I. Einführung

In den vergangen Jahrzehnten hat sich, teils aufgrund EU-rechtlicher Vorgaben, teils aufgrund nationaler Initiativen, ein großer Bestand an materiell-rechtlichen Vorschriften zum Schutz der Verbraucher in allen Lebensbereichen herausgebildet. In der Rechtswirklichkeit kommt dieser Schutzstandard hingegen nicht immer zur Anwendung. Nicht nur die EU hat sich daher in den vergangenen Jahren verstärkt der Verbesserung der Durchsetzung des Verbraucherrechts zugewandtFootnote 1 und dabei immer mehr die behördliche Rechtsdurchsetzung in den Blick genommen,Footnote 2 die sie mit einer Reform der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 über die Zusammenarbeit zwischen den für die Durchsetzung der Verbraucherschutzgesetze zuständigen Behörden noch zu intensivieren plant;Footnote 3 auch in Deutschland wird seit Jahren über neue Schutzinstrumente diskutiert. In der Koalitionsvereinbarung von CDU, CSU und SPD vom Dezember 2013 wurde denn auch die effektive Rechtsdurchsetzung als wesentliches verbraucherpolitisches Ziel der laufenden Legislaturperiode benannt.

Im Zentrum der deutschen Diskussion stand lange die Verbesserung des zivilgerichtlichen Verbraucherschutzes, die der deutsche Gesetzgeber in der Vergangenheit sowohl im Lauterkeitsrecht als auch im AGB-Recht einer behördlichen Rechtsdurchsetzung vorgezogen hatte. Hier hat der deutsche Gesetzgeber bereits zahlreiche Maßnahmen ergriffen, etwa durch die Einführung der Sammelklage der Verbraucherverbände im Jahre 2001, des Gewinnabschöpfungsanspruchs nach § 10 UWG im Jahre 2004 oder des kapitalmarktrechtlichen Musterfeststellungsverfahrens im Jahre 2005. Im Jahre 2016 folgte das Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG). Allerdings formulierte der 69. Deutsche Juristentag schon im Jahre 2012 unter dem Punkt „Verbraucherrecht im System des deutschen und europäischen Rechts“ folgenden Beschluss: „Zur Rechtsdurchsetzung sind auch Mittel des Verwaltungs-, Ordnungswidrigkeiten- und Strafrechts zu rechnen.“

Dieser Gedanke findet sich in allgemeiner Form schon lange in der Rechtsprechung des EuGH. In der Rechtssache Berlusconi u.a. formulierte der EuGH, dass das Strafrecht, das Öffentliche Recht und das Privatrecht zur Erreichung effektiven Rechtsschutzes zusammenwirken könnten.Footnote 4 Die gewählte Sanktion oder die Kombination mehrerer Sanktionen müsse aber wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein.Footnote 5 Dies hat der EuGH auch in Bezug auf die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken betont.Footnote 6 Schon dies legt nahe, dass dort, wo die private Rechtsdurchsetzung nicht effektiv ist, öffentlicher Rechtsschutz nicht nur gewährt werden kann, sondern sogar muss.

In einigen Mitgliedstaaten der EU ist der behördliche Rechtsschutz seit langem etabliert. Dies gilt z. B. für Großbritannien und für die Niederlande, die deshalb in diesem Beitrag in den Blick genommen werden. Eine gewachsene Tradition behördlicher Rechtsdurchsetzung haben auch die USA, die mit der Federal Trade Commission seit Jahrzehnten über einen wichtigen Akteur im Verbraucherschutz verfügen. Die in den genannten drei Ländern etablierten, aber auch zum Teil innovative Mittel behördlicher Durchsetzung von Verbraucherschutz werden in diesem Beitrag beschrieben und auf ihre Stellung und Nutzung im jeweiligen nationalen System des Verbraucherschutzes analysiert, damit auf dieser Grundlage Schlussfolgerungen auf ihre Nützlichkeit auch für das deutsche Recht gezogen werden können.

Die drei Länderberichte folgen einem einheitlichen Aufbau. Im der Einleitung wird ein Überblick über die Landschaft der Durchsetzung von Verbraucherschutz im jeweiligen Land und die Rolle der behördlichen Durchsetzung im Kontext geben. Es folgt die Vorstellung der wichtigsten Akteure des behördlichen Verbraucherschutzes und deren Ermittlungsbefugnisse. Der jeweils ausführlichste Teil widmet sich den Möglichkeiten der Rechtsdurchsetzung, wobei sowohl das Strafrecht als auch das Verwaltungsrecht und der zivilgerichtliche Rechtsschutz beleuchtet werden. Kurze Bemerkungen zur Finanzierung des behördlichen Rechtsschutzes und, soweit ermittelbar, Daten zur Illustration der praktischen Nutzung der jeweiligen Instrumente ergänzen die Ausführungen.

II. Großbritannien

1. Einleitung

Großbritannien hat eine lange Tradition behördlicher Rechtsdurchsetzung. Im Jahre 1973 wurde mit dem Fair Trading Act 1973 das Amt des Director-General of Fair Trading (DGFT) geschaffen. Er wurde von einer ebenfalls neu eingerichteten Behörde, dem Office of Fair Trading (OFT), unterstützt.Footnote 7

Die behördliche Rechtsdurchsetzung hatte im Verbraucherrecht stets Vorrang vor der privaten Rechtsdurchsetzung. Als das EU-Recht die Betrauung geeigneter Einrichtungen mit kollektivem Verbraucherschutz verlangte, wählte Großbritannien das Office of Fair Trading und auf lokaler Ebene die Trading Standards Departments (heute Trading Standards Services genannt), die am ehesten den deutschen Gewerbeaufsichtsbehörden vergleichbar sind.Footnote 8 Sowohl nach den Control of Misleading Advertisements Regulations 1988Footnote 9 als auch nach den Unfair Terms in Consumer Contracts Regulations 1994Footnote 10 konnten Verbraucherverbände ebenso wie Einzelne lediglich Beschwerden gegen Unternehmer beim DGFT einreichen, der dann verpflichtet war, diesen Beschwerden nachzugehen. Es lag aber in seinem Ermessen, gegen einen Unternehmer gerichtlich vorzugehen. Die Entscheidung des DGFT konnte nur hinsichtlich ihrer verfahrensmäßigen Korrektheit, nicht aber inhaltlich gerichtlich überprüft werden.Footnote 11

Erst nach einem Vorlageverfahren des High Court an den EuGH in R v. Secretary for Trade and Industry, ex parte CA/Which Footnote 12 führte die Labour-Regierung mit den Unfair Terms in Consumer Contracts Regulations 1999Footnote 13 eine Klageberechtigung für Verbraucherverbände ein,Footnote 14 die aber in der Folgezeit allein der Consumers’ Association (CA) verliehen wurde.Footnote 15

Als die Unterlassungsklagen-Richtlinie 98/27/EG zur Umsetzung anstand, wiesen die Stop Now Orders (EC Directive) Regulations 2001Footnote 16 wiederum dem Director-General of Fair Trading die zentrale Rolle bei der Verfolgung von Verstößen gegen umgesetztes EG-Verbraucherrecht zu.

Im Oktober 2002 wurde der Enterprise Act 2002 (EA)Footnote 17 verabschiedet, dessen Part 8 die verbraucherrechtliche Unterlassungsklage aufnahm. Die Stop Now Orders Regulations wurden ebenso aufgehoben wie Part III des Fair Trading Act 1973. Die Klagezuständigkeit wurde durch s. 2 EA dem OFT als juristischer Person übertragen, das Amt des DGFT wurde aufgelöst.Footnote 18

Umfassend klageberechtigte öffentliche Einrichtungen blieben neben dem OFT die Trading Standards Services (local weights and measures authorities) in Großbritannien und das Department of Enterprise, Trade and Investment in Nordirland, s. 213(1) EA. Daneben erteilte der Secretary of State den folgenden öffentlichen Einrichtungen in ihren jeweiligen Bereichen die Klageberechtigung: dem Information Commissioner’s Office, der Civil Aviation Authority, dem Office of Gas and Electricity Markets (Ofgem), dem Office for the Regulation of Electricity and Gas (Northern Ireland), dem Director General of Telecommunications (heute Office of Communications; Ofcom), dem Office of Water Services (Ofwat) und dem Office of Rail Regulation (ORR).Footnote 19 Private Einrichtungen sind nach s. 213(1) EA klageberechtigt, wenn sie vom Secretary of State anerkannt werden.Footnote 20 Dies erfolgte im Fall von Consumers' Associaton (CA) mit der The Enterprise Act 2002 (Part 8) (Designation of the Consumers' Association) Order 2005.Footnote 21

Dem System der öffentlich-rechtlichen Rechtsdurchsetzung blieb Großbritannien auch bei der Umsetzung der Richtlinie 2005/29/EG durch die Consumer Protection from Unfair Trading Regulations 2008Footnote 22 treu. Nach reg. 19 sind alle Durchsetzungsbehörden zur Durchsetzung der Regulations verpflichtet, gegebenenfalls innerhalb regionaler Grenzen. Die Consumer Protection from Unfair Trading Regulations 2008 (CPUTR 2008) wurden durch reg. 26 in sch. 13 Enterprise Act aufgenommen, so dass sich die in Part 8 des Enterprise Act geregelten Kompetenzen auf die CPUTR 2008 erstrecken.

Das heute bestehende Behördensystem wurde mit dem Enterprise and Regulatory Reform Act 2013Footnote 23 (ERRA 2013) geschaffen. Mit diesem wurde die Competition and Markets Authority (CMA) gegründet,Footnote 24 die die (meisten) Funktionen des Office of Fair Trading und der Competition Commission übernahm. Das Office of Fair Trading und die Competition Commission wurden abgeschafft.Footnote 25

Änderungen ergaben sich für den Bereich des AGB-Rechts noch einmal durch den Consumer Rights Act 2015Footnote 26 (CRA 2015), dessen Part 2 die Unfair Terms in Consumer Contracts Regulations 1999 abgelöst hat. Die Rechtsdurchsetzung, die sich am bisherigen System orientiert, findet sich in sch. 3 des CRA 2015, die Ermittlungsbefugnisse in sch. 5. Die Liste der regulators wurde auf deren neue Bezeichnungen aktualisiert und um die Financial Conduct Authority erweitert.Footnote 27

Politisch ist Großbritannien in den vergangenen zehn Jahren von strikter Regulierung und Rechtsdurchsetzung zu einer light touch-Politik umgeschwenkt. „Bessere“ Regulierung soll durch möglichst geringe Belastung der Unternehmen und möglichst wenig Intervention erreicht werden.Footnote 28 Dies hat sich auch auf die Tätigkeit der enforcers und regulators ausgewirkt. Ein Ansatz bestand in dem Code Approval Scheme des Office of Fair Trading, mit dem Unternehmerverbände ermutigt werden sollten, Verhaltenskodizes aufzustellen und diese vom OFT genehmigen zu lassen.Footnote 29 Auch die Competition and Markets Authority sieht formelles Vorgehen als letztes Mittel.Footnote 30 Dasselbe gilt für die Financial Conduct Authority.Footnote 31

Individualrechtsschutz spielt im Verbraucherschutz durchaus auch eine Rolle, allerdings primär vor den County Courts, deren Entscheidungen regelmäßig nicht veröffentlicht werden, und dort häufig in Small Claims-Verfahren.Footnote 32 Im Bereich des Lauterkeitsrechts der Richtlinie 2005/29/EG hat Großbritannien allerdings wie Deutschland zunächst auf die Einführung von Individualrechtsschutz gegen Verstöße verzichtet.Footnote 33 Nach reg. 29 CPUTR 2008 führte ein Verstoß gegen die Regulations nicht zur Nichtigkeit oder Nichtdurchsetzbarkeit eines daraus resultierenden Vertrags. Möglich blieb bei irreführender Werbung eine Klage wegen misrepresentation, was aber nicht häufig genutzt wurde.Footnote 34 Die Rechtslage hat sich 2014 grundlegend geändert. Mit den Consumer Protection (Amendment) Regulations 2014Footnote 35 führte der Gesetzgeber mit den neuen Part 4A der CPUTR 2008 Individualrechtsschutz (right to redress) als Ausnahme zu reg. 29 ein. Verbraucher, die aufgrund einer irreführenden oder aggressiven geschäftlichen HandlungFootnote 36 einen Vertrag mit einem Unternehmer schließen, wobei die unlautere Geschäftspraktik ein erheblicher Faktor (significant factor) für die Entscheidung des Verbrauchers war, können den Vertrag rückgängig machen oder eine Preisermäßigung oder Schadensersatz verlangen.Footnote 37

Neuerdings gewinnt daneben die privatrechtliche Durchsetzung von Verbraucherschutz im Wege kollektiver Verfahren an Bedeutung. Schon Ende der 1990er Jahre wurde im Zuge der allgemeinen Reform des Zivilverfahrensrechts durch den Civil Procedure Act 1997 (1997 ch. 12) und die Civil Procedure Rules 1998 (S.I. 1998, 3132)Footnote 38 mit der Einführung der Group Litigation Order die Erhebung von Gruppenklagen erleichtert.Footnote 39 Diese eignen sich aber nicht für die typischerweise im Verbraucherbereich auftretenden massenhaften Kleinschäden.Footnote 40 Ein Instrument zur Geltendmachung massenhaft aufgetretener Kleinschäden durch Verbraucherverbände wurde in einem Konsultationspapier des Lord Chancellor‘s Department von 2001 vorgeschlagen,Footnote 41 aber nicht eingeführt.

Einen neuen Anlauf unternimmt der Consumer Rights Act 2015 mit einer Gruppenklage, die als Opt in- oder als Opt out-Klage ausgestaltet werden kann. Diese Gruppenklage ist aber nur bei Verstößen gegen Wettbewerbs- und Kartellrecht anwendbar.Footnote 42

Schließlich ist in Großbritannien noch die alternative Streitbeilegung von großer Bedeutung.Footnote 43 Besondere Bedeutung ist hier dem Financial Ombudsman Service (FOS) zuzumessen.Footnote 44 Auch dies ist eine Behörde, die auf der Basis des Financial Services and Markets Act 2000 geschaffen wurde.Footnote 45 Der FOS steht in enger Verbindung mit der Financial Conduct Authority, seine Arbeitsweise wird durch das von der FCA erlassene FCA HandbookFootnote 46 bestimmt. Für das Jahr 2015 gibt der FOS die Zahl von 329.509 neuen Fällen an, nachdem es 2013 und 2014 – dank des Skandals im Zusammenhang mit Restschuldversicherungen (payment protection insurance; PPI) – über 500.000 Fälle jährlich waren.Footnote 47 Die meisten Fälle werden einer Einigung zugeführt. Andernfalls wird eine Entscheidung getroffen, die für den Unternehmer bindend ist.Footnote 48 Der FOS kann bindende Entscheidungen über Zahlungen von bis zu £150.000 fällen und noch höhere Zahlungen empfehlen.Footnote 49 Aufgrund einer entsprechenden Anordnung im Financial Services Act 2012 werden seit April 2013 alle Entscheidungen veröffentlicht.

2. Regulators und Enforcers

Wie bereits erwähnt, liegt die behördliche Durchsetzung des Verbraucherschutzes in zahlreichen Händen. Dabei haben die Competition and Markets Authority und die Trading Standards Services eine allgemeine Zuständigkeit als general enforcers, während für verschiedene Branchen spezielle regulators geschaffen wurden, die ebenfalls für die Rechtsdurchsetzung zuständig sind. Der wichtigste sektorspezifische regulator ist die Financial Conduct Authority (früher Financial Services Authority).

a. Die Competition and Markets Authority

Die Competition and Markets Authority (CMA) löste das Office of Fair Trading und die Competition Commission (CC) mit Wirkung zum 1.4.2014 ab. Sie fungiert sowohl als Wettbewerbsbehörde als auch als Verbraucherschutzbehörde, hat aber einen etwas anderen Charakter als das OFT. Im Zuge des Übergangs wurde die Verbraucherberatung Consumer Direct, die das OFT geleistet hatte, abgespalten und auf die National Association of Citizens Advice Bureaux (Citizens Advice) bzw. die Scottish Association of Citizens Advice Bureaux (Citizens Advice Scotland) übertragen.Footnote 50 Auch das Code Approval Scheme hat die CMA nicht übernommen, es wurde dem Trading Standards Institute übertragen.Footnote 51 Der Gesetzgeber bezweckt damit eine klarere Abgrenzung der Aufgaben der einzelnen Behörden.

Auf nationaler Ebene sind die CMA und die anderen enforcers für eine Vielzahl verbraucherschützender Regelungen zuständig, die in der The Enterprise Act 2002 (Part 8 Community Infringements Specified UK Law) Order 2003Footnote 52 und der The Enterprise Act 2002 (Part 8 Domestic Infringements) Order 2003,Footnote 53 die jeweils mehrfach aktualisiert wurden, aufgelistet sind. Hinzu kommen zahlreiche spezialgesetzliche Zuständigkeiten. Die Zuständigkeit des CMA überlappt mit den Spezialzuständigkeiten der zahlreichen regulators, insbesondere der Financial Conduct Authority. Mit diesen co-regulators hat die CMA Memoranda of Understanding abgeschlossen, um die Kräfte optimal zu bündeln.Footnote 54 Die verschiedenen regulators arbeiten zudem in neuen Koordinationsgremien wie der Consumer Protection Partnership (CPP) und der Consumer Concurrencies Group (CCG) zusammen.Footnote 55

Neu geregelt wurde auch das Verhältnis zu den Trading Standards Services. Letztere sind mittlerweile primär mit der Durchsetzung des Verbraucherrechts befasst, während sich das OFT zuletzt eher systemischer Probleme annahmFootnote 56 und die CMA diese Rolle übernommen hat.Footnote 57 Auf Gesetzesebene zeigt sich dies dadurch, dass die Trading Standards Services weiterhin die Pflicht (duty) haben, zahlreiche gesetzliche Regelungen, darunter die Unfair Terms in Consumer Contracts Regulations 1999 (jetzt Part 2 des Consumer Rights Act 2015) und die Consumer Protection from Unfair Trading Regulations 2008, durchzusetzen, während die entsprechende Pflicht des OFT (jetzt CMA) in ein Recht (may also enforce) umgewandelt wurde.Footnote 58 Die CMA fokussiert sich daher auf Maßnahmen, mit denen sie erhebliche Breitenwirkung erzielen oder aufkommenden Trends begegnen kann.Footnote 59

Lediglich bei der Bekämpfung missbräuchlicher Allgemeiner Geschäftsbedingungen, die schon seit der Umsetzung der Klausel-Richtlinie 93/13/EWG ein Hauptbetätigungsfeld des OFT war,Footnote 60 hat die CMA ihre zentrale Rolle bei der Durchsetzung behalten.Footnote 61

b. Die Trading Standards Services

Die Trading Standard Services sind auf lokaler Ebene als general enforcers tätig. Sie sind im Grundsatz mit den deutschen Gewerbeaufsichtsämtern zu vergleichen, spielen aber eine deutlich aktivere Rolle als jene. Wie bereits erwähnt, sind sie die Hauptakteure bei der Durchsetzung verbraucherschützender Vorschriften gegenüber Unternehmen.Footnote 62

Um Effizienzhindernissen durch die lokale Beschränktheit der Trading Standard Services zu begegnen, aber auch um die Budgetkürzungen der jüngeren Vergangenheit aufzufangen, arbeiten die Trading Standard Services mittlerweile vermehrt bilateral oder auch regional zusammen.Footnote 63

Trading Standards Services sind auch an konzertierten landesweiten Aktionen beteiligt, die von der durch die Regierung im Jahre 2012 ins Leben gerufene Dachorganisation National Trading Standards (NTS)Footnote 64 organisiert werden. NTS führt Aufklärungskampagnen durch und bietet Information und Training für die lokalen Trading Standards Services an, betreibt aber auch konzertierte Rechtsdurchsetzung. Aktionen richteten sich z. B. gegen illegale Geldverleiher, gegen Verstöße gegen den Estate Agents Act 1979 (Immobilienmakler) und unter dem Namen „Scambuster Teams“ gegen alle möglichen betrügerischen Praktiken.Footnote 65 Die Rechtsdurchsetzung erfolgt denn auch primär mit strafrechtlichen Mitteln.Footnote 66 Gerade abgeschlossen wurde etwa ein Strafverfahren gegen ein Unternehmen, das zahlreiche ältere Verbraucher an der Haustür betrogen hat (doorstep crime). NTS erreichte die Verurteilung des Täters und eine Entschädigungszahlung in Höhe von £130.000 an die betroffenen Verbraucher.Footnote 67

c. Die Financial Conduct Authority

Die Financial Conduct Authority (FCA) übernahm im Jahre 2014 die Nachfolge der 1997 gegründeten Financial Services Authority (FSA).Footnote 68 Sie ist deshalb von Interesse, weil sie stets als nicht nur besser ausgestattet als das OFT galt, sondern vor allem auch mehr Ermittlungsbefugnisse und ein flexibleres Instrumentarium zur Rechtsdurchsetzung zur Verfügung hatteFootnote 69 und hat.

Die FSA hatte ursprünglich nur die Zuständigkeit für die Bankenaufsicht, die sie von der Bank of England übernommen hatte, für die Börsenaufsicht, die zuvor die London Stock Exchange hatte, sowie für die Regelung von Wertpapierdienstleistungen. Später kamen der Immobilienkredit und die Regulierung der Versicherungsbranche sowie das Recht, gegen Marktmissbrauch vorzugehen, hinzu. Der Bereich Verbraucherkredit verblieb demgegenüber weiterhin beim Office of Fair Trading.Footnote 70 Erst 2014 ging auch dieser Bereich auf die FCA über.Footnote 71 Allerdings konnten verbraucherkreditrechtliche Beschwerden schon zuvor nach s. 226A FSMA 2000, der durch den Consumer Credit Act 2006Footnote 72 eingeführt wurde, beim Financial Ombudsman ServiceFootnote 73 eingereicht werden.

Mit der Reform des Kapitalmarkts rechts durch den Financial Services Act 2012 wurde die Bankenaufsicht wieder aus der FSA herausgelöst und auf die Prudential Regulation Authority (PRA), eine Tochter der Bank of England, übertragen.

Die Funktionen der FCA reichen weit über die Rechtsdurchsetzung hinaus. Ihre Aufgabe besteht zunächst einmal darin, die Regeln für die Finanzdienstleistungen in ihrem Aufgabenbereich festzulegen, Richtlinien zu erlassen und die allgemeinen Prinzipien für das Recht der Finanzdienstleistungen zu definieren.Footnote 74 Die Regelsetzungskompetenzen sind in den ss. 138 ff. FSMA 2000 niedergelegt, die Richtlinienkompetenz in s. 157 FSMA 2000. Die detaillierten Regeln zu den Prinzipien, den einzelnen Finanzdienstleistungen, aber auch zur Rechtsdurchsetzung finden sich im FCA Handbook.Footnote 75

Bei der Durchsetzung der CPUTR 2008 im Bereich Finanzdienstleistungen konkurriert die FCA mit der CMA und den Trading Standards Services. Praktisch ist nur die FCA in diesem Bereich aktiv.Footnote 76

3. Ermittlungsbefugnisse

Ermittlungsbefugnisse sah das allgemeine Regime der ss. 224 ff. Enterprise Act 2002 vor,Footnote 77 daneben ergaben sie sich aus speziellen Regelungen wie den Consumer Protection from Unfair Trading Regulations 2008.Footnote 78

Die Möglichkeiten unter den CPUTR 2008 gehen über die nach ss. 224 ff. EA 2002 hinaus.Footnote 79 Neben der Möglichkeit von Testkäufen (reg. 20) sehen die CPUTR 2008 in reg. 21 eine Reihe von Betretungs- und Untersuchungsbefugnissen vor. Diese beziehen sich auf die Untersuchung von Waren und das Betreten von Räumen, die nicht ausschließlich als Wohnraum genutzt werden, die Herausgabe und Vervielfältigung von Dokumenten in jedweder Form, die Beschlagnahme von Waren zu Testzwecken und die Beschlagnahme von Waren oder Dokumenten für maximal drei Monate als Beweismittel.Footnote 80 Zum Zwecke der Beschlagnahme können Mitarbeiter von Durchsetzungsbehörden auch Behälter aufbrechen oder Verkaufsautomaten öffnen.Footnote 81 Ausnahmen gelten für Dokumente von Geheimnisträgern.Footnote 82 Unter bestimmten Umständen können Mitarbeiter von Durchsetzungsbehörden mit Genehmigung des Friedensrichters nach reg. 22 auch Räume gegen den Willen des Inhabers oder während dessen Abwesenheit betreten.

Mit dem Inkrafttreten des Consumer Rights Act 2015 wurden zahlreiche Spezialregelungen abgeschafft, nicht allerdings die der CPUTR 2008. Der Enterprise Act 2002 verweist hingegen jetzt in S. 223A auf die neu geregelten, verbesserten Ermittlungsbefugnisse unter der Bezeichnung The Enforcer’s Legislation nach sch. 5 CRA 2015.Footnote 83 Sie ähneln den Möglichkeiten unter den CPUTR 2008, sind aber noch detaillierter geregelt und umfassen weitere Ermittlungsbefugnisse, die nur für einzelne Gesetze relevant sind.

4. Rechtsdurchsetzung

Die CMA wird wie ihr Vorläufer, das Office of Fair Trading, in verschiedener Weise tätig. Dasselbe gilt auf lokaler Ebene für die Trading Standards Services und für die verschiedenen regulators.

a. Strafrechtliche Durchsetzung

Englische Verbraucherschutzgesetze behandeln Verstöße häufig als Straftaten. Ein Beispiel bieten die Consumer Protection from Unfair Trading Regulations 2008 (CPUTR 2008), die nach dem Enterprise Act 2002 zivilrechtlich durchgesetzt werden können, aber auch für eine Reihe von Verstößen Geldstrafen und Gefängnisstrafen bis zu zwei Jahren vorsehen.Footnote 84

Bemerkenswert ist, dass die englischen Gerichte nach den ss. 130 ff. Power of Criminal Courts (Sentencing) Act 2000Footnote 85 einer strafrechtlich verurteilten Personaufgeben können, das Opfer für den Schaden, den es aufgrund der Straftat erlitten hat, zu entschädigen (compensation order).Footnote 86 In der Praxis kam das selten vor.Footnote 87 Mit s. 63 Legal Aid, Sentencing and Punishment of Offenders Act 2012Footnote 88 wurde aber in s. 132(2A) Powers of Criminal Courts (Sentencing) Act 2000 die Verpflichtung des Gerichts eingeführt, diese Möglichkeit in Betracht zu ziehen.Footnote 89 Die dafür notwendigen Mittel können durch die Anordnung der Beschlagnahme des durch die Straftat erlangten Vermögens (confiscation order) generiert werden.Footnote 90

In der Vergangenheit machten insbesondere die Trading Standards Services von den strafrechtlichen Möglichkeiten Gebrauch und eröffneten Strafverfahren auch wegen scheinbar geringfügiger Verstöße.Footnote 91 Heutzutage geht die politische Tendenz dahin, das Strafrecht nur noch bei schweren VerstößenFootnote 92 zur Anwendung zu bringen,Footnote 93 wie sie etwa von National Trading Standards verfolgt werden.Footnote 94 Auf der Homepage des CMA findet sich Dokumentation zu drei strafrechtlichen Verurteilungen. Das Office of Fair Trading brachte im Jahr 2011 einen Anbieter von „Tachokorrekturdiensten“ (mileage correction services) vor Gericht, der im Oktober 2012 wegen fünf Verstößen gegen die CPUTR 2008 und acht Verstößen gegen den Fraud Act 2006 zu neun Monaten Gefängnis verurteilt wurde. Hintergrund war eine Studie des Gebrauchtwagenmarkts des OFT aus dem Jahre 2010, in der der mögliche Schaden für Verbraucher aus der Manipulation von Tachometern auf £580 Mio. jährlich geschätzt wurde.Footnote 95 Eine strafrechtliche Verurteilung aufgrund eines Antrags der CMA richtete sich gegen ein Schneeballsystem unter Verstoß gegen die CPUTR 2008. Dabei wurden confiscation orders in Höhe von insgesamt £333.138 gegen die neun Beklagten erlassen.Footnote 96 Auch die FCA bringt Fälle von Finanzbetrug vor das Strafgericht. Kürzlich wurde die Verurteilung des Ex-Bankers Tom Hayes zu 11 Jahren Gefängnis bekannt, der über Jahre hinweg den Libor manipuliert hatte.Footnote 97 Außerdem erging gegen ihn eine confiscation order über £878.806.Footnote 98

In der Lehre wird angemerkt, dass es an einer institutionellen Verzahnung zwischen der Strafverfolgung und der für den Verbraucherschutz zuständigen Behörden fehle und auch Verbraucher keine Möglichkeit haben, sich direkt in ein Verfahren einzuschalten, so dass die Möglichkeit der Entschädigung im Zuge eines Strafverfahrens weiterhin zu wenig genutzt werde.Footnote 99 Die Financial Conduct Authority hat allerdings ein spezielles Verfahren entwickelt, wie Opfer einer Praxis, aufgrund derer die FCA ein Strafverfahren eingeleitet hat, ihren Schaden bei der FCA anmelden können, die dann versuchen wird, bei Gericht eine compensation order zu erreichen.Footnote 100

Allgemein wird von den regulators, die erweiterte Möglichkeiten haben, mittlerweile der verwaltungsrechtlichen Durchsetzung oder dem Gang zu Gericht der Vorzug gegeben.Footnote 101 Die Trading Standards Services scheinen hingegen weiterhin primär vom Strafrecht Gebrauch zu machen.Footnote 102 Daten des OFTFootnote 103 zeigten folgendes Bild:

Financial year

Criminal prosecutions

Enforcement orders

Enforcement undertakings

2011/2012

1866

7

99

2010/2011

1695

5

125

2009/2010

2450

8

175

2008/2009

1872

4

144

2007/2008

1887

3

131

b. Verwaltungsrechtliche Durchsetzung

Die traditionellen verwaltungsrechtlichen Mittel sind Unterlassungsverfügungen und Geldbußen. Daneben nutzten und nutzen die englischen Behörden vor allem das Lizenzsystem, um Verstößen zu begegnen.

aa. Lizenzen

In vielen Wirtschaftsbereichen benötigen Unternehmen eine Lizenz. Das gilt etwa für die Elektrizitäts- und Gaswirtschaft und für Eisenbahnunternehmen. Die entsprechenden regulators geben in ihren Verlautbarungen darüber, wie sie mit Verstößen umgehen, an, dass sie stets erst mit ihren sektorspezifischen Instrumenten, insbesondere mit ihren Möglichkeiten unter dem jeweiligen Lizenzsystem, vorgehen, ehe sie eine Unterlassungsklage nach dem Enterprise Act 2002 in Betracht ziehen.Footnote 104

In derselben Weise ging das Office of Fair Trading in den Anfangsjahren seiner Tätigkeit vor. Das OFT war nämlich für die Vergabe von Kreditlizenzen zuständig, die fast jedes englische Unternehmen benötigt. Dabei konnte das OFT bei der Entscheidung über die Lizenzerteilung alle relevanten Umstände berücksichtigen, darunter insbesondere frühere Gesetzesverstöße und missbräuchliche Geschäftspraktiken. Bei Verstößen gegen Verbraucherschutzgesetze konnte das OFT mit dem Entzug der Kreditlizenz drohen, was das Ausscheiden des Unternehmens aus dem Geschäft bedeutet hätte.Footnote 105 Diese Möglichkeit war bis zum Erlass des Enterprise Act 2002 wohl die wirksamste Sanktion, die dem OFT zur Verfügung stand, nicht zuletzt, weil die Möglichkeiten nach Part III des Fair Trading Act 1973 hoffnungslos ineffektiv waren.Footnote 106

Das Drohpotential, das mit dem Lizenzsystem verbunden ist, wurde zum Teil auch innovativ dazu genutzt, Unternehmen, die durch Verstöße Verbrauchern Schaden zugefügt haben, dazu zu bringen, „freiwillig“ Rückzahlungen oder Entschädigungsleistungen an die Betroffenen zu erbringen, ohne dass dafür formale Kompetenzen vorhanden gewesen wären.Footnote 107 So erreichte Ofgem im Jahr 2012, dass E.ON nach einem Verstoß gegen die Lizenzbedingungen (nach denen der Kunde bei einer Preiserhöhung den Versorger wechseln kann und ihm, wenn er diese Wechselabsicht binnen 30 Tagen äußert, auch dann nicht der erhöhte Preis in Rechnung gestellt werden kann, wenn der Wechsel erst nach Ablauf dieser Frist stattfindet) alle betroffen Kunden ermittelte und Rückzahlungen in Höhe von £1,4 Mio. leistete sowie £300.000 in einen Verbraucherfonds einzahlte.Footnote 108

bb. Unterlassungsverfügungen und Geldbußen

Dem OFT fehlte im Bereich des Verbraucherrechts die Möglichkeit, selbst Unterlassungsverfügungen zu erlassen und Geldbußen zu verhängen.Footnote 109 Diese Sanktionen sollten dem OFT auf Basis des Regulatory Enforcement and Sanctions Act 2008Footnote 110 gerade auch für Verstöße gegen die Consumer Protection from Unfair Trading Regulations 2008 zugestanden werden,Footnote 111 dies wurde aber nie umgesetzt. Für den Bereich des Verbraucherrechts wurden sie von der nachfolgenden Regierung als ungeeignet angesehen.Footnote 112

Anders ist dies bei der Financial Conduct Authority, die diese Möglichkeit bei Verstößen gegen das FSMA 2000 hat und nutzt.Footnote 113 Auch die branchenspezifischen regulators wie das Office of Gas and Electricity Markets (Ofgem) haben die Möglichkeit, auf Verstöße gegen die Lizenzbedingungen mit Geldbußen zu reagieren.Footnote 114

cc. Rückzahlungs- und Entschädigungsanordnungen

Noch mehr Aufmerksamkeit unter dem Stichwort regulatory redress haben Rückzahlungs- und Entschädigungsanordnungen, die zunächst im Umweltbereich und dann auch im Bereich der Finanzdienstleistungen und anderer regulierter Branchen eingeführt wurden.Footnote 115

So hat die FCA nach s. 384 FMSA 2000 die Möglichkeit, bei Verstößen gegen Vorschriften über die Erbringung von Finanzdienstleistungen die Rückzahlung zu Unrecht erlangter Beträge oder Entschädigung anzuordnen, ohne dafür das Gericht einschalten zu müssen. Voraussetzung ist, dass der Verletzer einen Unrechtsgewinn gemacht hat oder dass eine oder mehr Personen aufgrund des Rechtsverstoßes Verlust gemacht haben oder in anderer Weise negativ betroffen sind. Hinsichtlich des Betrags hat die FCA ein Ermessen (such amount as appears to the Authority to be just).

Vergleichbare Möglichkeiten, consumer redress orders zu erlassen, wurden den branchenspezifischen regulators, z. B. im Jahr 2013 dem Office of Gas and Electricity Markets (Ofgem), übertragen.Footnote 116

Echte Breitenwirkung wird dadurch erreicht, dass die FCA seit dem Financial Services Act 2010 die Möglichkeit hat, kollektive consumer redress schemes (CRS) anzuordnen. Rechtliche Grundlage sind die damals eingefügten ss. 404 und 404A-G FMSA 2000. Voraussetzung ist, dass es der FCA so scheint (appears to the Authority), dass es weit verbreitete oder regelmäßige Verstöße gegeben haben könnte (may have been widespread or regular failure), es weiterhin so scheint, als hätten deshalb Verbraucher einen Verlust oder Schaden erlitten (oder könnten einen solchen erleiden) (have suffered or may suffer), für den sie Entschädigung erhalten könnten, wenn sie Klage erheben würden (of which, if they brought legal proceedings, a remedy or relief would be available in the proceedings), und die FCA es für wünschenswert hält, Regeln aufzustellen, mit denen sichergestellt wird, dass die Verbraucher entschädigt werden (in Anbetracht anderer Wege, auf denen die Verbraucher Entschädigung erhalten können).Footnote 117 Ein solches consumer redress scheme kann auch mehrere Unternehmen betreffen.Footnote 118 Das betroffene Unternehmen muss dann selbst untersuchen, ob es den maßgeblichen Verstoß begangen hat und, wenn dies der Fall ist, ob Verbrauchern dadurch ein Verlust oder Schaden entstanden ist.Footnote 119 Section 404A FSMA 2000 beschreibt im Detail, welche Regelungen Gegenstand eines CRS sein können. Section 404B FSMA 2000 regelt das Verhältnis zum Financial Ombudman Service.

Gegen die Anordnung eines consumer redress scheme kann der (vermeintliche) Verletzer nach s. 404D FSMA das Upper Tribunal anrufen. Letzteres wurde 2008 im Rahmen eines Programms zur Rationalisierung des Systems der zahlreichen damals existierenden Tribunale, darunter das gleichzeitig aufgelöste Financial Services and Markets Tribunal,Footnote 120 durch den Tribunals, Courts and Enforcement Act 2007 gegründet. Es ist Teil der Verwaltungsgerichtsbarkeit und steht auf einer Stufe mit dem High Court. Das Upper Tribunal führt aber nur einen judicial review durch, d. h. es prüft nur, ob die FCA im Rahmen ihrer Kompetenz und in Einklang mit den relevanten Vorschriften gehandelt hat, überprüft aber nicht die im Ermessen stehenden Entscheidungen der FCA.Footnote 121 Berufungsinstanz gegen Entscheidungen des Upper Tribunal ist der Court of Appeal.

Consumer Redress Schemes haben zur Auszahlung hoher Summen an Verbraucher geführt. Das bedeutendste CRS steht im Zusammenhang mit dem Skandal um Restschuldversicherungen (Payment Protection Insurance; PPI). Von Januar 2011 bis Januar 2016 erstatteten die beteiligten Unternehmen den betroffenen Verbrauchern insgesamt £22,9 Milliarden.Footnote 122

c. Zivilgerichtliche Durchsetzung

Die gerichtliche Durchsetzung des Verbraucherschutzes beschränkte sich bis zum Inkrafttreten des Consumer Rights Act 2015 auf die Unterlassungsklage nach ss. 211 ff. Enterprise Act 2002 (EA 2002). Der Consumer Rights Act brachte ganz neue Möglichkeiten, die als Enhanced Consumer Measures Eingang in den EA 2002 fanden, und modifizierte auch die ss. 211 ff. EA 2002.

aa. Die Unterlassungsklage

Die Unterlassungsklage wird als Antrag auf Erlass einer enforcement order bezeichnet. Einen solchen Antrag können sowohl die general enforcers, also die CMA und die Trading Standard Services, als auch die designated enforcers, stellen.

Vor jeder Klageerhebung ist der angebliche Verletzer zu konsultieren, s. 214(1) EA.Footnote 123 Weggefallen ist hingegen die ursprüngliche Verpflichtung der anderen enforcers, die CMA vor der Antragstellung zu konsultieren. Sie wurde durch eine Notifizierungspflicht ersetzt.Footnote 124 Die CMA hat damit nicht mehr uneingeschränkt die zentrale Rolle bei der Durchsetzung des Verbraucherrechts inne. Allerdings enthalten die Memoranda of Understanding zwischen der CMA und den anderen enforcers Vereinbarungen darüber, sich vor jeder Maßnahme abzustimmen. Anders ist dies weiterhin im AGB-Recht, für das schedule 3 des Consumer Rights Act 2015 ein eigenes Regime vorsieht. Hier müssen die anderen enforcers, im CRA 2015 regulators genannt, zunächst die CMA von ihrer Absicht in Kenntnis setzen, Klage zu erheben. Nur wenn die CMA zustimmt oder innerhalb einer Frist von 14 Tagen nicht reagiert, können sie dieses Vorhaben durchführen.Footnote 125 Der Unternehmer kann eine Klage durch eine Unterlassungserklärung abwenden, deren Verletzung allerdings nicht unmittelbar sanktioniert werden kann.Footnote 126

Das Konsultationserfordernis erlischt nach 14 Tagen, nachdem der Unternehmer das Aufforderungsschreiben empfangen hat, s. 214(4) EA, bzw. nach 28 Tagen, wenn der Unternehmer selbst oder der Verband, dem er angehört, einen vom OFT oder mittlerweile vom Trading Standards Institute genehmigten Consumer Code befolgt.Footnote 127 Bei der Beantragung von vorläufigem Rechtsschutz gilt eine Frist von sieben Tagen. Auf den Ablauf der üblichen Konsultationsfrist kann verzichtet werden, wenn die CMA der Ansicht ist, dass unverzüglich Klage erhoben werden sollte, s. 214(3) EA.

Akzeptiert ein anderer enforcer als die CMA eine Unterlassungserklärung des Verletzers, so muss er auch dies der CMA mitteilen, s. 219(6) EA.Footnote 128 Bricht der Verletzer seine Unterlassungsverpflichtung, so muss er aus dieser verklagt werden.

Daneben hat die CMA nach s. 216 EA das Recht, im Vorfeld zu bestimmen, welche der in Betracht kommenden Einrichtungen ein Verfahren gegen einen Unternehmer beantragen soll. Dabei helfen ihr die weit reichenden Kooperationspflichten, denen die anderen Einrichtungen unterworfen sind.

Ergänzend kann dem Unternehmer aufgegeben werden, das Urteil und gegebenenfalls eine Berichtigung seiner gesetzeswidrigen Aussagen zu veröffentlichen, s. 217(8) EA.Footnote 129 Die Einzelheiten liegen im Ermessen des Gerichts. Die Veröffentlichung sollte dazu dienen, die Nachwirkungen des Verstoßes aufzuheben. Die Kosten hat der Verletzer zu tragen. Dies geschieht in der Praxis nicht sehr häufig.

Darüber hinaus steht es den enforcers frei, die Entscheidung auf eigene Kosten zu veröffentlichen. Hier wird insbesondere das Internet genutzt. Trading Standards Services veröffentlichen Entscheidungen eher in der lokalen Presse. Weiterreichende Informations- und Veröffentlichungspflichten erlegt der Consumer Rights Act 2015 der CMA auf. Sie muss nach sch. 3 s. 7 CRA 2015 für die Veröffentlichung der Details jeder von ihr erhobenen Unterlassungsklage, jedes Unterlassungsurteils und jeder Unterlassungserklärung in Bezug auf missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen sorgen, jede Anfrage dazu beantworten, ob eine Klausel oder eine ähnliche Klausel Gegenstand einer Unterlassungsklage, eines Unterlassungsurteils oder einer Unterlassungserklärung war, und der um Information nachsuchenden Person gegebenenfalls eine Kopie des Unterlassungsurteils oder einer Unterlassungserklärung schicken.

Die Nichtbefolgung eines Unterlassungsurteils stellt eine Missachtung des Gerichts (contempt of court) dar, die in aller Regel mit einer Geldstrafe sanktioniert wird, aber auch eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren nach sich ziehen kann.Footnote 130 Die enforcers können nach s. 220 EA einen entsprechenden Antrag an das Gericht stellen. Tut dies ein anderer enforcer als die CMA, so muss er die CMA davon in Kenntnis setzen, s. 220(6) EA.

Die Zuständigkeit für verbraucherrechtliche Unterlassungsklagen liegt beim High Court und bei den County Courts, s. 215(5) EA. Das Verfahren vor den County Courts ist schneller und billiger, hat aber den Nachteil, dass die Entscheidungen nicht veröffentlicht und kaum von der Öffentlichkeit wahrgenommen werden. In Schottland sind der Court of Session oder der Sheriff Court in erster Instanz zuständig.

Der Instanzenzug hängt davon ab, welches Gericht in erster Instanz zuständig ist. Beginnt der Rechtsstreit vor dem High Court, so ist in zweiter Instanz der Court of Appeal, in dritter Instanz der Supreme Court zuständig. Beginnt der Rechtsstreit im County Court, so geht er anschließend in der Regel zum High Court, dann zum Court of Appeal und zum Supreme Court. In schottischen Fällen, die vor dem Court of Session beginnen, gibt es nur den Supreme Court als zweite Instanz. Beginnt der Rechtsstreit vor dem Sheriff Court, so ist der Court of Session die zweite, der Supreme Court die dritte Instanz.

Die Financial Conduct Authority (FCA) gehört nicht zu den enforcers im Sinne des Enterprise Act 2002. Sie hat aber vergleichbare und darüber hinaus gehende (dazu sogleich) Befugnisse unter ss. 380 und 381 Financial Services and Markets Act 2000Footnote 131 (FSMA 2000).

bb. Enhanced Consumer Measures

Enhanced Consumer Measures (ECMs) ist ein Begriff, der mit dem Consumer Rights Act 2015 neu in den Enterprise Act 2002 und damit in die behördliche Durchsetzung des Verbraucherrechts im Allgemeinen eingeführt wurden. Er bedeutet schlicht „verbesserte“ Möglichkeiten zum Schutz der Verbraucher.

Teilweise wurden die Regelungen durch sektorspezifische Kompetenzen vorweg genommen, die daher zunächst kurz vorgestellt werden sollen. Die Financial Conduct Authority (FCA) bzw. ihre Vorgängerin, die Financial Services Authority (FSA), konnte, anders als andere regulators, schon nach den ss. 382 und 383 FSMA 2000 bei Gericht Rückzahlungsanordnungen (restitution orders) beantragen.Footnote 132 Voraussetzung einer solchen restitution order ist, dass der Verletzer einen Unrechtsgewinn gemacht hat oder dass eine oder mehr Personen aufgrund des Rechtsverstoßes Verlust gemacht haben oder in anderer Weise negativ betroffen sind. Hinsichtlich des Betrags hat das Gericht ein weites Ermessen (such sum as appears to the court to be just), wobei es insbesondere die Schwere des Verstoßes berücksichtigen wird.Footnote 133 Das Gericht kann anordnen, dass der entsprechende Betrag an die FCA zu zahlen ist, die dann für die Auskehrung an den oder die betroffenen Personen sorgt. Zudem kann das Gericht die Vorlage von Bilanzen oder anderen Informationen verlangen, um den Unrechtsgewinn oder den Verlust der betroffenen Personen ermitteln zu können. Zuständig ist der High Court in London bzw. der schottische Court of Session.

Restitution orders haben einerseits eine Restitutions- bzw. Kompensationsfunktion gerade auch in Fällen, in denen Anleger nicht über die Ressourcen verfügen oder aus anderen Gründen darauf verzichten würden, ihre Ansprüche individuell geltend zu machen,Footnote 134 sie sollen aber auch der Abschreckung dienen.Footnote 135 In Financial Services Authority v Anderson Footnote 136 gelang es der FSA, eine restitution order über £115 Mio. einzuklagen.

Das System der Enhanced Consumer Measures (ECMs) geht über diese Möglichkeiten der FCA hinaus. ECMs können nach s. 217(10A) und (10B) EA 2002 sowohl Teil einer enforcement order als auch einer Unterlassungserklärung sein. Sie kann die Pflicht zur Vorlage von Dokumenten enthalten, aufgrund deren das Gericht nachvollziehen kann, ob der Verletzer der ECM nachgekommen ist, s. 217(10D) EA 2002. Der Gesetzgeber erhofft sich damit eine stärkere Nutzung des (etwas kostengünstigeren) zivilrechtlichen Rechtsschutzes gegenüber dem Strafrecht.Footnote 137 Das Department for Business, Skill and Innovation nannte die Consumer Protection from Unfair Trading Regulations 2008 als einen erwarteten Hauptanwendungsfall für ECMs.Footnote 138

Das Gesetz sieht in s. 219A(1) EA 2002 drei Kategorien von ECMs vor: Erstattung (redress), Einhaltung (compliance) und Wahl (choice). In die Kategorie compliance fallen nach s. 219A(3) EA 2002 Maßnahmen, mit denen die Gefahr eines erneuten Verstoßes verhindert oder verringert werden soll, einschließlich Maßnahmen, mit denen die Einhaltung des Verbraucherschutzes generell verbessert werden soll. Die Maßnahmen in der Kategorie choice zielen nach S. 219A(4) EA 2002 darauf ab, den Verbraucher in die Lage zu versetzen, effektiver zwischen Lieferanten von Waren und Dienstleistungen zu wählen.

Von erheblicher Bedeutung könnte die Kategorie redress sein. Hier geht es um Entschädigung von Verbrauchern oder andere Leistungen an Verbraucher, die durch den geahndeten Verstoß einen Nachteil erlitten haben. Bei einer Vertragsverletzung kann dem Verbraucher im Wege des redress das Recht zur Kündigung des Vertrags eingeräumt werden. Können die geschädigten Verbraucher nicht oder nur mit unverhältnismäßigen Aufwand identifiziert werden, so kann redress in einer Maßnahme zugunsten des kollektiven Verbraucherinteresses bestehen.

Die Regelung gilt auch für missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen. Deren Durchsetzung ist zwar gesondert in sch. 3 Consumer Rights Act 2015 geregelt, die ECMs nicht vorsieht, sondern nur die schon in den Unfair Terms in Consumer Contract Regulations 1999 vorgesehene Unterlassungsklage. Regulators können aber auch unter den dort vorgesehenen Voraussetzungen nach Part 8 EA 2002 vorgehen.Footnote 139

5. Finanzierung

Die CMA und die Trading Standards Services sind vollständig staatsfinanziert. Die anderen mit Verbraucherschutz befassten öffentlichen Einrichtungen finanzieren sich vollständig oder überwiegend aus den Mitgliedsbeiträgen der Unternehmen der Branche, die sie regulieren.

Für die englischen Trading Standards Services ermittelte das Department for Communities and Local Government im Jahre 2014 Nettoausgaben von £131.115 Mio.Footnote 140 Dabei mussten die meisten Trading Standard Services nach einer Studie für das Department for Business, Innovation and Skills (BIS) vom März 2015 in den vergangenen Jahren Etatkürzungen von 20 bis 40 % verkraften. Einige Tradings Standard Services mussten ihre Mitarbeiterzahl binnen fünf Jahren auf die Hälfte reduzieren.Footnote 141 Darunter litten die bisherigen Routinemaßnahmen wie die Inspektion von Betrieben, die Untersuchung von Waagen und Nahrungsmitteln und der Sicherheit von Waren, wohingegen sich die TSS, schon um Dachorganisationen ihre Relevanz zu demonstrieren, eher öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten wie der Bekämpfung von Betrug (scams) und der Ausnutzung besonders schutzbedürftiger Verbraucher zuwandten.Footnote 142 Stark reduziert wurde auch die Prävention insbesondere durch Beratung von Unternehmen.Footnote 143 Die nationale Organisation National Trading Standards hatte für das Geschäftsjahr 2015–2016 eine Grundfinanzierung von £16,21 Mio. zur Verfügung,Footnote 144 hinzu kamen Projektmittel.

Das Gerichtskostensystem wurde Ende der 90er Jahre reformiert und ist seitdem weniger prohibitiv, wenn auch immer noch teuer.Footnote 145 Grundsätzlich trägt die unterlegene Partei die Kosten der obsiegenden Partei. Das Gericht verfügt aber über ein erhebliches Ermessen, die Kosten der obsiegenden Partei nur teilweise oder auch gar nicht der unterlegenen Partei aufzubürden. Enforcers genießen keine Privilegien hinsichtlich des Kostenrisikos.

6. Rechtsdurchsetzung in der Praxis

In der Praxis ging schon der Director-General of Fair Trading zumeist auf dem Verhandlungswege vor,Footnote 146 gerichtliche Verfahren wurden als letzter Ausweg betrachtet.Footnote 147 Im Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen wurde die erste Klage im Juli 1999 erhoben.Footnote 148 Auch die Möglichkeiten nach dem Enterprise Act 2002 wurden nur im Notfall ausgeschöpft.Footnote 149 Dennoch wurde die Unterlassungsklage als ein sehr nützliches Instrument angesehen, das den enforcers Möglichkeiten eröffnet, die zuvor nicht bestanden.Footnote 150

Die CMA listet auf ihrer Website 60 Verfahren aus dem Tätigkeitsfeld Consumer enforcement. Dabei wurden in sechs Fällen keine formalen Maßnahmen getroffen. So untersuchte die CMA auf eine Beschwerde der National Union of Students hin die Allgemeinen Geschäftsbedingungen und die Praktiken einiger Universitäten, die Studierenden den Studienabschluss oder die Re-Immatrikulation verwehrten, wenn diese noch Schulden bei der Universität, etwa wegen Kinderbetreuung, hatten. Nach Abschluss ihrer Untersuchung und Identifizierung von Praktiken, die missbräuchlich sein könnten (was gerichtlich zu überprüfen wäre), schrieb die CMA an alle Universitäten mit der Aufforderung, die Klauseln nicht zu verwenden, die die CMA für missbräuchlich hält.Footnote 151

Gerichtliche Verfahren wurden in insgesamt 12 Fällen durchgeführt, von den drei Strafverfahren waren. Sieben Verfahren waren Unterlassungsklagen nach dem Enterprise Act 2002 bzw. den Unfair Terms in Consumer Contract Regulations 1999, den Consumer Protection from Unfair Trading Regulations 2008 und anderen speziellen Verbraucherschutzrechtsakten, darunter der Fall, der als Rs. Purely Creative den EuGH erreichte.Footnote 152 Die verbleibenden beiden Verfahren waren grenzüberschreitende Unterlassungsklagen, die vor Gerichten in Belgien und Österreich Erfolg hatten. In 25 Fällen erhielt die CMA Unterlassungserklärungen. Acht Fälle bezogen sich auf die Praktiken von Branchen bzw. einer Vielzahl von Unternehmen.

7. Zusammenfassung und Bewertung

Die Durchsetzung des Verbraucherschutzes war in Großbritannien stets öffentlich-rechtlich geprägt, sie hat aber über die Jahrzehnte bemerkenswerte Entwicklungen vollzogen. Die ursprünglich recht rigorose strafrechtliche Verfolgung von Verstößen durch die Trading Standards Services ist heute in der Praxis auf Fälle schweren Betrugs beschränkt, auch wenn zahlreiche Rechtsakte weiterhin die strafrechtliche Durchsetzung ermöglichen.

Ab den 1990er Jahren wurden zunächst im Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, dann auf breiter Front mit dem Enterprise Act 2002 die behördliche Unterlassungsklage mit dem Office of Fair Trading als Hauptakteur eingeführt. Dabei wurde die Lösung von Problemen auf dem Verhandlungswege stets bevorzugt und durchaus erfolgreich. Die rechtlichen Möglichkeiten, sei es im Rahmen der Lizenzen oder auch die Unterlassungsklage, dienten eher als Drohpotential, das die Behörden im Notfall auch einsetzten.

Unzureichend blieb dabei zunächst der Individualrechtsschutz in dem Sinne, dass die vorhandenen Mittel nicht hinreichend verhinderten, dass Verbraucher auf dem erlittenen Schaden sitzen blieben. Besonders auffallend ist daher die jüngere Entwicklung in allen drei Rechtsgebieten, mit denen mit compensation orders im Strafrecht, im Verwaltungsrecht im Bereich der Finanzdienstleistungen und neuerdings mit den Enhanced Consumer Measures im gesamten Verbraucherrecht der behördliche Rechtsschutz mit der Entschädigung des einzelnen Verbrauchers verknüpft wurde.Footnote 153

Die Bewertung der Effektivität der Durchsetzung von Verbraucherschutz in Großbritannien ist seit jeher umstritten. Skeptiker verweisen häufig auf die begrenzten Ressourcen der Verbraucherschutzbehörden, die eine Konzentration auf wenige Verfahren bewirke. Aus den niedrigen Fallzahlen der Durchsetzungstätigkeit von Behörden wird auf ein Durchsetzungsdefizit, jedenfalls aber das Erfordernis komplementärer privater Durchsetzungsinstrumente geschlossen.Footnote 154 Dabei werden häufig die vielfältigen informellen und flexiblen Lösungen übersehen, die die britischen regulators aushandeln, ohne auf ihre rechtlichen Möglichkeiten zurückgreifen zu müssen.Footnote 155

Fest steht aber, dass der Gesetzgeber willens ist, mit immer neuen Instrumenten die Durchsetzung des Verbraucherschutzes zu befördern, auch wenn die konstruktive Zusammenarbeit mit den Unternehmen (light touch) das klare Ziel bleibt, das aber durch Abschreckung befördert werden soll.

III. Niederlande

1. Einleitung

Die Niederlande haben wie Deutschland eine Tradition privatrechtlicher Durchsetzung von Verbraucherrechten, kombiniert mit einem seit jeher gut ausgebauten System außergerichtlicher Streitschlichtung, den Geschillencommissies.Footnote 156 Im Übrigen haben die Niederlande mit dem Wet Collectieve Afwikkeling van Massaschade (WCAM) ein Modell für den privatrechtlichen kollektiven Rechtsschutz durch gerichtliche Anerkennung eines Vergleichs entwickelt, das nicht zuletzt aufgrund seiner Ausgestaltung als Opt out-Instrument in Deutschland auf großes Interesse gestoßen ist.Footnote 157 Charakteristisch für dieses Instrument ist, dass das Verfahren nicht als Klageverfahren ausgestaltet ist und daher auch nicht einseitig durch die Geschädigten oder deren Interessenverband initiiert werden kann. Es bedarf vielmehr eines gemeinsamen Antrags beider Parteien. Ziel des Verfahrens, das in vier Phasen eingeteilt werden kann, ist es, eine einvernehmliche Einigung zu erzielen, diese gerichtlich für verbindlich erklären zu lassen und dann abzuwickeln. Dem eigentlichen Verfahren vorgelagert sind außergerichtliche Verhandlungen der Parteien. Beteiligt sind hieran regelmäßig auf Anspruchstellerseite eine Interessenorganisation der Geschädigten („Opferverband“), die die Interessen aller aus dem Schadensereignis Betroffenen – auch ohne ausdrückliches Mandat – vertritt, und auf der anderen Seite einer oder mehrere Schadenersatzpflichtige (gegebenenfalls mit ihren Versicherungen). In einem zweiten Schritt erfolgt die Überprüfung des Verhandlungsergebnisses (Vergleich) durch den ausschließlich zuständigen Gerichtshof Amsterdam aufgrund eines gemeinsamen Antrags der Beteiligten. Mit der Verbindlicherklärung (dritter Schritt) hat der Vertrag für die Geschädigten die Wirkung eines sog. Feststellungsvertrags. Die damit verbundenen Rechtsfolgen lassen sich mit der Rechtskraftwirkung eines Urteils vergleichen. Die Geschädigten können sich jedoch im Rahmen eines opt out-Verfahrens der Bindungswirkung entziehen. In der letzten Phase wird der Vergleich abgewickelt und die darauf basierenden Auszahlungen an alle Geschädigten, die nicht von der opt out-Möglichkeit Gebrauch gemacht haben, vorgenommen. Im Bereich von massenhaften Kleinschäden ist das Modell des WCAM allerdings wenig erfolgreich.Footnote 158

Die behördliche Durchsetzung von Verbraucherschutz wurde mit dem Gesetz zur Durchsetzung des Verbraucherschutzes (Wet handhaving consumentenbescherming; Whc) im Jahre 2007 eingeführt und zu diesem Zweck die Verbraucherbehörde (Consumentenautoriteit; CA) gegründet. Unmittelbarer Anlass war die Verabschiedung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004, die die Einrichtung einer für die unter der Verordnung anfallenden Aufgaben „zuständigen Behörde“ erforderte. Parallel dazu hatte aber die niederländische Regierung, ausgehend von der Erkenntnis, dass verbraucherrechtliche Vorschriften nicht hinreichend beachtet würden,Footnote 159 die Stärkung der Durchsetzung des Verbraucherschutzes in den Niederlanden in den Blick genommen. Anders als in Deutschland wurde deshalb der Anwendungsbereich der Befugnisse der CA auf innerstaatliche Rechtsverstöße erstreckt und damit weitgehend Neuland betreten.Footnote 160 Zuvor bestand zwar schon seit 1997 die Onafhankelijke Post en Telecommunicatie Autoriteit (OPTA) mit Zuständigkeit für Wettbewerb und Verbraucherschutz bei Post- und Telekommunikationsdienstleistungen. Diese hatte sich aber weitgehend mit dem Wettbewerb auf diesen Märkten befasst und sich erst nach 2007 dem Verbraucherschutz mit Blick auf Telemarketing, Spam und IT-Sicherheit gewidmet.Footnote 161

In der Praxis zeigte sich, dass auf die Aufgaben der CA unter der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 etwa 25 % der Fälle entfielen, während 75 % der Fälle nationaler Natur waren, und dies, obwohl die Niederlande von allen EU-Mitgliedstaaten die meisten Anfragen unter dem System der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 erhielten.Footnote 162

Im Jahre 2013 wurde die CA mit der Wettbewerbsbehörde (Nederlandse Mededingingsautoriteit; NMa) und der OPTA zur Autoriteit Consument en Markt (ACM) fusioniert, wofür nicht zuletzt finanzielle Gründe ausschlaggebend waren.Footnote 163 Sie ist seither die Hauptdurchsetzungsbehörde für Verbraucherschutz, aber nicht die einzige Behörde, die mit Verbraucherschutz zu tun hat. Andere spezialisierte Behörden, namentlich die Behörde für die Finanzmärkte (Autoriteit Financiële Markten; AFM), die Niederländische Gesundheitsbehörde (Nederlandse Zorgautoriteit), die Medienbehörde (Commissariaat voor de Media) und die Lebensmittel- und Produktsicherheitsbehörde (Nederlandse Voedsel- en Warenautoriteit) operieren weiterhin unabhängig von der ACM.Footnote 164

2. Die Autoriteit Consument en Markt (ACM)

Die Autoriteit Consument & Markt (ACM) wurde durch das Gesetz vom 28.2.2013 zur Gründung der Autoriteit Consument & MarktFootnote 165 (im Folgenden: ACM-Gesetz) ins Leben gerufen. Sie ist eine selbständige Verwaltungsbehörde i.S.d. Art. 1 des Rahmengesetzes über selbständige Verwaltungsbehörden (Kaderwet zelfstandige bestuursorganen)Footnote 166 und Teil der Zentralregierung. Sie steht unter der Aufsicht des Wirtschaftsministers und, soweit es um die Bereiche Energie, Post, Telekommunikation und Transportwesen geht, des Ministers für Infrastruktur und Umwelt. Diese haben aber kein Weisungsrecht in Bezug auf einzelne FälleFootnote 167 und können, anders als sonst bei selbständigen Verwaltungsbehörden, Entscheidungen der ACM nur dann abändern, wenn sie als Allgemeinverfügung ergehen oder wenn die ACM nicht zuständig war.Footnote 168

Die Aufgaben der ACM werden teilweise im ACM-Gesetz beschrieben, teilweise in speziellen Rechtsakten, vgl. Art. 2(2) ACM-Gesetz.Footnote 169 Zu den Aufgaben gehört nach Art. 2(3) die Information der Öffentlichkeit über die Rechte und Pflichten von Verbrauchern. Zu diesem Zweck ist ein Informationsportal aufzubauen, das mit der Webseite https://www.acm.nl in niederländischer und englischer Sprache zur Verfügung steht. Zudem hat die ACM die Aufgabe, Marktstudien durchzuführen und Berichte zu verfassen, wenn ihr das nützlich erscheint. Allgemeines Ziel ihrer Tätigkeit ist es, dafür zu sorgen, dass die Märkte gut funktionieren, Marktprozesse geordnet und transparent ablaufen und Verbraucher sorgsam behandelt werden.

Genaueres zur Struktur der ACM ergibt sich aus dem Mandat, das sich die ACM gegeben und das der Wirtschaftsminister bestätigt hat.Footnote 170 Danach leitet die ACM, die selbst nach Art. 3(1) ACM-Gesetz nur aus drei Personen besteht, die ACM-Organisation. Diese besteht aus acht Departments, darunter das Verbraucher-Department.Footnote 171 Die Aufgaben des Verbraucher-Departments definiert Art. 3(3) des Mandats als die Implementierung und Durchsetzung der Einhaltung der Vorschriften, die im Gesetz zur Durchsetzung des Verbraucherschutzes (Wet handhaving consumentenbescherming; Whc) genannt sind.

Die ACM ist nicht für das gesamte Verbraucherrecht zuständig. Ihre Zuständigkeit wird durch Art. 2.2 Satz 1 i.V.m. Anhang a) Whc eingegrenzt. Der Anhang bezieht sich auf eine Reihe von EU-Rechtsakten, darunter die Vorschriften zur Umsetzung der Klausel-Richtlinie 93/13/EWG und die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken.Footnote 172

Ausgenommen ist nach Art. 2.2 Whc vor allem der Bereich der Finanzdienstleistungen, der der AFM vorbehalten bleibt. Ihr ist insbesondere die Durchsetzung der Vorschriften zur Umsetzung der Verbraucherkredit-Richtlinie 2008/48/EG und der Richtlinie 2002/65/EG über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen übertragen. Weitere Spezialzuständigkeiten gelten für die Niederländische Gesundheitsbehörde, die Medienbehörde, die Inspektion für Umwelt und Transport und die Lebensmittel- und Produktsicherheitsbehörde.Footnote 173

Die ACM hat nicht nur Ermittlungsbefugnisse (dazu 3.) und Durchsetzungskompetenzen (dazu 4.), sondern auch die Befugnis, in ihrem Bereich policy rules zu erlassen. Diese werden bindend, wenn sie vom Wirtschaftsminister bzw., soweit es um die Bereiche Energie, Post, Telekommunikation und Transportwesen geht, vom Minister für Infrastruktur und Umwelt genehmigt werden.Footnote 174

3. Ermittlungsbefugnisse

Die ACM ist mit öffentlich-rechtlichen Ermittlungsbefugnissen ausgestattet. Diese ergeben sich aus dem ACM-Gesetz sowie aus dem Allgemeinen Verwaltungsrechtsgesetz (Wet van 4 juni 1992, houdende algemene regels van bestuursrecht [Algemene wet bestuursrecht]; Awb) und dem Rahmengesetz über selbständige Verwaltungsbehörden. Im Awb ist insbesondere Kapitel 5 zur Rechtsdurchsetzung relevant.Footnote 175 Die Befugnisse für die einzelnen Bereiche, die in der ACM aufgegangen sind, wurden mit einer Gesetzesänderung zum 1.8.2014 angeglichen.

Nach Art. 6b ACM-Gesetz kann die ACM von jedermann die Übermittlung von Daten und Informationen sowie die Gestattung der Prüfung von Daten und Dokumenten verlangen, die vernünftigerweise als notwendig zur Erfüllung der Aufgaben der ACM nach Art. 2(2) angesehen werden. Einschränkungen gelten nach Art. 6b(3) für Geheimnisträger. So erhaltene Daten dürfen nur für die Erfüllung der jeweiligen Aufgabe genutzt werden. Der ACM ist es aber nach Art. 7(3) ACM-Gesetz gestattet, die Daten an Träger der öffentlichen Verwaltung oder Strafverfolgungsbehörden weiterzugeben, wenn durch Verordnung des Wirtschaftsministers festgelegt ist, dass die Weitergabe der Daten zur Erfüllung der Aufgaben dieser Behörden erforderlich ist. Eine Weitergabe ist nach Art. 7(3) ACM-Gesetz auch an vergleichbare ausländische Behörden möglich. Voraussetzung ist jeweils, dass die Vertraulichkeit der Daten oder Informationen gewährleistet ist und dass die Daten oder Informationen nur für den mit der Weitergabe verbundenen Zweck genutzt werden. Details sind in Art. 20 des Rahmengesetzes über selbständige Verwaltungsbehörden geregelt.Footnote 176

Art. 5:17 Awb erlaubt die Sichtung, Vervielfältigung und Beschlagnahme von Geschäftsunterlagen. Zu diesem Zweck können die von der ACM ernannten Bediensteten Geschäftsräume versiegeln, notfalls mit Hilfe der Polizei.Footnote 177 Ausgenommen ist der Schriftverkehr mit Anwälten.Footnote 178 Art. 5:18 Awb regelt die Untersuchung und Beschlagnahme von Waren, Art. 5:19 Awb von Transportmitteln.

Über die Befugnisse nach Art. 5:15 Awb hinaus können die von der ACM ernannten Bediensteten mit einem entsprechenden Durchsuchungsbefehl des Gerichtshofs Rotterdam ohne Erlaubnis des Inhabers Wohnraum betreten.Footnote 179 Bis 2013 galt dies nur für die Wettbewerbsbehörde.Footnote 180

Im Schrifttum werden die Ermittlungsbefugnisse als äußerst hilfreich bei der Vorbereitung auch der zivilrechtlichen Rechtsdurchsetzung bewertet.Footnote 181

4. Rechtsdurchsetzung

Die ACM kann bei der Durchsetzung des Verbraucherschutzes strafrechtlich, öffentlich-rechtlich und zivilrechtlich tätig werden. Ursprünglich kamen nach der Gründung der CA die öffentlich-rechtlichen Maßnahmen bei klaren Verstößen zur Anwendung, während der Weg der zivilrechtlichen Rechtsdurchsetzung im Wege von Gerichtsverfahren bei Vorschriften mit verschiedenen Auslegungsmöglichkeiten zum Tragen kam.Footnote 182 Das Zivilrecht fand daher im Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, aber auch bei den lauterkeitsrechtlichen Generalklauseln Anwendung, während die „schwarze Liste“ der im Anhang der Richtlinie 2005/29/EG aufgeführten Klauseln verwaltungsrechtlich durchgesetzt wurde.Footnote 183

Dieses System wurde aber mittlerweile dahin geändert, dass die ACM auch im Bereich des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen mit seinen unbestimmten Rechtsbegriffen verwaltungsrechtlich vorgehen muss. Dies ist in der niederländischen Lehre auf Kritik gestoßen,Footnote 184 war aber offenbar der Wunsch der (damaligen) CA, die auf ein einheitliches Durchsetzungssystem gedrängt hatte.Footnote 185

Im Verbraucherrecht ist die Rolle der ACM auf den kollektiven Verbraucherschutz beschränkt. Sie hat nicht die Befugnis, individuellen Beschwerden abzuhelfen.Footnote 186 Natürlich nimmt sie aber individuelle Beschwerden als wertvolle Informationsquellen zur KenntnisFootnote 187 und hat zu diesem Zweck Webseiten eingerichtet.Footnote 188

a. Strafrechtliche Durchsetzung

Ein Verstoß gegen Verbraucherschutzgesetze, insbesondere gegen die Vorschriften zum Schutz vor unlauteren Geschäftspraktiken, kann zugleich eine Straftat sein. Dies ist aber selten. Derlei Fälle übergibt die ACM an die Staatsanwaltschaft, mit der eine institutionalisierte Kooperation besteht.Footnote 189

b. Verwaltungsrechtliche Durchsetzung

aa. Unterlassungsverfügungen und Geldbußen

Die ACM kann zur Durchsetzung der in ihrem Kompetenzbereich befindlichen Verbraucherschutzvorschriften bindende Anweisungen in der Form von Verfügungen unter der Androhung von ZwangsgeldFootnote 190 bei Verstößen erlassen und Geldbußen verhängen.Footnote 191 Die Höchstsumme von Geldbußen lag seit der Fusion im Jahre 2013 bei €450.000.Footnote 192 Bis dahin war die Verhängung von Geldbußen bis zu €450.000 auf unlautere Geschäftspraktiken beschränkt, für alle anderen Verstöße galt eine Höchstgrenze von €74.000,Footnote 193 was als wenig abschreckend für Großunternehmen angesehen wurde.Footnote 194 Allerdings galten diese Beschränkungen für den einzelnen Verstoß, so dass bei mehreren Verstößen auch eine höhere Gesamtsumme herauskommen konnte. So verhängte die CA gegen Celldorado wegen missbräuchlicher SMS-Praktiken eine Geldbuße von 1,19 Mio. Euro.Footnote 195

Eine weitere Erhöhung der Höchstsumme von Geldbußen auf €900.000 erfolgte zum 1.7.2016.Footnote 196

Die allgemeinen Regeln über Geldbußen ergeben sich aus den Art. 5:40 ff. Awb. Details hat der Wirtschaftsminister in einer Policy Rule von Juli 2014 niedergelegt.Footnote 197 Danach sollen mehrere Einzelverstöße desselben Unternehmers mit einer Gesamtgeldbuße belegt werden.Footnote 198 Die Höhe der Geldbuße bemisst sich nach der Schwere und der Dauer des Verstoßes sowie nach den Umständen des Einzelfalls.Footnote 199 Verstöße gegen Verbraucherschutzvorschriften sind in vier Kategorien unterteilt, denen unterschiedliche Spannen von Geldbußen zugeordnet sind.Footnote 200 Diese dienen als Basiswert, der dann bei erschwerenden oder mildernden Umstände erhöht oder ermäßigt wird. Eine Geldbuße muss binnen sechs Wochen bezahlt werden.

Gegen Verfügungen der ACM ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet, zunächst mittels eines internen Widerspruchsverfahrens, dann vor dem Verwaltungsgericht. Die Zuständigkeit dafür wurde beim Verwaltungsgericht Rotterdam konzentriert. Widersprüche gegen Verfügungen der ACM kommen häufig vor.Footnote 201

bb. Verbindlicherklärung von Zusagen

Neu eingeführt wurde mit dem ACM-Gesetz die Möglichkeit der Verbindlicherklärung von Zusagen. Unternehmen können von sich aus Zusagen machen, wenn die ACM der Auffassung ist, dass sie gegen Verbraucherschutzgesetze verstoßen haben. Eine solche Zusage kann die ACM nach Art. 12h ACM-Gesetz auf Antrag des Unternehmens für verbindlich erklären, wenn sie das für effizienter hält als ein Vorgehen im Wege der Unterlassungsverfügung mit Zwangsgeldandrohung oder der Geldbuße. Akzeptiert sie die Zusage, so kann sie den Verstoß nicht mehr mit einer Unterlassungsverfügung oder einer Geldbuße nach Art. 2.9 Whc ahnden. Die ACM legt eine Frist für die Durchführung der Zusage fest, die sie verlängern kann, so oft sie will. Verstößt das Unternehmen gegen die Zusage, so kann die ACM nach Art. 12m Abs. 2 ACM-Gesetz ein Bußgeld von bis zu 450.000 Euro verhängen. Die ACM kann aber auch die Zustimmung zu der Zusage zurücknehmenFootnote 202 und nach Art. 2.9 Whc vorgehen.

Zusagen i.S.d. Art. 12h ACM-Gesetz können sich insbesondere darauf beziehen, zu Unrecht eingenommene Beträge an die Verbraucher zurückzuzahlenFootnote 203 oder diese anderweitig zu entschädigen.

cc. Anweisungen

Ebenfalls mit dem ACM-Gesetz eingeführt wurde die Möglichkeit nach Art. 12j ACM-Gesetz, bindende Anweisungen i.S.v. Art. 1 ACM-Gesetz i.V.m. Art. 5:2 Awb zu erteilen. Einzige Voraussetzung ist der Verstoß gegen eine Vorschrift, deren Durchsetzung in den Kompetenzbereich der ACM fällt. Angewandt wurde Art. 12j ACM-Gesetz z. B. gegen Kreditinstitute im Zusammenhang mit der Nichteinhaltung neuer Vorschriften zum Immobilienkredit.Footnote 204

dd. Warnungen

Die ACM kann nach Art. 2.23 Whc öffentliche Warnungen aussprechen, schon bevor ein Verstoß gegen eine Verbraucherschutzvorschrift nachgewiesen ist. Voraussetzung ist, dass dies notwendig ist, um den Verbraucher schnell und effektiv über eine schadensverursachende Geschäftspraxis eines Unternehmers zu informieren und dadurch Schäden zu vermeiden.Footnote 205 Mit der Einführung des Art. 2.23 Whc sollte das Problem gelöst werden, dass zwischen einer Untersuchung der ACM und einer endgültigen Entscheidung des Gerichts viel Zeit vergehen konnte, in der der Verletzer seine Gesetzesverstöße ungehindert fortsetzen konnte.Footnote 206 Die bislang einzige Warnung, die die ACM veröffentlichte, bezog sich auf den spanischen Reiseanbieter eDreams, der nicht alle Flugkosten auf seiner Webseite angab.Footnote 207

ee. Maßnahmen zugunsten der Verbraucher

Maßnahmen, die Verbrauchern unmittelbar zugutekommen, etwa Rückzahlungsanordnungen, kann die ACM grundsätzlich nicht verhängen. Eine Ausnahme gilt nach dem Telekommunikationsgesetz.Footnote 208

Daneben kann die ACM aber, wie oben dargestellt,Footnote 209 Rückzahlungszusagen für verbindlich erklären. Im Übrigen berücksichtigt sie nach Art. 2.10 b) der Policy Rule die volle Entschädigung der Geschädigten bei der Festsetzung von Geldbußen und motiviert auf diese Weise Verletzer, Schäden von sich aus zu begleichen.Footnote 210

c. Zivilrechtliche Durchsetzung

Neben ihrer öffentlich-rechtlichen Durchsetzungskompetenz stand der ACM nach Art. 3:305b des Bürgerlichen Gesetzbuchs (Burgerlijk Wetboek; BW) die Verbandsklagekompetenz in Verbraucherangelegenheiten zu.Footnote 211

Der CA konnte auch das beschleunigte Verfahren nach Art. 3:305d BW vor dem Gerichtshof s’ Gravenhage in den Haag nutzen. Das Gericht behandelte Anträge der CA wie auch der AFM unverzüglich.Footnote 212 Diese Regelung wurde abgeschafft, als die ACM die Möglichkeit erhielt, auch bei Vorschriften mit verschiedenen Auslegungsmöglichkeiten wie insbesondere dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen öffentlich-rechtlich vorzugehen.Footnote 213 Damit wurde die ACM gleichsam auf die öffentlich-rechtliche Schiene gezwungen.Footnote 214

Nach Art. 2.6 Whc i.V.m. Art. 7:907 BW kann die ACM auch die Möglichkeiten des Massenschadengesetzes (WCAM) nutzen. Dies ist aber bislang nicht vorgekommen.Footnote 215

5. Finanzierung

Die Finanzierung der Tätigkeit der ACM erfolgt im Wesentlichen aus dem Staatshaushalt. Einnahmen werden aber seit 1.1.2015 auch aus Maßnahmen gegen Marktteilnehmer generiert.Footnote 216 Sofern Kosten aus Maßnahmen gegen Marktteilnehmer resultieren, werden diese den Marktteilnehmern in Rechnung gestellt. Dies gilt sowohl für die direkten als auch für die indirekten Kosten. Kosten, die aus anderen Aktivitäten wie Marktstudien entstehen, können den Marktteilnehmern nicht in Rechnung gestellt werden.

6. Die ACM in der Praxis

In den Niederlanden ist die Suche nach einvernehmlichen Lösungen rechtskulturell und rechtshistorisch tief verankert.Footnote 217 In der Praxis bemüht sich die ACM daher zunächst darum, Verstöße von Unternehmen auf dem Verhandlungswege bzw. im Wege der Drohung mit Sanktionen abzustellen.Footnote 218

Schon die CA als Vorgängerin der ACM hat aber auch hohe Bußgelder gegen bösgläubige Unternehmer verhängt.Footnote 219 Dasselbe gilt für die ACM, die freilich mit der Möglichkeit, Zusagen zu akzeptieren, ein flexibleres Instrumentarium zur Verfügung hat. Auf der Webseite der ACM fanden sich bis April 2016 zehn Beschlüsse, mit denen Geldbußen verhängt wurden, neun Unterlassungsverfügungen unter Androhung eines Zwangsgelds (mit einer Verhängung eines Zwangsgelds), sechs Verbindlicherklärungen von Zusagen, zwei Anweisungen, eine Rückzahlungsanordnung und eine Warnung. Dazu wurden Fälle von den Vorgängerorganisationen CA und OPTA übernommen. Die Liste ist vollständig, da nach Art. 12u (1) ACM-Gesetz alle Beschlüsse veröffentlicht werden müssen.

7. Zusammenfassung und Bewertung

Die behördliche Rechtsdurchsetzung des Verbraucherschutzes wurde eingeführt, um Defizite in der privatrechtlichen Durchsetzung zu lindern. Die ACM und ihre Vorgängerorganisationen widmen sich nur dem kollektiven Verbraucherschutz. Dabei änderten sich die gesetzlichen Vorgaben nach einigen Jahren ihrer Tätigkeit. Während zunächst (von der CA) nicht gänzlich eindeutige Regelungen nur auf dem Gerichtsweg durchgesetzt werden konnten, wird die ACM rein verwaltungsrechtlich tätig. Damit ergeben sich auch unterschiedliche Rechtswege für dieselben Rechtsfragen, je nachdem, ob sie z. B. von der ACM einerseits oder von Verbrauchern, Wettbewerbern oder Verbänden andererseits aufgegriffen werden. Das wird allerdings als nicht so problematisch angesehen, weil zwischen den Verwaltungsgerichten und den für das Privatrecht zuständigen Gerichten ein reger Austausch herrsche.Footnote 220

Interessant ist, dass auch hier das Instrumentarium flexibilisiert wurde und die ACM heutzutage die Möglichkeit hat, bei entsprechender Bereitschaft der Unternehmen im Wege der Verbindlicherklärung von Zusagen das verwaltungsrechtliche Handeln mit der Entschädigung der von einem Rechtsverstoß betroffenen Verbraucher zu verbinden.

In der Literatur wird allerdings kritisiert, dass sich die ACM zu sehr auf einzelne, von ihr priorisierte Probleme fokussiert, wofür wiederum auch unzureichende finanzielle Ausstattung verantwortlich gemacht wird.Footnote 221

IV. USA

1. Einleitung

In den USA bestehen sowohl auf Bundes- als auch auf einzelstaatlicher Ebene eine Vielzahl verschiedener Verbraucherschutzgesetze nebeneinander.Footnote 222 Grundlegend ist dabei der Federal Trade Commission Act (FTCA), der unter anderem unlautere und irreführende Geschäftspraktiken verbietet. Die Durchsetzung des FTCA erfolgt durch die Federal Trade Commission (FTC), deren Kompetenzen und Tätigwerden im Folgenden dargestellt werden. Neben dem FTCA bestehen weitere, spezifische Verbraucherschutzgesetze, die zum Teil ebenfalls durch die FTC durchgesetzt werden,Footnote 223 teilweise aber auch durch andere Behörden wie die Food and Drug Administration (FDA), die durch den Food, Drug and Cosmetic Act (FDCA) mit der Überwachung von Sicherheits- und Vermarktungsstandards unter anderem im Bereich Lebensmittel und Arzneimittel betraut ist,Footnote 224 oder das Consumer Financial Protection Bureau (CFPB), das, gegründet durch den Dodd-Frank Act im Jahr 2010, für den Verbraucherschutz im Finanzsektor zuständig ist.Footnote 225

Die Durchsetzung des FTCA ist allein der FTC vorbehalten, Verbraucher haben unter dem FTCA keine Handlungsmöglichkeiten.Footnote 226 Solche Verbraucherbefugnisse können jedoch nach anderen Gesetzen bestehen.Footnote 227 Insbesondere bietet § 43(a) Lanham Act, der falsche Angaben über die Herkunft oder die wesentlichen Merkmale von Waren und Dienstleistungen verbietet, die Möglichkeit von Klagen von Wettbewerbern und Verbrauchern.Footnote 228

Darüber hinaus ist der kollektive Rechtsschutz im Wege der class action nach Rule 23 der Federal Rules of Civil Procedure zu erwähnen.Footnote 229 Auch class actions wurden in der Vergangenheit zur Durchsetzung von Verbraucherrechten genutzt,Footnote 230 wenn sie auch meist mit einem Vergleich (settlement) enden. Eine Studie von 2014 mit einem allerdings recht weiten Begriff von Verbraucherschutz ermittelte für die Jahre 2010 bis 2013 321 settlements, wovon 19 % der Kategorie Werbung/Fehlinformation zuzuordnen waren, die aber nur 6 % der erzielten Beträge ausmachten.Footnote 231

Verbraucherschutz im Zusammenhang mit Verbraucherverträgen ist in den USA hingegen sehr schwach ausgeprägt.Footnote 232 Dies liegt daran, dass die Gerichte einschließlich des Supreme Court sehr großzügig den Ausschluss des Zugangs zur staatlichen Gerichtsbarkeit zugunsten alternativer Streitschlichtung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen erlaubt haben.Footnote 233 Im Anschluss lehnte der Supreme Court auch class actions wegen der Verletzung von Verbraucherschutzvorschriften durch Vertragsbedingungen ab und verwies den Kläger auch insofern auf die alternative Streitschlichtung.Footnote 234

2. Die Federal Trade Commission

Die Federal Trade Commission (FTC) wurde bereits im Jahr 1914 durch den FTCA eingerichtet.Footnote 235 Nachdem die Kompetenzen der FTC ursprünglich auf die Gewährleistung des Wettbewerbs beschränkt waren, wurden ihre Aufgaben später durch den Kongress auf den Bereich Verbraucherschutz erweitert.Footnote 236 Der Bundesbehörde stehen fünf Commissioner vor, deren Benennung durch den US-amerikanischen Präsidenten erfolgt und der Bestätigung durch den US-amerikanischen Senat bedarf.Footnote 237 Die Amtszeit der fünf Commissioner, von denen nicht mehr als drei derselben Partei angehören dürfen, beträgt sieben Jahre.Footnote 238

Der Aufbau der FTC ist dreigliedrig: Das Bureau of Competition hat die Förderung des Wettbewerbs und die Durchsetzung der Kartellgesetze zur Aufgabe, der Schutz der Verbraucher vor unlauteren und irreführenden Geschäftspraktiken fällt in den Zuständigkeitsbereich des Bureau of Consumer Protection.Footnote 239 Unterstützung erfahren beide Bereiche durch das Bureau of Economics, beispielsweise durch die Bewertung bevorstehender Maßnahmen aus ökonomischer Perspektive.Footnote 240 Jeder der drei Bereiche ist weiter untergliedert. Das Bureau of Consumer Protection ist in acht Divisionen organisiert und sein Tätigkeitsspektrum entsprechend weitgefächert: Es umfasst sowohl Maßnahmen zur Verbraucherbildung als auch die Entwicklung von Regelungen zur Erhaltung eines fairen Markts, darüber hinaus aber auch das Sammeln von Verbraucherbeschwerden und die Einleitung von Untersuchungen bis hin zu Klagen gegen rechtswidriges Handeln.Footnote 241 Die Zuständigkeit einer Division richtet sich nach den betroffenen Gebieten: So ist die Division of Advertising Practices für unlautere und irreführende Werbe- und Marketingpraktiken im Zusammenhang mit Gesundheitsschutz und Sicherheit zuständig, während sich die Zuständigkeit der Division of Marketing Practices auf Fälle des systematischen Verbraucherbetrugs erstreckt.Footnote 242 Untersuchungen möglicher Verletzungen von FTC-Auflagen, die Einreichung von Zivilklagen vor den Bundesgerichten sowie die Zusammenarbeit mit den US-amerikanischen Strafverfolgungsbehörden erfolgen durch die Division of Enforcement.Footnote 243

Die Kompetenzen der FTC, die selbst mit dem Anspruch Protecting America’s Consumers Footnote 244 in Erscheinung tritt, ergeben sich primär aus dem FTCA, der den §§ 41 bis 58 des fünfzehnten Titels des United States Code (15 U.S.C.) entspricht. Den AusgangspunktFootnote 245 bildet 15 U.S.C. § 45(a) = FTCA Sec. 5(a), der unfair or deceptive acts or practices in or affecting commerce für rechtswidrig erklärt und die FTC ermächtigt, diese zu verhindern.Footnote 246 Daneben ist die FTC zur Durchsetzung weiterer, spezifischer Verbrauchergesetze ermächtigt, die bestimmte Geschäftspraktiken verbieten und deren Verletzung als unfaire oder irreführende Handlungen oder Praktiken (unfair or deceptive acts or practices) im Sinne des 15 U.S.C. § 45(a) = FTCA Sec. 5(a) anzusehen ist.Footnote 247

Zudem hat die FTC die Kompetenz, General Statements of Policy sowie Auslegungsregeln zu erlassen, die unlautere und irreführende Praktiken im Sinne von 15 U.S.C. § 45 = FTCA Sec. 5 definieren.Footnote 248 Wann sie eine Handlung oder Praktik als unlauter beziehungsweise irreführend ansieht, ergibt sich aus zwei Statements der FTC: dem Unfairness StatementFootnote 249 aus dem Jahre 1980 sowie dem Deception StatementFootnote 250 von 1983. Das Unfairness Statement hat durch eine Novellierung durch den Kongress mit 15 U.S.C. § 45(n) = FTCA Sec. 5(n) Einzug in den FTCA gefunden und definiert eine Handlung oder Praktik als unlauter, sofern sie erstens eine erhebliche Beeinträchtigung des Verbrauchers hervorruft oder wahrscheinlich hervorzurufen vermag, die zweitens nicht vernünftigerweise durch den Verbraucher selbst vermieden werden kann und bei der drittens keine Vorteile die Nachteile überwiegen.Footnote 251 Nach dem Deception Statement erachtet die FTC eine Darstellung, Handlung oder ein Unterlassen als irreführend, wenn diese einen Verbraucher, der nach den jeweiligen Umständen vernünftig handelt, wahrscheinlich irreführen und die Darstellung, Handlung oder das Unterlassen als wesentlich anzusehen ist.Footnote 252 Diese Formulierung wird auch von den Gerichten anerkannt.Footnote 253

Im Übrigen gestattet 15 U.S.C. § 46(b) = FTCA Sec. 6(b) der FTC die Durchführung umfangreicher ökonomischer Studien, die keinen konkreten Rechtsdurchsetzungszweck verfolgen.Footnote 254

3. Ermittlungsbefugnisse

Gemäß 15 U.S.C. § 43 = FTCA Sec. 3 ist die FTC befugt, alle Ermittlungen durchführen, die zur Erfüllung ihrer Pflichten erforderlich sind. Zudem ermächtigt 15 U.S.C. § 46(a) = FTCA Sec. 6(a) die FTC, Gesellschaften und Unternehmen, Verhaltensweisen und Praktiken sowie das Management von Personen, Partnerschaften und Gesellschaften zu untersuchen, sowie diesbezüglich Informationen zu sammeln und zusammenzutragen.Footnote 255

Im Bereich Verbraucherschutz stehen der FTC dabei im Wesentlichen zwei Maßnahmen zur Verfügung: die einer subpoena ähnelnden civil investigative demands sowie orders.

a. Civil investigative demands

Nachdem durch das Bureau of Consumer Protection bis zum Jahr 1980 zur Ermittlung von Verstößen subpoenas, also Vorladungen unter Strafandrohung, zur Anwendung kamen, haben durch den FTC Improvements Act von 1980 civil investigative demands (CIDs) Einzug in den FTCA gefunden.Footnote 256 Sofern die FTC Grund zur Annahme (reason to believe) hat, dass eine Person Informationen bezüglich unfair or deceptive acts or practices in or affecting commerce hat oder im Besitz von entsprechenden Dokumenten oder Gegenständen ist bzw. solche in ihrem Machtbereich vorhanden sind, kann sie diese Person gemäß 15 U.S.C § 57b-1(c)(1) = FTCA Sec. 20(c)(1) durch einen CID vorladen. Dabei kann die FTC von der vorgeladenen Person die Vorlage von Dokumenten und Gegenständen sowie mündliche Aussagen verlangen und anfordern, dass schriftliche Berichte sowie Antworten zu Fragen eingereicht werden.Footnote 257 Die Reichweite eines CIDs geht damit über die einer subpoena hinaus. Wie bei einer subpoena kann der Empfänger eines CID bei der FTC Einspruch (petition to limit or quash) gegen diesen einlegen. Wird dem Einspruch nicht stattgegeben und kommt der Empfänger dem CID nicht nach, wird die FTC die Bundesgerichte ersuchen, den CID durchzusetzen. Im Falle der Widersetzung gegen eine gerichtliche Anordnung drohen Strafen wegen Missachtung des Gerichts (contempt of court).Footnote 258

b. Orders

Zusätzlich eröffnet 15 U.S.C. § 46(b) = FTCA Sec. 6(b) der FTC die Möglichkeit, von Personen oder Organisationen schriftliche Berichte und Antworten auf konkrete Fragen über das Unternehmen des jeweiligen Adressaten, über Verhaltensweisen und Praktiken sowie das Management und Geschäftsbeziehungen zu anderen Organisationen zu verlangen.Footnote 259 Die einzureichenden Berichte und Antworten müssen fristgerecht eingehen und grundsätzlich unter Eid erfolgen.Footnote 260 Auch gegen solche orders kann Einspruch eingelegt werden und die Durchsetzung wiederum von Seiten der FTC gerichtlich veranlasst werden.Footnote 261 Zudem fallen nach Überschreiten einer durch die FTC gesetzten Frist bis zur Erfüllung der geforderten Maßnahmen Strafzahlungen in Höhe von ursprünglich $100, seit dem Debt Collection Improvement Act von 1996 $110 pro Tag an.Footnote 262

4. Rechtsdurchsetzung

Die verschiedenen der FTC zur Verfügung stehenden Maßnahmen können nach verwaltungsrechtlicher (administrative enforcement) und gerichtlicher Durchsetzung (judicial enforcement) von Verbraucherschutz unterteilt werden.Footnote 263

a. Verwaltungsrechtliche Durchsetzung

Im Rahmen der verwaltungsrechtlichen Durchsetzung von Verbraucherrecht stehen der FTC im Wesentlichen zwei Maßnahmen zur Verfügung: Unterlassungsverfügungen (administrative cease and desist authority)Footnote 264 treffen und der Erlass von Regelungen (rulemaking).Footnote 265 Verstöße gegen erlassene Anordnungen oder Regelungen werden mit Geldbußen oder durch Anordnung von Entschädigungszahlungen an Verbraucher geahndet. Die Durchsetzung dieser Zahlungen erfordert indes den Weg über die Gerichte.Footnote 266

aa. Unterlassungsverfügungen (cease and desist orders)

Sofern die FTC Grund zur Annahme (reason to believe) hat, dass eine Handlung oder Praktik als unlauter oder irreführend anzusehen ist, kann sie gem. 15 U.S.C. § 45(b) = FTCA Sec. 5(b) eine entsprechende Beschwerde gegen den Handelnden erlassen, in der die jeweiligen Vorwürfe aufgeführt sind und ihm die Möglichkeit einer Anhörung eingeräumt wird. Diese Beschwerde kann der Adressat anerkennen, eine Einverständniserklärung unterzeichnen und auf eine gerichtliche Überprüfung verzichten.Footnote 267 Wird die Beschwerde hingegen angefochten, trifft ein administrative law judge (ALJ) in einer Art Widerspruchsverfahren eine erste Entscheidung darüber, ob die Beschwerde zurückzuweisen oder eine Unterlassungsverfügung zu erlassen ist, die die fraglichen Verhaltensweisen untersagt.Footnote 268 Diese Entscheidung kann der gesamten Kommission zur Berufung vorgelegt werden, die dann eine endgültige Entscheidung über den Sachverhalt und eine entsprechende Anordnung trifft.Footnote 269 Gegen endgültige Unterlassungsverfügungen der FTC kann der Adressat Berufung vor dem örtlich zuständigen US-amerikanischen Berufungsgericht einlegen. Bestätigt dieses die Anordnung der FTC, trifft das Gericht eine eigene Durchsetzungsanordnung. Die Entscheidung des Berufungsgerichts wiederum unterliegt der Überprüfung durch den Supreme Court.Footnote 270

bb. Erlass von Regelungen (rulemaking)

15 U.S.C. § 57a(a)(1) = FTCA Sec. 18(a)(1) ermächtigt die FTC, Regelungen zu erlassen, die konkretisieren, welche Handlungen und Praktiken als unlauter oder irreführend im Sinne von 15 U.S.C. § 45(a)(1) = FTCA Sec. 5(a)(1) anzusehen sind, um branchenweiten unlauteren oder irreführenden Praktiken entgegenzuwirken, sofern sie Grund zu der Annahme hat, dass entsprechende Praktiken vorherrschen (prevalent). Außerhalb des FTCA eröffnen Spezialgesetze der FTC die Möglichkeit, weitere spezifische Regelungen zu erlassen.Footnote 271

b. Gerichtliche Durchsetzung

Die gerichtliche Durchsetzung kommt in drei Fällen in Betracht: bei Verstößen gegen Unterlassungsverfügungen und gegen Regelungen der FTC, also im Nachgang zur verwaltungsrechtlichen Durchsetzung, aber auch unmittelbar, also ohne eine vorangegangene Unterlassungsverfügung oder Regelung.

aa. Verstöße gegen Unterlassungsverfügungen der FTC

Bei Zuwiderhandlungen gegen Unterlassungsverfügungen der FTC steht dieser gemäß 15 U.S.C. § 57b(a)(2) = FTCA Sec. 19(a)(2) der Weg zu den Zivilgerichten offen. Die Verletzung einer endgültigen FTC-Unterlassungsverfügung führt zu einer Geldbuße von bis zu $16.000. Über die Höhe der Geldbuße entscheidet das Gericht, bei dem das Verfahren zur Durchsetzung der Verfügung geführt wird.Footnote 272

Zudem kann die FTC gerichtlich Entschädigungszahlungen an Verbraucher verlangen, muss dafür jedoch darlegen, dass das fragliche Verhalten des Beklagten aus der Sicht einer vernünftigen Person (reasonable man) unehrlich oder betrügerisch (dishonest or fraudulent) gewesen ist.Footnote 273

Darüber hinaus kann die FTC gemäß 15 U.S.C. § 45(m)(1)(B) = FTCA Sec. 5(m)(1)(B) auf gerichtlichem Wege Geldbußen in Höhe von bis zu früher $10.000, mittlerweile $11.000 gegen Personen, Partnerschaften oder Gesellschaften erwirken, die zwar nicht Adressat der ursprünglichen Unterlassungsverfügung gewesen sind, jedoch nach dem Erlass einer solchen Unterlassungsverfügung und im Wissen um diese eine entsprechende unterlassungsbewehrte unlautere oder irreführende Handlung oder Praktik ausgeführt haben. Typischerweise muss die FTC dazu nachweisen, dass sie dem Verletzer eine Kopie der Entscheidung gegen den eigentlichen Adressaten hat zukommen lassen.Footnote 274

bb. Verstöße gegen von der FTC erlassene Regelungen

Verstöße gegen von der FTC erlassene Regelungen müssen ebenso wie Zuwiderhandlungen gegen behördliche Unterlassungsverfügungen vor den Gerichten verfolgt werden, 15 U.S.C. § 57b(a)(1) = FTCA Sec. 19(a)(1), und können zu Geldbußen von bis zu $11.000 führen, 15 U.S.C. § 45(m)(1)(A) = FTCA Sec. 5(m)(1)(A). Auch hier kann die FTC die Entschädigung der Verbraucher verlangen.Footnote 275

cc. Unmittelbare gerichtliche Durchsetzung

Die Möglichkeit einer direkten Anrufung der Gerichte sieht 15 U.S.C. § 53(b) = FTCA Sec. 13(b) vor. Voraussetzung ist, dass die FTC Grund zur Annahme (reason to believe) hat, dass Rechtsnormen, die in ihren Kompetenzbereich fallen, verletzt wurden. In diesem Fall kann die FTC die Gerichte ersuchen, einstweilige Verfügungen (temporary restraining order/preliminary injunction) zu gewähren, in geeigneten Fällen sogar eine dauerhafte Verfügung (permanent injunction).Footnote 276

Grundsätzlich sind Gerichtsverfahren von US-amerikanischen Behörden gemäß 28 U.S.C. § 516 vom Attorney General zu führen. 15 U.S.C. § 56(a)(2) = FTCA Sec. 16 (a)(2) eröffnet indes Ausnahmen: Bei den dort genannten Verfahren, darunter beispielsweise einstweilige Verfügungen nach 15 U.S.C. § 53 = FTCA Sec. 13 oder Verbraucherentschädigungen nach 15 U.S.C. § 57b) FTCA Sec. 19, sind die Anwälte der FTC zur Vertretung der FTC vor Gericht befugt.Footnote 277 In Strafsachen ist hingegen nach 15 U.S.C. § 56(b) = FTCA Sec. 16 (b) der Attorney General zuständig, und der Fall ist an das U.S. Department of Justice abzugeben.Footnote 278

Verbraucherrecht wird von der FTC heute vorwiegend auf dem direkten Weg zu den Gerichten und weniger durch administrative Maßnahmen durchgesetzt.Footnote 279 Als Vorteile der gerichtlichen Durchsetzung nennt die FTC, dass auf diese Weise in nur einem Schritt sowohl unlautere und irreführende Verhaltensweisen untersagt als auch Entschädigungszahlungen angeordnet werden und dass gerichtliche Verfügungen im Gegensatz zu behördlichen Verfügungen unmittelbar wirksam werden. Bei neuartigen rechtlichen Fragestellungen hingegen bevorzugt die FTC die zunächst verwaltungsrechtliche Durchsetzung, da ein mit der Überprüfung betrautes Gericht der FTC und ihrer Auslegung des FTCA sowie weiterer Verbrauchergesetze besonderen Respekt (deference) entgegenzubringen habe.Footnote 280

5. Finanzierung

In der Begründung ihres Haushaltsentwurfs für das Jahr 2016 geht die FTC davon aus, $175 Mio. an finanziellen Mitteln für den Bereich Consumer Protection zu beanspruchen und dabei Mitarbeiter auf 647 Vollzeitstellen zu beschäftigen, um ihrem Auftrag, den Verbraucherschutz zu fördern, angemessen nachkommen zu können.Footnote 281 Für das Folgejahr 2017 sind ein Haushalt von knapp $185 Mio. und 638 Vollzeitstellen angedacht.Footnote 282

6. Die FTC in der Praxis

Die FTC ist der Hauptakteur im Verbraucherschutzrecht der USA. Dabei nutzt die FTC zunehmend die Möglichkeit, Entschädigungszahlungen zugunsten der betroffenen Verbraucher zu verlangen.Footnote 283 So ist die FTC im Juli 2014 gegen T-Mobile USA vor Gericht gezogen.Footnote 284 Vorgeworfen wurde dem Mobilfunkanbieter unlauteres und irreführendes Verhalten. Auf seinen Rechnungen hatte T-Mobile USA zusätzlich zu den eigenen erbrachten Diensten Abonnements von Drittparteien, in die der Verbraucher nicht eingewilligt hatte, abgerechnet, ohne dass die Herkunft dieser Gebühren für den Verbraucher zu erkennen war. Die FTC verlangte daher unter anderem, dass gegen T-Mobile USA eine dauerhafte Unterlassungsverfügung erlassen werde und Entschädigungszahlungen angeordnet werden.Footnote 285 Dem kam das Gericht nach und ordnete, neben weiteren Maßnahmen, Entschädigungszahlungen an Verbraucher in Höhe von $90 Mio. an.Footnote 286

Für 2015 gibt die FTC zwei Vergleiche an, mit denen das Bureau of Consumer Protection Entschädigungszahlungen für Verbraucher in Höhe von $120 Mio. erreicht hat. $49 Mio. wurden in Entschädigungsfonds für Verbraucher zurückgegeben, $155 Mio. an Gebühren, Entschädigungszahlungen und Geldbußen gingen ins Staatsbudget.Footnote 287

7. Zusammenfassung und Bewertung

Gerade aufgrund der massiven Einschränkung von Individualrechtsschutz und auch von class actions zum Verbrauchervertragsrecht ist die Bedeutung der FTC für das Verbraucherschutzrecht der USA überragend. Bemerkenswert im Vergleich zu den Niederlanden, aber auch zu Großbritannien ist, dass die FTC zwar verwaltungsrechtlich tätig werden kann, Sanktionen aber nicht selbst verhängen kann. Auch die FTC sieht, wie insbesondere ihre Selbstdarstellung belegt, ihre Aufgabe nicht nur darin, Verbote auszusprechen und mit Geldbußen zu durchzusetzen, sondern vielmehr den geschädigten Verbrauchern über gerichtliche Rückzahlungsanordnungen und ähnliche Maßnahmen zu ihrem Recht zu verhelfen.

V. Synthese

Obwohl die behördliche Durchsetzung des Verbraucherschutzes in Großbritannien, den Niederlanden und den USA historisch ganz unterschiedliche Ausgangspunkte nahm, weist sie doch – spätestens nach den jüngsten Entwicklungen – erstaunliche Gemeinsamkeiten oder jedenfalls gemeinsame Trends auf.

1. Die Behördenstruktur

Die Behördenstruktur ist jeweils dergestalt, dass es eine zentrale Behörde (Competition and Market Authority in Großbritannien, Autoriteit Consument en Markt in den Niederlanden, Federal Trade Commission in den USA) gibt, die sowohl für Wettbewerbsrecht als auch für den Verbraucherschutz zuständig ist. Das mag auch der Ressourcenökonomie dienen, bringt aber zweifellos auch inhaltlich Synergieeffekte.

Soweit die Behörden ursprünglich ausschließlich oder primär der Kontrolle des Wettbewerbs dienten, hat sich mittlerweile doch der Verbraucherschutz als eigenständige und gleichwertige Aufgabe entwickelt, was auch in den internen Strukturen seinen Ausdruck findet. In Deutschland finden sich zarte Parallelen bei der Entwicklung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin).

Der Bereich der Finanzdienstleistungen ist jeweils auf spezielle Behörden mit besonderer Kompetenz in diesem Bereich ausgelagert. In Großbritannien muss die Financial Conduct Authority (FCA; früher Financial Services Authority) klar als Vorreiterin beim Verbraucherschutz angesehen werden. Dort wurden Instrumente entwickelt und getestet, die in ähnlicher Form später auch anderen Behörden zur Verfügung gestellt wurden.

Daneben bestehen jeweils weitere Spezialbehörden, insbesondere für Aspekte der Produktsicherheit. Jeweils wurden Vorkehrungen dafür getroffen, dass die Behörden miteinander kooperieren.

2. Die Ermittlungsbefugnisse

Die Ermittlungsbefugnisse sind typisch öffentlich-rechtlich bzw. (in Großbritannien) strafrechtlich ausgestaltet. Sie werden insbesondere in Großbritannien und den Niederlanden als großer Vorteil gegenüber den Möglichkeiten privater Kläger angesehen. Die USA nehmen hier eine gewisse Sonderstellung ein, weil hier auch private Kläger weiter reichende Möglichkeiten (Stichwort pre-trial discovery) haben als in Großbritannien, den Niederlanden oder auch Deutschland.

Bemerkenswert sind dabei insbesondere Instrumente, die die Behörde schon bei begründetem Verdacht zum Einsatz bringen kann, so dass sich die Beibringungslast umkehrt. Diese stehen sowohl der FTC als auch der FCA zur Verfügung, letzterer insbesondere in Bezug auf die consumer redress schemes, bei denen das fragliche Unternehmen zunächst selbst ermitteln muss, ob es gegen Verbraucherschutzgesetze verstoßen hat.

3. Die Rechtsdurchsetzung

Auch bei der Rechtsdurchsetzung gibt es, bei ursprünglich sehr unterschiedlichen Ausgangslagen, viele Konvergenzen, auch wenn Unterschiede verbleiben.

a. Informelle Rechtsdurchsetzung

In allen drei Ländern wird die Lösung von Problemen ohne förmliche Verfahren bevorzugt. Die Möglichkeiten der formalen Rechtsdurchsetzung wirken insoweit als Druckmittel bzw. Anreiz für Unternehmen, eine informelle Lösung zu finden. Allerdings haben auch alle drei Länder Strukturen geschaffen, die Unterlassungserklärungen oder Zusagen der Unternehmen einklagbar oder vollstreckbar machen, so dass diese Instrumente eine hohe Bindungswirkung mit sich bringen. Während die CMA dazu noch die Gerichte bemühen muss, kann die ACM einen Verstoß gegen eine Zusage unmittelbar mit einem Bußgeld ahnden.

Wichtig ist, dass auf diesem Weg hochflexible Rechtsdurchsetzung möglich ist, denn die Zusagen können sich auf die unterschiedlichsten Wege der Problembehebung beziehen. Dazu können Maßnahmen zählen, die der zukünftigen Einhaltung des Verbraucherrechts dienen (compliance), zunehmend werden auf diese Weise aber Maßnahmen zugesagt und verbindlich, die unmittelbar den geschädigten Verbrauchern zugutekommen.

b. Formelle Rechtsdurchsetzung

Die Maßnahmen der formellen Rechtsdurchsetzung unterscheiden sich zwischen den drei untersuchten Ländern, wenn auch hier gemeinsame Entwicklungen zu beobachten sind.

Die Unterschiede liegen vor allem darin, inwieweit die Behörden ihre Maßnahmen selbst vollstrecken können. Diese Möglichkeit haben die niederländische ACM und in Großbritannien die FCA sowie – über das Lizenzsystem – branchenspezifische regulators. Die CMA dagegen muss ebenso wie die FTC die Gerichte bemühen. In Großbritannien und den USA kann letzteres allerdings für ein Unternehmen, das vor den Gerichten unterliegt, so teuer werden, dass wiederum eine informelle Lösung vorzugswürdig erscheinen mag.

Das Instrumentarium der Rechtsdurchsetzung hat wichtige Entwicklungen durchlaufen. Es umfasst zunächst die „klassischen“ Maßnahmen, die Behörden typischerweise zur Verfügung stehen: zwangsgeldbewehrte Unterlassungsverfügungen bzw. -urteile und Geldbußen, Maßnahmen also, die auf die Abstellung schädlichen Verhaltens und auf Prävention zielen, die aber dem geschädigten Verbraucher keine Entschädigung (redress) bringen.

In allen drei Ländern ist aber mittlerweile anerkannt, dass genau letzteres jedenfalls ein Zweck der behördlichen Durchsetzung des Verbraucherschutzes sein muss. Insbesondere in Großbritannien ist dies offenkundig, wo die Möglichkeit von Rückzahlungs- oder Entschädigungsanordnungen in der strafrechtlichen Rechtsdurchsetzung gestärkt und in der verwaltungs- bzw. zivilgerichtlichen Rechtsdurchsetzung eingeführt und – im Falle der FCA – immer weiter verfeinert wurde. Auch die FTC hat diese Befugnis sowohl bei ihrem verwaltungsrechtlichen Vorgehen als auch im Rahmen der unmittelbaren Anrufung des Gerichts. Die entsprechenden Behörden weisen denn auch ihre diesbezüglichen Erfolge in ihren Berichten und Presseerklärungen prominent aus. In den Niederlanden ist diese Möglichkeit der ACM nicht formal gegeben, das neue Instrument der Verbindlicherklärung von Zusagen eröffnet der ACM aber genau diesen Weg und wird auch dazu genutzt. Hintergrund ist in allen drei Ländern die Erkenntnis, dass die Rechtsdurchsetzung im Wege des Individualrechtsschutzes sowohl zur Marktbereinigung als auch zum Schutz der Verbraucher unzureichend ist.

In den Individualrechtsschutz schalten sich die genannten Behörden formell nicht ein, sie nehmen Beschwerden aber als Informationsquelle zur Kenntnis. In Großbritannien steht im Übrigen mit dem Financial Ombudsman Scheme ein hocheffektives Streitschlichtungssystem im Bereich der Finanzdienstleistungen zur Verfügung.

4. Verwaltungsrecht oder Zivilrecht?

Eine jüngst in Deutschland im Rahmen des neuen Zahlungskontengesetzes zwischen dem Bundestag und dem Bundesrat heftig umstrittene Frage dreht sich um den Rechtsweg für Klagen von Behörden oder gegen behördliche Entscheidungen. Hier weisen die drei untersuchten Rechtsordnungen auf den ersten Blick erhebliche Unterschiede auf, die aber auf den zweiten Blick vielleicht von gar nicht so großer Bedeutung sind.

Im angelsächsischen Rechtsraum wird nicht streng zwischen dem Öffentlichen Recht und das Privatrecht unterschieden. In den USA und Großbritannien gibt es im Grundsatz keine getrennten Gerichtsbarkeiten, wobei die britischen Tribunals, darunter das für Entscheidungen der FCA zuständige Upper Tribunal, dem Öffentlichen Recht zuzuordnen sind. Bei der Überprüfung der Entscheidungen der FCA besteht aber ohnehin nur die Möglichkeit des (typisch verwaltungsrechtlichen) judicial review. Hier kommt das weite Entscheidungsermessen der FCA zum Tragen. In der Berufungsinstanz sind beide Rechtswege dann beim Court of Appeal zusammengeführt.

Der deutschen Trennung der Rechtswege kommt das niederländische Recht am nächsten. Hier wurde in der Tat problematisiert, dass Fragen des materiellen Verbraucherschutzes vor unterschiedlichen Gerichtsbarkeiten entschieden werden, je nachdem, ob die ACM einerseits oder Verbraucher, Wettbewerber oder Verbraucherverbände andererseits am Rechtsstreit beteiligt sind. In den Niederlanden sind die Rechtszüge aber weniger scharf getrennt als in Deutschland, weil für beide Rechtswege dieselben Gerichte zuständig sind, so dass das mögliche Problem divergierender Entscheidungen „auf dem kurzen Dienstweg“ vermieden werden kann.

VI. Thesen zur behördlichen Durchsetzung des Verbraucherschutzes in Deutschland

1. Zur Behördenstruktur

In allen drei untersuchten Ländern gibt es neben einer zentralen, für Wettbewerb und Verbraucherschutz zuständigen Behörde Spezialbehörden für bestimmte Wirtschaftsbereiche. Dem entspräche es in Deutschland, entweder das Bundeskartellamt als zentrale Wettbewerbsbehörde oder eine Behörde im Geschäftsbereich des BMJV mit Mitarbeitern, die bereits Erfahrungen mit der grenzüberschreitenden Durchsetzung des Verbraucherrechts nach dem VSchDG haben, mit der Durchsetzung des Verbraucherschutzes zu betrauen, daneben aber die Spezialzuständigkeiten insbesondere der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und der Bundesnetzagentur zu erhalten und eine institutionalisierte Koordination zwischen diesen Einrichtungen zu etablieren.

Will man in Analogie zu den Trading Standards Services in Großbritannien den deutschen Gewerbeaufsichtsämtern Zuständigkeiten im Verbraucherschutz im Allgemeinen geben, so wäre, auch angesichts der bisher sehr unterschiedlichen Vorgehensweisen der Gewerbeaufsichtsämter in den Rechtsgebieten, in denen sie bereits Kompetenzen haben, eine Koordination von deren Tätigkeit erforderlich.

2. Zu den Ermittlungsbefugnissen

Die Erfahrungen mit der privaten Rechtsdurchsetzung in Deutschland zeigen, dass die Aufklärung und Beweisbarkeit des Sachverhalts ein erhebliches Hindernis bei der Rechtsdurchsetzung darstellen. Die Aggregation von Wissen durch Verbraucherverbände lindert das Problem gegenüber der individuellen Rechtsdurchsetzung ein wenig, behebt es aber nicht. Der Weg über Auskunftsklagen, wie sie die Gerichte etwa in Vorbereitung einer Gewinnabschöpfungsklage nach § 10 UWG anerkannt haben,Footnote 288 verzögert die Rechtsdurchsetzung erheblich. Wirklicher Zugang zu relevanten Informationen war in der Vergangenheit erst eröffnet, wenn eine verbraucherrechtswidrige Praxis strafrechtliche Dimensionen erreichte, wie dies z. T. in den sog. Schrottimmobilien-Fällen der Fall war, und die Staatsanwaltschaft mit den Instrumenten der StPO ermittelte. Daraus ist abzuleiten, dass die Bekämpfung von Verstößen gegen das Verbraucherrecht auch unterhalb dieser Schwelle mit dem Vorhandensein öffentlich-rechtlicher Ermittlungsbefugnisse deutlich verbessert werden könnte. Als besonders effektiv haben sich dabei in Großbritannien und den USA Instrumente erwiesen, mit denen die Behörden den Unternehmer selbst zur Ermittlung des relevanten Sachverhalts und der Herausgabe dieser Informationen veranlassen kann; Ermittlungsbefugnisse, wie sie auch §§ 5 f. VSchDG für grenzüberschreitende Sachverhalte vorsieht.

Ob diese Ermittlungsbefugnisse für eigene Rechtsdurchsetzung genutzt oder zum Zwecke der Rechtsdurchsetzung an bestimmte private Akteure, etwa im Lauterkeitsrecht den Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. und die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs weitergereicht werden, wäre dann zweitrangig.

3. Zur Rechtsdurchsetzung

Die Möglichkeit staatlicher Behörden, bei Verstößen gegen Verbraucherschutzvorschriften Unterlassungsverfügungen zu erlassen und Bußgelder zu verhängen, stellt ein nicht unerhebliches Drohpotential dar, das die Rechtstreue der Unternehmen durchaus positiv beeinflussen kann, insbesondere wenn diese ein Verfahren durch Zusagen abwenden können. Eine unmittelbare Vollstreckbarkeit solcher Zusagen wäre ein Instrument, mit dem vor allem ohne den Zeitverlust, den zivilrechtliche Rechtsstreitigkeiten regelmäßig mit sich bringen, dem Verbraucherschutz effektiv gedient werden könnte.

Noch wichtiger wäre allerdings, wie auch die Entwicklung in den drei untersuchten Ländern belegt, als Reaktion auf die – rationale oder irrationale – mangelnde Klagebereitschaft der Verbraucher die Verzahnung der öffentlich-rechtlichen Durchsetzung mit der Entschädigung der betroffenen Verbraucher. Hier ist die Ausgangssituation in Deutschland derjenigen in den Niederlanden und in Großbritannien, wo niederschwellige Verfahren vor den county courts existieren, durchaus ähnlich. In Deutschland ist diese Verzahnung bereits im Wettbewerbsrecht des § 32 Abs. 2a GWB angelegt. Ein noch wichtigeres Anwendungsfeld, in dem dieses Instrument zugunsten der Verbraucher erprobt werden könnte, wäre das Recht der Finanzdienstleistungen, wo die BaFin nach § 4 Abs. 1a FinDAG ohnehin schon den Auftrag hat, die kollektiven Interessen der Verbraucher zu schützen. Die drohende Möglichkeit, aufgrund der Verwendung missbräuchlicher Klauseln oder aufgrund der Anwendung unlauterer Geschäftspraktiken die dadurch geschädigten Verbraucher zunächst ermitteln und dann entschädigen zu müssen, könnte die derzeit durchaus erfolgversprechenden Kalkulation mit Unrechtsgewinnen drastisch verändern und erhebliches Abschreckungspotential mit sich bringen. Insofern hätte eine solche Verzahnung auch präventive Wirkung.

Alternativ könnte ein solches Instrument auch den qualifizierten Einrichtungen i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 UKlaG an die Hand gegeben werden. Das LG Leipzig hat in einem nicht rechtskräftigen Urteil vom 10.12.2015 einen Rückzahlungsanspruch aus dem Beseitigungsanspruch des § 8 Abs. 1 UWG hergeleitet.Footnote 289 Ein vergleichbarer Beseitigungsanspruch wurde gerade in § 2 UKlaG, allerdings nicht in § 1 UKlaG für Klagen gegen missbräuchliche Allgemeine Geschäftsbedingungen, eingeführt. Hier besteht aber erhebliche Rechtsunsicherheit, so dass eine zivilrechtliche Lösung eine gesetzgeberische Klarstellung erfordern würde.

4. Zum Rechtsweg

Eine strikte Trennung der Rechtswege danach, ob eine Behörde oder ein privater Kläger am Verfahren beteiligt ist, empfiehlt sich nicht. Da die Verwaltungsgerichtsbarkeit und die ordentliche Gerichtsbarkeit in Deutschland sehr viel stärker getrennt sind als dies in den drei untersuchten Ländern der Fall ist, wäre hier eine einheitliche Zuordnung zur ordentlichen Gerichtsbarkeit zu befürworten, wie sie schon in den §§ 13 ff. VSchDG vorgesehen ist und auch gerade in § 50 ZKG verankert wurde.