Kraft \(\tau\) auf den Rand der Membran. Die Gesamtkraft, die bei \(x=0\) bzw. \(x=\ell_{x}\) die Membran einspannt, ist also \(-\tau\ell_{y}\) bzw. \(+\tau\ell_{y}\). Entsprechend wird bei \(y=0\) bzw. \(y=\ell_{y}\) die Membran gerade mit \(-\tau\ell_{x}\) bzw. \(+\tau\ell_{x}\) festgehalten. Ansonsten sei die Membran kräftefrei.

Zeigen Sie, dass die Funktion

$$q_{z}(t,x,y)=f(t)g(x)h(y)$$
(8.224)

mit

$$\begin{aligned}\displaystyle f(t)&\displaystyle=C_{f}\sin(\omega t-\phi_{f}),\\ \displaystyle g(x)&\displaystyle=C_{g}\sin(k_{x}x-\phi_{g}),\\ \displaystyle h(y)&\displaystyle=C_{h}\sin(k_{y}y-\phi_{h})\end{aligned}$$
(8.225)

die Differenzialgleichung (8.222) löst. Wie muss dazu \(\omega\) als Funktion von \(k_{x}\) und \(k_{y}\) gewählt werden? Wie sind die Integrationskonstanten zu wählen, damit die Randbedingungen erfüllt sind? Zeigen Sie dann, dass die allgemeine Lösung durch eine Fourier-Reihe in \(x\) und \(y\) gegeben ist.

Lösungshinweis:

Bedenken Sie bei der Konstruktion der allgemeinen Lösung, dass die Schwingungsgleichung (8.222) linear und homogen ist.

8.3 • Fourier-Reihe für (un)gerade Funktionen

Zeigen Sie, dass bei geraden Funktionen alle Koeffizienten \(b_{j}\) der Fourier-Reihe gleich null sind, bei ungeraden Funktionen alle Koeffizienten \(a_{j}\).

Lösungshinweis:

Wählen Sie \(c\) geeignet.

8.4 •• Sägezahnkurve

Stellen Sie die Funktion \(f(t)=t\) für \(0\leq t<1\) (und periodisch fortgesetzt) als Fourier-Reihe dar.

Lösungshinweis:

Die Funktion \(f\) ist weder gerade noch ungerade. Durch eine Verschiebung nach unten erhält man jedoch eine ungerade Funktion.

8.5 • Darstellungen der Fourier-Reihe

Ermitteln Sie die Zusammenhänge zwischen den Koeffizienten \({a_{j},b_{j}}\) der Fourier-Reihe mit Sinus- und Kosinusfunktionen einerseits und den Koeffizienten \(c_{j}\) der Fourier-Reihe in der Exponential-Darstellung andererseits.

8.6 • Drehungstensor

Es soll gezeigt werden, dass der Tensor \(\omega_{ij}\) aus (8.112) eine Drehung beschreibt und daher nicht zu Verformungsenergie des elastischen Körpers beiträgt. Zur Vereinfachung betrachten wir ein infinitesimales Flächenelement in zwei Dimensionen, das von zwei (nicht notwendigerweise orthogonalen) Vektoren \(\mathbf{d}\boldsymbol{a}\) und \(\mathbf{d}\boldsymbol{b}\) aufgespannt wird. Nun betrachten wir dasselbe Flächenelement im verformten Zustand mit

$$\begin{aligned}\displaystyle\mathrm{d}a^{\prime}_{i}&\displaystyle=\mathrm{d}a_{i}+\eta_{ij}\,\mathrm{d}a_{j}=(\delta_{ij}+\eta_{ij})\,\mathrm{d}a_{j},\\ \displaystyle\mathrm{d}b^{\prime}_{i}&\displaystyle=\mathrm{d}b_{i}+\eta_{ij}\,\mathrm{d}b_{j}=(\delta_{ij}+\eta_{ij})\,\mathrm{d}b_{j},\end{aligned}$$
(8.226)

wobei \(\boldsymbol{\eta}=(\eta_{ij})=(\partial_{i}q_{j})\) den Verformungszustand des Flächenelements charakterisiert.

Zeigen Sie, dass das Flächenelement lediglich gedreht (und nicht verzerrt) wird, genau dann, wenn \(\eta_{ij}=\omega_{ij}\) ist.

Lösungshinweis:

Überprüfen Sie dazu, unter welchen Umständen die Bedingung \(\mathrm{d}a^{\prime}_{i}\ \mathrm{d}b^{\prime}_{i}=\mathrm{d}a_{i}\ \mathrm{d}b_{i}\) erfüllt ist, d. h., wann Längen- und Winkelinvarianz vorherrschen (Invarianz des Skalarprodukts).

8.7 •• Spannungstensor für elastisches Medium

  1. a)

    Bestimmen Sie den Spannungstensor (8.133 ) für das elastische Medium mit dem Elastizitätstensor

    $$C_{ijkl}=\lambda\delta_{ij}\delta_{kl}+\mu\left(\delta_{ik}\delta_{jl}+\delta_{il}\delta_{jk}\right).$$
    (8.227)

    Das Ergebnis ist das isotrope Hooke’sche Gesetz als kontinuierliche Erweiterung der eindimensionalen Federgleichung

    $$F=Dq(x)=D(x-x_{0}).$$
    (8.228)
  2. b)

    Wie lautet der Spannungstensor für die Verzerrung

    $$\boldsymbol{\epsilon}=\frac{1}{2}\begin{pmatrix}0&0&\eta_{zx}\\ 0&0&0\\ \eta_{zx}&0&0\end{pmatrix},$$
    (8.229)

    die in (8.116) gefunden wurde?

  3. c)

    Berechnen Sie die äußere Kraft \(\boldsymbol{F}\), die an der Oberseite des in Abb. 8.14 gezeigten Quaders angreifen muss, damit sich im statischen Fall der in Teilaufgabe (b) gefundene Spannungstensor ergibt. In welche Richtung wirkt die Kraft? Dies erlaubt die Bestimmung des Schermoduls \(\mu\), wenn bei bekannter Kraft \(\boldsymbol{F}\) die resultierende Scherung \(\eta_{zx}\) gemessen wird.

8.8 •• Fluss im Rohr mit variabler Querschnittsfläche

Eine inkompressible Flüssigkeit (d. h. \(\rho=\mathrm{const}\) und \(\mathrm{div}\,\boldsymbol{u}=0\)) fließe durch ein Rohr mit einer variablen Querschnittsfläche. Welcher Zusammenhang besteht zwischen der mittleren Geschwindigkeit der Flüssigkeit auf einer beliebigen ebenen Querschnittsfläche und dem Flächeninhalt dieser Querschnittsfläche? Gehen Sie dabei vom Gauß’schen Satz aus.

Lösungshinweis:

Die genaue Gestalt des Geschwindigkeitsfeldes ist unerheblich. Es ist nur wichtig anzunehmen, dass an der Rohrinnenwand die Geschwindigkeit der Flüssigkeit überall verschwindet.

8.9 •• Rotierende Flüssigkeit

Betrachten Sie einen unendlich langen Zylinder mit Radius \(R\), der mit einer inkompressiblen Flüssigkeit gefüllt ist. Dieser Zylinder wird mit konstanter Winkelgeschwindigkeit \(\boldsymbol{\omega}=\omega\boldsymbol{\hat{e}}_{z}\) um seine Symmetrieachse gedreht, die durch den Ursprung verläuft. Gravitation soll vernachlässigt werden. Es kann angenommen werden, dass sich die Flüssigkeit mit dem Zylinder dreht und sich in einem stationären Zustand befindet.

  1. a)

    Wie lautet das stationäre Geschwindigkeitsfeld \(\boldsymbol{u}(\varrho,\varphi)\) für \(\varrho=x^{2}+y^{2}<R\) (\(\varphi\) ist der Polarwinkel)?

  2. b)

    Zeigen Sie, dass die Kontinuitätsgleichung erfüllt ist.

  3. c)

    Bestimmen Sie den Druck \(P(\varrho)\) so, dass die Euler-Gleichung erfüllt wird. Welche anschauliche Rolle spielt der Druck hier?

Lösungshinweis:

Aufgrund der Symmetrie entlang der \(z\)-Achse kann das äquivalente zweidimensionale Problem in der \(x\)-\(y\)-Ebene behandelt werden. Verwenden Sie die Zylinderkoordinaten aus Abschn. 2.5. Die Divergenz in Zylinderkoordinaten lautet

$$\mathrm{div}\,\boldsymbol{u}=\frac{1}{\varrho}\frac{\partial(\varrho u_{\varrho})}{\partial\varrho}+\frac{1}{\varrho}\frac{\partial u_{\varphi}}{\partial\varphi}+\frac{\partial u_{z}}{\partial z}$$
(8.230)

mit

$$\boldsymbol{u}=u_{\varrho}\begin{pmatrix}\cos\varphi\\ \sin\varphi\\ 0\end{pmatrix}+u_{\varphi}\begin{pmatrix}-\sin\varphi\\ \cos\varphi\\ 0\end{pmatrix}+u_{z}\begin{pmatrix}0\\ 0\\ 1\end{pmatrix}.$$
(8.231)

Achten Sie darauf, dass sowohl die radiale Koordinate \(\varrho\) als auch die Dichte \(\rho\) in den Rechnungen auftreten.

8.10 ••• Poiseuille-Fluss in Rohr

Betrachten Sie ein Rohr mit kreisförmigem Querschnitt (Radius \(R\)) entlang der \(z\)-Achse. Ein Druckgradient \(\mathbf{grad}\,P=(0,0,-P^{\prime})^{\top}=\mathrm{const}\) treibt eine inkompressible Strömung an, von der angenommen werden kann, dass sie stationär ist. Leiten Sie ausgehend von den Navier-Stokes-Gleichungen und unter der Annahme, dass die Geschwindigkeit an der Oberfläche des Rohres verschwindet, das Geschwindigkeitsfeld \(\boldsymbol{u}(\varrho)\) ab.

Berechnen Sie außerdem den Volumenstrom durch eine Querschnittsfläche des Rohres.

Lösungshinweis:

Verwenden Sie Zylinderkoordinaten und den entsprechenden Laplace-Operator

$$\Updelta f(\varrho,\varphi,z)=\frac{1}{\varrho}\frac{\partial}{\partial\varrho}\left(\varrho\frac{\partial f}{\partial\varrho}\right)+\frac{1}{\varrho^{2}}\frac{\partial^{2}f}{\partial\varphi^{2}}+\frac{\partial^{2}f}{\partial z^{2}}.$$
(8.232)

Nutzen Sie außerdem die Symmetrieüberlegungen aus, die bereits in Abschn. 8.7 für den planaren Poiseuille-Fluss verwendet wurden.

Fordern Sie bei der Integration, dass \(\boldsymbol{u}\) für \(\varrho\to 0\) nicht divergieren soll.

Ausführliche Lösungen zu den Aufgaben

8.1

  1. a)

    Ausgehend von

    $$m\ddot{q}_{N}+k(q_{N}-q_{N-1})-F=0$$
    (8.233)

    folgt mit den Definitionen von Massendichte und Young-Modulus zunächst

    $$\rho\ddot{q}_{N}+\frac{Y}{a_{0}}\frac{q_{N}-q_{N-1}}{a_{0}}=\frac{F}{a_{0}}.$$
    (8.234)

    Im Grenzfall \(a_{0}\to 0\) ersetzen wir \(q_{i}(t)\) durch \(q(t,x)\), wobei \(q_{N}(t)\) gerade \(q(t,\ell)\) entspricht und der Differenzenquotient zur ersten Ableitung von \(q(t,x)\) nach \(x\) wird. Da das Band hier nur bei \(x=\ell\) betrachtet wird, erhält man damit bereits (8.221).

  2. b)

    Damit (8.221) im Kontinuumslimes \(a_{0}\to 0\) nicht divergiert, schreiben wir zunächst

    $$\rho\left.\frac{\partial^{2}q}{\partial t^{2}}\right\rvert_{x=\ell}+\frac{1}{a_{0}}\left(Y\left.\frac{\partial q}{\partial x}\right\rvert_{x=\ell}-F\right)=0$$
    (8.235)

    und verlangen, dass der umklammerte Ausdruck verschwinden muss. Somit lautet die Randbedingung

    $$\left.\frac{\partial q}{\partial x}\right\rvert_{x=\ell}=\frac{F}{Y}.$$
    (8.236)

    Dies bedeutet, dass die an einem Ende angreifende Kraft eine Bedingung an die erste Ableitung von \(q(x)\) am Rand stellt. Ein völlig analoger Ausdruck folgt für \(x=0\).

8.2

Der Ansatz (8.224), eingesetzt in (8.222), führt allgemein auf

$$\ddot{f}gh-v_{\perp}^{2}(fg^{\prime\prime}h+fgh^{\prime\prime})=0.$$
(8.237)

Speziell gilt hier

$$\ddot{f}=-\omega^{2}f,\quad g^{\prime\prime}=-k_{x}^{2}g,\quad h^{\prime\prime}=-k_{y}^{2}h.$$
(8.238)

Es folgt also

$$-\omega^{2}fgh+v_{\perp}^{2}\left(k_{x}^{2}+k_{y}^{2}\right)fgh=0,$$
(8.239)

was für

$$\omega^{2}=v_{\perp}^{2}\left(k_{x}^{2}+k_{y}^{2}\right)$$
(8.240)

erfüllt ist.

Nun erfordern die Randbedingungen, dass \(g(0)=g(\ell_{x})=0\) und \(h(0)=h(\ell_{y})=0\) ist. Dies wird durch \(\phi_{g}=\phi_{h}=0\) erfüllt sowie durch die Bedingungen

$$k_{x}=\frac{\uppi n_{x}}{\ell_{x}},\quad k_{y}=\frac{\uppi n_{y}}{\ell_{y}}\quad(n_{x},n_{y}\in\mathbb{N}).$$
(8.241)

Somit lautet eine Lösung

$$q_{z}^{(n_{x},n_{y})}(t,x,y)=C_{n_{x},n_{y}}\sin(\omega t-\phi_{n_{x},n_{y}})\sin(k_{x}x)\sin(k_{y}y)$$
(8.242)

mit \(C_{n_{x},n_{y}}=C_{f}C_{g}C_{h}\) für einen gegebenen Satz \((n_{x},n_{y})\) und der Nebenbedingung (8.240).

Da die Ausgangsgleichung (8.222) linear und homogen ist, erhält man die allgemeine Lösung durch eine beliebige Linearkombination der Lösungen (8.242) für verschiedene \((n_{x},n_{y})\):

$$q_{z}(t,x,y)=\sum_{n_{x}=1}^{\infty}\sum_{n_{y}=1}^{\infty}q_{z}^{(n_{x},n_{y})}(t,x,y).$$
(8.243)

Dies ist aber nichts anderes als eine Fourier-Reihe in \(x\) und \(y\), die nur Sinusbeiträge beinhaltet. Die \(C_{n_{x},n_{y}}\) und \(\phi_{n_{x},n_{y}}\) sind Integrationskonstanten. Einige der Eigenmoden sind in Abb. 8.29 gezeigt.

Abb. 8.29
figure 29figure 29

Einige Eigenmoden der rechteckigen Membran (von oben nach unten: \(n_{x}=1\) und \(n_{y}=1\), \(n_{x}=3\) und \(n_{y}=2\), \(n_{x}=7\) und \(n_{y}=5\))

8.3

Für eine gerade Funktion \(f\) gilt \(f(t)=f(-t)\). Die Koeffizienten berechnet man mit der Wahl \(c=-T/2\) über

$$b_{j}=\frac{2}{T}\int_{-T/2}^{T/2}f(t)\sin(j\omega t)\,\mathrm{d}t.$$
(8.244)

Mit der Substitution \(t^{\prime}=-t\) wird dies zu

$$\begin{aligned}\displaystyle b_{j}&\displaystyle=\frac{2}{T}\int_{T/2}^{-T/2}f(-t^{\prime})\sin(-j\omega t^{\prime})(-\mathrm{d}t^{\prime})\\ \displaystyle&\displaystyle=\frac{2}{T}\int_{T/2}^{-T/2}f(t^{\prime})\sin(j\omega t^{\prime})\,\mathrm{d}t^{\prime},\end{aligned}$$
(8.245)

wobei ausgenutzt wurde, dass \(f\) gerade und die Sinusfunktionen ungerade sind.

Vertauscht man die Integrationsgrenzen, dann folgt sofort

$$b_{j}=-\frac{2}{T}\int_{-T/2}^{T/2}f(t^{\prime})\sin(j\omega t^{\prime})\,\mathrm{d}t^{\prime}$$
(8.246)

und deswegen \(b_{j}=-b_{j}\) und folglich \(b_{j}=0\). Völlig äquivalent zeigt man die andere Behauptung.

8.4

Die Funktion \(\bar{f}(t)=t-1/2\) auf dem Intervall \(0\leq t<1\) (und periodisch fortgesetzt) ist ungerade, also hat man sofort \(\bar{a}_{j}=0\) für alle \(j\) und damit \(a_{0}/\sqrt{2}=1/2\) und \(a_{j}=0\) für \(j> 0\). Die restlichen Koeffizienten sind

$$b_{j}=\frac{2}{1}\int_{0}^{1}t\sin(2\uppi jt)\,\mathrm{d}t.$$
(8.247)

Mittels partieller Integration erhält man leicht \(b_{j}=-1/(j\uppi)\), also insgesamt die Fourier-Reihe

$$f(t)=\frac{1}{2}-\frac{1}{\uppi}\sum_{j=1}^{\infty}\frac{\sin(2\uppi jt)}{j}.$$
(8.248)

8.5

Schreibt man

$$\begin{aligned}\displaystyle a_{j}\cos&\displaystyle(j\omega t)+b_{j}\sin(j\omega t)\\ \displaystyle&\displaystyle=\left(\frac{a_{j}}{2}+\frac{b_{j}}{2\mathrm{i}}\right)\mathrm{e}^{\mathrm{i}j\omega t}+\left(\frac{a_{j}}{2}-\frac{b_{j}}{2\mathrm{i}}\right)\mathrm{e}^{-\mathrm{i}j\omega t}\end{aligned}$$
(8.249)

und benutzt, dass dies gleich dem Summenglied \(c_{j}\exp(\mathrm{i}j\omega t)+c_{-j}\exp(-\mathrm{i}j\omega t)\) sein muss, so erhält man für \(j> 0\) sofort

$$c_{j}=\frac{a_{j}-\mathrm{i}b_{j}}{2}\quad\mathrm{und}\quad c_{-j}=\frac{a_{j}+\mathrm{i}b_{j}}{2}.$$
(8.250)

Im Fall \(j=0\) folgt dagegen

$$c_{0}=\frac{a_{0}}{\sqrt{2}}.$$
(8.251)

In der anderen Richtung hat man also

$$a_{j}=c_{j}+c_{-j}\quad\text{und}\quad b_{j}=\mathrm{i}(c_{j}-c_{-j}).$$
(8.252)

8.6

Wir berechnen das Skalarprodukt der Vektoren \(\mathbf{d}\boldsymbol{a}^{\prime}\) und \(\mathbf{d}\boldsymbol{b}^{\prime}\):

$$\begin{aligned}\displaystyle\mathbf{d}\boldsymbol{a}^{\prime}\cdot\mathbf{d}\boldsymbol{b}^{\prime}&\displaystyle=\mathrm{d}a^{\prime}_{i}\,\mathrm{d}b^{\prime}_{i}=(\delta_{ij}+\eta_{ij})(\delta_{ik}+\eta_{ik})\,\mathrm{d}a_{j}\,\mathrm{d}b_{k}\\ \displaystyle&\displaystyle=(\delta_{kj}+\eta_{kj}+\eta_{jk}+\eta_{ij}\eta_{ik})\,\mathrm{d}a_{j}\,\mathrm{d}b_{k}.\end{aligned}$$
(8.253)

Da die Verformung \(\eta_{ij}\) klein sein soll, kann der in \(\boldsymbol{\eta}\) quadratische Term vernachlässigt werden. Es verbleibt also

$$\mathbf{d}\boldsymbol{a}^{\prime}\cdot\mathbf{d}\boldsymbol{b}^{\prime}=\mathbf{d}\boldsymbol{a}\cdot\mathbf{d}\boldsymbol{b}+(\eta_{kj}+\eta_{jk})\,\mathrm{d}a_{j}\,\mathrm{d}b_{k}.$$
(8.254)

Vom trivialen Fall \(\boldsymbol{\eta}=0\) abgesehen, kann \(\mathbf{d}\boldsymbol{a}^{\prime}\cdot\mathbf{d}\boldsymbol{b}^{\prime}=\mathbf{d}\boldsymbol{a}\cdot\mathbf{d}\boldsymbol{b}\) nur genau dann verschwinden, wenn

$$\eta_{kj}=-\eta_{jk}$$
(8.255)

erfüllt ist, d. h. wenn \(\boldsymbol{\eta}\) antisymmetrisch und somit \(\eta_{ij}=\omega_{ij}\) ist. Damit ist gezeigt, dass die Transformation \(\boldsymbol{\eta}=\boldsymbol{\omega}\) das Flächenelement lediglich dreht und nicht verzerrt.

8.7

  1. a)

    Der Spannungstensor ist definiert als

    $$\sigma_{ij}=C_{ijkl}\epsilon_{kl}.$$
    (8.256)

    Wir multiplizieren also (8.227) mit \(\epsilon_{kl}\) und vereinfachen. Der erste Term ergibt

    $$\lambda\delta_{ij}\delta_{kl}\epsilon_{kl}=\lambda\delta_{ij}\epsilon_{kk}.$$
    (8.257)

    Dies ist also proportional zur Spur \(\epsilon_{kk}\) des Verzerrungstensors. Der zweite Term lautet

    $$\mu\left(\delta_{ik}\delta_{jl}+\delta_{il}\delta_{jk}\right)\epsilon_{kl}=\mu\left(\epsilon_{ij}+\epsilon_{ji}\right).$$
    (8.258)

    Zusammengefasst und wegen der Symmetrie des Verzerrungstensors erhalten wir

    $$\sigma_{ij}=\lambda\epsilon_{kk}\delta_{ij}+2\mu\epsilon_{ij}.$$
    (8.259)

    Diese Gleichung erlaubt es, direkt die Spannung für einen gegebenen Verzerrungszustand auszurechnen.

  2. b)

    Zunächst sehen wir, dass die Spur der Verzerrung (8.229) verschwindet (\(\epsilon_{kk}=0\)); daher ist der Spannungstensor einfach

    $$\sigma_{ij}=2\mu\epsilon_{ij}=\mu\eta_{zx}(\delta_{iz}\delta_{jx}+\delta_{ix}\delta_{jz})$$
    (8.260)

    bzw.

    $$\boldsymbol{\sigma}=\mu\eta_{zx}\begin{pmatrix}0&0&1\\ 0&0&0\\ 1&0&0\end{pmatrix}.$$
    (8.261)
  3. c)

    Die Oberflächenkraft, die notwendig ist, um die Verzerrung (8.229) bzw. Spannung (8.261) zu erreichen, ergibt sich aus

    $$\boldsymbol{F}=\boldsymbol{\sigma}\boldsymbol{A},$$
    (8.262)

    wobei \(\boldsymbol{A}=A\boldsymbol{\hat{e}}_{z}\) die orientierte Fläche der Oberseite des Quaders ist. Wegen \(\boldsymbol{\hat{e}}_{z}=(0,0,1)^{\top}\) findet man sofort

    $$\boldsymbol{F}=\begin{pmatrix}A\mu\eta_{zx}\\ 0\\ 0\end{pmatrix}.$$
    (8.263)

8.8

Eine inkompressible Flüssigkeit erfüllt \(\mathrm{div}\,\boldsymbol{j}=\rho\,\mathrm{div}\,\boldsymbol{u}=0\). Der Satz von Gauß in (8.173) besagt dann:

$$\oiint_{\partial V}\boldsymbol{u}\cdot\mathbf{d}\boldsymbol{A}=\iiint\mathrm{div}\,\boldsymbol{u}\,\mathrm{d}V=0.$$
(8.264)

Als Integrationsvolumen wählen wir den Innenraum des Rohres (einschließlich seiner inneren Oberfläche), begrenzt durch zwei ebene und zueinander parallele Flächen. Wir zerlegen die dadurch definierte geschlossene Integrationsoberfläche nun in drei Teile: die beiden ebenen Querschnittsflächen (\(A_{1}\) und \(A_{2}\)) und die Rohrinnenwand. Entsprechend der Annahme trägt die Rohrinnenwand nicht zum Integral bei, da dort überall \(\boldsymbol{u}=0\) gilt. Die beiden betrachteten ebenen Flächen sind antiparallel zueinander, da das Flächenelement \(\mathbf{d}\boldsymbol{A}\) überall nach außen zeigt. Die erste Fläche hat demnach einen Normalenvektor \(\boldsymbol{\hat{n}}=\mathrm{const}\), die zweite entsprechend \(-\boldsymbol{\hat{n}}=\mathrm{const}\). Es verbleibt

$$\iint_{A_{1}}\boldsymbol{u}\cdot\boldsymbol{\hat{n}}\,\mathrm{d}A=\iint_{A_{2}}\boldsymbol{u}\cdot\boldsymbol{\hat{n}}\,\mathrm{d}A.$$
(8.265)

Mit der Projektion \(u_{n}=\boldsymbol{u}\cdot\boldsymbol{\hat{n}}\) der Geschwindigkeit auf die Flächennormale \(\boldsymbol{\hat{n}}\) gilt in kompakter Form

$$\iint_{A_{1}}u_{n}\,\mathrm{d}A=\iint_{A_{2}}u_{n}\,\mathrm{d}A.$$
(8.266)

Nun ist aber

$$\bar{u}_{n}^{(1)}=\frac{\iint_{A_{1}}u_{n}\,\mathrm{d}A}{A_{1}}$$
(8.267)

die mittlere (projizierte) Geschwindigkeit der Flüssigkeit auf der ersten Fläche \(A_{1}=\iint_{A_{1}}\mathrm{d}A\) (eine analoge Aussage gilt für die zweite Fläche), und wir schreiben demnach

$$A_{1}\bar{u}_{n}^{(1)}=A_{2}\bar{u}_{n}^{(2)}.$$
(8.268)

Dies bedeutet, dass das Produkt aus Querschnittsfläche und mittlerer Geschwindigkeit für alle gleichzeitig betrachteten Querschnittsflächen identisch ist, denn die Wahl der beiden Flächen war beliebig. Die Flüssigkeit muss also in einem engeren Abschnitt schneller fließen.

8.9

  1. a)

    Der Geschwindigkeitsvektor muss überall in der \(x\)-\(y\)-Ebene liegen. Bei einer Rotation \(\boldsymbol{\omega}=\omega\boldsymbol{\hat{e}}_{z}\) lautet das rotierende Geschwindigkeitsfeld

    $$\boldsymbol{u}(\varrho,\varphi)=\omega\varrho\begin{pmatrix}-\sin\varphi\\ \cos\varphi\\ 0\end{pmatrix}=\omega\varrho\boldsymbol{\hat{e}}_{\varphi}.$$
    (8.269)
  2. b)

    Die Kontinuitätsgleichung für eine inkompressible Flüssigkeit lautet einfach \(\mathrm{div}\,\boldsymbol{u}=0\), wobei hier die Divergenz in Zylinderkoordinaten verwendet werden muss. Da nur \(u_{\varphi}=\omega\varrho\) als Funktion von \(\varrho\) auftritt, folgt direkt, dass die Divergenz verschwindet. Die Kontinuitätsgleichung ist also erfüllt.

  3. c)

    Da keine Volumenkraft vorliegt und das Problem statisch ist, bleibt von der inkompressiblen Euler-Gleichung (8.186) lediglich

    $$\rho\,\mathbf{div}(\boldsymbol{u}\circ\boldsymbol{u})=-\mathbf{grad}\,P$$
    (8.270)

    übrig. Dies kann wegen der Divergenzfreiheit in folgender Form in Koordinatendarstellung geschrieben werden:

    $$\rho u_{i}\partial_{i}u_{j}=-\partial_{j}P.$$
    (8.271)

    Es ist also zunächst der Gradient der Geschwindigkeit, \(\mathbf{grad}\,\boldsymbol{u}\), zu berechnen. Mithilfe von (2.113) lässt sich dies in Zylinderkoordinaten leicht durchführen:

    $$\mathbf{grad}\,\boldsymbol{u}=\boldsymbol{\hat{e}}_{\varrho}\circ\frac{\partial\boldsymbol{u}}{\partial\varrho}+\boldsymbol{\hat{e}}_{\varphi}\circ\frac{1}{\varrho}\frac{\partial\boldsymbol{u}}{\partial\varphi}+\boldsymbol{\hat{e}}_{z}\circ\frac{\partial\boldsymbol{u}}{\partial z}.$$
    (8.272)

    Hier bleibt wegen (8.269) lediglich

    $$\mathbf{grad}\,\boldsymbol{u}=\boldsymbol{\hat{e}}_{\varrho}\circ\boldsymbol{\hat{e}}_{\varphi}\frac{\partial(\omega\varrho)}{\partial\varrho}+\omega\boldsymbol{\hat{e}}_{\varphi}\circ\frac{\partial\boldsymbol{\hat{e}}_{\varphi}}{\partial\varphi}$$
    (8.273)

    übrig, wobei noch \(\partial\boldsymbol{\hat{e}}_{\varphi}/\partial\varphi=-\boldsymbol{\hat{e}}_{\varrho}\) gilt. Wir erhalten also

    $$\mathbf{grad}\,\boldsymbol{u}=\omega\left(\boldsymbol{\hat{e}}_{\varrho}\circ\boldsymbol{\hat{e}}_{\varphi}-\boldsymbol{\hat{e}}_{\varphi}\circ\boldsymbol{\hat{e}}_{\varrho}\right)\not=0,$$
    (8.274)

    da die Reihenfolge der beiden Vektoren \(\boldsymbol{\hat{e}}_{\varrho}\) und \(\boldsymbol{\hat{e}}_{\varphi}\) nicht einfach vertauscht werden darf. Von links mit \(\boldsymbol{u}^{\top}\) multipliziert ergibt sich

    $$\begin{aligned}\displaystyle(u_{i}\partial_{i}u_{j})&\displaystyle=\boldsymbol{u}^{\top}(\mathbf{grad}\,\boldsymbol{u})\\ \displaystyle&\displaystyle=\omega^{2}\varrho\boldsymbol{\hat{e}}_{\varphi}^{\top}\left(\boldsymbol{\hat{e}}_{\varrho}\circ\boldsymbol{\hat{e}}_{\varphi}-\boldsymbol{\hat{e}}_{\varphi}\circ\boldsymbol{\hat{e}}_{\varrho}\right)=-\omega^{2}\varrho\boldsymbol{\hat{e}}_{\varrho}.\end{aligned}$$
    (8.275)

    Der Druck lässt sich dann über

    $$\mathbf{grad}\,P=\rho\omega^{2}\varrho\boldsymbol{\hat{e}}_{\varrho}$$
    (8.276)

    bestimmen. Daraus lässt sich ablesen, dass der Druck nur eine radiale Abhängigkeit haben kann:

    $$P=\frac{\rho\omega^{2}}{2}\varrho^{2},$$
    (8.277)

    wobei eine beliebige und unwichtige Konstante ignoriert wurde. Der Gradient des Druckes ergibt genau diejenige Kraft, welche die Flüssigkeit auf der stationären Kreisbahn hält; es handelt sich dabei also um die der Zentrifugalkraft entgegenwirkende Kraft.

8.10

Im stationären Zustand lautet die Navier-Stokes-Gleichung

$$(\boldsymbol{u}\cdot\boldsymbol{\nabla})\boldsymbol{u}=-\mathbf{grad}\,P+\eta\Updelta\boldsymbol{u}.$$
(8.278)

Aufgrund der Symmetrie kann die Strömung nur in \(z\)-Richtung fließen, und das Geschwindigkeitsfeld kann nur vom Abstand \(\varrho\) zur Mittelachse abhängen. Der Gradient von \(\boldsymbol{u}\) ist somit senkrecht zu \(\boldsymbol{u}\) selbst, sodass \((\boldsymbol{u}\cdot\boldsymbol{\nabla})\boldsymbol{u}=0\) ist. Es verbleibt daher nur die \(z\)-Komponente der Navier-Stokes-Gleichung:

$$\eta\Updelta u_{z}=-P^{\prime}.$$
(8.279)

Es ist nun zu beachten, dass die Integration in Zylinderkoordinaten durchzuführen ist.

Da wir annehmen, dass \(u_{z}\) nur von \(\varrho\) abhängt, können die Ableitungen nach \(\varphi\) und \(z\) ignoriert werden. Das Problem lautet also

$$\frac{1}{\varrho}\frac{\partial}{\partial\varrho}\left(\varrho\frac{\partial u_{z}}{\partial\varrho}\right)=-\frac{P^{\prime}}{\eta}.$$
(8.280)

Wir multiplizieren mit \(\varrho\) und integrieren:

$$\varrho\frac{\partial u_{z}}{\partial\varrho}=-\frac{P^{\prime}}{2\eta}\varrho^{2}+C_{1}.$$
(8.281)

Nun dividieren wir diese Gleichung durch \(\varrho\) und integrieren erneut:

$$u_{z}=-\frac{P^{\prime}}{4\eta}\varrho^{2}+C_{1}\ln\varrho+C_{2}.$$
(8.282)

Die beiden Integrationskonstanten \(C_{1}\) und \(C_{2}\) sind nun so zu bestimmen, dass \(u_{z}(R)=0\) ist. Dies ist allerdings nur eine Bedingung an zwei Konstanten. Wir sehen außerdem, dass der Term \(\ln\varrho\) für \(\varrho\to 0\) divergiert. Dies darf allerdings nicht sein, da das Strömungsfeld im gesamten Rohrinnenraum regulär sein soll. Es muss also \(C_{1}=0\) erfüllt sein. Die verbleibende Konstante \(C_{2}\) wählen wir dann so, dass die Randbedingung erfüllt ist:

$$u_{z}(\varrho=R)=0\quad\Longrightarrow\quad C_{2}=\frac{P^{\prime}}{4\eta}R^{2}.$$
(8.283)

Insgesamt lautet die Lösung also

$$u_{z}=\frac{P^{\prime}}{4\eta}\left(R^{2}-\varrho^{2}\right)\quad(\varrho\leq R).$$
(8.284)

Auch in einem Rohr mit kreisförmigem Querschnitt ist das Geschwindigkeitsfeld parabolisch, allerdings in der Radiuskoordinate \(\varrho\). Außerdem unterscheiden sich die Vorfaktoren hier und in (8.209) um einen Faktor 2.

Die Gesamtmenge (d. h. das Gesamtvolumen) an Flüssigkeit, die pro Zeiteinheit durch eine Querschnittsfläche des Rohres fließt, ist

$$I=\int u_{z}\,\mathrm{d}A=\int_{0}^{2\uppi}\mathrm{d}\varphi\int_{0}^{R}u_{z}\varrho\,\mathrm{d}\varrho.$$
(8.285)

Beide Integrationen sind trivial ausführbar. Die Winkelintegration ergibt lediglich einen Faktor \(2\uppi\). Das verbleibende Integral lautet

$$\begin{aligned}\displaystyle\int_{0}^{R}u_{z}\varrho\,\mathrm{d}\varrho&\displaystyle=\frac{P^{\prime}}{4\eta}\int_{0}^{R}\left(R^{2}\varrho-\varrho^{3}\right)\,\mathrm{d}\varrho\\ \displaystyle&\displaystyle=\frac{P^{\prime}}{4\eta}\left(R^{4}/2-R^{4}/4\right)=\frac{P^{\prime}R^{4}}{16\eta}.\end{aligned}$$
(8.286)

Der Gesamtfluss ist also

$$I=\frac{\uppi P^{\prime}R^{4}}{8\eta}.$$
(8.287)

Dieses letzte Ergebnis wird auch als Hagen-Poiseuille-Gesetz bezeichnet (nach dem deutschen Ingenieur Gotthilf Heinrich Ludwig Hagen , 1797–1884). Es ist von großer Bedeutung für die Hydraulik und technische Anwendungen.

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Bartelmann, M., Feuerbacher, B., Krüger, T., Lüst, D., Rebhan, A., Wipf, A. (2018). Kontinuumsmechanik. In: Theoretische Physik 1 | Mechanik. Springer Spektrum, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-56115-7_8

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