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Selbstgemachte EU-Bescheinigungen

Urkundenfälschung (§ 267 StGB) – unionsrechtskonforme Auslegung – Konkurrenzen – Strafanwendungsrecht

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Fallsammlung zum Europäischen und Internationalen Strafrecht

Part of the book series: Juristische ExamensKlausuren ((KLAUSUREN))

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Zusammenfassung

Der deutsche Bauunternehmer U, ein im Handelsregister eingetragener Kaufmann aus Trier, plant, sich an der Ausschreibung eines Auftrags für den Bau eines großen Gebäudekomplexes der belgischen Regierung in Lüttich zu beteiligen. Er verspricht sich von einem Erfolg im Rahmen dieser Ausschreibung keinen großen Gewinn, möchte aber sein Personal und seine Maschinen auslasten. Nach den belgischen Ausschreibungsbedingungen ist neben anderen Unterlagen insbesondere eine EU-Bescheinigung über die bislang ausgeübten Tätigkeiten von U erforderlich. In Anwendung der einschlägigen, bereits umgesetzten EU-Richtlinien auf dem Gebiet der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs werden solche Bescheinigungen in Deutschland von den Handwerkskammern im Auftrag der EU ausgestellt. Die angegebenen Tätigkeiten müssen diesen hierfür anhand von aussagekräftigen Dokumenten nachgewiesen werden. Da U angesichts seines unsteten, teilweise auch kriminellen Lebenswandels Bedenken hat, eine solche EU-Bescheinigung auf regulärem Weg erhalten zu können, kommt er auf folgende Idee: Er bittet den mit ihm befreundeten Bauunternehmer F, der regelmäßig erfolgreich an internationalen Projektausschreibungen teilnimmt, ihm einmal ein Muster für eine solche EU-Bescheinigung zur Ansicht auszuleihen. Dieses Schriftstück kopiert U zunächst für sich mit Hilfe des hochwertigen Kopiergeräts in seinem Büro, bevor er es an F zurückgibt. Mit Hilfe seines PCs, eines Grafikprogramms und eines Laserdruckers druckt U sodann in derselben Schriftart und -größe wie auf der Originalbescheinigung des F seinen Namen, schneidet diesen aus und überklebt damit unter Verwendung eines handelsüblichen Klebestiftes den Namen des F auf der Kopie der EU-Bescheinigung. Schließlich kopiert U die auf diese Weise hergestellte Vorlage in einem Copyshop in der Innenstadt von Trier mit einem besonders leistungsfähigen Farbkopiergerät auf qualitativ hochwertiges Papier, so dass man die auf diese Weise hergestellte Kopie leicht für ein Originaldokument halten kann. Wie von Anfang an beabsichtigt, reicht U sodann das von ihm gefertigte Schriftstück mit seinen Unterlagen bei der für die Ausschreibung zuständigen belgischen Behörde in Lüttich ein. Der dort zuständige belgische Sachbearbeiter S bemerkt jedoch im Zuge einer sehr sorgfältigen Prüfung der von U eingereichten Unterlagen die fehlende Authentizität der EU-Bescheinigung und informiert die deutschen Strafverfolgungsbehörden über diesen Vorgang. Schließlich erhebt die Staatsanwaltschaft Trier Anklage zum zuständigen Gericht.

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Notes

  1. 1.

    LK-Zieschang, § 267 Rn. 4; AnwK-Brehmeier-Metz, § 267 Rn. 3 ff.; Zöller/Fornoff/Gries, BT II, 258.

  2. 2.

    Vgl. etwa NK-Puppe, § 267 Rn. 50.

  3. 3.

    BGHSt 24, 140 (141); Fischer, § 267 Rn. 19; Rengier, BT II, § 32 Rn. 25 ff.; Wessels/Hettinger, BT 1, Rn. 811; Zöller/Fornoff/Gries, BT II, 261; Beckemper, JuS 2000, 123 (124 f.).

  4. 4.

    BGH NStZ 2003, 543, 544; OLG Stuttgart NJW 2006, 2869 f.; LK-Zieschang, § 267 Rn. 117; MüKo-Erb, § 267 Rn. 96; Schönke/Schröder-Heine/Schuster, § 267 Rn. 42b; Fischer, § 267 Rn. 20.

  5. 5.

    Auf den ersten Blick mag für den ein oder anderen Bearbeiter möglicherweise eher die Tatalternative des Verfälschens (§ 267 I Alt. 2 StGB) einschlägig sein, bei der es im Gegensatz zu § 267 I Alt. 1 StGB nicht um eine Täuschung über die Identität des Urkundenausstellers, sondern um eine nachträgliche Inhaltsänderung der verkörperten Gedankenerklärung geht. Allerdings setzt eine Strafbarkeit nach § 267 I Alt. 2 StGB das Vorhandensein einer „echten“ Urkunde voraus, die – wie unter A. festgestellt – in Gestalt der Kopie der EU-Bescheinigung des F gerade nicht gegeben ist. An der Originalbescheinigung von F sind keinerlei Manipulationen vorgenommen worden. Infolgedessen kommt als Tatalternative im vorliegenden Kontext nur das (neue) Herstellen einer unechten Urkunde in Betracht.

  6. 6.

    Vgl. dazu die Ausführungen zum Urkundenbegriff unter A. I.

  7. 7.

    Hierzu etwa BGHSt 13, 382 (385); MüKo-Erb, § 267 Rn. 124 f.; Wessels/Hettinger, BT 1, Rn. 801.

  8. 8.

    BGHSt 2, 50 (52); LK-Zieschang, § 267 Rn. 1; AnwK-Brehmeier-Metz, Vor § 267 Rn. 2; Lackner/Kühl, § 267 Rn. 1; Rengier, BT II, § 33 Rn. 1; Wessels/Hettinger, BT 1, Rn. 789; Zöller/Fornoff/Gries, BT II, 257; a. A. NK-Puppe, § 267 Rn. 2 ff.

  9. 9.

    Vgl. Hecker, EuStR, Kap. 2 Rn. 4 ff.; Satzger, IntStR, § 6 Rn. 1.

  10. 10.

    EuGHE 1986, 1651 (1690); 1987, 3969 (3986); 1988, 4635 (4662); 1992, 131 (148); 2004, 8835; EuGH NJW 2006, 2465 (2467); 2010, 427 (429).

  11. 11.

    Ambos, IntStR, § 11 Rn. 49 ff.; Hecker, EuStR, Kap. 10 Rn. 33 ff.

  12. 12.

    Hecker, EuStR, Kap. 10 Rn. 69.

  13. 13.

    Schönke/Schröder-Heine/Schuster, § 267 Rn. 1b; Lackner/Kühl, § 267 Rn. 1; Hecker EuStR, Kap. 10 Rn. 69; Satzger, Europäisierung, 579; Vormbaum, Schutz der EU-Rechtsgüter, 124.

  14. 14.

    Für das subjektive Merkmal des Handelns „zur Täuschung im Rechtsverkehr“ genügt nach h. M. bereits dolus directus 2. Grades, also das sichere Wissen um den Eintritt des vorgestellten Täuschungserfolges; vgl. etwa BayObLG NJW 1998, 2917; Schönke/Schröder-Heine/Schuster, § 267 Rn. 91; AnwK-Brehmeier-Metz, § 267 Rn. 30; Lackner/Kühl, § 267 Rn. 25; Wessels/Hettinger, BT 1, Rn. 837; a. A. SK-Hoyer, § 267 Rn. 91.

  15. 15.

    Vgl. dazu nur Rengier, BT I, § 3 Rn. 48 ff.; Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 211 ff.; Zöller, BT I, Rn. 55 ff.

  16. 16.

    Vgl. dazu die Ausführungen unter C. I. 1.

  17. 17.

    BGHSt 2, 50 ff.; 36, 64 (65); Rengier, BT II, § 33 Rn. 31; Wessels/Hettinger, BT 1, Rn. 851; Zöller/Fornoff/Gries, BT II, 265.

  18. 18.

    BGHSt 5, 291 (293); BGH NStZ 2006, 100; Schönke/Schröder-Heine/Schuster, § 267 Rn. 79; Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, BT, § 31 Rn. 34 Fn 92; Rengier, BT II, § 33 Rn. 37.

  19. 19.

    SK-Hoyer, § 267 Rn. 114; Rengier, BT II, § 33 Rn. 37; für die Einstufung des Gebrauchens als mitbestrafte Nachtat demgegenüber OLG Nürnberg MDR 1951, 53.

Hinweise auf Rechtsprechung und Literatur

  • Beck, Kopien und Telefaxe im Urkundenstrafrecht, JA 2007, 423 ff.

    Google Scholar 

  • Esser, Europäisches und Internationales Strafrecht, 2014, § 2 Rn. 64–100

    Google Scholar 

  • Hecker, Europäisches Strafrecht, 5. Aufl., 2015, Kap. 10

    Google Scholar 

  • Nestler, Zur Urkundenqualität von Fotokopien und (Computer-)Faxen, ZJS 2010, 608 ff.

    Google Scholar 

  • Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht, 7. Aufl., 2016, § 6

    Google Scholar 

  • Satzger, Der Begriff der „Urkunde“ im Strafgesetzbuch, Jura 2012, 306 ff.

    Google Scholar 

  • Zöller/Fornoff/Gries, Strafrecht Besonderer Teil II, 2008, S. 256–270

    Google Scholar 

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Zöller, M.A. (2017). Selbstgemachte EU-Bescheinigungen. In: Fallsammlung zum Europäischen und Internationalen Strafrecht. Juristische ExamensKlausuren. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-54021-3_10

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