10.1 Infestationen

Infestationen bezeichnen den Befall mit Endo- oder Ektoparasiten, die sich im Gegensatz zu einer Infektion im Organismus des Wirts nicht vermehren.

10.1.1 Skabies

10.1.1.1 Ätiologie und Pathogenese

Skabies (Fölster-Holst et al. 2016) ist eine in der gesamten Bevölkerung unter dem Namen „Krätze “ bekannte und mit Negativvorurteilen behaftete Erkrankung. Sie ist mit den Vorstellungen von Armut, Elend und Schmutz, wie z. B. bei Obdachlosen oder auf engstem Raum lebenden Menschen, wie wir sie unter den Bedingungen von Flucht und Migration sehen, verbunden. Es handelt sich dabei um eine weltweit und in jedem Alter vorkommende durch die Krätzmilbe (Sarcoptes scabiei variatio hominis) (◘ Abb. 10.1) verursachte Parasitose. Die Krätzmilbe wird wegen ihrer 4 Beinpaare zu den Spinnen gerechnet. In den Schwellen- und Entwicklungsländern ist davon auszugehen, dass 15 % der Bevölkerung von Skabies betroffen sind. Im Neugeborenenalter wird Skabies eher selten gesehen.

Abb. 10.1
figure 1

Krätzmilbe (Bild aus ► istockphoto.com Nr. 183775178; © animatedfunk / Getty Images / iStock)

Die Übertragung erfolgt durch befruchtete Krätzmilben-Weibchen, die sich ins Stratum corneum, aber auch ins Stratum granulosum der Haut eingraben und dort täglich 2–3 Eier, sowie Kot ablegen. Hierdurch kommt es zu einer Immunreaktion, welche die Ursache der Hautreaktionen und vor allem auch des starken Juckreizes ist.

Aus den Eiern schlüpfen bereits nach 2 bis 3 Tagen Larven. Sie finden den Weg zur Hautoberfläche, wo sie sich zu Nymphen und adulten Milben entwickeln. Die männlichen Milben sterben nach der Begattung. Mit einer Größe von bis zu 0,5 mm sind sie mit bloßem Auge gerade noch zu erkennen. Typisch für die Milben ist ihr als bräunliches Dreieck erscheinender Vorderleib. Die Übertragung erfolgt durch Körperkontakt und weniger durch Kleidung oder Wäsche. Für eine Infestation reicht die Übertragung eines einzigen begatteten Weibchens.

10.1.1.2 Klinik und Diagnostik

Skabies ist eine sehr stark juckende Hauterkrankung. Neben den pathognomonischen Gängen sind rotbraune, ekzematöse Hautveränderungen, die eine zelluläre Immunreaktion auf die Milben darstellen, typisch. Die Hautveränderungen über den Gängen sind u.U. leicht erhaben und zeigen eine „kommaförmige“ Rötung. Am Ende des Ganges kann die Milbe als brauner Punkt erkennbar sein.

Zu den Prädilektionsstellen gehören:

  • Kopf

  • Gesicht

  • Palmoplantarregion, die im frühen Kindesalter, mit Vesikeln und Pusteln, besonders typisch verändert ist.

Die auftretenden papulösen Hautveränderungen können auch nach erfolgreicher Behandlung noch über Monate bestehen bleiben (nicht mehr kontagiöse postskabiöse Granulome). Die Hautreaktion ist von der Milbenlast abhängig. Extreme sind dabei:

  • „Gepflegte“ Skabies mit nur marginalen ekzematoiden Hautveränderungen. Sie kommt bei Patienten mit sehr guter Körperhygiene vor. Die Zahl der Milben ist dabei geringer als bei der klassischen Skabies.

  • Skabies crustosa (früher Scabies norvegica). Diese Form ist durch einen massiven Milbenbefall gekennzeichnet. Eine begünstigende Rolle spielen dabei eine Immunsuppression (z. B. HIV), schwere zusätzliche Erkrankungen, eine medikamentöse Immunsuppression oder ein hohes Lebensalter. Diese Form ist durch eine psoriasiforme palmoplantare Hyperkeratose und auch eine Erythrodermie gekennzeichnet. Bei Kindern ist sie eher selten.

Differenzialdiagnostisch muss vor allem bei afrikanischen Kindern im 1. und 2. Lebensjahr die Acropustolosis im Säuglings- und Kleinkindesalter einbezogen werden. Es bilden sich dabei stark juckende Pusteln an Handflächen und Fußsohlen aus, die als Skabies verkannt werden können.

10.1.1.3 Therapie

Die Therapie der Wahl ist in allen Altersgruppen die topische Anwendung von 5 %igem Permethrin (InfectoScab®). Eine einmalige Therapie ist ausreichend. Vor dem 3. Lebensjahr wird Crotamitonsalbe empfohlen. Die Anwendung von 10 %igem Benzylbenzoat sollte erst ab dem 3. Lebensjahr durchgeführt werden. Seit Kurzem ist in Deutschland auch die orale Gabe von Ivermectin (Scabioral®; 3 mg Tabletten; Einmalige Gabe von 200 μg /kg; InfectoPharm) zugelassen. Diese Behandlungsform ist für Gemeinschaftseinrichtungen gut geeignet. Personen mit engem Kontakt sollten immer mitbehandelt werden. Kleidung, Bettwäsche und Handtücher sind mindestens bei 50°C zu waschen.

Eine klinische Kontrolluntersuchung sollte nach 14 Tagen stattfinden. Postskabiöse Granulome erfordern keine erneute antiskabiöse, sondern eine antiinflammatorische Therapie, z. B. mit topischen Kortikosteroiden.

Die Wissenschaftler William C. Campbell und Satoshi Omura erhielten 2015 für die Entdeckung von Ivermectin den Nobelpreis für Medizin.

10.1.2 Läuse (Pediculosis )

10.1.2.1 Ätiologie und Pathogenese

Läuse sind flügellose Insekten. Es werden Kopf-, Kleider- und Filzläuse unterschieden. Sie werden bei engem körperlichen Kontakt, wie in den Aufnahmelagern von Flüchtlingen, von Mensch zu Mensch übertragen.

Kopfläuse

Die Kopflaus (Pediculus humanus capitis) (◘ Abb. 10.2) findet nur am menschlichen Kopf ein geeignetes Habitat. Kopfläuse benötigen alle 2–3 Stunden Blut. Sie können also außerhalb des Kopfes nur kurze Zeit überleben. Fallen sie vom Kopf, dann sind sie bereits nach wenigen Stunden so dehydriert, dass sie nicht mehr infektiös sind. Die befruchteten Weibchen kleben Nissen , in denen sich Eier befinden, an die Haarschäfte.

Abb. 10.2
figure 2

Kopflaus (Bild aus ► istockphoto.com Nr. 115944610; © arlindo71 / Getty Images / iStock)

Nissen (Eihüllen) sind nicht vom Haar abstreifbar und unterscheiden sich damit von abstreifbaren Haarschuppen.

Von der Anheftung eines Eis bis zur Präsenz einer fortpflanzungsfähigen Laus vergehen 17 bis 21 Tage. Adulte Läuse leben zwischen 3 und 4 Wochen. Im Gegensatz zu anderen Insekten machen Läuse nur eine inkomplette Metamorphose durch; es gibt also weder ein Larven- noch ein Puppenstadium. Die aus dem Ei schlüpfende Nymphe sieht bereits wie eine kleine erwachsene Laus aus. Nach dem Schlüpfen der Nymphen bleiben die leeren Eihüllen (Nissen) am Haar kleben. Nissen sind somit nicht infektiös.

Läuse sind Vektoren für bakterielle Pathogene. Nachgewiesen ist die Übertragung von Rickettsia prowazekii (Erreger des klassischen Fleckfiebers ), von Borrelia recurrentis (Erreger des Läuserückfallfiebers) und von Bartonella quintana (Erreger des Fünf-Tage-Fiebers) (Feldmeier 2017; Boutellis et al. 2013).

Durch Flüchtlinge aus Ostafrika wurde Borrelia recurrentis nach Europa eingeschleppt. Im Zeitraum von Januar bis November wurden 28 Fälle von Läuserückfallfieber bei jugendlichen Flüchtlingen aus Somalia, Äthiopien und Eritrea dokumentiert (Antinori et al. 2016).

Die Übertragung erfolgt durch direkten Haar-zu-Haar-Kontakt, z. B. wenn Personen Kopf an Kopf im Bett liegen. Kopfbedeckungen, Bettwäsche, Handtücher, Bürsten und Kämme spielen für die Übertragung keine Rolle (Canyon und Speare 2010). Typische Verbreitungsorte sind vor allem Kindergärten und Schulen. In allen Kulturkreisen sind Mädchen häufiger betroffen als Jungen. Das Verhältnis Mädchen zu Jungen reicht von 12:1 in der Türkei bis zu 2:1 in Mitteleuropa; (Feldmeier 2012).

Die Häufung der Pediculosis capitis bei Mädchen wird auf geschlechtsspezifisches Verhalten und die längeren Haare von Mädchen zurückgeführt. Besonders die von Teenagern geübte Praxis der „Selfies“ ist mit häufigem Haarkontakt verbunden.

Komponenten des Läusespeichels verursachen nach dem Biss eine Immunantwort vom verzögerten Typ.

Kleiderläuse

Die Kleiderlaus (Pediculosis vestimentorum) ist größer als die Kopflaus und legt ihre Eier vor allem in den Nähten der Unterwäsche ab.

Filzläuse

Filzläuse (Pediculosis pubis) befallen vor allem Regionen mit apokrinen Schweißdrüsen, wie Scham- und Achselhaare. An den stark juckenden Bissstellen entwickeln sich kleine Blutungen, die als kleine blaue Flecke (Tâches bleues; Maculae coeruleae) imponieren. Die sich bewegenden Filzläuse können mit dem bloßen Auge entdeckt werden.

10.1.2.2 Klinik

Nach der Erstinfestation treten die Symptome an der Kopfhaut nach ca. 4 bis 6 Wochen auf. Bei einer Reinfestation dagegen treten die Symptome bereits nach 24 bis 48 Stunden auf. Symptome treten nur bei14 bis 36 % der Infestierten auf. Bei den anderen Betroffenen ohne Pruritus ist die Diagnosestellung rein zufällig (Burgess 1995). Die Immunreaktion induziert juckende, erythematöse Papeln und Quaddeln. Der Juckreiz führt zu Kratzen und damit zu Exkoriationen der Epidermis und der Bildung von Krusten. Sekundär können bakterielle Superinfektionen auftreten. Reaktionen der Lymphknoten der Kopfhaut manifestieren sich als linsenförmige Knötchen in der Kopfhaut.

10.1.2.3 Diagnostik

Die sensitivste diagnostische Methode ist das Auskämmen der angefeuchteten Haare mit einem engzahnigen Läusekamm. Die weißen Nissen lassen sich im Gegensatz zu Schuppen nicht von den Haaren abstreifen. Der Nachweis von Nissen lässt nicht notwendigerweise den Schluss auf eine aktive Infestation zu.

10.1.2.4 Therapie

Dimeticone hat eine gute Wirkung gegen adulte Läuse und deren Eier. Produkte sind: NYDA®, EtoPril® und Jacutin® (Hexachlorcyklohexan). Die aufgetragenen Substanzen werden nach einigen Stunden wieder ausgewaschen. Die Behandlung muss nach einigen Tagen wiederholt werden. Nissen werden nach Durchtränkung der Haare mit Essig mit einem feinen „Läusekamm“ ausgekämmt.

10.1.2.5 Prophylaxe

Sofort nach der Behandlung können Kinder wieder Gemeinschaftseinrichtungen besuchen.

10.1.3 Flöhe (Pulikose )

10.1.3.1 Ätiologie und Pathogenese

Menschenfloh (Pulex irritans)

Flöhe sind flügellose Insekten, die auf einen Wirt, seien es Menschen oder Tiere, spezialisiert sind (◘ Abb. 10.3).

Abb. 10.3
figure 3

Floh (Bild aus ► istockphoto.com Nr. 508788146; © marcouliana / Getty Images / iStock)

10.1.3.2 Klinik und Diagnostik

Flohbisse finden sich an bedeckten Körperstellen (◘ Abb. 10.4). Sie sind in asymmetrischen Gruppen angeordnet. An der Bissstelle entsteht eine Quaddel und unter dem Glasspatel zeigt sich eine kleine Blutung. Es besteht ein starker Juckreiz.

Abb. 10.4
figure 4

Flohbisse (Bild aus ► istockphoto.com Nr. 639808588; © Ploychan / Getty Images / iStock)

10.1.3.3 Therapie

Antihistaminika.

10.1.3.4 Prophylaxe

Der Menschenfloh Pulex irritans kann durch eine gute Wohnungshygiene eliminiert werden. Einsprühen mit Insektiziden (Jacutin-Spray®, DDT-Spray®).

Tungiasis (Sandflohkrankheit)

10.1.3.5 Ätiologie und Pathogenese

Die Tungiasis wird durch den Sandfloh Tunga penetrans verursacht. Es penetrieren nur weibliche Sandflöhe. Im Gegensatz zu allen anderen Flohspezies, die nur temporäre Ektoparasiten sind, dringt Tunga penetrans permanent in die Haut des Wirts ein. Die Tungiasis ist in Mittel- und Südamerika, auf den karibischen Inseln und in Afrika unterhalb der Sahara endemisch. Sie ist eine in typischer Weise mit Armut assoziierte Erkrankung, die in der Gesamtbevölkerung eine Prävalenz von ca. 50 % und bei Kindern bis zu 80 % erreicht. Hunde, Katzen, Schweine, Ziegen und Ratten sind die wichtigsten Tierreservoire (Pampiglione et al. 2009).

Der Entwicklungszyklus vom Ei über Larve und Puppe bis zum Floh findet im Erdboden, insbesondere sandigem Boden (Name!) statt. Der weibliche Sandfloh legt seine Eier in der Haut ab. Wenn nach 3 bis 4 Wochen alle Eier ausgeschieden sind, stirbt der Floh in situ. Die Überreste werden durch Reparaturmechanismen der Haut eliminiert. Die Tungiasis ist somit eine sich selbst limitierende Infektion. Die Entzündungsreaktion wird durch die konstant vorhandenen bakteriellen Super-infektionen verstärkt.

10.1.3.6 Klinik

Im Endemiegebiet infizieren sich insbesondere Kinder jeden Tag wieder neu, sodass häufig viele Sandflöhe gleichzeitig vorhanden sind. 99 % aller Läsionen sind im Bereich der Füße lokalisiert.

Die Tungiasis wird in fünf klinische Stadien unterteilt:

  1. 1.

    Stadium der Penetration. Das Stadium verläuft häufig unbemerkt.

  2. 2.

    Starke Größenzunahme des Flohs. Es entwickelt sich eine runde, gelblichweiße, scharf begrenzte Erhebung der Haut mit einem zentralen bräunlich-schwarzen Punkt.

  3. 3.

    Ca. 2 Wochen nach der Penetration erreicht der Floh mit ca. 10 mm seine maximale Größe. Die Hypertrophie imponiert als runde, uhrglasartige Vorwölbung von prallelastischer Konsistenz mit scharfer Begrenzung. Charakteristisch für dieses Stadium ist die Ausscheidung von Fäkalmaterial in Form von klebrigen dunklen Fäzesfäden. Wegen des erheblichen Drucks auf das umliegende Gewebe ist dieses Stadium sehr schmerzhaft.

  4. 4.

    Ca. 3 bis 5 Wochen nach der Penetration bildet sich die Läsion zurück. Sie verliert ihre prallelastische Konsistenz und ist mit einer schwärzlich-braunen Kruste bedeckt. In diesem Stadium ist der Floh bereits abgestorben.

  5. 5.

    Die Überreste des Parasiten werden durch körpereigene Reparaturmechanismen eliminiert. Die abgelaufene Tungiasis ist durch eine kreisförmige Impression im Stratum corneum erkennbar.

10.1.3.7 Diagnostik

Die Diagnose ist eine Blickdiagnose. Die charakteristischen Beschwerden der Patienten sind: Juckreiz, lokaler Schmerz und das Gefühl eines sich vergrößernden Fremdkörpers.

10.1.3.8 Therapie

Lokale Applikation eines Zwei-Komponenten-Dimeticons (NYDA®) auf den Fuß. Sandflöhe sterben innerhalb von 5 Tagen ab.

10.1.3.9 Prävention

Zweimal tägliche Applikation eines Repellents auf Kokosölbasis (Zanzarin ) verhindert die Penetration von Sandflöhen. Dieses Repellent ist in Deutschland nicht im Handel.

Das Tragen von Strümpfen und geschlossenen Schuhen.

10.1.4 Wanzen (Cimikose )

10.1.4.1 Ätiologie und Pathogenese

Die Bettwanze (Cimex lectularius) sticht in der Nacht und saugt Blut (◘ Abb. 10.5). Tropische Wanzen sind die Überträger der Chagas-Krankheit.

Abb. 10.5
figure 5

Wanze (Bild aus ► istockphoto.com Nr. 183372656; © animatedfunk / Getty Images / iStock)

10.1.4.2 Klinik und Diagnostik

Wanzenstiche finden sich in Gruppen, aber auch linear aufgereiht an unbekleideten Hautstellen (◘ Abb. 10.6). Beim Stich wird Speichel eingebracht, welcher Quaddeln und einen starken Juckreiz erzeugt. In der Mitte der Quaddel ist ein hämorrhagischer Punkt sichtbar. Wanzen werden in Betten oder Polstermöbeln gefunden.

Abb. 10.6
figure 6

Wanzenstiche in teilweise linearer Anordnung. (Bild aus istockphoto Nr. 157635458; © jcarillet / Getty Images / iStock)

10.1.4.3 Therapie

Lokalbehandlung mit Antihistaminika oder lokalen Steroiden.

10.2 Helminthosen

Helminthosen sind Erkrankungen, die durch parasitäre Würmer ausgelöst werden. Es werden unterschieden: Nematoden (Rundwürmer), Trematoden (Egel) und Zestoden (Bandwürmer).

10.2.1 Larva migrans (Hakenwurmerkrankung)

10.2.1.1 Ätiologie und Pathogenese

Larva migrans ist eine Nematodeninfestation der Haut durch Hakenwurmspezies wie Ancylostoma braziliense oder Ancylostoma caninum. Die adulten Nematoden leben im Darm von Hunden und Katzen. Larva migrans ist überall dort endemisch, wo streunende Hunde und Katzen den Boden mit Kot verunreinigen und sie nicht regelmäßig entwurmt werden. Aus Afrika wird eine Larva migrans-Prävalenz bei Kindern von bis zu 15 % angegeben (Saka et al. 2012).

Aus den mit dem Kot ausgeschiedenen Eiern schlüpfen unreife Larven, die sich innerhalb einer Woche zu infektiösen Larven entwickeln. Diese bleiben in feucht-warmer Umgebung mehrere Monate infektiös (Feldmeier et al. 2012).

Kleinepidemien treten gerne am Ende eines besonders warmen und feuchten Sommers auf (Müller-Stöver et al. 2010). Hakenwürmer dringen innerhalb von Minuten in die menschliche Haut ein (Haas et al. 2005). Die kutane Larva migrans kann auch mittels infizierter Wäschestücke übertragen werden.

Die kutane Larva migrans ist die häufigste parasitäre Hauterkrankung bei Reiserückkehrern aus tropischen oder subtropischen Gebieten.

Da sich die Tierhakenwurmlarven im falschen Wirt befinden, können sie die Basalmembran der Epidermis nicht durchdringen und wandern ziellos über Wochen und Monate durch die Haut. Um die migrierende Wurmlarve entwickelt sich eine starke Entzündungsreaktion.

10.2.1.2 Klinik

Leitsymptom der Erkrankung ist der charakteristische mäandrierende, erythematöse und über die Haut erhabene Gang, der sich pro Tag um einige Millimeter verlängern kann. Daraus ist die englische Bezeichnung „creeping eruption “ abgeleitet. Aus der Länge des Ganges kann auf den Expositionszeitpunkt rückgeschlossen werden. In ca. 10 % entwickeln sich auch vesikobullöse Läsionen.

Die Effloreszenzen jucken außerordentlich stark. Der Juckreiz verstärkt sich in der Nacht. Juckreiz-assoziierte Schlafstörungen sind daher nahezu konstant. Die aus dem Juckreiz resultierenden Kratzspuren können sich bakteriell infizieren. Es erfolgt eine Impetiginisierung, welche die lokale Entzündungsreaktion verstärkt. Nach Wochen bis Monaten stirbt die Larve in situ ab (Feldmeier 2017).

10.2.1.3 Diagnostik

Die Diagnose ergibt sich aus dem Erkennen des Larvenganges. Eine Eosinophilie kann bestehen; sie ist aber nicht obligatorisch. Es gibt keinen immunologischen Nachweis.

10.2.1.4 Therapie

Mittel der Wahl sind Ivermectin und Albendazol oral (Sunderkötter et al. 2015). Ivermectin oral in einer einmaligen Dosis von 200 μg/kg bei Kindern > 5 Jahre und > 15 kg. In Deutschland ist Ivermectin nur für die Skabiesbehandlung, aber nicht für die kutane Larva migrans-Behandlung zugelassen.

Albendazol: 400 mg/Tag für 5–7 Tage oder 15 mg/kg/Tag bis zu einem Maximum von 800 mg für ältere Kinder und Jugendliche. Albendazol ist in Deutschland nur für die Behandlung der Strongylosidiasis und Echinokokkose zugelassen. Die Behandlung der Larva migrans ist somit eine „off-label“-Therapie.

Die Entzündungszeichen und der Juckreiz bilden sich innerhalb einer Woche zurück. Bei Persistenz der Symptome ist eine zweite Dosis notwendig.

10.2.2 Nematoden (Rund- oder Fadenwürmer)

10.2.2.1 Ätiologie und Pathogenese

Fadenwurmerkrankungen oder Filariosen machen die größte Gruppe unter den humanpathogenen Helminthosen aus. Sie sind vor allem im subsaharischen Afrika verbreitet und werden durch blutsaugende Arthropoden (Anopheles-, Aedes-, Culicoides-Arten) übertragen. Sitz der Filarien ist das Lymphsystem oder das subkutane bzw. das peritoneale Bindegewebe.

10.2.2.2 Klinik

Im frühen Krankheitsstadium bestehen rezidivierende Fieberschübe mit Lymphadenitis, Epididymitis und Orchitis. Die inguinalen Lymphknoten sind schmerzhaft geschwollen. Die betroffene Extremität bildet ein Lymphödem aus. Chronische Läsionen sind Folge der Lymphstauung nach längerem Verlauf. Variköse Lymphknoten können mit einer Leistenhernie verwechselt werden. Weitere charakteristische Veränderungen sind das Lymphskrotum, die Hydrocele oder das chronische Lymphödem einer Extremität (Elephantiasis ; ◘ Abb. 10.7).

Abb. 10.7
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Elephantiasis, ein chronisches Lymphödem des Beines. (Bild aus istockphoto Nr. 517135148; © vchal / Getty Images / iStock)

10.2.2.3 Diagnostik

Vor einem aufwändigen parasitologischen Nachweis im Blut bzw. in der Haut kann die Serologie als Suchtest durchgeführt werden. Infektionen mit Filarien führen zu einer kräftigen Serumantikörperbildung.

Bei hoher Mikrofilariendichte (MF) (ab ca. 500 MF/ml) genügt die mikroskopische Betrachtung eines Tropfens Citratblut bei 80-100-facher Vergrößerung.

10.2.2.4 Therapie

Doxycyclin 200 mg/Tag über 4 Wochen.

10.2.2.5 Prävention

Repellents und Schlafen unter einem Moskitonetz.

10.2.3 Oxyuriasis (Madenwürmer)

10.2.3.1 Ätiologie und Pathogenese

Madenwürmer (Enterobius vermicularis. Synonym: Oxyuris vermicularis) sind die einzigen bei Kindern in Deutschland noch häufig vorkommenden Würmer. Eier überleben bis zu 20 Tage außerhalb des Körpers. Adulte Madenwürmer besiedeln den gesamten Dickdarm. Weibchen legen ihre Eier bevorzugt anal, perianal und auch vaginal ab.

10.2.3.2 Klinik

Hauptsymptom: Vor allem nächtlicher analer Pruritus . Bei Mädchen und Frauen kann eine begleitende Vulvovaginitis auftreten. Das Allgemeinbefinden ist nicht gestört.

10.2.3.3 Diagnostik

Die Diagnose wird in der Zusammenschau von Anamnese, Klinik und mikroskopischer Diagnostik gestellt. Die Mikroskopie erfolgt von einem Klebefilmabriss der Analhaut. Mikroskopisch sind ovale Wurmeier mit einer Doppelkontur nachweisbar (◘ Abb. 10.8).

Abb. 10.8
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Wurmeier, die im Stuhl nachweisbar sind. (Bild aus istockphoto Nr. 587186608; © jarun011 / Getty Images / iStock)

10.2.3.4 Therapie

Kinder ab 7 Monate: Pyrantelembonat (Helmex®)

Kinder ab 2 Jahre: Mebendazol (Vermox®) 100 mg p.o. an 3 aufeinanderfolgenden Tagen.

10.2.3.5 Prävention

Täglicher Wechsel der Unterwäsche. Die Wäsche sollte möglichst bei 90° C gewaschen werden. Die Fingernägel sollten kurz gehalten werden.

10.2.4 Ascariasis lumbricoides (Spulwurm)

10.2.4.1 Ätiologie und Pathogenese

Der Spulwurm ist die größte Nematodenart des Menschen (◘ Abb. 10.9). Von jedem Weibchen werden täglich ca. 200.000 Eier abgelegt, die mit dem Stuhl ausgeschieden werden. Die Infestation erfolgt durch die orale Aufnahme der embryonierten Eier. Nach Andauung der Eihülle durch den Magensaft schlüpft die Zweitlarve im oberen Dünndarm und beginnt ihre Wanderung durch Penetration der Dünndarmmukosa. Sie gelangt auf dem Blutweg über Leber und Lunge in die Lungenalveolen. Die ca. 2 mm großen Dritt- und Viertlarven wandern über die Trachea und den Ösophagus in den Dünndarm, um dort zum adulten Wurm heranzuwachsen. Die Lebensdauer des erwachsenen Wurms beträgt 1–2 Jahre.

Abb. 10.9
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Ascariden; Spulwürmer, die größte Nematodenart des Menschen. (Bild aus istockphoto Nr. 623927226; © mraoraor / Getty Images / iStock)

Die Prävalenz ist in Slumgebieten von Entwicklungsländern besonders hoch. Bei der Infestation spielen rohe Salate, Gemüse oder Obst, die mit fäkalienhaltiger Erde oder Abwasser kontaminiert sind (Fäkaliendüngung ) die größte Rolle.

10.2.4.2 Klinik

Ca. 2 Wochen nach der Infestation kann sich eine pulmonale Askariasis manifestieren, die als Löffler-Syndrom bezeichnet wird. Charakteristisch dafür sind:

  • Trockener Husten

  • Subfebrile Temperaturen

  • Retrosternales Brennen

Die Symptome können sich jedoch auch steigern und bis zu asthmoiden Hustenattacken und angioneurotischen Ödemen steigern. Im Differentialblutbild ist meistens eine Eosinophilie nachweisbar. Nach ca. 1–2 Wochen sind die Patienten wieder symptomfrei.

Die intestinale Askariasis kann bei schwerem Befall mit uncharakteristischen gastrointestinalen Beschwerden einhergehen. Die Eiablage in den Gallenwegen und im Leberparenchym kann zu einer granulomatösen Hepatitis führen.

In Entwicklungsländern ist die Askariasis die häufigste Ursache intestinaler Obstruktionen.

10.2.4.3 Diagnostik

  • Bei der pulmonalen Askariasis enthält das Sputum eosinophile Leukozyten.

  • Häufig besteht eine Bluteosinophilie.

  • Die intestinale Askariasis wird durch den Nachweis der rund-ovalen Eier im Stuhl getragen.

  • Askariden sind röntgenologisch bei Röntgenkontrastuntersuchungen des Darms als Füllungsdefekte nachzuweisen oder das Kontrastmittel färbt den Darm des Wurmes zusätzlich an.

10.2.4.4 Therapie

Mittel der Wahl sind die Benzimidazolcarbamate Albendazol (1 × 400 mg) und Mebendazol (500 mg). Die Anthelmintika Piperazin, Ivermectin und Pyrantel sind ebenfalls wirksam.

Prävention.

Händewaschen nach Kontakt mit kontaminierten Böden. Vermeidung von Nahrungsmitteln aus Fäkaldüngung.

10.2.5 Dracunculus medinensis (Medinawurmerkrankung)

10.2.5.1 Ätiologie und Pathogenese

Die Infestation mit dem „Medinawurm “, die Drakunkulose , einem den Filarien verwandten Nematoden, findet sich hauptsächlich in den relativ regenarmen Gebieten des tropischen Afrika (Äthiopien, Ghana, Mali, Niger, Nigeria, Sudan).

10.2.5.2 Klinik

Die Inkubationszeit beträgt ca. 1 Jahr. Patienten werden zunächst durch Frösteln, Fieber, Übelkeit, Urtikaria und gastrointestinale Symptome auffällig. Durch bakterielle Sekundärinfektionen kann es zu Phlegmonen kommen. An der Eindringpforte des Wurmes kann sich ein Ulkus (Medinawurmulkus) entwickeln.

10.2.5.3 Diagnostik

Die Diagnostik erfolgt nach dem klinischen Bild.

10.2.5.4 Therapie

Nach einem Bad in kaltem Wasser wird der herausgetretene Teil des Wurms mit einem Stäbchen aufspiralisiert und letztendlich entfernt. Die Wurmextraktion wird durch gleichzeitige Therapie mit Metronidazol (400 mg/Tag für ca. 2 Wochen) erleichtert.

10.2.6 Egel (Trematoden)

10.2.6.1 Ätiologie und Pathogenese

Intestinale Trematoden oder Darmegel kommen vor allem in Ost- und Südostasien vor. Bei den Egeln handelt es sich um Plattwürmer, die einen Mund- und einen Bauchsaugnapf haben. Egel benötigen einen Zwischenwirt, z. B. Süßwasserschnecken. Der Mensch ist bei Trematodeninfektionen stets der Endwirt. Die Erkrankten sind aufgrund des obligaten Zwischenwirts nicht direkt infektiös. Die adulten Egel leben in mesenterialen Venen oder Venen des kleinen Beckens, in Leber- und Gallenwegen, der Lunge oder im Darm.

10.2.6.2 Klinik

2–3 Monate nach der Infestation kommt es zu Durchfällen und Krämpfen im Epigastrium. Die Krämpfe werden durch Nahrungsaufnahme gebessert. Häufig besteht eine Eosinophilie.

10.2.6.3 Diagnostik

Die Diagnose beruht auf dem mikroskopischen Nachweis der ovalen Eier im Stuhl.

10.2.6.4 Therapie

Mittel der Wahl ist Praziquantel in einer einmaligen Dosis von 15 mg/kg.

10.2.7 Bandwürmer (Zestoden )

10.2.7.1 Ätiologie und Pathogenese

Infestationen mit Bandwürmern der Gattung Taenia (◘ Abb. 10.10) werden vor allem verursacht durch:

  • Taenia solium (Schweinebandwurm)

  • Taenia saginata (Rinderbandwurm)

Abb. 10.10
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Schweinebandwurm (Taenia solium; Bild aus istockphoto Nr. 523788057; © 7activestudio / Getty Images / iStock)

Bandwürmer können intestinal (Rinderbandwurm, Schweinebandwurm, Fischbandwurm, Zwergbandwurm) oder extraintestinal (Hunde-/Fuchsbandwurm) vorkommen. Das Schwein nimmt die Eier von Taenia solium mit der Nahrung auf. Im Darm des Schweins werden Hakenlarven aus den Eiern freigesetzt. Nach Durchdringen der Darmwand zirkulieren sie mit dem Blutkreislauf im Körper des Zwischenwirts. Sie nisten sich vor allem in die quergestreifte Muskulatur und das ZNS ein, wo sie sich in Finnen (Zystizerken) umwandeln. Bandwürmer sind Zwitter, die in einen Kopf mit Saugnäpfen (Skolex) und Gliedern (Proglottiden ) unterteilt werden. Der Mensch kann sowohl End- als auch Zwischenwirt sein. Als Endwirt kann jedoch nur der Mensch befallen sein.

10.2.7.2 Klinik

Ist der Mensch Endwirt, dann sind die adulten Zestoden im Darmlumen. Ist der Mensch Zwischenwirt, dann finden sich die Larven im Gewebe (z. B. Leber, Lunge, Gehirn). Bei einem Befall mit Taenia solium kann sich der Bandwurmträger durch die Bandwurmeier selbst weiter infizieren. Das resultierende Krankheitsbild ist eine „Zystizerkose“ mit häufigem Befall des Gehirns (Neurozystizerkose). Hauptsymptome: Es können abdominelle Beschwerden auftreten. Beim Hunde-/Fischbandwurm rechtsseitige Oberbauchschmerzen. Zystizerkose : ZNS-Befall mit Krampfanfällen.

Ein massenhafter Befall bei Kindern führt typischerweise zu Entwicklungsverzögerung, Anämie und abdominellen Beschwerden.

10.2.7.3 Diagnostik

Am häufigsten werden als erstes Bandwurmglieder (Proglottiden) im Stuhl entdeckt. Sie werden in Wasser gesäubert und zur Zählung der Uterusäste unter dem Mikroskop zwischen zwei Objektträgern zerquetscht (Hämatoxilinfärbung nach van Cleave). Die Zahl der Seitenäste beträgt bei Taenia saginata 18–32 und bei Taenia solium 7–12. Die Taenieneier sind rund und haben eine radiär strukturierte Schale.

Gelegentlich tritt eine Eosinophilie auf.

10.2.7.4 Therapie

Praziquantel in einer einmaligen Dosis von 5–10 mg/kg.

10.2.7.5 Prävention

Vermeidung des Genusses von rohem Rind- und Schweinefleisch. Einfrieren bei -20 °C für mindestens 5 Tage tötet die Zystizerken ab. Vermeidung der Fäkaldüngung.

10.2.8 Bilharziose (Schistosomiasis )

10.2.8.1 Ätiologie

Es handelt sich um die Wurmgattung mit der weltweit größten Bedeutung. Große Verbreitung besteht in den Kanälen des Nil. Viele Geflüchtete kommen aus Hochendemiegebieten zu uns (Dennebaum 2017).

Der Mensch wird perkutan durch die in Süßwässern vorkommenden Larven (Zerkarien ) infiziert, die aus Schnecken-Zwischenwirten freigesetzt werden. Akut kann es nach Durchdringen der Haut vorübergehend zu einer lokalen Dermatitis kommen. Die adulten Würmer überleben bevorzugt in mesenterialen Venen, oder Venen im Bereich des kleinen Beckens. Ursache der Beschwerden ist die Entzündungsreaktion um die Eier.

10.2.8.2 Klinik

Dringen viele Zerkarien gleichzeitig ein, kann ein akutes fieberhaftes Invasionsstadium (Katayama-Syndrom ) auftreten. Die adulten Würmer verursachen granulomatöse Entzündungen. Klinisch ergeben sich unterschiedliche chronische Organbefunde.

Jedes Fieber mit Eosinophilie in den ersten drei Monaten nach Süßwasserkontakt in Schistosomiasis-Endemiegebieten ist hochverdächtig auf eine akute Schistosomiasis.

10.2.8.3 Diagnostik

Über 90 % der Schistosomiasis-Erkrankten haben diese in Seen oder Flüssen Afrikas (Nil!) erworben. Direktnachweis von Wurmeiern im StuhI. Bei extraintestinalen Helminthen, wie der Bilharziose ist ein serologischer Nachweis möglich.

10.2.8.4 Therapie

Behandlung mit Praziquantel.

10.3 Pilzerkrankungen

10.3.1 Trichophytie, Tinea capitis superficialis

10.3.1.1 Ätiologie und Pathogenese

Die Pilzgattung Trichophyton gehört zu den Hautpilzen (Dermatophyten), da sie bei immunologisch gesunden Personen nur auf der Haut, den Haaren und den Fingernägeln, aber nicht auf Schleimhäuten oder inneren Organen vorkommen (Seebacher et al. 2008). Dermatophyten spielen in den Tropen eine besondere Rolle.

10.3.1.2 Klinik

An der Kopfhaut finden sich umschriebene, runde und teilweise haarlos erscheinende Herde mit meist feiner, weißlicher Schuppung. Die Haare sind kurz über dem Haarboden abgebrochen.

10.3.1.3 Diagnostik

Nativpräparat und Kultur.

10.3.1.4 Therapie

Lokalbehandlung mit Cyclopiroxolamin. Systemische Behandlung mit Itraconazol oder Fluconazol über meistens 4 bis 6 Wochen.

10.3.2 Pityriasis versicolor

10.3.2.1 Ätiologie und Pathophysiologie

Microsporum furfur ist der Verursacher der Pityriasis versicolor, der häufigsten oberflächlichen Hefepilzinfektion der Haut (Kristanty et al. 2009). Die Erkrankung ist in tropischen und subtropischen Klimazonen endemisch. Körperregionen mit starker Schweißbildung bieten ideale Lebensbedingungen für den Erreger (Brust, Rücken, Achselbereich). M. furfur ist ein potenter Hemmer der Melaninsynthese, sodass die betroffenen Hautstellen sogar hypopigmentiert anmuten können.

10.3.2.2 Klinik

Es zeigen sich rundlich-ovale, scharf begrenzte, konfluierende rötlich-bräunliche Flecke mit typischer kleieförmiger weißlicher Schuppung. Die Flecke sind teilweise landkartenförmig konfiguriert.

10.3.2.3 Diagnose

Die sichere Diagnose wird am besten durch eine Hautbiopsie (Histologie) gestellt, da angelegte Pilzkulturen gerne mit Bakterien oder Schimmelpilzen kontaminiert sind.

10.3.2.4 Therapie

Lokalbehandlung mit Selendisulfid (Ellsurex Paste® 2 × wöchentlich). Profunde Dermatomykosen müssen systemisch behandelt werden. Geeignete Antimykotika sind: Itraconazol (200 mg/Tag) und Fluconazol (50–100 mg/Tag).

10.4 Infektionen

10.4.1 Multiresistente Erreger bei Asylsuchenden

Seit 2014 hat die Zahl der Asylsuchenden stark zugenommen. In der verfügbaren Literatur wird darauf hingewiesen, dass die Prävalenz multiresistenter Erreger, insbesondere von ESBL (Extended Spectrum-beta-Lactamase)-bildenden gramnegativen Bakterien und MRSA (Meticillin resistente Staphylokokken) gegenüber den europäischen Ländern, insbesondere der deutschen Allgemeinbevölkerung erhöht ist (Karanika et al. 2016). Reinheimer et al. berichteten 2016 von einem Krankenhaus-Eingangsscreening bei Asylsuchenden aus Flüchtlingsunterkünften in Hessen (n=143); sie fanden eine höhere Rate der Besiedlung mit MRSA (6% vs. 1%) und ESBL-bildenden gramnegativen Bakterien (61% vs. 17%) im Vergleich zu einer Kontrollgruppe von 1.489 Regelpatienten in einem deutschen Krankenhaus (Reinheimer et al. 2016). In einer Untersuchung von 119 unbegleiteten Asylsuchenden in Hessen wurden bei 35 % der Untersuchten eine intestinale Besiedlung mit ESBL-Bildnern nachgewiesen (Heudorf et al. 2016). Der Befall mit Problemkeimen ist jedoch auch hinsichtlich der Herkunftsländer von Asylsuchenden unterschiedlich, so wiesen Patienten aus Syrien eine höhere Prävalenz von multiresistenten Erregern auf als Patienten aus Eritrea (Ravensbergen et al. 2016).

Daraus ergeben sich folgende Empfehlungen:

  • Bei der stationären Aufnahme eines Patienten aus dem Umfeld von Asylsuchenden sollte der intestinale Befall mit multiresistenten Erregern ausgeschlossen sein. Da Asylsuchende als Risikogruppe für eine MRSA-Besiedlung angesehen werden müssen, empfiehlt das Robert Koch Institut bei deren Klinikaufnahme in den ersten 12 Monaten nach Ankunft in Deutschland ein MRSA-Screening (Robert Koch Institut 2016).

  • Flüchtlinge, die in Syrien, im Irak oder Afghanistan im Krankenhaus waren, sollten auf jeden Fall auf resistente Keime getestet werden.

  • Unter Berücksichtigung der ausgeführten kulturellen Abneigungen gegenüber Manipulationen in der Analregion sollten Abstriche erst nach respektvoller Ankündigung und Erklärung durchgeführt werden.

  • Es muss auch hierbei wieder betont werden, dass dem häufigen und gründlichen Waschen der Hände die größte präventive Bedeutung zukommt.

  • Seit dem 1. Juli 2009 sind in der Bundesrepublik Deutschland MRSA-Infektionen in Blut oder Liquor meldepflichtig.

10.4.2 Malaria

10.4.2.1 Ätiologie und Pathophysiologie

Die Malaria beginnt mit dem Stich der weiblichen Anopheles-Mücke . Die Erkrankung beschränkt sich weitgehend auf deren Brutstätten, d.h. die Tropen zwischen dem 16. nördlichen und dem 20. südlichen Breitengrad (außer in höher als 2.000 m gelegenen Regionen). Von Bedeutung ist Malaria hauptsächlich in Afrika, Indien, Fernost und Südamerika. Schätzungsweise ist ~ 1/3 der Weltbevölkerung infiziert, wozu jährlich ~ 10 Mio. Neuerkrankungen kommen.

Die Malariafallzahlen in Deutschland sind, bedingt durch Reisende aus Malariaendemiegebieten, Migranten und Flüchtlinge, in den vergangenen Jahren angestiegen. 2015 berichtete die WHO über ca. 214 Mio. Malariaerkrankungen, wovon 438.000 verstarben (World Health Organisation 2015).

Vor allem Kinder unter 5 Jahren laufen Gefahr, an einer schwer verlaufenden Malaria zu erkranken. Die Hochrisikomalariagebiete befinden sich im subsaharischen Afrika, insbesondere Westafrika, sowie in Südostasien. 500–600 Fälle wurden bisher pro Jahr nach Deutschland importiert. Durch die Zahl der Flüchtlinge aus Somalia und Eritrea stieg die Zahl auf über 1.000 pro Jahr an.

Die Malaria ist eine Parasitose der Erythrozyten durch Plasmodien, von denen insgesamt 5 Arten bekannt sind. Diese unterscheiden sich nach:

  • Verbreitungsgebieten.

  • Die Plasmodien haben alle ähnliche Entwicklungszyklen mit jedoch völlig verschiedenen Stadien.

  • Spektrum der klinischen Symptome.

Entwicklungszyklus der Plasmodien in Mensch und Mücke:

  • Sporozoiten gelangen mit dem Speichel der Mücke ins Blut des Menschen.

  • Eindringen ins Leberparenchym.

  • Zweiwöchige Reifung zu Gewebeschizonten.

  • Platzen der Gewebeschizonten und Freisetzung von 10.000 bis 40.000 Merozoiten.

  • Eindringen der Merozoiten in Erythrozyten. Sie reifen dort zu Ringformen, Trophozoiten und Schizonten heran. Der Entwicklungszyklus endet damit, dass Merozoiten zurück in den Blutkreislauf gelangen. Diese Phase kann Monate dauern.

  • Einige Merozoiten gehen in ein sexuelles Stadium über, sodass sich in den Erythrozyten männliche und weibliche Gametozyten entwickeln, die beim Stechen wieder von der Mücke aufgenommen werden.

  • Im Darm der Mücke werden nach Befruchtung weiblicher Gameten durch männliche Mikrogameten Zygoten gebildet.

  • Nach Invasion der Darmmukosa werden die Zygoten zu Oozyten, aus denen wieder tausende Sporozoiten entstehen, die dann vom Darm in die Speicheldrüsen wandern, womit sich der Kreislauf wieder schließt.

Die schwerste Malariaform ist die Malaria tropica, verursacht durch Plasmodium falciparum. Durch die Anhaftung infizierter Erythrozyten an die Kapillarwände wird die Mikrozirkulation in allen Organen eingeschränkt, was zu einem Organversagen führen kann.

Die Krankheitsübertragung erfolgt durch Stiche der weiblichen Anopheles-Mücken, die vor allem in der Dämmerung und nachts stechen. Eine besondere Situation stellen Mücken dar, die mit dem Reisegepäck in Flugzeugen aus Malariagebieten an einem europäischen Flughafen anlanden und im Umfeld des Flughafens stechen („Flughafenmalaria “).

Die Inkubationszeit der Erkrankung beträgt im Mittel ca. 10 Tage. Im Verlauf der Erkrankung tritt auch eine Anzahl unspezifischer Symptome wie Kopf- und Gliederschmerzen, Husten, Bauchschmerzen, Erbrechen und Durchfall auf. Schwere Verlaufsformen sind durch eine Beteiligung des Zentralnervensystems bis hin zum Koma gekennzeichnet (zerebrale Malaria). Je nach Einschränkung der Organfunktion können Symptome wie Ikterus, respiratorische Insuffizienz und eine Einschränkung der Nierenfunktion auftreten.

Komplizierte Verläufe treten vor allem bei der Malaria tropica auf, die in Stunden bis Tagen zum Tode führen können. Auch bei Infektion mit Plasmodium vivax (M. tertiana) ist ein schwerer Verlauf möglich. Infektionen durch Plasmodium ovale (M. tertiana) und Plasmodium malariae (M. quartana) verursachen in der Regel unkomplizierte Erkrankungen. Bei Kindern kann vor allem nach M. quartana ein nephrotisches Syndrom auftreten. Es werden häufiger Mischinfektionen mit Plasmodium vivax oder Plasmodium falciparum beobachtet.

10.4.2.2 Klinik

Bei unklarem Fieber bis zu 4 Monate nach Rückkehr aus einem Endemiegebiet sollte sofort eine Malaria tropica ausgeschlossen werden. Patienten mit rezidivierendem Fieber alle 48 oder 72 Stunden nach einem Aufenthalt in einem Malariaendemiegebiet oder sogar bis mehrere Jahre vor Erkrankungsbeginn könnten an einer Malaria tertiana oder quartana erkrankt sein.

10.4.2.3 Diagnostik

Die wichtigste Diagnostik ist weiterhin die mikroskopische Beurteilung eines Blutausstrichs. Für die Malaria tropica steht ein sehr zuverlässiger, sensitiver Schnelltest zur Verfügung. Antigene sind: „histidine-rich protein“ als auch die „plasmodienspezifische Laktatdehydrogenase“ (pLDH). Erst ein dreimalig negativer Ausstrich im Abstand von jeweils 12–24 Stunden, schließt bei einem febrilen Patienten eine Malariaerkrankung aus. Die Malariaserologie spielt in der Akutdiagnostik keine Rolle und kann nur zum retrospektiven Nachweis einer stattgefundenen Erkrankung benutzt werden. Laktatdehydrogenase (LDH) und Haptoglobin zeigen den Grad einer typischerweise vorliegenden Hämolyse an.

10.4.2.4 Therapie

  • Um ein optimales Medikament auswählen zu können, müssen die genaue Malariaform und die geographische Lage des Erkrankungsgebietes bekannt sein.

  • Die Therapie einer unkomplizierten Malaria erfolgt mit ACT wie z. B. Artemether-Lumefantrin oder Dihydroartemesin-Piperaquin. ACT: „Artemesin based combination therapy“. Artemisia ist das chinesische Quing-hao-su.

  • Die Verwendung von ACT-Präparaten erfordert das Erkennen einer QT-Zeit-Verlängerung. Initial sind tägliche EKG-Kontrollen nötig.

  • Chloroquin (Resochin®) kann zur Therapie der M. tropica aufgrund der weltweiten Resistenzlage nur noch bei Infektionen aus Mittelamerika und der Karibik verwendet werden.

  • Eine M. quartana wird mit Chloroquin (Resochin®) behandelt.

  • Mefloquin ist wegen der schweren neuropsychiatrischen Nebenwirkungen in Deutschland nicht mehr zugelassen.

  • Ein komplizierter Erkrankungsverlauf wird grundsätzlich wie eine M. tropica behandelt.

  • Artesunat i.v. ist das Medikament der ersten Wahl zur Therapie der komplizierten Malaria. Es ist hinsichtlich Wirksamkeit und Nebenwirkungsprofil dem bisher üblichen Chinin überlegen. Es ist jedoch in Deutschland und der EU noch nicht zugelassen.

  • Falls Artesunat nicht verfügbar ist erfolgt die Behandlung mit Chinin i.v. in Kombination mit Doxycyclin oder Clindamycin. Die Kombination ist notwendig, da weltweit vereinzelt Resistenzen gegen Chinin beschrieben werden.

  • Die Therapie von Krampfanfällen bei einer zerebralen Malaria sollte mit Benzodiazepinen erfolgen. Phenytoin ist bei Therapie mit Chinin kontraindiziert.

  • Bei Mischinfektionen bestimmt immer die Spezies mit der höchsten Pathogenität die Therapie.

  • Zusätzliche Therapie mit Primaquin. Dies gilt auch für Kinder über 1 Jahr. Vor Therapiebeginn muss ein Glukose-6-Phosphatdehydrogenase-Mangel ausgeschlossen sein, um nicht in Gefahr einer schweren Hämolyse zu laufen. Primaquin ist in Deutschland nicht mehr zugelassen.

  • WHO-Kriterien des Therapieversagens und der Resistenzbildung:

    • Parasitämie und Zeichen der schweren Malaria an Tag 1, 2 oder 3;

    • Parasitämie an Tag 2 (48 Std.), die höher als an Tag 0 ist;

    • Parasitämie an Tag 3 mit Fieber;

    • Parasitämie an Tag 3, die = oder > 25 % als die an Tag 0 ist.

10.4.2.5 Prophylaxe

  • Mückenschutz in der Dämmerung und in der Nacht.

  • Repellentien (Diethyltoluamid: DEET 50 % und Icaridin 30 %) und imprägnierte Kleidung (mit Permethrin-Spray).

  • Medikamentöse Prophylaxe:

    • Atovaquon-Proguanil (Malarone®). Tägliche Einnahme abends, beginnend 1 bis 2 Tage vor Einreise; während der Reise und noch 7 Tage danach. Milch und Milchprodukte verbessern die Aufnahme.

    • Mefloquin (Lariam®). Nur einmalige wöchentliche Gabe. In Deutschland wegen schwerer neuropsychiatrischer Nebenwirkungen nicht mehr zugelassen.

    • Doxycyclin. Prophylaxemöglichkeit ab dem 9. Lebensjahr. Keine Zulassung in Deutschland. Nicht gleichzeitig mit Milch oder Milchpräparaten.

    • Im Mai 2017 hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Implementierung einer Malariaimpfung in Afrika bekannt gegeben. In einer ersten Pilotphase sollen in Ghana, Kenia und Malawi Kinder im Alter von fünf bis 17 Monaten vier Dosen eines Impfstoffes erhalten (WHO 2018).

10.4.3 Viszerale Leishmaniose (Kala-Azar)

Begriff aus dem Hindi mit der Bedeutung „schwarze Haut“.

10.4.3.1 Ätiologie und Pathophysiologie

Leishmanien werden durch den Stich der Sandmücke übertragen. Leishmanien sind intrazelluläre Parasiten und befallen Makrophagen. Hauptsächlich befallen werden:

  • Leber und Milz bei der viszeralen Leishmaniose. Unbehandelt führt sie (Kalar-Azar) zu Leberversagen.

  • Haut bei der Hautleishmaniose.

Die Parasiten sind in den Tropen und den Subtropen verbreitet. Die WHO geht davon aus, dass sich 90 % aller Leishmaniasisfälle in folgenden 6 Ländern ereignen: Afghanistan, Iran, Syrien, Algerien, Saudi-Arabien, Ägypten. Die viszerale Leishmaniose wird vor allem durch L. donovani (Asien) und L. infantum (Europa) ausgelöst. Es kommt zum Befall der inneren Organe (Milz, Leber).

10.4.3.2 Klinik

Schwere Krankheitsverläufe finden sich vor allem bei Kindern und Erwachsenen mit beeinträchtigter Immunabwehr.

Die Erkrankung beginnt mit Fieber, Durchfällen, Bauchschmerzen und Gewichtsverlust. Es entwickelt sich eine Hepatosplenomegalie mit Gerinnungsstörungen, Panzytopenie und Aszites. Typisch ist die dunkle, makulöse Pigmentierung der Haut. Im Rahmen einer Sonderform, der sog. dermalen Post-Kala-Azar-Leishmaniose kann es nach Abheilung der viszeralen Erkrankung sowohl zu papulösen, wie auch makulösen, hypopigmentierten Hautveränderungen kommen.

10.4.3.3 Diagnostik

Histologie aus dem Randbereich der Läsion. Es zeigt sich ein granulomatöses, gemischtzelliges Entzündungsmuster (Stebut et al. 2012). Im Serum besteht häufig eine starke Erhöhung der IgG-Konzentration.

10.4.3.4 Therapie

Die Medikamentenauswahl ist an der auslösenden Subspezies orientiert. Eine klassische systemische Therapieform (i.m., i.v.) sind pentavalente Antimonpräparate (Pentostam®, Glucantime®) oder liposomales Amphotericin B. Komplexe Läsionen sollten immer systemisch behandelt werden.

Merke

Die Wahl der Medikation ist abhängig von:

  • Auslösende Leishmaniensubspezies.

  • Immunstatus des Patienten.

10.4.3.5 Prophylaxe

  • Mückennetze und Repellents.

  • Langärmelige Kleidung.

  • Schlafen in höher gelegenen Räumen. Sandmücken fliegen nicht über das erste Stockwerk hinaus.

10.4.4 Kutane Leishmaniose

10.4.4.1 Ätiologie und Pathogenese

Für die Leishmaniosen außerhalb Mittel- und Südamerikas sind 5 Erregergruppen, und darunter vor allem Leishmania infantum, Leishmania tropica und Leishmania donovani verantwortlich. Sie sind in Südeuropa (Spanien!), auf dem Balkan und im vorderen Orient heimisch („Orientbeule“, „Aleppobeule “). Bei immunologisch Gesunden bleibt die Infektion auf die Haut beschränkt. Die Übertragung erfolgt durch die Sandmücke. Die Infektion führt zu chronisch-granulomatösen Hautveränderungen.

10.4.4.2 Klinik

Mehrere Wochen bis zu 3 Monate nach einem Sandmückenstich bildet sich eine erythematöse Papel an der Einstichstelle, die an Größe zunimmt. In Abhängigkeit der Leishmaniensubspezies kann eine Ulzeration auftreten. Der Randwall ist typischerweise erhaben und hyperkeratotisch („Vulkanzeichen“). Nach ca. 1 Jahr kommt es zu einer spontanen Abheilung. Es bildet sich eine flache, atrophische Narbe aus (◘ Abb. 10.11).

Abb. 10.11
figure 11

Narbe nach einer kutanen Leishmaniose („Aleppo-Beule“). Aufnahme vom 8.11.2015 bei einem Flüchtlingskind aus Aleppo/Syrien

10.4.4.3 Diagnostik

Goldstandard ist die Probebiopsie aus dem Randbereich der Läsion. Die Histologie zeigt ein granulomatöses, gemischtzelliges Entzündungsmuster. Eine kulturelle oder serologische Diagnostik steht nur in Speziallabors zur Verfügung.

10.4.4.4 Therapie

Kutane Leishmaniosen heilen meist spontan. Paromomycin-Salbe; evtl. intraläsionale Injektion von fünfwertigen Antimonverbindungen (i.m., i.v., lokal).

Als Prinzip kann gelten:

  • Topische Therapie bei einfachen Läsionen der Alten Welt.

  • Systemische Therapie bei einfachen Läsionen der Neuen Welt und komplexen Läsionen (mehr als 3 Läsionen; Einzelläsion von > 40 mm Durchmesser).

Zur Auswahl der richtigen Therapieform ist die Kenntnis über den Immunstatus des Patienten wichtig.

10.4.5 Dengue-Fieber

10.4.5.1 Ätiologie und Pathogenese

Das Dengue-Fieber ist die häufigste durch Mücken übertragene Virusinfektion der Tropen. Das Dengue-Virus wird durch weibliche Aedes-Mücken (Aedes aegypti und Aedes albopictus = „Tigermücke “; ◘ Abb. 10.12) übertragen. Es ist in den tropischen und subtropischen Regionen Asiens, des Südpazifiks, Australiens, Mittel- und Südamerikas, der Karibik und Teilen des tropischen Afrikas und des Südens der arabischen Halbinsel endemisch.

Abb. 10.12
figure 12

Schwarz-weiß gestreifte Tigermücke (Aedes albopictus), die Überträgerin des Dengue-Virus und anderer Virusinfektionen. (Bild aus istockphoto Nr. 682021450; © RasikaSekhara / Getty Images / iStock

Das Dengue-Virus, das zur Familie der Flaviviridae gehört, hat 4 verschiedene Antigentypen. Die Vermehrung des Dengue-Virus erfolgt in Monozyten wie auch im Gefäßendothel. Nach der Erstinfektion mit dem Dengue-Virus bilden sich serospezifische Antikörper, die sich bei späteren Infektionen mit einem anderen Serotyp an das Dengue-Virus binden, es aber nicht neutralisieren können. Stattdessen verbessern sie dessen Fähigkeit zur Infektion von Monozyten, denn das Virus kann sich mit dem Fc-Abschnitt des gebundenen Immunglobulinmoleküls an Fc-Rezeptoren der Monozyten anheften und auf diesem Weg verstärkt eindringen. Es handelt sich um infektionsverstärkende Antikörper („enhancing antibodies“). Eine Zweitinfektion pflegt daher meistens schwerer als hämorrhagisches Dengue-Fieber-Schock-Syndrom zu verlaufen. Gegen das Dengue-Fieber gibt es keine Therapie und keine Impfung. Dass ein Impfstoff den gefährlichen Typ von Antikörpern induzieren könnte, stellt eine reale Gefahr dar.

Dengue-Fieber ist die am häufigsten nach Deutschland eingeschleppte tropische Viruserkrankung.

10.4.5.2 Klinik

Die Inkubationszeit beträgt 2–7 Tage. Die häufigsten klinischen Symptome sind:

  • Fieber (zweigipfelig),

  • ausgeprägte Muskel- und Knochenschmerzen,

  • unterschiedlich stark ausgeprägte Exantheme. Ein nahezu pathognomonisches Exanthem ist ein starkes Erythem mit fleckartigen unbeeinträchtigten Hautarealen („Weiße Inseln im roten Meer“); es können aber auch makulopapulöse Exantheme auftreten.

Die schwersten Erkrankungsformen sind das hämorrhagische Dengue-Fieber und das Dengue-Schock-Syndrom , das meistens zum Tod führt. Bei Kindern verläuft das Dengue-Fieber eher als uncharakteristische fieberhafte Erkrankung.

10.4.5.3 Diagnostik

Molekularbiologischer Virusnachweis aus Serum oder Plasma, möglichst in den ersten 3–5 Krankheitstagen. Nach der 1. Krankheitswoche ist keine Virämie mehr zu erwarten.

IgM-Antikörper sind erst nach ca. 1 Woche nachweisbar. Der Nachweis von IgG-Antikörpern gelingt meist ab dem 10. Erkrankungstag. Zur Diagnosestellung wird ein signifikanter IgG-Antikörperanstieg in 2 im Abstand von 2 Wochen abgenommenen Blutproben gefordert. Für die Schnelldiagnostik z. B. bei Tropenrückkehrern oder Geflüchteten steht als Differentialdiagnose zur Malaria tropica (!) ein Schnelltest für IgG- und IgM-Antikörper zur Verfügung.

10.4.5.4 Therapie

Es besteht bisher keine kausale Therapie. Wichtig ist eine frühzeitige intravenöse Volumengabe, um die Schockproblematik zu vermeiden. Wegen der Blutungsneigung dürfen keine gerinnungshemmenden Medikamente, wie z. B. Aspirin verabreicht werden.

10.4.5.5 Prophylaxe

Im Gegensatz zur Malaria-Prophylaxe ist auch auf einen Mückenschutz am Tag zu achten. Wirksam ist die Imprägnation der Kleidung mit Insektiziden, wie z. B. Pyrethroiden.

10.4.6 Gelbfieber

10.4.6.1 Ätiologie und Pathogenese

Das Gelbfiebervirus gehört zur Familie der Flaviviridae, nach dem bei Gelbfieberinfektion auftretenden Ikterus. Gelbfieber gehört zur Gruppe der viralen hämorrhagischen Fieber.

Das Virus kann auf zwei unterschiedlichen Wegen übertragen werden:

  • Von Mensch zu Mensch durch Aedes-aegypti-Mücken (urbanes Gelbfieber). Es wird jedoch nicht direkt von Mensch zu Mensch übertragen.

  • Von infizierten Affen auf Menschen durch Haemagogus-Mücken (Dschungel- Gelbfieber) in Afrika und Südamerika. Nach dem Mückenstich und der Ausbreitung des Virus im Körper erfolgt vor allem die Infektion des Gefäßendothels und der Leber.

10.4.6.2 Klinik

Nach einer Inkubationszeit von 3–7 Tagen treten Fieber, Kopf- und Muskelschmerzen, Übelkeit, Erbrechen und Konjunktivitis auf. In schweren Fällen sind Schockzustände und ein tödliches Leberversagen (Leberzellnekrose) möglich. Gerinnungsstörungen durch vor allem Prothrombinmangel sind die Grundlage von gastrointestinalen und inneren Blutungen. Infektionen der Niere können Ursache einer akuten Tubulusnekrose sein.

10.4.6.3 Diagnostik

Charakteristisch ist eine im Verhältnis zum Fieber bestehende Bradykardie („Faget-Zeichen“).

Die Diagnose wird durch den molekularbiologischen Virusnachweis gestellt. In der akuten Phase können IgM-Antikörper nachgewiesen werden. Der Nachweis eines vierfachen IgG-Titeranstiegs sichert ebenfalls die Diagnose. Nach der Gelbfieberimpfung lassen sich im Neutralisationstest Antikörper nachweisen.

10.4.6.4 Therapie

Es ist keine spezifische Behandlung möglich.

10.4.6.5 Prophylaxe

Es gibt eine Impfung mit einem „17D“-Gelbfieber-Lebendimpfstoff (Stamaril®). Der Impfschutz hält mindestens 10 Jahre an.

10.4.7 Zytomegalie

10.4.7.1 Ätiologie und Pathogenese

Das humane Zytomegalievirus (HCMV), nach neuer Nomenklatur auch humanes Herpesvirus-5 (HHV-5 ) wird durch Schmierinfektion, also direkten Kontakt von Schleimhäuten mit infektiösen Körperflüssigkeiten wie Nasensekret, Speichel, Tränenflüssigkeit, Harn, Genitalsekreten oder auch Muttermilch übertragen (Buxmann et al. 2017). Nach der Infektion repliziert sich das Virus zunächst in Epithelzellen der Eintrittspforte und breitet sich danach hämatogen in einer Vielzahl von Organen und Zelltypen aus. In fast allen Organen verwandeln sich infizierte Zellen durch den zytopathogenen Effekt des HCMV zu Riesenzellen mit Kerneinschlusskörpern („Eulenaugenzellen“).

Nach der akuten virämischen Phase, die nur beim kleineren Teil der immunkompetenten Infizierten von unspezifischen grippeähnlichen Allgemeinsymptomen begleitet ist, persistiert HCMV lebenslang in Lymphozyten. Vor allem gestillte und kongenital infizierte Kleinkinder scheiden häufig jahrelang asymptomatisch Viren über Speichel, Tränenflüssigkeit und Urin aus.

10.4.7.2 Klinik

Die Inkubationszeit beträgt ca. ein bis zwei Monate. Die Infektion bleibt bei immunkompetenten Personen fast immer asymptomatisch. Bei Erkrankung erinnert die Symptomatik an eine Mononukleose mit Fieber, Lymphadenopathie und Hepatosplenomegalie.

Neugeborene mit einer konnatalen Zytomegalie sind in ca. 90 % klinisch unauffällig. Es können jedoch Spätschäden auftreten, die von einer Chorioretinitis über eine Mikrozephalie bis zu einer Hepatopathie reichen können.

10.4.7.3 Diagnostik

Isolierung des HCMV aus Körperflüssigkeiten (Urin, Speichel, Blut) und Nachweis des Antigens pp65.

IgM- und IgG-Antikörpernachweis.

Konnatale Zytomegalie: Erregernachweis in der möglichst 1. Lebenswoche.

10.4.7.4 Therapie

Ursächliche Behandlung mit Ganciclovir (10–15 mg/kg/Tag i.v. über 6 Wochen). Valganciclovir bietet die Möglichkeit der oralen Therapie. Bei resistenten Stämmen kommt Foscarnet zur Anwendung.

10.4.7.5 Prophylaxe

Jede Frau im gebärfähigen Alter sollte ihren HCMV-Antikörperstatus vor einer Schwangerschaft kennen. Seronegative Frauen sollten „Speichelkontakt“ vermeiden (z. B. Trinken aus derselben Flasche).

10.4.8 Tuberkulose (TB)

Die Tuberkulose ist in den meisten Herkunftsländern von Asylsuchenden weiter verbreitet als in Deutschland. Die TB-Prävalenz schwankt zwischen 17/100.000 in Syrien und 338/100.000 in Nigeria. Die durchschnittliche TB-Rate in Europa wird mit 39/100.000 angegeben (WHO 2017).

Auf der Flucht ist die Gefahr einer Ansteckung groß. Auf engem, schlecht belüftetem Raum zusammenzuleben und die gleiche Luft zu atmen stellt ein hohes Risiko dar. In Erstaufnahmeeinrichtungen, in denen Kinder unter 15 Jahren mit Hilfe eines Tuberkulin-Hauttests untersucht wurden, konnte in 5–7 % der Fälle eine positive Reaktion (> 10 mm) nachgewiesen werden (Auer und Jablonka 2017). Aus einer Untersuchung von Geflüchteten in Schleswig-Holstein ergab sich eine Häufung von zwei Tuberkulosefällen unter 5.000. Vergleichsweise ist die Prävalenz in der deutschen Bevölkerung ca. 10-mal niedriger (ca. 2 Fälle pro 50.000; Ehrenstein 2015). In den Erstaufnahmeeinrichtungen gehört daher eine Röntgenaufnahme der Lunge zu einem Teil der Untersuchung.

Tuberkulose ist in Deutschland eine meldepflichtige Erkrankung. Die Meldung erfolgt durch den Arzt oder das Labor an das zuständige Gesundheitsamt.

Merke

  • Nach HIV ist die Tuberkulose die zweithäufigste tödliche Infektionserkrankung weltweit.

  • Aktuelle Zahlen zur Tuberkuloseprävalenz werden über die WHO online unter ► http://gamapserver.who.int/gho/interactive_charts/tb/cases/atlas.html zur Verfügung gestellt.

  • Bei schweren kachektischen Ernährungsstörungen von Afrikanern ist häufig zusätzlich eine Tuberkulose beteiligt.

10.4.8.1 Ätiologie und Pathophysiologie

Ursache der Tuberkulose ist die Infektion mit Mykobakterium tuberculosis, M. bovis oder M. africanum. Es können im Prinzip alle Organsysteme betroffen sein. Der Erreger wird durch Tröpfcheninfektion übertragen und führt zu einer Primärinfektion. An der Eintrittsstelle in der Lunge bildet sich der sog. Primärherd, aus dem die Erreger lymphogen zu den regionalen Lymphknoten gestreut werden. Primärherd und infizierter Lymphknoten bilden den Primärkomplex. Es bestehen meist keine klinischen Symptome und die Mykobakterien können für viele Jahre intrazellulär überleben. Aus dem Primärkomplex kann sich in Abhängigkeit der immunologischen Abwehr des Patienten eine klinisch manifeste progrediente Tuberkulose entwickeln. Aus dem Primärkomplex erfolgt bei Absenkung der immunologischen Abwehr die Streuung in unterschiedliche Organsysteme (Niere, Gehirn, Knochen usw.), die dann als postprimäre Streuherde bezeichnet werden.

Vor allem bei Besuchern in Indien muss auch noch mit einer Fütterungstuberkulose , also mit einem Primärkomplex im Darm gerechnet werden, da in Indien gerne die nicht pasteurisierte Milch heiliger Kühe getrunken wird, die Tuberkelbakterien enthalten kann.

10.4.8.2 Klinik

Die klinische Symptomatik ist durch den jeweiligen Organbefall geprägt. Sie kann vor allem anfangs sehr diskret sein: Subfebrile Temperaturen, Nachtschweiß, reduzierter Allgemeinzustand. Aber grundsätzlich gilt:

  • Lang andauernder Husten

  • Fieber; Fälle von Fieber unbekannter Ursache (FUO)!

  • Nachtschweiß

  • Gewichtsverlust

sind weiterhin die klassischen Zeichen einer hochkontagiösen Tuberkulose.

10.4.8.3 Diagnostik

Einen orientierenden Hinweis bietet die Röntgenaufnahme des Thorax. In den Erstaufnahmerichtlinien für Flüchtlinge und Migranten ist eine Röntgenthoraxaufnahme vorgeschrieben (s. unten). Tuberkulosefälle wurden vor allem bei Migranten aus Eritrea, Äthiopien und aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion gesehen. In der deutschen Bevölkerung dagegen hat die Zahl der Neuerkrankungen abgenommen.

Merke

  • In der deutschstämmigen Bevölkerung nimmt die Zahl der Tuberkuloseneuerkrankungen ab, wogegen sie aber bei Migranten zunimmt. Bei persistierendem Husten sollte immer auch an eine Tuberkulose gedacht werden (Mulenga et al. 2015)

  • Bei jüngeren Kindern präsentiert sich die Erkrankung häufig nicht mit der klassischen Trias aus Husten, Gewichtsverlust und subfebrilen Temperaturen (Marais et al. 2006).

  • Bei einer primären Fütterungstuberkulose ist die Röntgenthoraxaufnahme negativ.

Klassischerweise erfolgt die Diagnose durch den mikroskopischen Direktnachweis von säurefesten Stäbchen im klinischen Material. Eine höhere Sensitivität und Spezifität bietet der kulturelle Erregernachweis in folgenden Substraten:

  • Lungentuberkulose: Sputum, Bronchialsekret, Magensaft

  • Pleuritis tuberculosa: Pleuraexsudat

  • Lymphknotentuberkulose: Lymphknotenpunktat oder Biopsat

  • Nierentuberkulose: Urin

  • Meningitis tuberculosa: Liquor

  • Knochen: Punktat bzw. Biopsat

Der früher übliche Tierversuch ist obsolet. In Biopsiematerial ist der Nachweis von verkäsenden Granulomen für eine Tuberkulose beweisend.

Die intrakutane Testung mit Tuberkulin (zellvermittelte Immunität) erfolgt durch:

  • Stempel: Tine-Test (mit Tuberkulin belegte Stempelspitzen).

  • Intracutane Applikation von Tuberkulin nach Mendel-Mantoux.

Erst nach 48–72 Stunden erfolgt die Beurteilung der Hautreaktion (Im positiven Fall: Rötung und Infiltration). Jede Hautinfiltration über 2×2 mm gilt als positiv. Zwischenzeitlich wurde die Hauttestung von der γ-Interferonbestimmung im Serum abgelöst.

Beim Vorliegen eines länger bestehenden Fiebers unklarer Ursache (FUO) und einer stark beschleunigten BSG ist immer an eine Tuberkulose zu denken.

10.4.8.4 Therapie

  • Die Behandlung einer offenen Tuberkulose erfolgt bis zur Sputumkonversion stationär. Die weitere Therapie kann ambulant erfolgen.

  • Die Behandlung ist immer eine Kombinationstherapie. Diese Notwendigkeit ergibt sich aus der Tatsache, dass sich sehr schnell Resistenzen entwickeln.

  • Wegen einer in Deutschland bestehenden Isoniazid-(INH)-Resistenz von über 4 % sollte primär in den ersten zwei Monaten eine Vierfachkombination erfolgen.

  • Isoniazid (INH) und Rifampicin (RMP) sind über die Gesamtbehandlungsdauer zu verwenden.

  • Anfangs werden INH und RMP durch Pyrazinamid (PRA) und Ethambutol (EMB) oder Streptomycin (SM) ergänzt.

  • Cave: INH ist hepatotoxisch und kann bei mangelnder gleichzeitiger Vitamin B6-Versorgung die Ursache einer Polyneuropathie sein. Zu beachtende Hauptnebenwirkungen sind: RMP: cholestatische Hepatopathie, Thrombopenie. PZA: Hyperurikämie, Arthralgien, Photosensibilisierung. SM: Schädigung des N. vestibularis, Nephrotoxizität. EMB: Störungen des Farbsehens.

  • Bei einer Meningitis tuberculosa ist Streptomycin (SM) indiziert.

  • Die Therapiedauer beträgt mindestens 6 Monate (Für 2 Monate Vierfachtherapie, danach Zweifachtherapie). Bei Gehirnbefall dauert die Behandlung 12 Monate.

  • Die Medikamenteneinnahme erfolgt in einer täglichen Einzeldosis (morgens oder abends).

  • Große Probleme bereiten multiresistente Erreger, die auf die Erstlinienmedikamente nicht ansprechen. Je nach Resistenzlage kommen Amikacin, Fluorchinolone, para-Aminosalicylsäure, Terizidon für 12 bis 24 Monate zum Einsatz. Sind auch diese Stoffe wirkungslos, spricht man von einer „extensively drug-resistant tuberculosis (XDR-TB)“.

  • Mit resistenten Mykobakterien muss vor allem bei Patienten aus Ländern der früheren Sowjetunion gerechnet werden.

10.4.8.5 Prophylaxe

BCG-Impfung

  • Die BCG-Impfung ist in Deutschland keine „empfohlene Impfung“ mehr.

  • Die BCG-Impfung ist keine schützende, sondern nur eine den Schweregrad abschwächende Impfung. Dieser Einfluss der Impfung wird jedes Jahr schwächer und ist maximal 10 Jahre nachweisbar (Tuberkulinpositivität, die jedes Jahr schwächer ausfällt!).

Es bestehen zwei Impfstrategien:

  • Impfung des Neugeborenen zur Verhinderung der Meningitis tuberculosa, der schwersten Form der Tuberkulose im Kindesalter.

  • Impfung im Jugendalter nach vorherigem Nachweis der Tuberkulinnegativität, da im Jugendalter die interindividuelle Begegnung und dadurch die Ansteckungswahrscheinlichkeit sprunghaft zunimmt.

Für Personal in Gesundheitsberufen mit Patientenkontakt sollte ein Tuberkulinkataster mit jährlicher Testung und Ausmessung sowie Dokumentation eines evtl. Reaktionshofes geführt werden.

10.4.9 HIV

10.4.9.1 Ätiologie und Pathogenese

Das menschliche Imundefizienzvirus (HIV) ist ein Retrovirus, d.h. die Weitergabe der biologischen Information verläuft im Vergleich zu anderen Viren „umgekehrt“. Das Genom von HIV ist RNA-haltig. Mit Hilfe der reversen Transkriptase wird im Zytoplasma der Wirtszelle aus der einstrangigen Virus-RNA eine doppelstrangige Virus-DNA gebildet. Diese DNA kann nur bei aktivierten CD4 pos.-T-Zellen durch das virale Enzym Integrase in den Zellkern integriert werden und so zu einer proviralen DNA werden. Dort wird sie in die DNA der Wirtszelle eingebaut und bleibt dort lebenslang integriert. Die Mehrzahl der HIV-Infektionen wird sexuell, also durch Schleimhautkontakte übertragen. Je höher die initiale Plasmavirämie ist, desto schneller entwickelt sich das Vollbild AIDS.

Unter Asylsuchenden aus dem mittleren Osten und Nordafrika ist die Prävalenz einer HIV-Infektion niedrig. Bei Migranten aus dem subsaharischen Afrika dagegen muss mit einer relativ hohen Prävalenz gerechnet werden. Bei afrikanischen Schwangeren sollte ein HIV-Screening durchgeführt werden, um rechtzeitig eine antiretrovirale Therapie einleiten und eine elektive Entbindung durch Sectio durchführen zu können.

10.4.9.2 Klinik (Kroidl et al. 2010)

3–6 Wochen nach der Infektion entsteht in 40–70 % der Fälle eine akute HIV-Infektion. Diese wird entsprechend der sog. Fiebig-Phasen unterteilt. In den meisten Fällen liegt eine uncharakteristische grippale Symptomatik vor. Symptome wie Fieber, Pharyngitis, Lymphadenopathie oder Hautausschlag sind Hinweise auf eine akute HIV-Infektion. Es können jedoch auch schwerwiegende Symptome, wie ein akutes Guillain-Barré-Syndrom auftreten. Die Symptomatik bildet sich innerhalb von 1–4 Wochen spontan zurück.

Die chronische Phase der HIV-Erkrankung geht mit einer kontinuierlichen Abnahme der CD4-Zellen und einem Anstieg der HIV-RNA-Viruslast einher. Der Verlauf kann über Jahre asymptomatisch sein. Das Fortschreiten der Immunsuppression und das Auftreten klinischer Symptome werden durch die CDC-Klassifikation charakterisiert.

Diese basiert auf klinischen Manifestationen:

  • A: asymptomatisch.

  • B: Zeichen der Immunsuppression und Dysregulation wie orale Candidiasis, orale Haarleukoplakie, Herpes zoster, Thrombopenien, periphere Neuropathie.

  • C: AIDS definierende Erkrankungen.

Der Zahl der CD 4-Zellen:

  • 1 > 500 Zellen/μl.

  • 2 200–500 Zellen/μl.

  • 3 < 200 Zellen/μl.

Die mittlere Latenzperiode vom Zeitpunkt der Infektion bis zum Auftreten von AIDS dauert:

Bei Erwachsenen ~ 8–10 Jahre,

bei peripartal infizierten Säuglingen ~ 2 Jahre.

Frühsymptome einer HIV-Erkrankung sind häufig Haut- bzw. die Schleimhautsymptome: Herpes simplex, Herpes zoster, Candida albicans. Fieber, Diarrhoen, Pneumonien und Gewichtsverlust.

  • Für HIV-Infizierte ist die Infektion mit Mycobacterium tuberculosis die wesentlichste Todesursache.

  • Atypische Mykobakterien gewinnen für mit HIV-Infizierte eine zunehmende Bedeutung.

10.4.9.3 Diagnostik

Der HIV-Antikörper-Test ist frühestens 3, spätestens 6–12 Wochen nach der Infektion positiv. Die akute HIV-Infektion ist mit:

  • hoher Viruslast,

  • passagerem Abfall der CD4-Zellen und

  • Anstieg der CD8-Zellen assoziiert.

Die klassischen AIDS-definierenden Erkrankungen manifestieren sich in der Regel erst ab einer CD 4-Zellzahl < 200 / μl Blut. Die Infektion mit Pneumocystis carinii tritt bei fortgeschrittener Immundefizienz mit CD 4-Zellen < 200/μl auf.

Die Routinetestung auf HIV erfolgt durch den Nachweis von HIV-Antikörpern mittels ELISA. In diesen Tests werden nicht nur HIV-Antikörper, sondern auch virales p24-Antigen nachgewiesen. Als Bestätigungstest dient der Proteinnachweis im Western-Blot. Der früheste Nachweis (ab 7.–14. Tag nach Infektion) gelingt durch Nachweis viraler RNA im Serum.

Auf Grund der diaplazentar übertragenen maternalen Antikörper ist eine aussagekräftige HIV-Testung erst ab dem 18. Lebensmonat möglich. Im Rahmen der frühkindlichen HIV-Diagnostik wird der HIV-RNA-Direktnachweis bei Kindern ab der 4.–6. Lebenswoche auch in Entwicklungsländern eingeführt.

10.4.9.4 Therapie

Seit der Erstbeschreibung des HIV-Erregers 1983 hat sich die Prognose von einer absolut tödlichen zu einer behandelbaren Erkrankung gewandelt. Erfolgreiche Therapieansätze begannen 1987 mit Azidothymidin (AZT), das das virale Enzym Reverse Transkriptase hemmt. 1995/96 kamen zusätzlich Protease-Inhibitoren auf den Markt. In der Folge bestand die Möglichkeit von Kombinationstherapien. 2003 folgte Enfuvirtid, ein Fusions-Inhibitor, der das Andocken des HI-Virus an die Zielzelle verhindert. Das neueste HIV-Medikament ist der CCR-5-Antagonist Maraviroc, durch das das Virus bereits am Eintritt in die Wirtszelle gehindert wird. Zusammengefasst stehen für die antiretrovirale Therapie folgende Medikamentengruppen zur Verfügung:

  • Nukleosidische/nukleotidische Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NRTI), wie AZT.

  • Nicht nukleosidische Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NNRTI).

  • Protease-Inhibitoren (PI).

Durch die kombinierte Gabe von Wirkstoffen aus allen 3 Substanzklassen ist eine dauerhafte Unterdrückung der HI-Viruslast mit einem kontinuierlichen Anstieg der CD4-Zellzahl möglich. Der Therapiebeginn ist bei CD4-Zellzahlen von 200–350/μl sinnvoll. Bei nicht verfügbarer CD4-Analyse kann die absolute Lymphozytenzahl als prädiktiver Marker für eine Immunsuppression hilfreich sein. Ziel der antiretroviralen Therapie ist, die Viruslast unter die Nachweisgrenze von 50 Kopien/ml zu drücken.

10.4.9.5 Prophylaxe

Grundlage der Präventionsstrategien sind:

  • Aufklärung und Beratung.

  • Erkennung von Risikogruppen: intravenöser Drogenabusus, Prostitution, Homosexualität. HIV-Testung dieser Risikogruppen.

  • Systematische Bekämpfung von Geschlechtserkrankungen, die mit Ulzerationen im Genitalbereich verbunden sind (z. B. Syphilis, HSV-2, Ulcus molle). Träger genitaler HSV-2-Infektionen haben ein erhöhtes HIV-Infektionsrisiko.

  • Eine Zirkumzision bei erwachsenen Männern vermindert das HIV-Infektionsrisiko bei heterosexuellem Geschlechtsverkehr um bis zu 60 % (Krieger 2011).

  • Verwendung von Kondomen.

  • An der Entwicklung eines Impfstoffes wird gearbeitet.

  • Patienten sollen vor Reisen in tropische Gebiete, wenn möglich, geimpft werden und eine Malariaprophylaxe durchführen, wenn ein ausreichender Immunstatus mit CD4 Zellen > 200/μl vorliegt.

Es werden an Präventionsmaßnahmen unterschieden:

Präexpositionsprophylaxe (PREP) betrifft die Einnahme antiretroviraler Substanzen in HIV-negativen Hochrisiko-Populationen.

Postexpositionsprophylaxe (PEP) ist die Einnahme antiretroviraler Substanzen nach HIV-Exposition, z. B. nach einer Stichverletzung durch eine infizierte Kanüle (Klinik, Kinderspielplatz) oder nach ungeschütztem Risikogeschlechtsverkehr. PEP sollte möglichst innerhalb von 2 Stunden nach Exposition erfolgen. Die Effektivität sinkt nach 24 Stunden ab. Therapiedauer: 4 Wochen mit antiretroviraler Dreifachtherapie (z. B. Zitovudin, Lamivudin und Lopinavir). Vor Beginn der Prophylaxe HIV-Test mit Wiederholung nach 6 Wochen, 3 und 6 Monaten.

Die PEP senkt das HIV-Infektionsrisiko um ca. 80 %.

Perinatale Transmissionsprophylaxe: Die wichtigste Ursache einer HIV-Infektion bei Kindern ist die perinatale HIV-Übertragung einer HIV-positiven Mutter auf ihr Kind. Eine antiretrovirale Therapie während der Schwangerschaft ist in den WHO-Erkrankungsstadien III und IV und bei allen Schwangeren mit < 350/μl CD-4-Zellen empfohlen. Bei fehlender Therapieindikation während der Schwangerschaft wird eine antiretrovirale Transmissionsprophylaxe ab der ca. 30. Schwangerschaftswoche empfohlen.

Zusätzlich zur antiretroviralen Transmissionsprophylaxe sollten die Kinder durch Sectio cesarea entbunden werden.

3 Stunden vor der Geburt wird Zidovudin i.v. 2 mg/kg als „loading dose“ sowie 2 mg/kg während der Entbindung verabreicht. Für das Neugeborene sollte innerhalb der ersten 6 Stunden eine Zidovudin-Monotherapie (2 mg/kg p.o) eingeleitet und über 2–4 Wochen durchgeführt werden.

Bei Neugeborenen kann eine Transmissionsprophylaxe noch bis 72 Stunden nach der Geburt eingeleitet werden. Kombinationstherapien sind effektiver als eine Monotherapie. Die niedrigste Transmissionsrate mit <1–6 % wurde mit antiretroviraler Dreifachtherapie der Mutter und einer Stillzeit von 6 Monaten gesehen (CDC. 2009).

Wesentliche Transmissionsrisiken sind:

  • Mangelernährung

  • Hohe Viruslast

  • Akute HIV-Infektion während der Schwangerschaft

  • Frühgeburtlichkeit

  • Vorzeitiger Blasensprung

  • Mehrlingsschwangerschaft

Merke

Die höchsten Übertragungsrisiken bestehen:

  • im 3. Trimenon,

  • während der Geburt (ca. 75 % der Infektionen),

  • weitere 5–20 % werden durch Muttermilch übertragen.

10.4.10 Poliomyelitis

10.4.10.1 Ätiologie und Pathogenese

Polioviren gehören zusammen mit Coxsackie- und Echoviren zur Gruppe der Enteroviren. Es gibt 3 Poliovirustypen zwischen denen keine Kreuzimmunität besteht. Die Infektion erfolgt hauptsächlich fäkooral über kontaminierte Nahrung oder Wasser. Nach der oralen Aufnahme vermehren sich Polioviren in den Epithelzellen der gastrointestinalen Mukosa. Voraussetzung ist der nur bei Primaten vorkommende Poliovirusrezeptor CD155, der auch an der neuromuskulären Endplatte zu finden ist. Es besteht für die Polio somit kein Tierreservoir.

Nach der allgemeinen Virämie erreichen die Viren auch das ZNS, insbesondere das Lumbalmark und befallen die motorischen Vorderhornzellen. Sensorische Neuronen sind nicht betroffen.

Die Virusausscheidung kann über mehrere Monate nach Infektionsbeginn anhalten. Bei geschwächter Immunität kann sie auch Jahre betragen. Säuglinge seropositiver Mütter sind in den ersten Lebensmonaten geschützt („Nestschutz“).

1988 erkrankten weltweit jedes Jahr 350.000 Kinder an Kinderlähmung, davon allein 200.000 in Indien und Pakistan. Im Jahr 2014 gab es weltweit noch 359 Poliofälle. Europa gilt seit 2002 als poliofrei. Endemisch ist die Erkrankung nur noch in Afghanistan, Pakistan und Nigeria. In Indien trat der letzte Poliofall im Januar 2011 auf. Die Industrieländer werden als poliofrei angesehen.

10.4.10.2 Klinik

Betroffen sind vor allem Kleinkinder („Kinderlähmung“). Auch nicht-immune Jugendliche und Erwachsene können erkranken. Mit dem Alter nimmt die Schwere der Erkrankung zu. Der größte Teil der Infektionen verläuft asymptomatisch unter Hinterlassung einer Immunität. Klinisch manifeste Erkrankungen verlaufen meist als abortive Poliomyelitis. Die klinischen Symptome, die nur wenige Tage anhalten, sind dabei unspezifisch (Fieber, Halsschmerzen, Myalgien, Übelkeit und Erbrechen) (5–10 %). Nur bei ca. 1 % aller Infizierten kommt es zu zentralnervösen Manifestationen im Sinne von auftretenden schlaffen Lähmungen. Diese manifestieren sich meist plötzlich am Morgen des noch am Vorabend neurologisch unauffälligen Kindes. Die Lähmungen sind charakteristischerweise asymmetrisch und betreffen am häufigsten die Oberschenkelmuskulatur. Die Muskulatur ist schmerzhaft und die Sehnenreflexe sind im Bereich der schlaffen Lähmungen erloschen. Die Sensorik ist nicht beeinträchtigt.

Die bulbäre Erkrankungsform tritt gehäuft nach einer Tonsillektomie auf. Bei einem wesentlichen Teil der Patienten bilden sich die Funktionsstörungen zurück. Bei jedoch über 50 % persistieren Lähmungen und führen zu einer nachfolgenden Atrophie. Daraus entwickeln sich z. B. ein Spitzfuß, ein neurogener Klumpfuß oder eine Skoliose.

Jahre bis Jahrzehnte nach der Erkrankung kann sich ein „Postpoliosyndrom “ mit Zunahme von Schwäche und Atrophie entwickeln.

Zusammenfassend kann man drei klinische Verlaufsmöglichkeiten der Poliomyelitis unterscheiden:

  • Leichte, grippeartige Erkrankung als häufigste Erkrankungsform.

  • Aseptische Meningitis mit spontaner Besserung nach kurzer Zeit.

  • Paralytische Poliomyelitis. Das Poliovirus zerstört die präsynaptischen motorischen Vorderhornzellen.

Akute schlaffe asymmetrische Lähmungen ohne sensorische Defizite sind immer polioverdächtig.

10.4.10.3 Diagnostik

  • 1 bis 2 Wochen nach der Infektion sind spezifische IgM-Antikörper nachweisbar, die meist 3 –6 Monate persistieren. Neutralisierende IgG-Antikörper steigen ca. 2 Wochen nach der Infektion an und persistieren langfristig.

  • Meist besteht eine lymphozytäre Liquor-Pleozytose bei normaler Glukose- und evtl. leicht erhöhter Eiweißkonzentration.

  • Virusnachweis mittels PCR aus Stuhl oder Rachenabstrich.

  • Die Vorderhornläsionen sind in der MRT darstellbar. Sie korrelieren mit der Lokalisation der Lähmungen.

10.4.10.4 Therapie

Die Behandlung ist symptomatisch. Während der akuten Erkrankung ist körperliche Schonung angezeigt. Bei Atemstörungen kann die mechanische Beatmung notwendig werden (Historisch: → „Eiserne Lunge“).

10.4.10.5 Prophylaxe

  • Bei Kontaktpersonen mit Grundimmunisierung ist kein Ausschluss aus einer Personengemeinschaft notwendig.

  • Die orale Lebendvakzine nach Sabin (sog. „Schluckimpfung“) wird trotz hervorragender Impferfolge, wegen der Ausscheidung von Impfviren und des seltenen Auftretens einer vakzine-assoziierten paralytischen Poliomyelitis (VAPP; Impfpolio) und der evtl. Beeinträchtigung immungeschwächter Personen nicht mehr durchgeführt.

  • Es wird nur noch die inaktivierte Poliovakzine empfohlen.

  • „Polioimporte“ sind weiterhin durch Reisende und Migranten möglich.

10.4.11 Cholera

10.4.11.1 Ätiologie und Pathogenese

Das Vibrio cholerae ist ein gramnegatives „kommaförmiges“ Stäbchen. Nur Vibrionen mit den Oberflächenantigenen O1 und O139 verursachen eine Erkrankung. Aufgrund unterschiedlicher physiologischer Charakteristika werden unterschieden:

  • Vibrio cholerae: klassische Choleravibrionen.

  • Vibrio El-Tor: der derzeit häufigste Erreger.

Cholera ist eine ausgesprochene Wanderseuche. Sie begleitet Karawanen, Pilgerreisende, religiöse Feste und auch Migrationsbewegungen. Derzeit ist Cholera ein weltweites Gesundheitsproblem geworden, das 2017 im Jemen einen neuen Höhepunkt erreicht hat. Die Erreger werden vor allem über kontaminiertes Wasser aufgenommen. Nach einer Latenz von Stunden bis Tagen beginnen die Organismen Choleratoxin auszuscheiden. Das Toxin (hitzestabiles, lokal wirkendes Exotoxin) bindet an GM1-Gangliosidrezeptoren der Dünndarmzellen, wodurch eine irreversible Stimulation der Adenylatzyklase mit der Bildung von cAMP bewirkt wird. cAMP führt zu einer verminderten intestinalen Absorption von Natrium- und Chloridionen durch die Villi und zu einer vermehrten Sekretion von Chlorid und Wasser in den Krypten. Daraus resultiert eine massive wässrige Diarrhoe.

10.4.11.2 Klinik

Klinische Zeichen treten nach einer Inkubationszeit von 1–5 Tagen auf, wobei nur ein Teil der Infizierten klinisch auffällig wird. Ein schweres Krankheitsbild tritt nur in etwa 10 % auf.

Klinisch ist der Verlauf der leichten Form von leichten Durchfällen anderer Ätiologie nicht zu unterscheiden. Die Krankheit sistiert meist innerhalb von 48 Stunden. Das Vollbild der Cholera zeigt folgende Merkmale:

  • Abrupt beginnende wässrige Darmentleerungen und Erbrechen mit einem Volumen von bis zu 1.000 ml pro Stunde bei Erwachsenen. Bei adäquatem Flüssigkeitsersatz hört der Durchfall nach 1–6 Tagen wieder auf.

  • Es treten schwere Elektrolyt- und Flüssigkeitsdefizite mit einer metabolischen Azidose auf.

  • Dehydratationszeichen: verminderter Hautturgor, Blutdruckabfall, Heiserkeit, kalte Extremitäten, Anurie, Nierenversagen.

10.4.11.3 Diagnostik

  • Die Diagnose beruht auf dem klinischen Bild.

  • Ein kultureller Nachweis aus dem Stuhlsekret ist ohne Schwierigkeiten möglich. Mikroskopisch zeigen sich typische, „fischzugartig“ angeordnete Vibrionen.

  • Beim Erregernachweis im Stuhl oder dem Erbrochenen macht man sich die Eigenschaften der „Halophilie“ (Vorliebe für hohe Salzkonzentrationen) und der Alkaliresistez (bis zu pH 9) zu Nutze.

  • Die Serumparameter sind unspezifisch und passend zu einer schweren Dehydratation.

Cholerapatienten haben kein Fieber und kein Blut im Stuhl.

10.4.11.4 Therapie

  • Im akuten Stadium ist die intravenöse Flüssigkeitszufuhr (Ringer-Lösung) unverzichtbar.

  • Orale Flüssigkeitssubstitution mit einer oralen Rehydrierungslösung: ca. 10–20 ml/kg/Stunde.

  • Eine antibiotische Therapie ist nicht unbedingt notwendig. Gegebenenfalls Antibiose mit Doxycyclin oder Trimethoprim-Sulfamethoxazol oder auch Erythromycin. Durch die Antibiose verkürzt sich die Dauer der Erregerausscheidung.

10.4.11.5 Prophylaxe

Es steht ein oraler Impfstoff (2 Dosen im Abstand von 1–6 Wochen) zur Verfügung, der jedoch nur in den ersten 6 Monaten effektiv ist.

10.4.12 Middle East Respiratory Syndrome Coronavirus (MERS-CoV)

10.4.12.1 Ätiologie und Pathophysiologie

2012 wurden die ersten Fälle einer MERS-CoV auf der arabischen Halbinsel beschrieben. Personen mit chronischen Erkrankungen, wie z. B. Diabetes, Malignomen oder Immunsuppression sind zu schweren Krankheitsverläufen prädisponiert. Die meisten Fälle waren mit Saudi-Arabien oder benachbarten Ländern verbunden. Patienten hatten immer Kontakt zu Dromedaren, die als Quelle der Infektion gelten. Die in Deutschland aufgetretenen Erkrankungsfälle waren vorher von der arabischen Halbinsel eingereist.

10.4.12.2 Klinik

Die Inkubationszeit beträgt wenige Tage bis 3 Wochen. Die Erkrankung beginnt mit grippeähnlichen Symptomen (Fieber, Husten, Kurzatmigkeit), die in eine Pneumonie und ein Atemnotsyndrom übergehen können. Teilweise treten Durchfall und Erbrechen auf.

10.4.12.3 Diagnostik

Bei schweren Pneumonien und Atemnotsyndrom sollte auch an die Möglichkeit von MERS-CoV gedacht werden, insbesondere wenn sich Patienten in den 14 Tagen vor Erkrankungsbeginn in einem Land der arabischen Halbinsel aufgehalten und dort Kontakt zu Dromedaren gehabt haben.

Für die Diagnostik ist wichtig, dass Speichelproben aus dem unteren Atemwegstrakt entnommen werden.

10.4.12.4 Therapie

Frühzeitig sollten Atemschutzmasken eingesetzt werden. Es besteht keine spezifische Therapie.

10.4.12.5 Prävention

In Ländern der arabischen Halbinsel sollte der Besuch von Kamelfarmen oder Kamelmärkten und der Genuss von unvollständig erhitzten Kamelprodukten vermieden werden.