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§ 11 Korporative Religionsfreiheit (Rechtsstellung der RG und WG)

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Religions- und Weltanschauungsrecht

Part of the book series: Springer-Lehrbuch ((SLB))

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Zusammenfassung

Unter korporativer Religionsfreiheit versteht man die Rechtsbefugnisse, die religiös-weltanschaulichen Vereinigungen als solchen zustehen. Die ganz h. M. sieht sie schon in Art. 4 I, II GG verankert, findet aber ihren textlichen Ausdruck hauptsächlich in den Garantien des Art. 137 WRV/140 GG. Soweit Art. 137 II WRV in Satz 1 die Freiheit der Vereinigung zu Religionsgesellschaften gewährleistet, ist das die kollektive Religionsfreiheit als Individualrecht, das bereits mit der individuellen Religionsausübungsfreiheit garantiert ist. Häufig wird aber der Begriff „kollektive Religionsfreiheit“ für das Recht der religiös-weltanschaulichen Verbände, also synonym mit dem Begriff der „korporativen Religionsfreiheit“, verwendet. Art. 137 II 2 WRV gewährleistet den ungehinderten Zusammenschluss bereits bestehender RG und WG. Art. 137 IV WRV garantiert allen RG und WG die Teilnahme am Rechtsverkehr durch Erwerb der Rechtsfähigkeit nach Bürgerlichem Recht, und Art. 137 V WRV gibt darüber hinaus die grundsätzlich allgemein offenstehende Möglichkeit, den Charakter als Körperschaft des öffentlichen Rechts (freilich ganz eigener Art, s. unten) zu erwerben.

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Notes

  1. 1.

    M. Heckel, HdbStKirchR I, 2. A. 1994, 589.

  2. 2.

    Nur teilweise wird das bestritten. Für den RU hat das BVerwG in E 123, 49 (70) ausdrücklich erklärt, der Status einer K. d. ö. R. sei nicht erforderlich.

  3. 3.

    Bemerkenswert: K. Hesse, ZevKR 3 (1953/54), 188 (196) zur Minderheitsmeinung: „Das was hier als Sinn des GG ausgegeben wird, steht in unausgleichbarem Widerspruch mit der Wirklichkeit.“ Hesse hat sich von dieser Position später distanziert.

  4. 4.

    L. Renck, DÖV 2002, 56–67.

  5. 5.

    B. Schlink spricht in JZ 2013, 209 (212, 217) von „usurpatorischem Verständnis“.

  6. 6.

    BVerfGE 83, 341 (Bahá’í).

  7. 7.

    BVerfGE 46, 73 (86 f.); 53, 366 (391 ff.); 57, 220 (242); 70, 138 (162). A. A. z. B.Jeand’Heur/Korioth, Grundzüge, 2000, Rn. 173, J. Wieland, Der Staat 1986, 321 (342 ff.) u. a.: Geltendmachung nur durch die RG selbst.

  8. 8.

    Das BVerfG hat in E 53, 366 (399 f.) ausgeführt, das SBR sei „notwendige“ rechtlich selbständige Freiheitsgewährleistung bezüglich Organisation, Normsetzung und Verwaltung. S. auch E 72, 278 (289).

  9. 9.

    Ebenso insb. J. Listl, Essener Gespräche 3 (1969), 34 (89). Eingehend G. Neureither, NVwZ 2011, 1492 (1495 f.; im Übrigen M. Morlok, in: H. Dreier, GG III, 2. A. 2008, Art. 140 GG/137 WRV Rn. 44. Ebenfalls deutlich in diese Richtung M. Borowski, Die Glaubens- und Gewissensfreiheit des Grundgesetzes, 2006, 598. Mit dieser Argumentation auch S. Korioth, in Maunz/Dürig, Rn 10 zum Grundrechtscharakter des Art. 136 WRV.

  10. 10.

    Das ergibt sich aus dem nur subsidiären Stellenwert der historischen Auslegungsmethode, speziell bei alten Normen.

  11. 11.

    St. Rspr. seit BVerfGE 19, 129 (135), h. M.

  12. 12.

    So etwa BVerfGE 42, 312 (322, 334); 53, 366 (401 ff.); 66, 1 (20). Aus der Lit. M. Morlok, in: H. Dreier, GG III, 2. A. 2008, Art. 140 GG/137 WRV Rn. 45.

  13. 13.

    So D. Ehlers, ZevKR 1999, 533 (536 f.); M. Morlok, in: H. Dreier, GG III, 2. A. 2008, Art. 140 Rn. 30 f.; G. Neureither, Recht und Freiheit im Staatskirchenrecht, 2002, 287 ff. (eingehend); K. Oellers-Frahm, in: Grote/Marauhn (Hrsg.), Religionsfreiheit zwischen individueller Selbstbestimmung, Minderheitenschutz und Staatskirchenrecht, 2001, 471 (486 f.).

  14. 14.

    M. Morlok, in Dreier-GG III, 2. A. 2008, Rn. 63 zu Art. 137 WRV.

  15. 15.

    BVerfGE 53, 366 (401), 72, 278 (289), 137, 273–345 (B. v. 22.10.2014, Kündigungsschutz).

  16. 16.

    Wie hier G. Neureither, JZ 2013, 1089 (1093).

  17. 17.

    B. Schlink, JZ 2013, 209 ff.

  18. 18.

    Seit BVerfGE 53, 366 (400); 66, 1 (22) u. a.

  19. 19.

    S. statt aller St. Korioth, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 140 GG/137 WRV Rn. 47, S. 190–192.

  20. 20.

    BVerfGE 137, 273.

  21. 21.

    S. Muckel, Religiöse Freiheit und staatliche Letztentscheidung, 1997.

  22. 22.

    S. dazu die Diskussion zwischen L. Renck, BayVBl 1995, 682 und 1997, 553 einerseits (wie hier) sowie andererseits D. Pirson, BayVBl 1996, 641 sowie M. H. Müller, BayVBl 1996, 644.

  23. 23.

    H. Weber, ZevKR 1997, 282 (eingehend).

  24. 24.

    Beispiel: krit. zu Lehrbeanstandungsverfahren Werner Böckenförde, NVwZ 1998, 810.

  25. 25.

    W. Huber, Gerechtigkeit und Recht, 1996, 431–445.

  26. 26.

    So eingehend W. Weiß, KritV 2000, 104 (118 ff.).

  27. 27.

    Zu dieser ausnahmsweisen Grundrechtsgeltung H. Weber, HdbStKirchR I, 2. A. 1994, 573.

  28. 28.

    Vgl. W. Weiß, a. a. O. 124 ff.

  29. 29.

    BVerfGE 66, 1; krit. C. Walter, Religionsverfassungsrecht, 2006, 575–578.

  30. 30.

    BVerfGE 102, 370 (Zeugen Jehovas).

  31. 31.

    S. BVerfGE 83, 341 (355) – Bahá’í).

  32. 32.

    BVerwG NVwZ 2009, 390.

  33. 33.

    H. Weber, ZevKR 2012, 347 (363).

  34. 34.

    A. Janssen a. a. O., hier insb. 71–108

  35. 35.

    H. Goerlich/T. Schmidt, Res sacrae und die Universitätskirche in Leipzig, ZevKR 2010, 46–76; A. Hense, Glockenläuten und Uhrenschlag, 1998, 285 ff.; A. Janssen, a. a. O. 2017, 211-221; S. Klappert, Von den heiligen Sachen im säkularen Staat, DÖV 2016, 857 – 864; R. Mainusch, ZevKR 1993, 26 (eingehend) und ders., Die öffentlichen Sachen der Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften, 1995 (umfassend); L. Renck, DÖV 1990, 333 und BayVBl 1996, 264; D. Schütz, HdbStKirchR II, 2. A. 1995, 3.

  36. 36.

    Das hat L. Renck in BayVBl 1996, 264 dargelegt mit dem Ergebnis, dass es keine res sacrae kraft Bundesrechts gibt, sondern nur kraft einfachen Landesgewohnheitsrechts, und in den neuen Bundesländern nicht einmal das.

  37. 37.

    H. Goerlich/T. Schmidt, ZevKR 2010, 46–76 (zu Gunsten kirchlicher Rechte).

  38. 38.

    Umfassender Überblick bei E. D. Bohl, Der öffentlichrechtliche Körperschaftsstatus der Religionsgemeinschaften, 2001, 58 ff.; K. H. Kästner, Bonner Kommentar, Rn 435 ff. zu Art. 140 GG (2010).

  39. 39.

    Die ziemlich umfassend angelegte Untersuchung von J.-B. Schrooten, Gleichheitssatz und Religionsgemeinschaften, 2015, klammert leider die WG ohne Begründung ausdrücklich aus und verfolgt vorrangig theoretische Interessen, während die praktische Erörterung einzelner weniger Bereiche knapp und recht unbefriedigend ausfällt. Zur Kritik G. Czermak, KJ 2016, 265 ff.

  40. 40.

    Für eine Problematisierung des Privilegienbündels z. B. M. Brenner, VVdStRL 59 (2000), 264 (285 f.); C. Möllers, Referat zum 68. DJT, O 39 (47 f.), 2011; H. Weber, ZevKR 2012, 347 (364 ff.). Widersprüchlich M. Morlok, in: Dreier GG, Bd. 3, 2. A. 2008, wenn er in Rn 99 zu Art. 137 WRV ohne Begründung erklärt, die Einräumung solcher Rechte stehe „weitgehend zur freien Disposition des Gesetzgebers“, aber in Rn 100 einschränkt, eine gezielte Religionspolitik zur Bevorzugung genehmerer Vereinigungen sei unzulässig.

  41. 41.

    W. Weiß, a. a. O. 107 f. mit Fn. 21, 22 und 128 f. mit Fn. 16.

  42. 42.

    Ebenda 128 ff. S. auch die kritischen Hinweise bei M. Brenner, in: VVDStRL 59 (2000), 264 (285 f.) und H. Weber, ZevKR 2012, 347 (364 ff.) und in RSG 2001, 47 (51).

  43. 43.

    BVerfGE 102, 370, Gründe C V 2 c am Ende (Zeugen Jehovas).

  44. 44.

    BVerwGE 105, 117.

  45. 45.

    BVerfGE 102, 370.

  46. 46.

    Überzeugend dagegen etwa G. Robbers, Heckel-FS, 1999, 411 (419 ff.).

  47. 47.

    H. Weber, ZevKR 2012, 347 (367 ff.).

  48. 48.

    Hinweise jedoch bei D. Zacharias, NVwZ 2007,1257 (1257), Anm. 2–4.

  49. 49.

    Dazu Hinweise bei H. Weber, ZevKR 2012, 347 (357), Fn 32.

  50. 50.

    Vielfach kritisiert wurde die Verleihung der Körperschaftsrechte an den Deutschen Orden (Deutsche Brüderprovinz) durch den Freistaat Bayern im Jahr 1998, obwohl dieser damals nur aus 27 Ordenbrüdern bestand (2007: 30 Brüder). Er baute einen großen Sozialkonzern auf, der Ende 2000 zusammenbrach und einen riesigen Schuldenberg hinterließ (Vgl. näher z. B. www.filzgeschichten.de/deutscherorden.html und die umfangreiche SZ-Berichterstattung).

  51. 51.

    Siehe näher H. Weber a.a.O. 372 ff.

  52. 52.

    BVerfGE 139, 321 = NVwZ 2015, 1434, B. vom 30.06.2015–2 BvR 1282/11 (Zweitverleihung des Körperschaftsstatus). Eingehend zur Problematik H. Weber, ZevKR 2012, 347 (381–387).

  53. 53.

    Vgl. die Hinweise bei St. Korioth, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 140 GG/137 WRV Rn. 71. Gegen ein automatisches Wiederaufleben des Körperschaftsstatus L. Renck, BayVBl 1996, 264 (267 f.).

  54. 54.

    Dazu W. Hennig, Muslimische Gemeinschaften im Religionsverfassungsrecht, 2010 und dies. in ZAR 2007, 133–141.

  55. 55.

    Die Ahmadiyyas gelten als gemäßigt und reformerisch, werden aber von den traditionellen islamischen Verbänden nicht als islamisch anerkannt bzw. als Häretiker angesehen.

  56. 56.

    BVerwGE 123, 49 = NJW 2005, 2101, U. v. 23.02.2005, 6 C 2.04 (islam. Dachverbände und RU).

  57. 57.

    Zum Ganzen H. Weber, ZevKR 2012, 347 (375 ff.).

  58. 58.

    v. Campenhausen/de Wall, Staatskirchenrecht, 4. A. 2006, 131 f.; W. Huber, Evangelische Theologie 54 (1994), 157 (177 ff.); H. Weber, RSG 2001, 47 (72).

  59. 59.

    BVerfGE 83, 341 (Bahá’í).

  60. 60.

    Ähnlich C. D. Classen, Religionsrecht, 2 A. 2014, Rn 305 ff.

  61. 61.

    Dennoch vertrat man vor allem in der Nachkriegszeit die Ansicht, es bestehe zwischen den Körperschaften und kleinen privatrechtlichen Gemeinschaften ein Statusunterschied, der von den Kirchen noch übertroffen wurde. Man sprach von zwei- oder gar dreistufigem Status.

  62. 62.

    Dazu hilfreich, etwas spät, BGH NJW 2003, 1308, U. v. 20.02.2003 (kirchliche Amtshaftung für Sektenbeauftragte); dazu H. Wilms, NJW 2003, 2070.

  63. 63.

    Dazu M. Baumann, Zeitschrift für Religionswissenschaft 1995, H.2, 111–136; M. Introvigne, Schluß mit den Sekten! Die Kontroverse über „Sekten“ und neue religiöse Bewegungen in Europa (hrsg. und eingeleitet von H. Seiwert), 1998.

  64. 64.

    S. die besonders scharfe Kritik von M. Kriele, ZRP 1998, 231 („Sektenjagd“).

  65. 65.

    Deutscher Bundestag, Enquête-Kommission „Sogenannte Sekten und Psychogruppen“ (Hrsg.), Neue religiöse und ideologische Gemeinschaften und Psychogruppen. Forschungsprojekte und Gutachten der Enquête-Kommission, 1998; Endbericht der Enquête-Kommission, Drucksache 13/10950 vom 09.06.1998; Kritik an den Empfehlungen des Endberichts z. B. von M. Kriele, ZRP 1998, 349. Gruppierungen im Zentrum (Opus Dei) oder am Rand der großen Kirchen (Engelwerk) waren nicht Gegenstand der Untersuchungen.

  66. 66.

    Allgemein zur rechtspolitisch-soziologischen Situation auch nach Beendigung der Arbeit der Enquête-Kommission in krit. Sicht E. K. Scheuch, RSG 2000, 213.

  67. 67.

    C. Mertesdorf, Weltanschauungsgemeinschaften, 2008; zusammenfassend zur Rechtsposition der Weltanschauungsgemeinschaften dies. in: H. Groschopp, Konfessionsfreie und Grundgesetz, 2010.

  68. 68.

    M. Schmidt-Salomon, in: MIZ H. 2/2002, 4 ff.

  69. 69.

    BAG NJW 1996, 143 (Scientology keine RG)..

  70. 70.

    S. dazu Abel/Becher/Gawlik/Büttner/Traudien, Die Rechtsprechung zu den Neueren Glaubensgemeinschaften, 1991; die ausführlichen Berichte von R. B. Abel in der NJW: 1996, 91; 1997, 426; 1999, 331; 2001, 410; 2003, 264; 2005, 114.

  71. 71.

    Beiträge in: G. Besier/E. K. Scheuch (Hrsg.), Die neuen Inquisitoren. Religionsfreiheit und Glaubensneid. Teil 1: Aufsätze, Essays und Polemiken, 535 S.; Teil 2, Dokumentation, 494 S., jeweils 1999 (Bd. 1: H. Weber, 174 und 517; H. Wilms, 211 und 519 [insb. zur Diskriminierung der Rosenkreuzer]); W. Cremer/T. Kelm, NJW 1997, 832 (Zugang zum öffentlichen Dienst); C. A. W. Gambke, Gewissen und Freiheit H. 50 (1998), 6 (eindringlich zur Diskriminierung der Osho-Bewegung); J. Neumann, Aufklärung und Kritik, H. 1/1999, 78; C. Sailer, ZRP 1999, 455 (457 ff.).

  72. 72.

    S. die praktischen Beispiele zu Minderheiten in Deutschland bei A. Köster-Loßak MdB, in: Gewissen und Freiheit Nr. 52 (1999), 60. Auch das BVerfG bestätigt in E 105, 279 (309), es sei nachvollziehbar, wenn „schwerwiegende Nachteile“ befürchtet werden.

  73. 73.

    Die wichtigsten: BVerfGE 105, 279 (Osho-Beschluss); E 99, 185 (Fall Helnwein, Rufschädigung); BVerfG NJW 1989, 3269, U. v. 15.08.1989 (Transzendentale Meditation); BVerwGE 82, 76 (Transzendentale Meditation); BGH NJW 2003, 1308, U. v. 20.02.2003 (Sorgfaltspflichten eines kirchlichen Sektenbeauftragten).

  74. 74.

    Einige Hinweise: M. Borowski, Die Glaubens- und Gewissensfreiheit des Grundgesetzes, 2006, 449 ff.; H.-J. Cremer, JuS 2003, 747; C. Gusy, NJW 2000, 977; J. Lege, DVBl 1999, 569; D. Murswiek, NVwZ 2003, 1.

  75. 75.

    BVerfGE 105, 279.

  76. 76.

    Die im Widerspruch zur Rspr. des EGMR steht.

  77. 77.

    Das ergibt sich auch aus der 2016 erschienenen Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes: Akzeptanz religiöser und weltanschaulicher Vielfalt in Deutschland, www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/Downloads/DE/publikationen/Umfragen/Bericht_zur_Umfrage_Akzeptanz_religioeser_und_weltanschaulicher_Vielfalt_in_Deutschland.pdf?__blob=publicationFile&v=2. Nach dieser repräsentativen Studie zeigten sich 92 % der Befragten (ab 14. Jahren) eher positiv oder sehr positiv gegenüber Christen gestimmt, und erstaunliche 88 % waren es gegenüber konfessionell Ungebundenen. Gegenüber Muslimen betrug die positive Stimmung immerhin schon 64 %, während 25 % ein eher negatives und 8 % ein sehr negatives Bild hatten. – Materialreich zur aktuellen Islamdebatte M. Schmidt-Salomon, Die Grenzen der Toleranz, 2016, 12–66.

  78. 78.

    Zur Zahl der Muslime gibt es keine zuverlässigen Angaben, vor allem weil der Islam keine förmliche Mitgliedschaft kennt. Unter Berücksichtigung der hohen Flüchtlingszahlen seit 2015 mögen es etwa 5 Mill. Menschen aus dem islamischen Kulturkreis sein. Über die Gläubigkeit sagt das nichts aus. Die Zahl der förmlichen Mitglieder der Moscheebauvereine und Dachverbände ist relativ gering. Zu den „Muslimen“ werden statistisch meist auch die etwa 500.000 Aleviten gerechnet. Das ist nicht korrekt. Selbst das konservative Alevitentum betrachtet den Koran nicht als sakrosankt und als ergänzungsbedürftig. Eine wachsende Zahl der ohnehin undogmatisch-liberalen traditionellen Aleviten setzt sich aber deutlich vom Islam ab. Kennzeichnend ist einerseits ein pantheistisches Gottesverständnis, andererseits sogar „nur“ eine humanistische Philosophie. Das Alevitentum befindet sich in einem Selbstfindungsprozess. Vgl zum Ganzen A. E. Toprak und I. Kaplan, in: K. Spenlen (Hg.) 2013, 275–304; ergänzend H. Engin in: M. Rohe u. a. (Hg.), Christentum und Islam in Deutschland, 2014 bzw 2015.

  79. 79.

    Gewaltfrage, Anerkennung subjektiver säkularer Grundrechte, Toleranz gegenüber anderen Religionen und Sitten, Körperstrafen, Todesstrafe bei Glaubensabfall, Frauendiskriminierung.

  80. 80.

    Eine aktuelle Ausnahme bildet z. B. der in den USA lebende Rechtsgelehrte und Menschenrechtsaktivist Abdullahi an-Na´im. Er betont das individuelle Gewissen und behauptet aus religiöser Perspektive auch, es könne nur säkulare, keine islamischen Staaten geben. Knapp zusammenfassend zur Menschenrechtsproblematik G. Czermak, in: G. Batz (Hg), Islamismus, 136–143, (Web www.gkpn.de/auk_so13.pdf). Zu kleinen liberalen Ansätzen in Deutschland s. § 13 V 3.

  81. 81.

    Die islamischen Menschenrechtserklärungen (insb. „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte im Islam“ des Islamrats für Europa, 1981 und die „Kairoer Erklärung der Menschenrechte im Islam“ der 57 islamischen Staaten [OIC], 1990) sind Gegenerklärungen zur Charta der UN von 1948. Sie enthalten Schariavorbehalte. Im Detail C. Schirrmacher, Islamische Menschenrechtserklärungen und ihre Kritiker – Einwände von Muslimen und Nichtmuslimen gegen die Allgültigkeit der Scharia, in: http://www.igfm.de/themen/scharia/islamische-menschenrechtserklaerungen/einwaende-gegen-scharia/ (2008). Für Deutschland siehe die „Islamische Charta“ des Zentralrats der Muslime, 2002.

  82. 82.

    Zur Kritik am Verhalten des Propheten H. Abdel-Samad, 2015; A. Geus, 2010; T. Nagel, Mohammed, 2008.

  83. 83.

    I. Arsel (2012) und L. Kaddor (2010) a. a. O. sowie umfang- und materialreich Ibn Warraq (Pseudonym), Warum ich kein Muslim bin, Berlin 2004 (ohne Entwicklung in Europa).

  84. 84.

    Hierzu kommt Ufuk Özbe in seiner ausführlichen Untersuchung „Kritik der liberalen Auslegungen des Islam“, Sonderdruck der Zeitschrift „Aufklärung und Kritik“, Nürnberg 2016, zu folgendem Ergebnis: Liberale Versuche, den Koran mit den Werten des freiheitlichen Rechtsstaats in Einklang zu bringen, würden zwar mit unterschiedlichen Auslegungsmethoden unternommen. Bei intellektuell redlicher Vorgehensweise könne man aber „niemals … zu einer Weltanschauung finden, die nicht in einigen wichtigen Punkten im Widerspruch zu den modernen Grundwerten steht“ (a. a. O. 40). Das sei nur bei Unwissenheit, hartnäckiger Verdrängung oder unter „schwindelerregenden geistigen Verrenkungen“ möglich. – Ähnliche Probleme hat freilich auch die Bibel aufgeworfen, die man durch Selektion in der Praxis stark entschärft hat. Die christliche Praxis hat in Europa zumindest seit 1945 bzw. dem 2. Vatikanischen Konzil kein Problem mit dem demokratischen Rechtsstaat, und vielleicht entwickelt sich ein vergleichbarer „Euro-Islam“. Hilfreich zum Verständnis auch A. Pfahl-Traughber (2007) a.a. O.

  85. 85.

    Dazu W. Bock, NJW 2012, 122–127.

  86. 86.

    H. Abdel-Samad/M. Khorchide, „Zur Freiheit gehört, den Koran zu kritisieren“. Ein Streitgespräch, Freiburg 2016. Dazu http://hpd.de/artikel/haeltst-du-es-dem-islam-12964.

  87. 87.

    W. Bock, JZ 2012, 60 (67).

  88. 88.

    S. Evelyn Finger in DIE ZEIT, 22.06.2017 S. 56.

  89. 89.

    BGBl. I 2001, S. 3319. Die Änderung zeigt die Anpassungsfähigkeit der Rechtsauslegung an rechtspolitische Änderungen.

  90. 90.

    Das hat L. Michael in JZ 2002, 482 eindrucksvoll nachgewiesen.

  91. 91.

    BVerwG NVwZ 2003, 986, U. v. 27.11.2002 – 6 A 4.02 (Kalifatsstaat), bestätigt durch BVerfG-K NJW 2004, 47; hierzu M. Sachs, JuS 2004, 12; s. auch BVerwG, NVwZ 2006, 694, U. v. 25.01.2006.

  92. 92.

    BVerfG-K NJW 1999, 349 und ebenda 350; BVerfG-K NVwZ 1999, 758 (die Möglichkeit staatsgerichtlicher Prüfung von Statussachen wurde offengelassen); BGH NJW 2000, 1555 (Grundsatzentscheidung vom 11.02.2000 – V ZR 291/99: Justizgewährung gegenüber RG auch dann, wenn interne Vorfragen wie die Vertretungsbefugnis nach außen geklärt werden müssen); BGHZ 154, 306 = NJW 2003, 2097, U. v. 28.03.2003 – V ZR 261/02; BVerwGE 116, 86 (7. Senat).

  93. 93.

    BVerwG NJW 2003, 2112 (2. Senat).

  94. 94.

    Z. B. BVerwGE 66, 241; 95, 379; BVerfG NJW 1983, 2569; BVerfG NVwZ 1989, 452.

  95. 95.

    Staatlicher Rechtsweg nur, wenn zumindest schlüssige Rechtswegeröffnung durch Kirche; nicht aber bei „verkappten Statusklagen“, bei denen die Statusfrage inzident zu prüfen wäre, vgl. BVerwGE 95, 379.

  96. 96.

    BGH NJW 2000, 1555.

  97. 97.

    BGH NJW 2003, 2097.

  98. 98.

    In BVerfGE 111, 1 wurde die Grundsatzfrage wieder nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Verfassungsbeschwerde bei keiner Betrachtungsweise Erfolg haben könne. Dagegen das Sondervotum Lübbe-Wolff, a. a. O. 7 ff.

  99. 99.

    EGMR, Urt. v. 06.12.2011 – 12986/04 (Müller); EGMR, Urt. v. 06.12. 2011 –39775/04 (Reuter), und EGMR, Urt. v. 06.12.2011 –38254/04 (Baudler). Siehe dazu C. Kirchberg, NVwZ-extra 2013, 1–5 (kritisch).

  100. 100.

    Dazu H. Weber, HdbStKirchR II, 2. A. 1995, 1047.

  101. 101.

    Nur Gedankenlosigkeit oder favor ecclesiae?

  102. 102.

    BVerwGE 149, 139 = NVwZ 2014, 1101, U. v. 27.02.2014 – 2 C 19.12 (Neuausrichtung zum Justizgewähranspruch).

  103. 103.

    Das BVerwG nimmt dazu auf BGHZ 154, 306 (312) – V ZR 261/02 v. 28.03.2003 Bezug.

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Czermak, G., Hilgendorf, E. (2018). § 11 Korporative Religionsfreiheit (Rechtsstellung der RG und WG). In: Religions- und Weltanschauungsrecht. Springer-Lehrbuch. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-56078-5_11

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