Zusammenfassung
In der HBO-Serie True Detective geht es in zwei kurzen Staffeln zu jeweils acht Episoden nur auf den ersten Blick um die Aufklärung serieller Morde: Hinter den mysteriösen Kriminalfällen steht eine breit angelegte Auseinandersetzung mit ökonomischen und ökologischen Verfallsstrukturen, politischer Korruption, ausgehöhlter Religiosität und sozialer Aufweichung durch vorrangig dysfunktionale oder brüchige Familien. In düsteren, postindustriell verwitterten Landschaften positionieren sich gebrochene und moralisch ambivalente Gesetzesvertreter gegen generationenübergreifende Strukturen des Bösen, die weit über einzelne Taten und Figuren hinausreichen. Durch die formalen und thematischen Elemente der »hard-boiled detective fiction« und des Film Noir knüpft die Serie mit ihrer Gesellschaftsdiagnose an bekannte literarische Gattungskonventionen und historisch verwurzelte Diskurse der USA an, um diese zugleich von innen heraus weiterzuentwickeln. Aus einer weit ausgefächerten Symbolik wiederkehrender Codes und intertextueller Bezüge (darunter zu Ambrose Bierce, Robert Chambers, Alfred Hitchcock, David Lynch und Edward Hopper) entsteht dabei eine komplexe Anordnung in sich verschachtelter Zeichensysteme, die metafiktional über die Handlung hinausweisen und in selbstreflexiver Geste gängige Wissens- und Erkenntnisstrukturen unserer Zeit in Frage stellen.
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- 1.
»In diesem Klima sucht alles Schatten, so dass eine der wesentlichen Eigenschaften des tiefen Südens diejenige ist, dass alles zumindest teilweise im Verborgenen bleibt.« [Alle Übersetzungen englischsprachiger Originalzitate wurden von der Autorin vorgenommen.]
- 2.
»Dieser Ort ist wie jemandes Erinnerung an eine Stadt, und diese Erinnerung befindet sich im Verblassen.
- 3.
»Eine Stadt, angeblich.«
- 4.
»True Detective ist mit nichts anderem im zeitgenössischen Fernsehen vergleichbar.«
- 5.
»die beste Show im Fernsehen.«
- 6.
»Solche Dinge passieren nicht in einem Vakuum. Ich garantiere dir, dass dies nicht sein erstes [Opfer] war.«
- 7.
»Wie kann er es gewesen sein, wenn wir ihn schon 1995 gefangen haben? In der Tat, wie soll das gehen, Detectives?
- 8.
»Nein, ich frage mich das nicht, Marty. Die Welt braucht böse Menschen. Wir bieten den anderen bösen Menschen die Stirn.«
- 9.
»eines mysteriösen, moralisch zweifelhaften Protagonisten, der tief in die schäbige Welt verwickelt ist, die ihn umgibt, sowie eines überwältigenden Gefühls von Fatalismus und Trostlosigkeit und einer sozialpolitischen Kritik, die nichts ergibt und nirgends hinführt.«
- 10.
»Diese Gattung widmet sich dem Lüften des Schleiers über den schmutzigen Wahrheiten der Feuchtgebiete, die gar nicht so sehr den Kitzel satanisch-rauschhafter Mordserien zu Tage bringen, sondern vielmehr die Verschwörungen der Erdölindustrie und der Umweltzerstörung.«
- 11.
»Du suchst ein Narrativ, befragst Zeugen. […] Packst Beweisstücke ab, erstellst eine Zeitlinie und konstruierst Tag für Tag eine Geschichte daraus.«
- 12.
»Ich denke, das menschliche Bewusstsein war ein tragischer Fehltritt in der Evolution. Wir sind uns unserer selbst zu bewusst geworden. Die Natur hat eine Ansicht von Natur geschaffen, die von ihr getrennt ist. Wir sind Kreaturen, die es nach dem Naturgesetz gar nicht geben sollte.
- 13.
»Das, woran du arbeitest, das darf nicht an deine Kinder heran. Und so, ähm, musst du manchmal den Kopf wieder freibekommen. Ich meine, zu guter Letzt ist es zum Wohle der Familie.«
- 14.
»In der Disziplin des Mistkerl-Seins bist du Michael Jordan.«
- 15.
»Ich erzähle sie genau so, wie ich sie vor dem Untersuchungsausschuss und in jeder Polizistenkneipe zwischen Houston und Biloxi erzählt habe, und wisst ihr, warum die Geschichte auch nach 17 Jahren immer noch dieselbe ist? Weil sie sich in genau dieser Weise abgespielt hat.«
- 16.
»Die schwarzen Sterne gehen auf. Du bist jetzt in Carcosa. Mit mir. Er sieht dich. Die Zeit ist ein flacher Kreis.«
- 17.
»Ich kann sagen, dass ich aus dieser Erfahrung mit einem größeren Respekt vor der Unantastbarkeit menschlichen Lebens hervorgegangen bin.«
- 18.
»Ich will nichts mehr wissen. In dieser Welt wird nichts je aufgelöst. Jemand hat mir mal gesagt, ›die Zeit ist ein flacher Kreis‹.Alles, was wir je getan haben oder tun werden, werden wir immer wieder und wieder tun.«
- 19.
»Kennt ihr den Fluch des Polizisten? Die Lösung war direkt vor meiner Nase, aber ich habe auf die falschen Hinweise geachtet.«
- 20.
»Meine Familie lebt hier schon sehr, sehr lange.«
- 21.
»Müssen wir wirklich Spiele spielen?«
- 22.
»Dieser Geschmack. Aluminium, Asche. Ich kenne diesen Geschmack. Hier ist es.«
- 23.
»Naja, früher gab es nur die Dunkelheit. Wenn du mich fragst, gewinnt das Licht.«
- 24.
»Der wahre Schurke ist überall und nirgends, zwischen den Apparaturen der Macht, die das Leben in Louisiana strukturieren.«
- 25.
»ein komplette Nullnummer, nur schäumende Niedlichkeit ohne jedes Innenleben.«
- 26.
»Aus dem staubigen Tafelberg wächst ihr dräuender Schatten hervor, verborgen in den Zweigen des giftigen Kreosots [auch: Teeröl]. Sie windet langsam ihre Dornen [auch: Wirbelsäule] zur sengenden Sonne empor, und als ich ihre Haut berührte, waren meine Finger blutüberströmt. In der verstummenden Abenddämmerung unter einem geschwollenen Silbermond kam ich mit dem Wind, um den Kaktus blühen zu sehen. Und fremde Hände hielten mich auf, die aufgetürmten Schatten tanzten, ich fiel in das dornige Gebüsch und fühlte eine zitternde Hand. Wenn das letzte Tageslicht die Felsen wärmt und die Klapperschlangen sich entrollen, werden Bergkatzen kommen, um deine Knochen fortzuschleppen. Und erhebe dich mit mir für immer über den schweigenden Sand, und die Sterne werden deine Augen sein und der Wind wird zu meinen Händen.«
- 27.
»Über der gesamten trostlosen Landschaft hing ein Baldachin aus niedrigen, bleiernen Wolken wie ein sichtbarer Fluch. In allem war Bedrohung und Vorahnung zu spüren – eine Spur des Bösen, eine Andeutung des Untergangs.«
- 28.
»An der Küste brechen dunkle Wogen/ Die Zwillingssonne hintern See gezogen/ Die Schaffen werden lang/ In Carcosa./ Seltsam die Nacht, da schwarze Sterne scheinen/ Und seltsame Monde am Himmel kreisen/ Doch seltsamer noch ist/ Das verlorene Carcosa.« (Chambers 2014, S. 7).
- 29.
»Dies ist, was mich beunruhigt, denn ich kann Carcosa nicht vergessen, an dessen Himmel schwarze Sterne hängen […] und in meinem Geist wird auf ewig die Erinnerung an die Bleiche Maske bleiben.« (Chambers 2014, S. 13).
- 30.
»Diese Welt ist ein Schleier, und das Gesicht, das ihr tragt, ist nicht das eure.«
- 31.
»Er warf das prächtige Diadem in die Luft.« (Chambers 2014, S. 39)
- 32.
»Ein Rasenmäher, gezogen von einem feisten Schimmel, schepperte über die grüne Wiese.« (Chambers 2014, S. 29)
- 33.
»Die Menschen verblassten, die Bögen und das gewölbte Dach verschwanden. Ich hob meinen versengten Blick zu dem unergründlichen Schein, und ich sah die schwarzen Sterne am Himmel hängen, und die feuchten Winde vom See von Hali umfächelten mein Gesicht. Und nun, weit entfernt, Meilen über den aufgewühlten finsteren Wellen, sah ich den Mond, von der Gischt betaut, und jenseits des Mondes erhoben sich die Türme von Carcosa.« (Chambers 2014, S. 95).
- 34.
»Man verwendet die Untersuchung eines Verbrechens als eine Art Schmelzkäse, unter dem man den Zuschauern eine Studie des menschlichen Charakters unterschmuggelt.«
Literatur
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Bierce A (1974 [1886]) An Inhabitant of Carcosa. In: Clifton Fadiman (Hrsg) The Collected Writings of Ambrose Bierce. Kensington, New York, S 532–535
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Chambers R (2014) Der König in Gelb. Festa, Leipzig
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Däwes, B. (2017). Metaphysics, Myth, and Meaning. In: Storck, T., Taubner, S. (eds) Von Game of Thrones bis The Walking Dead. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-53689-6_19
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