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10 Jahre IFBB: zur beruflichen und persönlichen Entwicklung der Programmteilnehmerinnen

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Jugendliche im Übergang zwischen Schule und Beruf

Zusammenfassung

Eine Lehrstelle zu finden ist für alle Jugendlichen eine Herausforderung. Für junge Frauen, und besonders für diejenigen mit einem Migrationshintergrund, ist es besonders schwierig. Nochmals eine Hürde ist es, wenn die jungen Migrantinnen schwächere Leistungen in der Schule zeigen. Das Interkulturelle Foyer Bildung & Beruf (IFBB) nimmt sich genau diesen Frauen an. Es richtet sich spezifisch an arbeitslose junge Schweizerinnen und Migrantinnen, die nicht über eine Erstausbildung verfügen. Es sind vielfach psychisch belastete Frauen. Das Ziel des IFBB besteht – wie auch bei andern Motivationssemestern – darin, dass die Klientinnen eine Lehrstelle oder sonst einen Zugang zur Arbeitswelt finden. In einer Evaluation sollte nun der Frage nachgegangen werden, inwiefern das Programm den Teilnehmerinnen in den letzten zehn Jahren seit der Gründung beruflich und persönlich geholfen hat. Dazu wurde ein dreistufiges Verfahren gewählt: Zuerst wurde eine Dokumentenanalyse gemacht, und anschließend wurden alle ehemaligen Teilnehmerinnen kontaktiert. Mit 45 ehemaligen Teilnehmerinnen wurde ein kürzeres Telefoninterview durchgeführt, mit 23 ein längeres qualitatives Interview. Die Untersuchung zeigte, dass die meisten Teilnehmerinnen die auch aus der Literatur bekannten Risikofaktoren mitbringen; nämlich einen geringen sozioökonomischen Status, Migrationshintergrund und frühe Mutterschaft. Zudem konnte festgestellt werden, dass das Programm vor allem diejenigen Frauen zu einer erfolgreichen Berufsausbildung begleitend hinführen konnte, die nicht unter schweren psychischen Belastungen litten. Bei den eher stark belasteten Frauen konnte das Programm zumindest stabilisierend wirken und das Wohlbefinden der Teilnehmerinnen fördern. Diese genaue Analyse eines einzelnen Motivationssemesters liefert wichtige Informationen für weitere Programme. Durch die Betrachtung der Situation der Teilnehmerinnen konnten Faktoren erhoben werden, die sich erschwerend auf die Lehrstellensuche und somit den Berufseinstieg auswirken. Die Einschätzung der Wirksamkeit des IFBB-Programms konnten Weiterentwicklungsmöglichkeiten aufzeigen, die für die schulische Ausbildung oder für Arbeitgeber von Relevanz sein könnten.

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Kommentar aus der Praxis

Kommentar aus der Praxis

Was passiert weiter mit den jungen Frauen nach ihrer Lernzeit im Interkulturellen Foyer Bildung und Beruf, IFBB? Die Leiterin Ulrike Kunz gibt dazu interessante und berührende Einblicke. Das Interview wurde geführt von Elisa Streuli.

Ulrike Kunz, wann ist eine junge Frau bereit, das IFBB wieder zu verlassen?

Im Verlauf ihres Aufenthalts bei uns erhalten die jungen Frauen sehr viele Absagen auf ihre Bewerbungen – und irgendwann kommt die Zusage. Dann möchten sie meist sofort austreten, denn für sie ist das Ziel erreicht. Wir versuchen, die Teilnehmerinnen zu motivieren, dass sie mit dem Austritt noch etwas zuwarten, dass sie weiterhin aktiv bleiben und Erfahrungen sammeln. Möglicherweise ist es für sie sinnvoll, in dieser Zeit ein Praktikum zu absolvieren oder noch ein anderes Berufsfeld kennenzulernen. So suchen wir gemeinsam nach einer guten Lösung für den Übergang bis zum Beginn der Ausbildung. Einige arbeiten weiter an ihren Sozial- und Selbstkompetenzen, besonders an der Konfliktfähigkeit. Wenn die noch nicht so ausgereift ist, gibt es bald den ersten Konflikt am Arbeitsplatz, und die jungen Frauen brechen ihre Ausbildung gleich wieder ab. In dieser Übergangszeit möchten wir, dass sich die Teilnehmerinnen den beruflichen Situationen aussetzen, und ihnen gleichzeitig intern den nötigen Rückhalt geben, um diese Situationen gut zu meistern.

Das Ziel für die jungen Frauen ist es, einen Ausbildungsplatz zu haben – was ist euer Ziel?

Für uns ist darüber hinaus wichtig, dass die jungen Erwachsenen einen Blick dafür haben, was in der Welt um sie herum passiert. Einige können das – zum Beispiel schlugen einzelne vor, einen Mineralwassersprudler statt PET-Flaschen zu kaufen. Das können wir direkt umsetzen und auch zurückmelden, dass wir ihre Sorge für die Umwelt schätzen. Andere denken nur an sich; was sie selbst beitragen müssten, ist ihnen noch nicht so klar. Sie müssen lernen, dass sie an der Arbeitsstelle etwas bekommen und im Gegenzug dafür auch etwas leisten und sich als Teil der Gesamtorganisation sehen.

Mit 15 Jahren können sie noch nicht wissen, was arbeiten heißt. Bereits einen Tag im Betrieb empfinden einige als unglaublich anstrengend und werden gleich krank. Zuerst muss man mit ihnen darauf hinarbeiten, dass sie sich körperlich und mental auf die Arbeit einstellen. Im Einzelhandel oder als Pharmaassistentin müssen sie jeden Tag 8 Stunden lang stehen. Deshalb jogge ich z. B. regelmäßig mit denen, die wollen, damit sie ihre Muskeln und ihre Ausdauer aufbauen und das später auch durchhalten können.

Eine junge Frau und Mutter – Martina (Name geändert) – hat gerade heute die Zusage für eine Lehrstelle bekommen. Mit der Power, dass sie ihre sogenannten „Schwächen“ als Stärken einbringen kann: zwei Kinder haben und zusätzlich etwas lernen – da muss man erst einmal zeigen können, dass das eine große Stärke ist –, das war ein großes Ziel, und das kann sie heute. Sie hatte vorher zwei Lehrstellen und wurde zweimal schwanger. Sie hätte nach der Geburt jeweils wieder zurückgehen können, doch sie brach beide Lehren damals wegen Betreuungsproblemen und anderen Umständen ab. Heute will sie das ganz sicher nicht mehr. Was sie jetzt anpackt, will sie durchziehen und hat auch den Durchhaltewillen. Wir werden nun zusammen besprechen was sie tun kann, wenn ein Kind krank wird. Früher hatte sie bei Betreuungsproblemen ihre Ferien bezogen, da mussten wir ihr klarmachen, dass ihre Ferien zu ihrer Erholung da sind und nicht, um ein Betreuungsproblem zu lösen. Nun zeichnet sich eine Lösung mit einer neuen Tagesmutter in der Nähe des Ausbildungsplatzes ab.

Unter diesen Voraussetzungen ist eine Frau aus unserer Sicht bereit für den Austritt. Wenn eine junge Frau einen Ausbildungsplatz bekommen hat, feiern wir dies in der Gruppe. Wenn sie möchte, darf sie ihr Bild in unserer Galerie derjenigen Frauen aufhängen, die eine Anschlusslösung gefunden haben.

Wie bereitet ihr die Teilnehmerinnen auf den Umgang mit Krisen vor?

Die Frauen haben jede Woche ein Kompetenztraining in der Kleingruppe. Hier reflektieren sie zusammen, was sie gelernt haben und was sie als nächstes in Angriff nehmen möchten. Dabei erhalten sie ein Feedback von den andern. Wir nutzen die Gruppe gezielt als Ressource und wenn die Frauen von sich aus die Beziehungen aufrechterhalten, unterstützen sie sich auch später gegenseitig.

Wenn sie Auseinandersetzungen mit Lehrerinnen von uns haben, nehmen wir das direkt auf. Wir arbeiten anhand dieser Situation an der Kompromissfähigkeit und zeigen ihnen, dass dies auch am Arbeitsplatz passieren kann. Manchmal bleibt den Arbeitgebern ja wirklich keine andere Möglichkeit mehr, als den jungen Frauen zu kündigen, wenn beispielsweise jemand nach einem Konflikt wiederholt einfach nicht mehr am Arbeitsplatz erscheint.

Diesbezüglich muss ich aber den Betrieben wirklich ein Kränzchen winden. Sie werfen Lernende nicht sofort hinaus, wenn es Schwierigkeiten gibt. Meist hat es mit Abwesenheit oder mit Ausfälligkeiten zu tun, wenn jemand entlassen wird. Das passiert aber meist nicht beim ersten Mal. Wenn sich ein Betrieb für eine Auszubildende entschieden hat, investiert er in der Regel sehr viel. Die Arbeitgeber können sich auch an uns wenden, wenn es Probleme gibt. Manchmal trägt auch die Invalidenversicherung (IV) den finanziellen Mehraufwand, den die Betriebe durch mehr Betreuungsaufwand in Kauf nehmen. Institutionen wie die IV haben sich gewandelt und versuchen heute rascher zu intervenieren, und die Arbeitgeber versuchen oft viel, um eine Kündigung zu verhindern.

Wie begleitet ihr die Frauen nach dem Austritt weiter?

Wir stehen weiterhin zur Verfügung, wenn sie etwas brauchen. Beim Austritt machen wir bereits einen Termin ab; dieser ist freiwillig. Manchmal nehmen ihn die Frauen wahr und manchmal sagen sie ihn ab. Oft sind sie überrollt von den Anforderungen, fallen am Abend todmüde ins Bett und wollen nicht noch einen Termin mit uns wahrnehmen. Das ist in der Anfangsphase normal und auch völlig in Ordnung, aber sie wissen, dass sie sich jederzeit melden können. Manchmal nehmen sie dieses Angebot über längere Zeit wahr. Gerade gestern kam eine ehemalige Teilnehmerin wegen eines Konflikts mit den Eltern zu uns.

Auch die Arbeitgeber sind oft froh, dass wir im Hintergrund weiterhin vorhanden sind. Wenn es ein Problem gibt, kommen wir auch in den Betrieb und helfen bei der Lösung, falls sie das wollen. Aber es ist freiwillig – wenn sich niemand meldet, erfahren wir nicht, wenn es schwierig wird.

Frauen mit schwerwiegenden psychischen Problemen sind auch nach dem Austritt in einer psychotherapeutischen Behandlung, wenn dies angezeigt ist. Wenn Geld das Thema ist, verweisen wir sie an die Schuldenberatung, bei Fragen zur Aufteilung der Haushalts- und Betreuungsarbeiten an die Familienberatung. Wenn es eher persönliche Probleme sind oder Fragen, wie sie überhaupt alles zusammen bewältigen können, kommen sie gerne wieder zu ihrer Bezugsperson, ihrer ehemaligen Betreuerin im IFBB. Wir sind zurückhaltend und suchen nicht aktiv den Kontakt von uns aus, denn die Jugendlichen müssen dies selbst wollen und von sich aus kommen.

Wenn jemand die Lehre erfolgreich abgeschlossen hat, erfahren wir es meist aus der Zeitung und schreiben eine Glückwunschkarte. Einmal im Jahr veranstalten wir einen Ehemaligentreff. Manchmal kommen solche, die vor zehn Jahren da waren und auch solche, die erst kürzlich ausgetreten sind, das ist ganz unterschiedlich.

Was erzählen die jungen Frauen über die Zeit nach dem IFBB?

Manchmal ist der Austritt der Beginn einer schwierigen Institutionenkarriere, wenn sie wiederholt in einer psychiatrischen Klinik hospitalisiert werden. Einige hatten bereits Eltern mit Persönlichkeitsstörungen oder wurden als Kind oft allein gelassen; für sie ist es sehr schwierig, langfristige Beziehungen einzugehen. Oft haben sie auch einfach Liebeskummer, Krach mit den Eltern oder Streit am Arbeitsplatz.

Aber es gibt auch viel Erfreuliches: Gerade letzte Woche hat eine Ehemalige angerufen und gesagt, ihr Betrieb biete eine Schnupperlehre an, ob wir Interesse hätten; das ist sehr solidarisch gegenüber dem IFBB. Und manche kommen Jahre später zurück, um ihr Baby zu zeigen.

Manchmal haben die Frauen eine nahe Bezugsperson . Gerade bei jungen Müttern hilft das für eine gute Prognose, wir kennen aber auch alleinerziehende Mütter, die absolut auf sich selbst gestellt sind. Das ist sehr schwierig für sie – aber es ist manchmal auch eine ganz große Motivation: Sie möchten dem Kind ein Vorbild sein. Dieser Wunsch hat schon manche Frau, die leistungsmäßig an eine Grenze kam, durch ihre Ausbildungszeit getragen.

Gibt es auch „Rückfälle“ – in dem Sinn, dass die Frauen wieder bei euch eintreten?

Ja, das gibt es. Man darf im Leben ein Jahr lang ein Motivationssemester besuchen, und wenn diese Zeit noch nicht ausgeschöpft ist, kommen sie manchmal wieder zurück. Wenn das nicht reicht, ist auch schon die Sozialhilfe oder der Kinder- und Jugenddienst eingesprungen. Wir sind nicht ein typisches Motivationssemester, weil wir eher die „schwierigen“ Fälle mit Mehrfachproblematik – psychische Probleme, familiäre Probleme, Lernprobleme, gesundheitliche Probleme – haben. Wir bieten intern auch keine Arbeit an, sondern wir begleiten die Frauen im Programm bei den Arbeitseinsätzen bei unseren Partnerfirmen. Da geht immer eine Mitarbeiterin von uns mit, um zu sehen, welche Arbeitshaltung die Teilnehmerinnen haben, und geben ihnen eine Rückmeldung. Später gehen die jungen Frauen selbstständig zum Schnuppern.

Eine junge Frau mit Minderintelligenz hatte eine Möglichkeit zu einer Ausbildung in einem Alters- und Pflegeheim gehabt. Sie hatte ein kleines Kind und bekam eine Praktikumsstelle mit Aussicht auf einen Ausbildungsplatz. Kurz darauf verunfallte ihr Kind und musste ins Kinderspital in eine andere Stadt gebracht werden. Die Mutter war völlig überfordert und brach den Kontakt zum Arbeitgeber unvermittelt ab. Im Betrieb war deshalb niemand informiert und erst einen Monat später hörte der Arbeitgeber davon. Und trotzdem boten er ihr an, weiter bei ihnen zu arbeiten, wenn das Kind wieder gesund wäre! Manchmal muss man auch die Arbeitgeber unterstützen und versuchen, gute Lösungen für beide Seiten zu finden.

So ein Ereignis zieht eine Reihe von Folgeproblemen nach sich – wenn jemand keine Arbeit mehr hat, wird bald auch der Tagesheimplatz nicht mehr subventioniert und so weiter. Zum Glück hatte diese Frau eine gute Sozialberaterin, die mithalf, die Kommunikation wieder in Gang zu bringen.

Wie geht Ihr als Berufspersonen mit diesen schwierigen Verläufen um?

Manchmal ist es belastend – aber die Frauen dürfen schwierig sein (lacht). Wir müssen schauen, wie wir damit umgehen und welche Möglichkeiten es für sie gibt. Manchmal haben wir das Gefühl, es sei noch zu früh für den Austritt und für den Arbeitgeber eine Zumutung. In diesem Fall empfehlen wir sie noch nicht für einen Ausbildungsplatz und erklären ihnen auch weshalb.

Es gibt auch solche, die sich zurückziehen und hinter irgendetwas verstecken, das kann eine Krankheit sein oder auch ein religiöses Kleidungsstück. Wenn sie das unter keinen Umständen ausziehen wollen, bekommen sie im Einzelhandel eben keine Stelle. Es gibt jedoch auch Arbeitgeber, gerade im Altersheim, die hier sehr tolerant sind und Kompromisse eingehen, wenn die Frauen ebenfalls ihren Beitrag leisten.

Die Frauen müssen wirklich wollen. Es gibt zum Teil solche „Klick“-Momente, aber es ist sehr unterschiedlich. Die Peers sind für die Motivation sehr wichtig, gerade wenn jemand wie heute die Zusage zu einer Lehrstelle bekommen hat. Das gibt Hoffnung auch für diejenigen, die noch nichts gefunden haben. Sie überlegen dann, was bei ihnen anders ist und weshalb sie noch keine Lehrstelle haben. Oft macht es dann „Klick“ – aber man kann es nicht wirklich steuern.

Was wünschst du dir für die jungen Frauen?

Ich wünsche mir mehr niederschwellige Arbeitsplätze , die nun, mit zunehmendem Einsatz künstlicher Intelligenz, verloren gehen. Büroassistentinnenlehren und entsprechende Arbeitsstellen werden beispielsweise sehr selten angeboten. Diese Arbeitsstellen mit einfachem Anforderungsprofil gehen verloren. Es gibt Arbeitgeber, die sich sehr Mühe geben und den Jugendlichen versuchen zu erklären, warum sie sie nicht anstellen. Es gibt aber auch andere, die immer mehr Hürden voranbauen – Multicheckprüfung, Einzelgespräch, Einzelassessment, Gruppenassessment, Schnupperlehre, Arbeitsplatz – ich frage mich, ob man auf diese Weise wirklich die geeignetste Person findet. Es gibt auch Institutionen, die junge Frauen mehrere Jahre als Praktikantinnen beschäftigen, im klaren Wissen, dass diese später keine Anschlusslösung im Betrieb erhalten. Das ist sehr demotivierend.

Als Gesamtgesellschaft müssen wir uns überlegen, ob wir diese entmenschlichte Arbeitswelt wollen beziehungsweise wie die Arbeit zukünftig aussehen könnte. Vielleicht werden bald viel mehr Leute gebraucht, die in Pflegeheimen alte Menschen unterhalten. Da stellt sich schon die Frage, warum wir nicht viel mehr Geld aufwenden, um den jungen Menschen sinnvolle und realistische Möglichkeiten anzubieten.

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von Wyl, A., Hoffet Stastny, M., Zimmermann, B. (2018). 10 Jahre IFBB: zur beruflichen und persönlichen Entwicklung der Programmteilnehmerinnen. In: Sabatella, F., von Wyl, A. (eds) Jugendliche im Übergang zwischen Schule und Beruf. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-55733-4_8

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