Zusammenfassung
Durch die stetig steigenden Schulterprothesenimplantationen pro Jahr sind auch die Zahlen an Komplikationen und Revisionseingriffen nach einer endoprothetischen Versorgung der Schulter gestiegen. Komplikationsraten nach einer anatomischen Schulterprothese werden in der Literatur mit 10 %, nach einer inversen Prothese mit 4,8–68 % angegeben. Unterteilt man die Revisionsart nach der Lokalisation, so ist man meist mit rein glenoidalen oder humeralen Revisionen konfrontiert und seltener mit einer Kombination aus beidem. Durch die Weiterentwicklung des humeralen Komponentendesigns hin zu modularen Schaftsystemen hat sich die Revisionsmöglichkeit der Prothesen deutlich vereinfacht. Es stehen zementierte und zementfreie Langschaftsysteme zur Verfügung, mit denen knöcherne Defekte auf humeraler Seite überbrückt werden können. Die glenoidale Komponente hat sich hingegen bezüglich der Revisionsmöglichkeiten der Systeme nur sehr langsam weiterentwickelt.
1 Prinzip
Durch die stetig steigenden Schulterprothesenimplantationen pro Jahr sind auch die Zahlen an Komplikationen und Revisionseingriffen nach einer endoprothetischen Versorgung der Schulter gestiegen. Komplikationsraten nach einer anatomischen Schulterprothese werden in der Literatur mit 10 %, nach einer inversen Prothese mit 4,8–68 % angegeben (Cheung et al. 2011; Guery et al. 2006; Boileau et al. 2013; Boileau 2016; Zumstein et al. 2011; Villacis et al. 2016).
Unterteilt man die Revisionsart nach der Lokalisation, so ist man meist mit rein glenoidalen oder humeralen Revisionen konfrontiert und seltener mit einer Kombination aus beidem. Durch die Weiterentwicklung des humeralen Komponentendesigns hin zu modularen Schaftsystemen hat sich die Revisionsmöglichkeit der Prothesen deutlich vereinfacht. Es stehen zementierte und zementfreie Langschaftsysteme zur Verfügung, mit denen knöcherne Defekte auf humeraler Seite überbrückt werden können. Die glenoidale Komponente hat sich hingegen bezüglich der Revisionsmöglichkeiten der Systeme nur sehr langsam weiterentwickelt. Dies ist mitunter darin begründet, dass für die Revision einer Glenoidkomponente regelhaft ein zementfreies Metal-Back-Glenoid erforderlich ist. Die ersten Metal-Back-Glenoide haben jedoch zu Beginn der anatomischen Prothesenversorgung eine hohe Revisionsrate gezeigt (Martin et al. 2005; Boileau et al. 2015). Erst mit den inversen Prothesen, die eine metallische Basisplattenfixation verwenden und hier gute glenoidale Standzeiten erzielen, wurde das Metal-Back-Fixationsprinzip auch für die anatomische Prothese wieder aufgenommen und weiterentwickelt. Das Ziel ist es, auch im glenoidalen Bereich eine Modularität und bessere Revisionsmöglichkeit zu erreichen, insbesondere in Hinblick auf eine Konvertierbarkeit zwischen den Systemen anatomisch/invers.
Anforderungen an ein modernes Prothesensystem sind daher eine humerale und glenoidale Modularität und eine Konversionsmöglichkeit des Systems im Revisionsfall. Prothesendesigns, die zwar gut zu implantieren, aber schlecht zu revidieren/entfernen sind, sind ungeeignet und schnell wieder zu verlassen. Trotz aller Weiterentwicklungen sind die Komplikationsraten in der Revisionsendoprothetik der Schulter hoch. In Abhängigkeit von der Operationslänge, einer notwendigen Schaftentfernung und vom Ausmaß des entstandenen Knochenverlustes werden Komplikationen in 36–48 % der Fälle genannt (Chacon et al. 2009; Day et al. 2010; Trappey et al. 2011; Werner et al. 2013; Flury et al. 2011).
2 Präoperative Planung
Neben der klinischen Funktionsprüfung und dem Ausschluss peripherer Gefäß- und Nervenschädigungen – insbesondere des Nervus (N.) axillaris – ist eine konventionelle Bildgebung mit a.-p. und axialer Röntgenaufnahme sowie eine Computertomographie (CT) mit 3-D-Ronstruktionen und Metallartefaktunterdrückung erforderlich. Besteht eine Armlängenproblematik (Luxation) sollte eine a.-p. Oberarmachsaufnahme der Gegenseite angefertigt werden, um die physiologische Oberarmlänge zu bestimmen. Alternativ kann die Armlänge der Gegenseite auch mit einem Maßband präoperativ bestimmt werden und als intraoperative Referenz dienen.
Vor jedem Revisionseingriff einer Schulterendoprothese muss eine Infektdiagnostik durchgeführt werden. Diese besteht aus einer Gelenkpunktion (min. 14 Tage antibiotikafrei) und einer 14-tägigen Bebrütung sowie eine Zellzahlbestimmung. Bei unsicherer Gelenkpunktion oder Punktatmenge und einem Verdacht auf einen Low-Grade-Infekt muss über eine Arthroskopie eine Gewebeprobengewinnung erfolgen.
3 Chirurgische Techniken
3.1 Wechsel der humeralen Komponente
Häufige Gründe für einen Wechsel einer humeralen Komponente sind eine Lockerung, ein Infekt, eine periprothethische Fraktur oder bei nichtmodularen Prothesen eine notwendige Konversion einer anatomischen auf eine inverse Prothese. Eine seltene Indikation für einen Schaftwechsel ist die akute oder chronische Luxation einer inversen Prothese bei nichtmodularem Schaftsystem. 3 Fixationssituationen des Schaftes können vorliegen: zementfrei metaphysär/epiphysär, zementiert diaphysär und zementfrei diaphysär.
Der Standardzugang bei revisionschirurgischen Schulterprotheseneingriffen ist der deltoideopektorale Zugang. Er kann nach distal (z. B. bei Schaftspaltungen) und nach proximal und dorsal (z. B. bei Tumorresektionen) beliebig erweitert werden (Abb. 24.1a). Auch wenn bei Voroperationen an der betroffenen Schulter andere Zugänge verwendet wurden, empfiehlt sich die Revision über einen deltoideopektoralen Zugang. Der Hautschnitt beginnt auf Höhe des Akormioklavikulargelenkes und wird gerade auf den Oberarm geführt. Zu beachten ist, dass die Schnittführung ausreichend Abstand zur vorderen Achselfalte hat, da ein Tangieren der Achselfalte zu Narben und Narbenstrangbildung führen kann.
Wenn die Vena (V.) cephalica in der Revision nicht mehr darstellbar und das muskuläre Intervall nicht mehr zu identifizieren ist, kann mit der monopolaren Nadel über dem Processus (Proc.) coracoideus bis zur Sehne des M. pectoralis ein neues Intervall geschaffen werden (Abb. 24.1b). Ist die Darstellung des distalen Humerus erforderlich, kann der Hautschnitt mittig bis zum Ellenbogen verlängert werden. Das Caput longum und brevis des Bizeps werden nach medial gehalten und der M. brachialis längs gespalten. Eine Darstellung des N. radialis im lateralen distalen Drittel des Oberarmes zwischen M. brachioradialis und M. brachialis sollte bei der Zugangserweiterung nach distal immer erfolgen (Abb. 24.1c).
Bei erhaltener Rotatorenmanschette und Wechsel einer anatomischen Prothese ist die Sehne des M. subscapularis anzuschlingen, zu tenotomieren und ein ausreichendes Subskapularisrelease durchzuführen. Der N. axillaris wird am Unterrand des Subskapularis und auf der Unterseite des Deltamuskels in seinem Verlauf identifiziert. Bei der häufig bestehenden Schultersteife ist darauf zu achten, eine ausreichende Kapsel- und Weichteilmobilisation durchzuführen, um die Prothese überhaupt luxieren zu können und den proximalen Humerus darzustellen. Gerade bei osteoporotischem Knochen kann es sonst bei forcierter Außenrotation und Schaftpräparation zu einer intraoperativen Schaftfraktur kommen.
3.1.1 Kappe und metaphysär verankerte Prothese
Die zementfrei verankerten Kappenprothesen und metaphysären Kopfprothesen sind in der Regel durch eine Resektion unter der Kappe bzw. nach Entfernung der metaphysären Platte gut zu entfernen und zu revidieren. Manche Hohlschraubenfixationen können einen metaphysären Knochenverlust verursachen, der sich aber meistens unproblematisch darstellt (Abb. 24.2). Günstig ist es, wenn das Prothesensystem eine funktionierende Entfernungstechnik und -instrumente anbietet, sodass die Metaphyse und v. a. der metaphysäre Ring erhalten bleiben kann. Nach Prothesenentfernung und Markraumpräparation kann dann meist eine zementfreie oder bei schlechter Knochenqualität zementierte Schaftprothese implantiert werden (Abb. 24.2).
3.1.2 Zementierte Schaftprothese
Handelt es sich um eine zementierte Schaftprothese, bestimmt die Oberflächenbeschaffenheit der Prothese, wie leicht diese zu entfernen ist. Polierte Chrom-Nickel-Schäfte lassen sich in der Regel gut entfernen. Wenn der Zementköcher nicht gelockert war, bleibt er auch bei der Schaftentfernung meist intakt und fest verankert. Unter der Voraussetzung eines ausreichend dünnen Wechselschaftes besteht dann die Möglichkeit einer Zement-in-Zement-Fixation in den intakten Zementköcher. Dies kann nur angewendet werden, wenn eine aseptische Situation vorliegt und eine Zemententfernung bei osteoporotischem Knochen einen Knochenverlust verursachen würde.
Ist die Schaftoberfläche rau und der Schaft fest zementiert, gestaltet sich die Entfernung schwieriger. Im 1. Schritt wird das Prothesen-Zement-Knochen-Interface dargestellt und ggf. überstehender Zement entfernt. Ein geeigneter Prothesenausschläger sollte groß genug dimensioniert und universell einsetzbar sein (Abb. 24.3a).
Das Ausschlagen der Prothese beginnt mit steigender Intensität und ständiger Kontrolle des Prothesen-Zement-Knochen-Interface. Ist mit dem Ausschläger keine Entfernung der Prothese möglich, kann als 1. Schritt eine partielle Zemententfernung im proximalen Prothesenanteil hilfreich sein. Hierfür sollte insbesondere bei osteoporotischem Knochen eine Sicherungscerclage am proximalen Humerus angelegt werden, um eine Fissurierung möglichst zu vermeiden (Abb. 24.4). Sollte hierdurch mit dem Ausschläger keine Prothesenentfernung möglich sein, ist im 2. Schritt eine geplante Schaftspaltung durchzuführen. Dies gelingt kontrolliert mit einem dünnen Sägeblatt lateral des Pektoralisansatzes (Abb. 24.5b). Um die Schaftspaltung distal zu begrenzen, kann ein 2,5-mm-Bohrloch angelegt werden. Der entstandene Spalt wird mit einem Meißel aufgedehnt (Abb. 24.5c). Mit der Schaftspaltung wird meist das Prothesen-Zement-Knochen-Interface aufgebrochen und die Prothese kann so fast regelhaft entfernt werden. Eine pectoralisgestielte Schaftfensterung ist nur selten erforderlich und sollte möglichst vermieden werden (Gohlke und Rolf 2007; Boileau 2016). Die Schaftspaltung kann über Cerclagen wieder geschlossen werden. Eine Neuverankerung erfolgt mit einem zementierten Langschaft oder bei jungen Patienten auch mit einem zementierten Standardschaft (Abb. 24.6).
Die Zemententfernung erfolgt entsprechend der Technik aus der Knie- und Hüftrevisionsendoprothetik mit radiärer Zementfissurierung und segmentaler Entfernung über Rangeure und Meißel mit unterschiedlichen Unterstellungen und Schneiden (Abb. 24.3b). Der Zementbereich unterhalb der Prothesenspitze kann überbohrt und mit einem Gewindeausschläger entfernt werden. Problematisch kann der Schaftdurchmesser sein, je tiefer der Zement in den Schaft reicht, da die Sicht und auch der Arbeitsraum bei intaktem und nicht gefenstertem Schaft sehr begrenzt sind. In diesen Fällen ist eine arthroskopische Kontrolle der Zemententfernung sehr hilfreich und eignet sich auch zur Kontrolle auf Vollständigkeit oder Schaftperforationen (Abb. 24.7). Gerade die unbemerkte Schaftperforation im distalen diaphysären Bereich kann bei einer Neuzementierung zu einem unbemerkten Zementaustritt führen, der aufgrund der knochennahen Lagebeziehung eine N.-radialis-Schädigung verursachen kann.
3.1.3 Zementfreie Schaftprothese
Ist ein Schaftwechsel eines fest osseointegrierten, zementfreien Schaftes erforderlich, hängt die Entfernungsmöglichkeit stark vom vorliegenden Prothesentyp ab. Moderne Prothesenverankerungen haben bei Standardschäften eine nur metaphysäre makroporöse Oberfläche oder Beschichtung und im Schaftanteil eine glatte Oberfläche. Bei diesen Prothesenschäften ist nach Lösung der proximalen ossären Integration mit dünnen Klingenmeißeln und oder K-Drähten mit Bajonettspitze eine Entfernung meist ohne größeren Knochenverlust möglich.
Die Entfernung eines Schaftes mit makroporöser Oberfläche oder Lamellenstruktur, der über die gesamte Schaftlänge fest osseointegriert und nicht modular ist, kann zu erheblichem Knochenverlust führen. In dieser Situation sollte nach proximalem Lösen der knöchernen Integration ein erster Ausschlagversuch erfolgen. Ist dies nicht erfolgreich, wird wie beschrieben mit langen K-Drähten mit Bajonettspitze, die entlang der Prothese vorgetrieben werden, das Knochen-Implantat-Interface aufgebrochen. Ist hierdurch keine Lösung möglich, muss auch über eine Längsspaltung des Schaftes wie im vorhergehenden Abschnitt bei der Entfernung einer zementierten Prothese beschrieben vorgegangen werden (Abb. 24.8).
Problematisch ist der osteoporotische pergamentpapierdünne Knochen mit einer festsitzenden zementfreien Prothese. Hier ist eine Entfernung ohne Knochenverlust nicht möglich. Kommt es zu einem vollständigen proximalen Knochenverlust, ist über Langschäfte eine Defektüberbrückung mit korrekter Längeneinstellung durchzuführen. Die Längeneinstellung orientiert sich dabei an der physiologischen Länge der Gegenseite sowie an der Weichteilspannung der Conjoined Tendons der kurzen Beuger. Wichtig ist gerade nach mehrfachen Revisionen und vernarbten Weichteilstrukturen, dass bei inversen Prothesen die Schulter intraoperativ nach der 1. Reposition mit einem Probeinlay im endgradigen Bewegungsumfang über ein paar Minuten gehalten wird. Hierdurch können sich die meist stark verkürzten Weichteile an die neue Spannung adaptieren und es kann eine bessere Längeneinstellung erfolgen. Gerade bei chronisch luxierten Prothesen ist es von besonderer Wichtigkeit nach der 1. Reposition diese Weichteilanpassung durchzuführen, da es sonst im späteren Verlauf zu einem zu lockeren Gelenkspiel mit Gefahr der Rezidivluxation kommt.
Bei chronisch luxierten Prothesen kann dies so ausgeprägt sein, dass eine Reposition aufgrund der vernarbten Weichteile nicht möglich ist und erst durch eine Entfernung des Schaftes bzw. bei modularen Prothesen der Metaphyse und Implantation einer kürzeren Schaftkomponente eine Reposition erzielt werden kann (Abb. 24.9). Nach einigen Minuten Wartezeit und Halten der Schulter im endgradigen Bewegungsumfang kommt es typischerweise zu einer deutlichen Lockerung der Weichteile und die Prothesenlänge muss neu angepasst werden. Nicht selten wird dann die definitive Prothesenlänge länger als die initial nicht zu reponierende Prothesenlänge.
3.1.4 Weichteilrefixation bei proximalem Knochenverlust
Bei humeralem Knochenverlust und Wiederaufbau mit einer Langschaftprothese ohne Weichteilrefixation besteht ein hohes Luxationsrisiko. Gerade bei Verlust des Delta- und Pektoralisansatzes ist eine Refixation zu empfehlen, um eine bessere Weichteilführung zu erhalten und das Luxationsrisiko zu mindern. Freistehende Schäfte ohne Weichteilfixation haben auch mit retentiven Inlays eine hohe Luxationsrate und sollten möglichst vermieden werden. Zusätzlich sind die auf das Zementinterface wirkenden Rotationskräfte bei fehlender Metaphyse erhöht, was häufigere Schaftlockerungen bedingen kann (Werner et al. 2017). Sind noch knöcherne Muskelansätze vorhanden, können diese an der Prothese befestigt werden und mit Spongiosastraßen und Strut Grafts an den knöchernen Resthumerus angeschlossen werden. Ist dies nicht möglich, kann über einen Anbindungsschlauch bei inversen Prothesen eine Weichteilfixation erfolgen. Der Anbindungsschlauch kann in Sondersituationen bis über die Glenosphäre gezogen und an der Basisplatte fixiert werden (Abb. 24.10).
3.2 Wechsel der glenoidalen Komponente
Ein glenoidaler Wechsel ist bei Polyethylenaufbrauch (PE-Aufbrauch), Lockerung, Fehlpositionierung, Infekt oder bei einer Konversion von anatomisch auf invers erforderlich. Die Entfernung einer glenoidalen Komponente hinterlässt immer einen knöchernen Defekt, der entweder knöchern wieder aufgebaut oder durch ein geeignetes Implantat überbrückt werden muss.
Eingeteilt werden glenoidale Defekte in der Revisionsschulterendoprothetik nach der Klassifikation von Antuna et al. (2001). Es wird der zentrale Defekt mit intaktem glenoidalem Rand und der periphere Defekt mit einer unterbrochenen Glenoidwand sowie die Kombination aus zentral und peripher als kombinierter Defekt unterschieden. Eine Graduierung erfolgt nur semiquantitativ von Antuna et al. in 3 nicht genau definierte Schweregrade (Abb. 24.11a). In der klinischen Anwendung hat sich diese Einteilung sehr gut bewährt. Es sollte zusätzlich noch die Medialisierung mit erfasst werden, um bei einem Wiederaufbau die Gelenklinie zu rekonstruieren und das Drehzentrum ausreichend zu lateralisieren (Abb. 24.11b).
Eine Möglichkeit, präoperativ das genaue Defektvolumen abzuschätzen, ist ein Matching mit der Gegenseite in der 3-D-CT-Diagnostik. Dies ist jedoch nur verwertbar, wenn eine ausreichende Metallartefaktunterdrückung durchführbar ist. Das Ziel der Glenoidrekonstruktion ist der 1-zeitige Wiederaufbau der Glenoidebene, um eine belastungsstabile, möglichst originäre knöcherne Situation zu schaffen, auf die eine neue Glenoidkomponente implantiert werden kann. Ein 2-zeitiges Vorgehen ist nur in seltenen Fällen oder bei Protheseninfekt indiziert und aufgrund der zur Verfügung stehenden modernen Glenoidbasisplatten und medial abgestützten Spanaufbauplastiken selten erforderlich.
3.2.1 Biomechanische Voraussetzungen einer stabilen Basisplattenfixation
Alle verfügbaren inversen Schultersysteme verwenden das Prinzip der 3-Punkt-Fixation über einen zentralen Peg oder eine zentrale Schraube und 2 periphere Schrauben in inferiorer und superiorer Position für die Basisplattenfixation. Die Position des Pegs ist beim intakten Glenoid an der Glenoid Center Line ausgerichtet. Diese liegt rechtwinklig zur Glenoidebene. Die knöcherne Verankerungsstrecke beträgt ca. 25 mm, bis es zu einer ventralen Perforation der Skapulakortikalis kommt. Bei glenoidalem Knochenverlust reicht diese Verankerungslänge häufig nicht aus, sodass durch eine Anteversion der Basisplatte um ca. 5° eine Pegfixation in der Spine Center Line möglich ist (Abb. 24.12).
Die Primärstabilität der Basisplatte ist über die Schraubenfixation und den zentralen Peg sowie durch die erzielte Stabilität des knöchernen Aufbaus gegeben. Diese 3-Punkt-Fixation muss in der originären Skapula liegen.
Eine Langzeitstabilität der Basisplatte (Sekundärstabilität) wird über die knöcherne Integration des Pegs erreicht. Es ist somit von besonderer Wichtigkeit, dass der verwendete Peg lang genug ist und dass mindestens 1⁄3 des Pegs in originärer Skapula verankert wird (Konigshausen et al. 2015).
Wird dies nicht erreicht, sind frühzeitige Lockerungen und Basisplattenausrisse die Folge. Intraoperativ kann die Verankerungslänge des Pegs in der originären Skapula am Besten mit einem herkömmlichen Längenmessgerät aus dem Großfragmentinstrumentarium gemessen werden. Nach Platzierung des zentralen Fräsdrahtes wird der Draht kurzfristig entfernt und die Länge des Bohrloches mit dem Längenmesser gemessen. Ist man sich mit der Platzierung unsicher, kann ein axiales Bildverstärkerbild hilfreich sein.
3.2.2 Zentraler Defekt
Zentrale Glenoiddefekte entstehen häufig nach Entfernung eines zementierten PE-Glenoids, wobei meist der glenoidale Ring und somit auch die Glenoidwand erhalten bleibt. Dies ermöglicht es, den Defekt nach Anfrischen mit einer Hochgeschwindigkeitsfräse (3–4 mm Rose und 3–4 mm Fräswalze) durch eine Spongiosaauffüllung in der Technik des Impaction Graftings zu rekonstruieren. Als geeignetes Transplantat kann autologe oder allogene Spongiosa verwendet werden. Nach Impaktierung der Spongiosa mit unterschiedlichen Stößeln wird der zentrale Fräs- und Bohrdraht platziert. Bei zentralen Defekten mit intakter Glenoidwand kann meist in der Glenoid Center Line fixiert werden. Ist ein ausreichender Peghalt in der originären Skapula nicht möglich, muss in der Spine Center Line fixiert werden.
Eine ausreichend Lateralisierung kann erreicht werden, indem auf die impaktierte Spongiosa eine Knochenscheibe im Sinne einer Bio-RSA (Bone increased offset Reversed Shouder Arthroplasty) in der Dicke der gewünschten Lateralisierung bzw. der zuvor im CT bestimmten Medialisierung des Defektes platziert wird. Dies kann als Inlay bei nicht sicher stabiler Glenoidwand oder als Onlay bei stabiler Glenoidwand und nicht ausreichender Lateralisierung erfolgen (Abb. 24.13). Das Implantatbett wird über den Führungsdraht in die impaktierte Spongiosa oder die Bio-RSA gefräst und auch das zentrale Bohrloch für den Peg. Eine 2-Schrauben-Fixation mit kaudaler und kranialer sekundär winkelstabiler Schraube ist für die Primärstabilität ausreichend (Konigshausen et al. 2015). Die kaudale Schraube wird parallel zum Peg ausgerichtet und in der dorsalen Skapulakortikalis fixiert. Die kraniale Schraube wird nach anterior aufsteigend in die Korakoidbasis platziert.
3.2.3 Peripherer Defekt
Ein peripherer Defekt entsteht häufig bei chronisch verhakten anterioren, seltener posterioren Schulterluxationen oder ausgerissenen Glenoidverankerungen. Der glenoidale Ring ist beim peripheren Defekt unterbrochen und es steht nur noch ein Teil des Glenoides. Der Defekt ist meist schräg abfallend. Die Rekonstruktion eines peripheren Defektes erfordert die Wiederherstellung des glenoidalen Ringes über einen Knochenblock (Auto- oder Allograft). Der glenoidale Defekt muss mit einer Fräse angefrischt werden, damit eine knöcherne Integration des Spanes überhaupt möglich ist. In der technischen Durchführung hat sich eine eckige Defektfräsung mit eckiger Knochenspaneinpassung gegenüber einem schrägen Span auf einem schrägen Defekt bewährt, auch wenn sich biomechanisch in der primären Fixationsstabilität kein Unterschied zwischen einem eckigen und einem schrägen Span nachweisen lässt.
Nach der Defektpräparation wird ein entsprechender Beckenkammspan entnommen oder ein Allograft zugeschnitten mit einem lateralen Überstand. Der Span wird dann temporär mit K-Drähten fixiert und mit der Glenoidfräse über den zentralen Führungsdraht heruntergefräst. Der Führungsdraht wird beim peripheren Defekt in die Spine Center Line platziert, um eine möglichst lange Pegfixation in originärer Skapula zu erhalten. Die Spanfixation erfolgt über eine winkelstabile Schraube der Basisplatte (Abb. 24.14). Dies ist ausreichend, da durch die plane mediale Abstützung des Spanes und eine winkelstabile Schraube der Basisplatte genügend Stabilität erzielt wird. Zusätzliche Schrauben sollten vermieden werden, um den Metallindex möglichst niedrig zu halten.
3.2.4 Kombinierter Defekt
Der kombinierte Defekt hat einen unterbrochenen glenoidalen Ring und einen zentralen Defekt, sodass meist nur noch ein dünner Randwall des originären Glenoides steht. Hier ist abzuwägen, inwieweit ein Erhalt des verbliebenen originären Glenoidrandwalls sinnvoll erscheint oder ob der Defekt besser plan zu fräsen ist als global medialisierter Defekt aufzubauen ist (s. u.). Ist die Restwand beim kombinierten Defekt ausreichend stabil, wird mit der Rosen- und Walzenfräse der Defekt so ausgefräst, dass eine mediale Abstützung entsteht. Der glenoidale Ring wird dann erst über einen nach lateral überdimensionierten Beckenkamm-/Allograftspan wieder geschlossen und temporär mit K-Drähten fixiert. Der verbleibende zentrale Defekt wird über ein Impaction Grafting oder mit einem zugeschnittenen Spongiosablock aufgefüllt (Abb. 24.15). Als nächster Schritt erfolgt dann das Fräsen des Glenoides über den zentralen Führungsdraht, der in der Spine Center Line bei kombinierten Defekten platziert wird. Durch das Fräsen wird der Span plan gefräst und für die Basisplattenaufnahme präpariert.
3.2.5 Global medialisierter Defekt
Zeigt sich die Defektsituation medialisiert und existiert keine originäre Glenoidwand mehr oder ist sie nicht stabil genug, muss der Defekt nach einer Planfräsung durch einen entsprechend dicken Knochenblock wieder aufgebaut werden. Problematisch ist die Korakoidstabilität bei weit medialisierten Defekten, wenn sie die Korakoidbasis mit betreffen. Je weiter eine Fräsung nach medial erforderlich ist, desto schmaler wird die Auflagefläche für den Knochenblock. 10 mm Auflagefläche sollten mindestens noch vorhanden sein, um eine sichere Pegfixation und einen Aufbau durchführen zu können. Für die Lateralisation nach Planfräsung über den in die Spine Center Line platzierten Führungsdraht wird eine entsprechend dicke Knochenscheibe (Auto- oder Allograft) aufgelegt und temporär mit K-Drähten fixiert. In der Revision ist meist kein Humeruskopf mehr vorhanden, aus dem ein Span präpariert werden kann, wie in der für die primäre Situation von Boileau et al. (2011) beschriebenen Bio-RSA. Es hat sich aber auch in der Revision eine größere Knochenscheibe bewährt, die sich auch im kranialen Bereich abstützt und zusätzliche Stabilität in kranialer Richtig gibt (Abb. 24.16).
3.3 Konversion von anatomischer auf inverse Prothese
Der Umbau von anatomischen Prothesen auf ein inverses System ist nur mit modularen Prothesen technisch möglich. Grundsätzlich unterscheidet man 2 Umbauarten: den epiphysären Umbau und den metaphysären Umbau. Der epiphysäre Umbau ist ein »On-Top-Aufbau« auf eine anatomische Prothese, deren Kopf entfernt wird und durch einen Kopfadapter eine inverse Metaphyse für die Inlayaufnahme aufgesetzt wird. Diese Variante des Umbaus hat immer zur Folge, dass erstens zu viel Länge entsteht und zweitens die anatomisch eingebaute Retroversion von ca. 30–60° nicht oder nur teilweise mit festen Winkeladaptern auf die für die inversen Prothese gewünschten 10–20° zurückgebaut werden kann (Abb. 24.17). Die Modularität neuer Prothesenmodelle ermöglicht im Schaftbereich einen metaphysären Umbau. Es kommt somit nicht zu einem Längenproblem und die Retroversion kann graduell zurückgebaut werden. (Abb. 24.18). Auf glenoidaler Ebene gibt es aktuell nur einzelne Metal-Back-Lösungen, die eine Konversion von anatomisch auf invers ermöglichen (Abb. 24.6). Meist ist ein Glenoidaufbau mit Neuimplantation einer Basisplatte erforderlich.
Die technische Durchführung ist vom jeweiligen System abhängig. Bei einem Plattformsystem kann der metaphysäre Schaftanteil vollständig entfernt werden, was die Darstellung des Glenoides insbesondere bei kranial dezentrierter und steifer anatomischer Frakturprothese enorm vereinfacht. Nach Implantation der Glenosphäre ist die Länge des Schaftes genau zu bestimmen und nach einer 1. Reposition mit Verweilen in den endgradigen Bewegungsausmaßen erneut zu evaluieren (s. o.). Häufig kommt es dann zu einem Nachgeben der Weichteile, wenn die zuvor implantierte Prothese lange in einer Kranialmigration fixiert war.
Bei der Konversion einer anatomischen Frakturprothese ist besonders auf dislozierte Tubercula zu achten, die bis weit medial der Glenoidebene reichen können und Ursache einer Luxation oder Bewegungseinschränkung nach Umbau darstellen können. Daher ist auf die vollständige Resektion der mechanisch störenden Tubercula oder periartikulären Ossifikationen zu achten.
4 Postoperatives Management
Nach humeraler und glenoidaler Wechseloperation werden die Patienten mit einem Abduktionskissen immobilisiert. Nach Drainagezug und Abklingen des direkten postoperativen Schmerzes kann eine aktive-assistive Mobilisation der Schulter aus dem Abduktionskissen erfolgen. Eine Belastung und insbesondere das Abstützen mit dem Arm sollte für 12 Wochen vermieden werden. Vor der Entlassung empfehlen wir eine konventionelle Röntgenkontrolle, um frühe postoperative Luxationen nicht zu übersehen. Nach 6 und 12 Wochen erfolgt eine weitere klinische und radiologische Kontrolle. Die Ruhigstellung mit Abduktionskissen wird für 3 Wochen Tag und Nacht empfohlen und ab der 3. Woche bis zur 6. Woche nur nachts. Erst nach 12 Wochen wird von uns eine Belastung der Schulter, mehr als nur die aktiv-assistive Bewegung ohne Widerstand, freigegeben.
5 Ergebnisse
Die funktionellen Ergebnisse der Revisionsendoprothetik sind trotz der technischen Möglichkeiten im Vergleich zur Primärendoprothetik schlechter, eine zufriedenstellende Schulterfunktion lässt sich jedoch meist wiederherstellen (Hartel et al. 2015; Boileau et al. 2013; Holcomb et al. 2009). So konnten Boileau et al. (2013) bei Revisionen inverser Prothesen den durchschnittlichen Constant-Score von 19 auf 47 Punkte verbessern. Nach humeraler Wechseloperation auf einen zementierten Langschaft konnte ein durchschnittlicher Wert von 39,5 Punkten trotz radiologischer Lockerungsrate von 48 % im Langzeitergebnis erzielt werden (Werner et al. 2017). Nach knöchernem Glenoidaufbau der Basisplatte berichten Jones et al. (2016) von einem durchschnittlichen Anstieg des Constant-Scores um 30 Punkte auf 58 und Gohlke und Rolf nach Wechsel nichtmodularer Frakturprothesen auf inverse Prothesen von einer Verbesserung von durchschnittlich 17 auf 63 Punkte (Gohlke und Rolf 2007). Es bleibt abzuwarten, inwieweit durch die modularen, modernen Prothesensysteme noch eine Verbesserung der Ergebnisse erreicht werden kann. Die Konversion auf eine Großkopfhemiprothese (CTA-Kopf) oder die Prothesenentfernung im Sinne einer Girdle-Stone-Situation bleiben als Salvageverfahren, die jedoch nur selten notwendig erscheinen.
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Seybold, D., Geßmann, J. (2018). Prothesenwechsel und Knochenaugmentation. In: Lehmann, LJ., Loew, M. (eds) Schulter. Meistertechniken in der operativen Orthopädie und Unfallchirurgie. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-54746-5_24
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