1 Herztransplantation

1.1 Allgemeines

Die postoperative intensivmedizinische Behandlung von Patienten nach Herztransplantation basiert häufig auf Erfahrung und deren Weitergabe zwischen den Transplantationszentren (hohe Variabilität).

  • Die 5-Jahres-Überlebensrate nach Herztransplantation beträgt ca. 70–80 % (1-Jahres-Überlebensrate: ca. 80–90 %).

  • Im Jahr 2014 wurden in Deutschland 304 Herztransplantationen in 21 Kliniken durchgeführt. 2014 wurden 512 Patienten zur Transplantation angemeldet (https://www.dso.de/organspende-und-transplantation/transplantation/herztransplantation.html).

  • 1967 wurde in Kapstadt die weltweit erste Herztransplantation vorgenommen (Prof. Christiaan Barnard).

  • Faktoren, welche den frühen postoperativen Verlauf nach Herztransplantation beeinflussen: präoperativer Zustand (Begleiterkrankungen, Grad der hämodynamischen Beeinträchtigung und sekundärer Organschäden), chronische Medikation und Funktion des Transplantates

  • In Frage kommen Patienten mit terminaler Herzinsuffizienz (meist ischämische Herzerkrankung und Kardiomyopathien), die unter maximaler konservativer Therapie und nach Ausschöpfung invasiver Therapieoptionen (z. B. CRT, ICD) eine schwere funktionelle Einschränkung und damit eine sehr schlechte Prognose haben

  • Für die Gesamtbeurteilung eines Patienten bzgl. Indikation zur Transplantation ist wichtig:

    • Eine möglichst differenzierte Einschätzung seiner Prognose, die der mittleren 1-Jahres-Überlebensrate nach Transplantation gegenübergestellt wird

    • Basis dafür sind möglichst viele Parameter, die die funktionelle kardiale Einschränkung reflektieren, sowie Multimarker-Scores wie Seattle Heart Failure Model (www.seattleheartfailuremodel.org) oder Heart Failure Survival Score (HFSS)

    • Angesichts des absoluten Organmangels muss neben der Bedürftigkeit für ein Organ auch die Erfolgsaussicht nach Transplantation bei der Entscheidungsfindung berücksichtig werden, die u. a. von Alter und extrakardialer Komorbidität abhängt.

  • Diagnostik (im Vorfeld):

    • Nichtinvasive Diagnostik: EKG, laborchemische Untersuchungen, Immunologie (Blutgruppe, HLA-Typisierung, PRA [„panel-reactive antibody“, sog. anti-HLA-Antikörper]), Mikrobiologie (Serologie, Virologie, Mykologie, Bakteriologie), Echokardiographie, Spiroergometrie, Sonographie des Abdomens, Karotis-Doppler-Sonographie, Konsiliaruntersuchungen (HNO, Zahnarzt, Psychiatrie, Gynäkologie/Urologie), ggf. CT-Bildgebung

    • Invasive Diagnostik: Links- und Rechtsherzkatheter (ggf. mit Vasodilatatortestung bei erhöhtem pulmonalem Gefäßwiderstand)

  • Möglichkeiten des Organersatzes:

    • Orthotope Herztransplantation (biatrial nach Lower und Shumway, bikaval oder total-orthotop)

    • Ggf. Bridging-Therapie mit mechanischen Unterstützungssystemen, wenn die hämodynamische Beeinträchtigung das Überleben bis zur Organverfügbarkeit (aktuell unter High-Urgency-[HU] Bedingungen 5–12 Monate) stark gefährdet

    • HU-Kriterien im Eurotransplant -Bereich:

      • hämodynamische Voraussetzungen: Herzindex <2,2 l/min/m2 und SvO2 <55 % und PCWP ≥10 mm Hg

      • plus notwendige Katecholamintherapie (mindestens 48 h): Dobutamin >7,5 µg/kg KG/min oder Milrinon >0,5 µg/kg KG/min oder äquivalente Medikation (z. B. Levosimendan)

      • plus zusätzliche Zeichen von sekundären Organstörungen: Natrium <136 mmol/l, Kreatininanstieg, Transaminasenanstieg oder Zeichen der zerebralen Minderperfusion

    • Möglichkeiten der Bridging-Therapie → mechanische Kreislaufunterstützung

      • Parakorporale Systeme: mono- oder biventrikuläre Unterstützung mit dem Excor-System (pneumatische [pulsatile] Systeme, d. h. mit Druckluft)

      • Axial- oder Zentrifugalpumpen (z. B. Heartware HVAD, Heartmate II, Incor, Jarvik 2000): kontinuierlicher Fluss ohne Pulsation (kein Puls tastbar)

      • Kunstherz („total artificial heart „): Implantation eines biventrikulären Systems nach Exzision des erkrankten Herzens

  • Richtlinien zur Organtransplantation: § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und 5 Transplantationsgesetz (letzte Änderungen 2013)

1.2 Indikationen und Kontraindikationen

(Tab. 24.1, Tab. 24.2, Tab. 24.3)

Tab. 24.1 Indikationen zur Herztransplantation
Tab. 24.2 Kontraindikationen zur Herztransplantation
Tab. 24.3 Dringlichkeitsstufen der Herztransplantation

1.3 Intensivmedizinische Nachsorge

Besonderheiten nach Herztransplantation

  • Monitoring von Arrhythmien (kontinuierliches EKG) und Hämodynamik

  • Monitoring von Abstoßungen (12-Kanal-EKG, transthorakale Echokardiographie, Myokardbiopsien)

  • Monitoring der Immunsuppression (Spiegelbestimmungen, Blutbild)

  • Einhaltung von strengen Hygienemaßnahmen

  • Beachtung der kardialen Denervierung (erhöhte Ruhefrequenz)

  • Transplantatischämie

Hämodynamisches Monitoring

  • Bestimmung von Widerständen, Drücken und Herzzeitvolumen

  • Insbesondere Messung des pulmonalen Gefäßwiderstands über den Pulmonaliskatheter zum frühzeitigen Erkennen eines Rechtsherzversagens

  • Echokardiographie

Immunsuppression

1.3.1 Postoperatives hämodynamisches Monitoring

  • EKG-Monitoring

  • 12-Kanal-EKG

  • Invasive arterielle Druckmessung

  • ZVK bzw. PAC (temporär: insbesondere HZV-Messung)

  • Ausscheidung/Bilanzierung

  • Echokardiographie

1.3.2 Intra- und frühpostoperative Immunsuppression (Induktionstherapie)

  • Steroide: 500–1000 mg Methylprednisolon i.v. zu Beginn oder während der Operation

  • Ggf. additiv ATG (Antithymozytenglobulin) je nach Zentrum:

    • Unmittelbar postoperativ: intrakutane Injektion von ATG zum Ausschluss/Nachweis einer möglichen allergischen Reaktion

    • 4 h postoperativ: Beginn der Induktionstherapie mit ATG (1,5 mg/kg KG) i.v. über 6 h (Cave: Nierenversagen)

    • Die Erfolgskontrolle findet täglich durch Bestimmung der absoluten T-Lymphozyten-Zahl (Normwert: 1300–2300 Zellen/µl) bis zum Erreichen therapeutischer Spiegel von Calcineurininhibitoren statt.

    • Ziel: T-Zell-Depletion auf <100 Zellen/µl; in der Regel ist dadurch eine einmalige Applikation von ATG ausreichend; postoperatives Nierenversagen und Überimmunsuppression (erhöhte Gefahr von Infektionen, Wundheilungsstörungen und Inzidenz maligner Tumoren) können somit vermieden werden.

  • Die Induktionstherapie kann auch mit IL-2-Rezeptorantagonisten (z. B. 20 mg Basiliximab als Kurzinfusion) durchgeführt werden.

1.3.3 Basisimmunsuppression (initial Dreierkombination):

  • Beginn der Basisimmunsuppression: ab dem 1. postoperativen Tag

  • Tripelimmunsuppression: Tacrolimus plus MMF (Mycophenolatmofetil) plus Steroide (nach 6–12 Monaten kann die Steroidtherapie ausgeschlichen werden)

  • Erhaltungstherapie (Zweierkombination): Tacrolimus plus MMF (alternative Regimes: Tacrolimus plus Sirolimus, Ciclosporin plus MMF, Sirolimus/Everolimus plus MMF)

1.4 Komplikationen nach Herztransplantation

(Tab. 24.4)

Tab. 24.4 Komplikationen nach Herztransplantation

1.4.1 Pumpversagen („Low-cardiac-output“-Syndrom)

  • Hintergrund: immunologische (hyperakute Abstoßung, jedoch eher selten) oder nicht immunologische Ursachen (z. B. hämodynamische Instabilität durch myokardiale Kontraktilitätsstörungen)

  • Monitoring:

    • Hämodynamisches Monitoring (insbesondere Rechtsherzkatheter und Echokardiographie)

    • Rhythmologisches Monitoring (kontinuierliches EKG-Monitoring, täglich 12-Kanal-EKG)

  • Maßnahmen:

    • Hämodynamische Optimierung → medikamentös (Katecholamine, Levosimendan, Tab. 24.5)

    • Schrittmacherstimulation

    • IABP und ECMO (ggf. belassen der Systeme über die 48-h-Grenze)

    • Ggf. Plasmapherese bei Verdacht auf hyperakute Abstoßung

Tab. 24.5 Katecholamintherapie beim “Low-cardiac-output”-Syndrom

1.4.2 Rechtsherzversagen

  • Hintergrund: Das Transplantat ist nicht auf eine erhöhte rechtsventrikuläre Nachlast (pulmonale Hypertonie) eingestellt, sodass die Gefahr des akuten Rechtsherzversagens besteht (Abfall des CI, Anstieg des PVR und des ZVD).

  • Monitoring:

    • Messung des pulmonalen Widerstands mittels Pulmonaliskatheter, u. a. Bestimmung des rechtsventrikulären Cardiac Power-Index (CPI): rvCPI = CI × mPAP × 0,0022 (W/m2)

    • Tägliche echokardiographische Kontrollen (Fragestellungen: Dilatation von RA und RV, paradoxe Septumbewegung, hochgradige Trikuspidalklappeninsuffizienz, dilatierte V. cava inferior, TAPSE [„tricuspid annular plane systolic excursion“]; Tab. 24.6, Tab. 24.7)

  • Maßnahmen:

    • Allgemeines: ausreichende FiO2 → Sauerstoff vermindert die hypoxische pulmonale Vasokonstriktion, senkt den PAP und verbessert das HZV

    • Steigerung der rechtsventrikulären Inotropie: Dobutamin (ggf. Adrenalin), Milrinon und Levosimendan

    • Optimierung der Vorlast: kontrolliertes Volumenmanagement; bei dilatiertem RV und eingeschränkter Pumpfunktion sollte versucht werden, den RV durch vorsichtige Gabe von Nitraten und/oder Diuretika zu entlasten (im Gegensatz dazu wird eine Volumengabe bei fehlender pulmonaler Hypertonie gut toleriert)

    • Senkung der Nachlast: z. B. NO-Beatmung, Prostaglandinderivate (Epoprostenol, Alprostadil)

    • Weitere Optionen: Implantation eines rechtsventrikulären Unterstützungssystems (z. B. rechtsventrikuläre Impella-Pumpe) oder atriale Septostomie (trotz maximaler Therapie und schwerer pulmonaler Hypertonie)

  • Anmerkung: Levosimendan wirkt auch auf den rechten Ventrikel im Falle einer Rechtsherzinsuffizienz

Tab. 24.6 Echokardiographische Abschätzung des RA-Drucks über Weite und Kollaps der V. cava inferior
Tab. 24.7 Korrelation der TAPSE mit der rechtsventrikulären Ejektionsfraktion (RV-EF)

1.4.3 Trikuspidalklappeninsuffizienz

  • Hintergrund : Verziehung des Trikuspidalklappenannulus bei der biatrialen Implantationstechnik (nach Lower und Shumway) sowie Potenzierung durch Erweiterung des Annulus im Rahmen einer Rechtsherzinsuffizienz/Gefügedilatation

  • Monitoring: tägliche echokardiographische Kontrollen

  • Maßnahmen: primär bikavale bzw. total-orthotope Implantationstechnik, kausaler Therapieansatz (chirurgische Korrektur), supportive Therapie mit iNO (= inhalatives Stickstoffmonoxid) oder Ilomedin sowie Dobutamin (ggf. Adrenalin), Milrinon oder Levosimendan zur Steigerung der rechtsventrikulären Kontraktilität

1.4.4 Infektionen

  • Akute postoperative Phase (1. Monat): meist bakterielle Infektionen (meist als nosokomiale Pneumonie, Katheter- oder Wundinfektionen, intrathorakale Infektionen)

  • Intermediäre postoperative Phase (2.–6. Monat): bakterielle, virale oder fungale Infektionen (CMV, Pneumocystis jirovecii, Toxoplasma gondii, Schimmelpilze)

  • Späte Posttransplantationsphase (>6 Monate): häufig CMV-Reaktivierung, ansonsten unter Berücksichtigung der Immunsuppression kein wesentlich erhöhtes Infektionsrisiko im Vergleich zur gesunden Population

  • Monitoring:

    • Procalcitoninbestimmung (Anstieg bei Infektionen und nicht bei Abstoßungen, dagegen CRP-Anstieg bei Abstoßungen und Infektionen)

    • Bestimmung des CMV-pp65-Proteins bzw. CMV-DNS-Nachweis (PCR)

  • Maßnahmen (Infektprophylaxe):

    • Patienteneinzelbox

    • Perioperative Antibiotikaprophylaxe (insbesondere gegen Staphylococcus spp.)

    • Perioperative Antimykotikaprophylaxe (insbesondere gegen Candida mit z. B. Nystatin und Pneumocystis-jiroveci-Prophylaxe mit Trimethoprim-Sulfamethoxazol [Cotrimoxazol])

    • Postoperative CMV-Prophylaxe: Ganciclovir oder Valganciclovir

    • Einhaltung hygienischer Maßnahmen

    • Regelmäßige mikrobiologische Diagnostik

1.4.5 Abstoßung

(Tab. 24.8)

  • Abstoßungen sind innerhalb der ersten 2 Jahre nach Herztransplantation für ca. 20 % der Todesfälle verantwortlich.

  • Formen der Abstoßung: zelluläre und humorale/vaskuläre Abstoßung

  • Monitoring:

    • Endomyokardbiopsie (transjuguläre/-femorale Technik; Cave: in 10–15 % falsch-negative Ergebnisse, sog. „sampling error“): Stufenschnitte der Biopsien mit Hämatoxylin-Eosin-Färbung und Masson-Trichrom-Färbung (Bindegewebsfärbung) sowie Immunhistochemie für C4d (Komplementkomponente) und CD68 (Monozyten, Makrophagen)

    • Intramyokardiales EKG (Ableitung über epikardial angelegte Schrittmacherdrähte)

    • Zytoimmunologie (Differenzierung von T-Lymphozyten- und Monozytensubpopulationen mittels FACS [„fluoreszenz activated cell sorting“, FACS-Durchflusszytometrie])

    • Bildgebung: transthorakale Echokardiographie oder ggf. MRT

    • Biomarker (Troponine, NT-proBNP [N-terminale B-Typ-natriuretische-Peptide])

  • Maßnahmen: je nach Abstoßungsart und klinisch-pathologischem Schweregrad

Tab. 24.8 Klinische Einteilung der Abstoßungsreaktionen

1.4.6 Akute Abstoßung

(Tab. 24.9, Tab. 24.10, Tab. 24.11)

Tab. 24.9 Histopathologische Einteilung der akuten Abstoßung
Tab. 24.10 Abstoßungstherapie bei akuter Abstoßung
Tab. 24.11 Übersicht über die Immunsuppressiva

Die akute Abstoßung ist die Hauptursache für den frühen Transplantatverlust bei der Herztransplantation.

CMV-Reaktivierung

  • Eine wichtige Differenzialdiagnose der Abstoßung ist die CMV-Reaktivierung. Immer Diagnostik auf akute CMV Reaktivierung mit durchführen.

  • Eine Abstoßungstherapie mit Intensivierung kann eine CMV-Reaktivierung begünstigen, umgekehrt vermutet man, dass CMV-Reaktivierungen Abstoßungen triggern.

1.5 Ambulante Nachsorge

  • Ziel: Wiedereingliederung des HTX-Patienten ins Alltagsleben und frühzeitige Aufdeckung von Komplikationen

  • Patientenbezogene Maßnahmen: Führen eines Tagebuchs (Blutdruck, Puls, Temperatur, Körpergewicht, Allgemeinbefinden)

  • Strukturierte Kontrollen: (emotionale) Betreuung, körperliche Untersuchung, Laborchemie (inklusive Spiegelbestimmung der Immunsuppressiva), EKG, CMV-Diagnostik (CMV-Ak, CMV-pp65-Protein , CMV-DNS-Nachweis [PCR]), Echokardiographie, Myokardbiopsie (initial monatlich); jährliches Screening nach Malignomen

  • Lebenslange Anbindung an Zentren (Herzinsuffizienz-/HTX-Ambulanz)

2 Lungentransplantation

2.1 Allgemeines

  • Die Lungentransplantation ist ein Therapieverfahren für Patienten im Endstadium von Lungenerkrankungen mit nur noch begrenzter Prognose (Hartert et al. 2014).

  • Die 5-Jahres-Überlebensrate nach Lungentransplantation beträgt ca. 50–60 % (1-Jahres-Überlebensrate: ca. 80 %).

  • Die 90-Tage-Mortalität beträgt 10 % und ist bei Nierenversagen, primärer Transplantatdysfunktion oder Langzeitbeatmung erhöht.

  • Die Doppellungentransplantation ist hinsichtlich des Langzeitergebnisses der Einzellungentransplantation überlegen (5-Jahres Überlebensrate 57 % versus 47 %).

  • Im Jahre 1963 gelang die erste einseitige Lungentransplantation (James D. Hardy, Jackson/Mississippi), 1981 zum ersten Mal eine erfolgreiche Herz-Lungen-Transplantation (Reitz, Standford) und 1986 die erste beidseitige Lungentransplantation.

  • Im Jahr 2014 wurden in Deutschland 352 Lungentransplantationen nach postmortaler Spende in 15 Zentren durchgeführt. Im Jahr 2014 wurden 413 Patienten neu zur Transplantation angemeldet [https://www.dso.de/organspende-und-transplantation/transplantation/lungentransplantation.html].

  • Richtlinien zur Organtransplantation: § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und 5 Transplantationsgesetz (letzte Änderungen 2013)

  • Internationale Guidelines zur Lungentransplantation: Konsensuspapier 2014 (Weill et al. 2015)

  • Respiratorische Vorbereitung des Lungenspenders (im Fall von Hirntod):

    • Vermeidung der Lungenminderperfusion (MAP ≥60 mm Hg)

    • Steroidgabe zur Verbesserung des Gasaustausches (Methylprednisolon 15 mg/kg KG/Tag)

    • Bronchoskopie zur Beurteilung der anatomischen Verhältnisse sowie Beseitigung von Atelektasen oder Fremdkörpern

    • Recruitment

  • Überbrückungsmaßnahmen bis zur Lungentransplantation („bridge to transplant“):

    • Maßnahmen: mechanische Beatmung, extrakorporale Verfahren als Ultima ratio (z. B. ECMO)

    • Indikationen: junges Alter, Abwesenheit eines Multiorganversagens und gutes Potenzial bezüglich einer Rehabilitation

    • Kontraindikationen: Multiorganversagen, septischer Schock, schwere AVK, prolongierte mechanische Beatmung, höheres Alter, HIT, Adipositas

  • Voraussetzungen zur Lungentransplantation (Weill et al. 2015): Chronische, terminale Lungenerkrankung, welche folgende 3 Kriterien erfüllt:

    • Hohes Risiko (>50 %), durch die bestehende Lungenerkrankung innerhalb von 2 Jahren zu versterben, wenn keine Lungentransplantation durchgeführt wird

    • Hohe Wahrscheinlichkeit (>80 %), dass der Patient die ersten 90 Tage nach Transplantation überlebt

    • Hohe Wahrscheinlichkeit (>80 %), dass der Patient unter Berücksichtigung der allgemeinen medizinischen Perspektive die ersten 5 Jahre nach Transplantation überlebt

  • Möglichkeiten der Lungentransplantation

    • Einseitige Lungentransplantation (SLTX), d. h. lediglich ein Lungenflügel wird transplantiert

    • Doppelseitige bzw. bilaterale Lungentransplantation (DLTX)

    • Herz-Lungen-Transplantation (HLTX), d. h. hier werden Herz plus Lunge en bloc transplantiert

2.2 Indikationen

Das Lungenemphysem (finale COPD) stellt weltweit die häufigste Indikation zur Lungentransplantation dar. Etwa 1/3 der Indikationen sind rauchassoziiert (!). In den letzten 5 Jahren fand eine Verschiebung der Indikation in Richtung der idiopathischen Lungenfibrose als häufigste Indikation statt.

  • Lungenemphysem/COPD (GOLD-Stadium IV/D)

  • Idiopathische Lungenfibrose

  • Alpha-1-Antitrypsinmangel

  • Mukoviszidose (zystische Fibrose)

  • Idiopathische pulmonale Hypertonie

  • andere Erkrankungen wie Sarkoidose, Bronchiektasen, Lymphangioleiomyomatose, Bronchiolitis obliterans

2.3 Kontraindikationen

(Tab. 24.12)

Tab. 24.12 Kontraindikationen zur Lungentransplantation

2.4 Intensivmedizinische Nachsorge

Das intensivmedizinische Management nach Lungentransplantation sollte sich insbesondere auf die frühzeitige Detektion postoperativer Komplikationen konzentrieren (z. B. Blutungen, Phrenikusläsion). Die primäre Transplantatdysfunktion und die prolongierte mechanische Beatmung stellen die wesentlichen limitierenden Faktoren dar (Fuehner et al. 2016).

2.4.1 Postoperative Nachsorge

  • Hämodynamik (Kontrolle und Optimierung): insbesondere des rechten Herzens (Rechtsherzversagen → Pulmonaliskatheter), Cave: arterielle Hypertonie (<140/90 mm Hg) bei vorbestehender pulmonaler Hypertonie

  • Vermeidung einer primären Transplantatdysfunktion: falls hämodynamisch vertretbar, dann in den ersten 48 h eher eine negative Bilanz anstreben sowie ggf. NO-Behandlung

  • EKG-Kontrollen: Vorhofarrhythmien sind in den ersten 4 Wochen nach Lungentransplantation häufig (Vorhofflimmern/-flattern)

  • Beatmung: kein standardisierter Beatmungsmodus (PEEP 5–12,5 cm H2O, paO2-Ziel >60 mm Hg)

  • ECMO: z. B. elektiv bei Patienten mit schwerer pulmonaler Hypertonie im venoarteriellen Modus oder sekundär bei primärer Graftdysfunktion im venovenösen Modus.

  • Echokardiographie: Nachweis/Kontrolle der Rechts- und Linksherzfunktion (Verdacht auf bei pulmonaler Hypertonie)

  • Medikamentenmonitoring (Immunsuppressiva): Beachtung von Neben- und Wechselwirkungen der Immunsuppression (Tab. 24.25, Tab. 24.26)

  • Bronchoskopische Kontrollen: Kontrolle der Anastomosen, Fibrinabtragung

  • Infektionsmonitoring:

    • Bronchoalveoläre Lavage (BAL), Tracheobronchialsekret

    • Antibiotikaprophylaxe für 3–14 Tage (bei Mukoviszidose und anderen suppurativen Lungenerkrankungen je nach Keimspektrum)

    • Antimykotische Prophylaxe (z. B. inhalatives Amphotericin B, Triazolpräparate)

    • Präemptive Therapie von interkurrenten Infekten

  • Darmmotilität (oraler Kostaufbau erst nachdem der Patient abgeführt hat)

  • Drainagenmanagement (Förderrate: < oder >200–400 ml/Tag, Luftleck, Blut?)

  • Nierenfunktion (Diurese, Retentionsparameter)

2.4.2 Intra- und frühpostoperative Immunsuppression (Induktionstherapie)

  • Üblich ist ein initialer Steroidstoß: 500–1000 mg Methylprednisolon i.v.

  • Anmerkung: Nicht einheitlich praktiziert (etwa 50 % der Zentren weltweit) verwenden andere Induktionsschemata

  • Am gebräuchlichsten sind ATG (Antithymozytenglobulin) oder IL-2-Rezeptorantagonisten

2.4.3 Basisimmunsuppression

  • Tripeltherapie: Calcineurininhibitor (Ciclosporin A oder Tacrolimus), Zellzyklusinhibitoren (Mycofenolatmofetil, Azathioprin) und Steroide (Prednisolon)

  • Nebenwirkungsprofil wichtiger Immunsuppressiva: Tab. 24.25

Calcineurininhibitoren sollten, wenn möglich, oral oder enteral über Magensonde appliziert werden.

2.4.4 Prophylaktische Maßnahmen

  • Pneumocystis-jiroveci-Pneumonie : lebenslange Prophylaxe mit Cotrimoxazol

  • Cytomegalievirusinfektion (CMV ):

    • Prophylaxe mit Valganciclovir über 3 Monate

  • Pilzprophylaxe: Azolpräparate (zentrumspezifisch, zum Teil lebenslang)

2.5 Komplikationen nach Lungentransplantation

(Tab. 24.13)

Tab. 24.13 Komplikationen nach Lungentransplantation

2.5.1 Primäre Graftdysfunktion (PGD)

  • Graduierung 0–3 in Anlehnung an ARDS-Stadien (Tab. 24.14).

  • Auftreten: innerhalb der ersten 72 h nach Transplantation (Christie et al. 2005)

  • Häufigkeit: 10–25 %

  • Hohe Mortalität (40 % nach 30 Tagen) → häufigste Todesursache in den ersten 30 Tagen nach Lungentransplantation

  • Klinik und Therapie ähneln dem ARDS (supportiv, Beatmung, NO, ECMO)

Tab. 24.14 Einteilung der primären Graftdysfunktion (PGD)

2.5.2 Thoraxchirurgische Komplikationen

  • Nervale Komplikationen: Läsionen des N. phrenicus mit Zwerchfellparese oder Läsionen des N. vagus mit Magenentleerungsstörung, N. recurrens (Stimmbandparese)

  • Verletzungen des Thorax: Pneumo-/Hämatothorax, Chylothorax (Verletzungen des Ductus thoracicus) oder bronchopleurale Fisteln

2.5.3 Infektionen

  • Infektion en stellen mit >30 % die Haupttodesursache nach Lungentransplantation dar

  • Auftreten: insbesondere in den ersten 6 Monaten nach Transplantation

  • Bei Lungentransplantierten sind 75 % der Infektionen pulmonalen Ursprungs

  • Klinik: sehr variabel (z. T. asymptomatisch), Husten fehlt aufgrund der Denervierung des Transplantats häufig

  • Ursachen: Immunsuppression, verminderter Hustenreflex, reduzierte mukoziliäre Clearance

  • Diagnostik: bronchoalveolärer Lavage zur Materialgewinnung, ggf. transbronchiale Biopsien; Labor (inkl. Blutkulturen), Blutgase, Röntgenthorax (ggf. CT-Thorax), Vollbluttalspiegel der Immunsuppressiva, CMV-pp65-Antigen, Legionellen und Pneumokokkenantigen im Urin

  • Bakterielle Infektionen: nosokomial, v. a. Staphylococcus aureus, gramnegative Erreger

  • Pilzinfektionen: Aspergillus spp., Scedosporium, Zygomyzeten

  • Virusinfektionen: meist CMV-Infektion, ambulant erworbene respiratorische Virusinfektionen („community acquired respiratory virus“, CARV)

2.5.4 Abstoßung

Diagnostische Kriterien der Lungenabstoßung (Stewart et al. 2007) s. Tab. 24.15.

Tab. 24.15 LTX-Abstoßung, Beschreibung und Maßnahmen

Die häufigsten Todesursachen nach Lungentransplantation sind Infektionen/Sepsis und die chronische Abstoßung (Bronchiolitis-obliterans-Syndrom ). Bei notfallmäßiger Aufnahme von lungentransplantierten Patienten mit respiratorischer Insuffizienz sollte umgehend telefonischer Kontakt mit dem betreuenden Zentrum hergestellt werden.

3 Nierentransplantation

3.1 Allgemeines

Formen der Nierentransplantation

Postmortale Organspende

  • Niere eines hirntoten Organspenders

  • Sonderformen

    • Eurotransplant Senior Programm (ESP): auch „old for old“ genannt: Niere eines hirntoten Organspenders >65 Jahre für Empfänger >65 Jahre

    • Acceptabel-Mismatch-Programm (AM-Programm): hochimmunisierte Patienten, die risikoadaptiert bevorzugt transplantiert werden

    • High-urgent-Programm: Notfalltransplantation bei fehlendem Dialysezugang und/oder Suizidgefahr

Lebendspende

  • Blutgruppenkompatibel oder -inkompatibel

  • Cross-over: zwischen 2 Paaren werden blutgruppenkompatibel Lebendspenden realisiert

3.2 Indikationen

  • Dialysepflichtige, chronische Nierenerkrankung

  • Bei zeitnah bevorstehender Dialyseeinleitung bei chronischer Nierenerkrankung auch primäre (präemptive) Nierentransplantation durch Lebendspende möglich

  • Kombinierte Organtransplantation, z. B. Niere-Pankreas bei Diabetes mellitus Typ 1

3.3 Kontraindikationen

(Tab. 24.16)

Tab. 24.16 Kontraindikationen zur Nierentransplantation

3.4 Betreuung eines nierentransplantierten Patienten auf Intensivstation

  • Kreatininanstieg → mögliche Ursachen:

    • Exsikkose

    • Harnwegsinfekt

    • CMV- und BK-Polyomavirus-Infektion

    • Nephrotoxizität bei Überdosierung der Immunsuppressiva, speziell Ciclosporin/Tacrolimus

    • Interstitiell-allergische Nephritis, z. B. durch neue Medikation

    • Durchblutungsstörung → Embolie, Thrombose, Anastomosenstenose

    • Rekurrenz der Grunderkrankung oder De-novo-Erkrankung

    • Abstoßung

    • Harnaufstau → postrenales Nierenversagen (z. B. Ureterstenosen, v. a. frühpostoperativ, Lymphozele)

    • Thrombotische Mikroangiopathie

  • Klassische (z. B. CMV) und opportunistische Infektionen (z. B. Aspergillose, Nocardiose, Pneumocystis jiroveci) unter Immunsuppression

  • Weitere Nebenwirkungen der Immunsuppressiva, z. B. Zytopenien

3.5 Diagnostik bei nierentransplantierten Patienten

3.5.1 Anamnese

  • Zeitpunkt der Transplantation? Bisherige Abstoßungen? CMV-Status? Letzter Kreatinin-Wert?

  • Veränderungen der Medikation, speziell der Immunsuppression oder neue Antibiotika?

  • Wann war die letzte Spiegelkontrolle der Immunsuppressiva, Ergebnis?

  • Gewichtsverlauf, Diuresemenge, Diureseauffälligkeiten, noch vorhandene Eigendiurese vor Transplantation?

  • Fieber, Schmerzen, Durchfall oder Erbrechen?

3.5.2 Untersuchung

  • Dialyseshunt vorhanden, perfundiert, Infektzeichen?

  • Transplantat in der Fossa iliaca, meist rechts → Druckschmerz? Verhärtetes Organ?

  • Gründliche Untersuchung auf Infektzeichen

  • Tremor? (Hinweis auf eventuelle Tacrolimus-Überdosierung, selten auch bei Ciclosporin)

3.5.3 Labor

  • (Differenzial-)Blutbild, CRP, Retentionswerte (Kreatinin, Harnstoff), Blutzucker

  • Spiegelbestimmung bei Ciclosporin, Tacrolimus, Everolimus, Sirolimus

Spiegelbestimmungen immer als 12-h-Talspiegel vor der morgendlichen Einnahme der Immunsuppression! Nach Blutabnahme immer Medikationseinnahme, Anpassung der Abenddosis und folgenden Tagesdosis nach Spiegelerhalt.

Faustregel

  • Spiegel zu hoch: Erneute Kontrolle.

  • Spiegel zu niedrig: sofortige Dosiserhöhung des Immunsuppressivums.

  • Urinuntersuchung: Urin-Stix oder Urinsediment, ggf. Spontanurin und Bestimmung von Eiweiß und Kreatinin (Quotient ergibt Proteinurie/Tag)

  • Virologie: bei Transplantatfunktionsverschlechterung PCR mit Viruslastbestimmung von CMV und BK-Polyomavirus im Blut

  • Sonographie: Beurteilung des Transplantates (Größe? Harnstau? Akute indirekte Schädigungszeichen wie verwaschenes und echoreiches Parenchym? Lymphozele?)

  • Farbkodierte Duplexsonographie bei Verdacht auf Durchblutungsstörung oder Abstoßung (Anstieg des Resistance-Index?)

  • Kontrastmittelprophylaxe :

    • Vor Untersuchungen mit Kontrastmittel → strenge Indikationsstellung

    • Prophylaxe: ausreichende Hydrierung vor und nach KM-Exposition (physiologische Kochsalzlösung 1 ml/kg KG/h, 6–12 h vor der Untersuchung bis 6–12 h nach der Untersuchung oder isotone Bicarbonatlösung (150 ml Natriumbicarbonat 1 mmol/ml, ad 850 ml Glukose 5 %), 3 ml/kg KG 1 h vor der Untersuchung und 1 ml/kg KG/h über 6 h nach Exposition)

    • Pausierung von Diuretika, ACE-Hemmern/AT1-Blockern und potenziell nephrotoxischen Substanzen (keine NSAR!)

3.6 Intensivmedizinische Nachsorge

3.6.1 Intra- und frühpostoperative Immunsuppression

  • Steroide: prä- oder intraoperativ hohe intravenöse Dosis gemäß den jeweiligen zentrumspezifischen Protokollen, dann Reduktion über 4 Monate auf 5 mg/Tag bei steroidhaltigen Protokollen

  • Induktionstherapie: Antithymozytenglobulin oder IL2-Rezeptorantagonisten (Basiliximab, Daclizumab) gemäß Protokoll und immunologischem Risiko

3.6.2 Basisimmunsuppression (initial Dreierkombination)

  • Beispiele für gängige Kombinationstherapie:

    • Calcineurinhemmer (Tacrolimus oder Ciclosporin A) – Mycophenolat - Prednisolon (Tab. 24.17) (= häufigstes Regime)

    • mTOR-Inhibitor (Everolimus oder Sirolimus) (CAVE: verursachen Wundheilungsstörungen, daher Einsatz nicht unmittelbar nach Tx) - Mycophenolat – Prednisolon

    • Einige Zentren bevorzugen die o.g. Regime steroidfrei (dabei existieren Protokolle mit frühem vs. spätem Steroidentzug)

    • Eine aktuelle Arbeit (Vincenti et al. 2016) zeigt die Langzeitüberlegenheit von Belatacept (CTLA4-Fusionsprotein) gegenüber Ciclosporin A: Möglicherweise wird dies künftig zum neuen Immunsuppressionsstandard in der Nierentransplantation!

  • Lebenslange Einnahme immunsuppressiver Medikamente!

  • Umgang mit Immunsuppressiva: Rücksprache mit einem in der Transplantation erfahrenen Arzt bzw. Nephrologen und dem Transplantationszentrum

  • Neben den gemeinsamen Nebenwirkungen der Immunsuppression wie erhöhte Infektanfälligkeit und erhöhtes Risiko für Neoplasien besitzen die Substanzen spezifische Nebenwirkungsprofile (z. B. diabetogene Effekte von Tacrolimus, Hypertrichose bei Ciclosporin (kosmetisch belastend v. a. für junge Frauen), gastrointestinale Nebenwirkungen von Mycophenolat)

  • Vorsicht beim Austausch von Immunsuppressive mit Generika, da diese unterschiedliche pharmakokinetische Eigenschaften besitzen: Falls Umstellung, dann regelmäßige Spiegelkontrollen

  • Vorsicht bei Komedikation von Azathioprin mit Allopurinol oder Febuxostat:

    • Bei Addition von Allopurinol oder Febuxostat: potenzierte Azathioprinwirkung mit Aplasiegefahr!

    • Umgekehrt beim Absetzen von Allopurinol: Wirkverlust von Azathioprin → Dosissteigerung

  • Austausch p.o. gegen i.v.-Applikation:

    • MMF: Dosis identisch, Applikation in 5 %iger Glukoselösung über jeweils 2 h

    • Ciclosporin/Tacrolimus: Applikation in Glasflaschen in 5 %iger Glukoselösung (Substanzen werden an Plastik adsorbiert), Dosis 50 % der oralen Dosis, Infusion über 4 h, 12-h-Intervall einhalten, unbedingt Spiegelkontrollen und ggf. Dosisanpassung. Wann immer irgendwie möglich enterale Verabreichung der Calcineurinhemmer anstreben.

Tab. 24.17 Aktuell eingesetzte Immunsuppressiva

Cave

Speziell Immunsuppressiva weisen eine Vielzahl von Arzneimittelinteraktionen auf. Vor der Erweiterung der Medikation müssen unbedingt die Fachinformationen beachtet werden, um gefährliche Spiegelschwankungen zu vermeiden! (Beispiele: Clarithromycin, Rifampicin, Fluconazol etc.)

3.7 Komplikationen nach Nierentransplantation

(Tab. 24.18)

Tab. 24.18 Komplikationen nach Nierentransplantation

3.7.1 Abstoßung

(Tab. 24.19)

  • Es gibt 2 Hauptformen der Abstoßung, die auch nebeneinander vorkommen können: humoral (antikörpervermittelt) und zellulär

  • Im ersten Jahr und speziell in den ersten 3–6 Monaten nach der Transplantation, besteht ein hohes Risiko für eine Abstoßung, daher ist in dieser Zeit die Immunsuppression am intensivsten.

  • Eine Abstoßung muss rasch und sicher, d. h. in der Regel durch eine Nierenbiopsie, erkannt und behandelt werden, da das Organ sonst teilweise oder komplett irreversibel geschädigt wird

  • Vor einer empirischen Abstoßungsbehandlung müssen andere Ursachen für einen Kreatininanstieg gründlich erwogen werden

Jeder Patient mit Verdacht auf eine Abstoßung sollte zusammen mit einem Nephrologen betreut werden. Veränderungen der Immunsuppression oder eine Therapie der Abstoßung müssen vorher mit einem in der Transplantation erfahrenen Arzt bzw. Nephrologen und dem Transplantationszentrum abgestimmt sein!

Tab. 24.19 Abstoßungen und Therapieoptionen

3.7.2 Infektionen

  • Höchstes Risiko für opportunistische Infektionen in der ersten 6–12 Monaten nach Tx, danach meist konventionelle Erreger

  • Im Rahmen der Operation: Wundinfekte, Harnwegsinfekte, respiratorische Infekte

  • Infektion von Shunt bzw. Peritonealdialysekatheter

  • Spenderbezogene Infekte: CMV, HBV, HCV, HIV

  • Empfängerbezogene Infekte: Reaktivierung latenter Infekte (CMV, VZV, HSV, BKV und TB)

  • PCP-Prophylaxe für 6 Monate nach Tx

3.7.2 CMV-Infektion
  • Formen: Reaktivierung einer latenten Infektion, Übertragung mit Spenderorgan, Neuinfektion

  • Klinik: Asymptomatische CMV-Virämie (= CMV-Infektion), symptomatische CMV-Virämie (= CMV-Krankheit): B-Symptome, Blutbildauffälligkeiten (Lympho- und Thrombopenie), subklinische Hepatitis, Diarrhö bei Kolitis, Ösophagitis/Gastritis/Duodenitis, Pneumonie (oft kombiniert mit Pneumocystis jirovecii, Chorioretinitis, Transplantatdysfunktion, Triggerung von Abstoßungen, Begünstigung des Auftretens eines Diabetes mellitus

  • Diagnose: CMV-DNA-PCR, histologischer Nachweis (ist manchmal einziger Nachweis trotz negativer PCR!)

  • Therapie: Valganciclovir (therapeutische Dosierung nach GFR) p.o. bei milden bis mittelschweren Verläufen, Ganciclovir i.v. bei schweren Verläufen, mindestens 2 Wochen Therapie oder bis PCR negativ bzw. bei schweren gewebsinvasiven Verläufen 4–6 Wochen Therapie, anschließend Prophylaxe mit Valganciclovir für 3 Monate

  • CMV-Prophylaxe: Je nach Risikokonstellation (Risiko für CMV-Krankheit: D+/R– 50–80 %, D+/R+ 10–30 %, D–/R+: 0–30 %, D–/R–: 0 %), bei Hochrisikopatienten Valganciclovir p.o. in prophylaktischer Dosis nach GFR (100–) 200 Tage nach Tx, alternativ: Präemptive Strategie mit wöchentlicher CMV-PCR bis 4–6 Monate nach Tx und Therapiebeginn nach vordefinierter Schwelle (z. B. ab 2 ×103 Kopien/ml)

3.7.2 BK-Virus-Nephropathie
  • Bis zu 90 % der Empfänger sind BKV-IgG-positiv, BKV-Nephropathie in 1–8 % der Transplantierten, Virämie in 4–15 %, Virurie in 20–50 %

  • Klinik: Schleichender Kreatininanstieg durch tubulointerstitielle Nephritis, hämorrhagische Zystitis, Ureterstenosen, indirekte Triggerung von Abstoßungen

  • Manifestation meist bereits im 1. Jahr nach Tx

  • Diagnose: Urinzytologie (Decoy-Zellen), BKV-DNA Nachweis im (Urin und) Serum, Sicherung nur durch Nierenbiopsie mit histologischem Nachweis möglich

  • Therapie: Reduktion der Immunsuppression (Pause des Proliferationshemmers, Reduzierung der Calcineurinhemmer), IVIG (= intravenöse Immunglobuline), Ciprofloxacin, Leflunomid und Cidovir allesamt mit unsicherer Datenlage zu antiviralen Infekten

3.8 Sonderform AB0-inkompatible Nierentransplantation

(Tab. 24.20)

  • Die Sonderform der Lebendspende, die sog. blutgruppeninkompatible Nierentransplantation, wird seit einigen Jahren vermehrt durchgeführt.

    • Ziel: Anzahl der Lebendspenden zu erhöhen und die Wartezeiten zu verkürzen

    • Anmerkung: Besonders Patienten mit der seltenen Blutgruppe B und der Blutgruppe 0 profitieren von diesem Verfahren.

    • Verschiedene Protokolle zur Konditionierung des Immunsystems des Empfängers existieren

    • Zentrenspezifische Isoagglutinintitergrenze, die vor Tx als sicher erachtet wird (meist ≤1: 4) abhängig von der Bestimmungsmethode

  • Prinzip: Elimination der CD20-positiven B-Zellen mittels Rituximab und die perioperative Apherese bzw. Adsorption der Isoagglutinine

  • Postoperativ bleiben die CD20-positiven B-Zellen für mehr als ein halbes Jahr eliminiert → danach kommt es zu einer Erholung dieser Zellpopulation

  • Obwohl die Blutgruppenantikörper im postoperativen Verlauf erneut ansteigen, kommt es nach einer kritischen Periode von 14 Tagen nach erfolgter Tx dann nicht mehr zu einer antikörpervermittelten Abstoßung. Dieses immunologisch noch nicht verstandene Phänomen wird als Akkomodation bezeichnet.

  • Outcome: Graft- und Patientenüberleben nach mehreren Studien vergleichbar zur AB0-kompatiblen Tx

  • Nachteile: hoher Aufwand und Kosten, erhöhte Infektionsgefahr, manchmal keine ausreichende Absenkung der Isoagglutinine erreichbar

Tab. 24.20 Transfusionsregime bei AB0-inkompatibler Nierentransplantation

Cave

Abweichende Transfusionsregeln (Tab. 24.20)!

4 Lebertransplantation

4.1 Allgemeines

  • Die 5-Jahres-Funktionsrate nach einer Lebertransplantation liegt bei der Übertragung von postmortal gespendeten Organen bei 55 %. Dieses Ergebnis für Deutschland ist um 15 % schlechter als die Ergebnisse in international publizierten Studien. Als Ursache ist die deutlich höhere Sterblichkeit im ersten Jahr nach Transplantation zu nennen. Im Jahr 2013 wurden in Deutschland 884 Lebertransplantationen nach postmortaler Organspende und 83 nach einer Lebendspende durchgeführt. 2013 wurden 1305 Patienten zur Lebertransplantation angemeldet. 1534 Patienten standen im Jahr 2013 auf der Warteliste für eine Lebertransplantation.

  • Die erste Lebertransplantation erfolgte 1967 in Pittsburgh, Pennsylvania (Thomas E. Starzl); in Deutschland nahmen Alfred Gütgemann und T.S. Lie 1969 die erste Lebertransplantation an der Universitätsklinik Bonn vor.

  • Die Mehrzahl der Lebertransplantationen wird in orthotoper Position (OLT) nach Hepatektomie unter Verwendung von Leichenorganen durchgeführt, ggf. Split- oder Lebendspende-Lebertransplantation.

  • Die überwiegende Mehrzahl der Transplantationen wird in der sog. „Piggy-back“-Technik durchgeführt, d. h. die intrahepatische V. cava des Empfängers wird erhalten. Hierdurch kann ein extrakorporaler Bypass während der Operation vermieden werden.

  • Die intensivmedizinische Betreuung und Nachsorge im Rahmen der Lebertransplantation ist häufig zentrumspezifisch.

4.2 Indikationen

(Tab. 24.21)

Tab. 24.21 Allgemeine Indikationen für eine Lebertransplantation

4.2.1 Zeitpunkt der Indikationsstellung zur Lebertransplantation

  • Abwägen zwischen dem natürlichen Verlauf der Erkrankung und der Überlebenswahrscheinlichkeit nach Transplantation

  • Patienten, deren Lebenserwartung ohne Lebertransplantation 1 Jahr oder weniger beträgt oder deren Lebensqualität ohne Lebertransplantation nicht mehr akzeptabel ist, sollten für eine Lebertransplantation ausgewählt werden.

  • Es existieren spezifische Prognoseindizes für cholestatische Lebererkrankungen (PSC, PBC).

  • Des Weiteren stehen allgemeine Indizes zur Verfügung, wie z. B. die prognostische Child-Pugh-Klassifikation : 1-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit im Child-A-Stadium (5–6 Punkte) 90–100 %, im Child-B-Stadium (7–9 Punkte) ca. 80 % und im Child-C-Stadium (10–15 Punkte) ca. 50 %

  • Therapierefraktärer Aszites oder das Auftreten einer spontan bakteriellen Peritonitis sind Indikatoren für eine schlechtere Prognose (1-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit <50 %).

  • Bessere prognostische Vorhersagewerte durch den im Jahre 2002 – vom U.S.-amerikanischen United Network for Organ Sharing (UNOS) eingeführten – MELD-Score („model of endstage liver disease“):

    • Basiert auf dem Kreatininwert, der Gerinnung (INR) und dem Serumbilirubinwert – daher lab-MELD, beschreibt die 3-Monats-Mortalität eines Leberkranken

    • Beispiele für 3-Monats-Mortalität: Score <9: 1,9 %, Score 40: 71,3 %

    • Siehe auch „MELD-exception rules“; die „standard exceptions“ präzisieren für einzelne Indikationen die Allokationspriorität, indem ein sog. match-MELD-Punktwert vergeben wird, da nicht alle Komplikationen einer Lebererkrankung im Endstadium, die einen Einfluss auf die Überlebenswahrscheinlichkeit haben, durch den MELD Score abgebildet werden (z. B. HCC-Patienten, rezidivierende/therapierefraktäre Cholangitiden)

  • Für Patienten mit einem MELD-Score >17 ist ein Überlebensvorteil durch die Transplantation nachgewiesen, der mit steigendem MELD-Score dramatisch steigt.

  • Eurotransplant ist für die Organvergabe in Deutschland zuständig. Alle Patienten werden dort mit einem lab-MELD geführt, der in regelmäßigen Abständen gemeldet werden muss.

  • Dem gegenüberzustellen ist die 5-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit nach Transplantation von etwa 60–70 % bei im Allgemeinen guter Lebensqualität.

Akute Indikationen („high urgency“, HU) zur Lebertransplantation

  • (ELAS Eurotransplant Manual Version, 27. August 2010)

  • Transplantatversagen, z. B. hyperakute Abstoßung (<15 Tage nach Transplantation)

  • Akute Krise eines M. Wilson

  • Akutes Budd-Chiari-Syndrom

  • Lebensbedrohliches Lebertrauma

  • Anhepatischer Status bei akutem Leberversagen mit toxischem Lebersyndrom

  • Akutes Leberversagen ohne vorbestehende chronische Lebererkrankung, dabei müssen die Kings-College- oder die Clichy-Kriterien erfüllt sein

Kings-College-Kriterien :

  • Patienten mit Paracetamolintoxikation: pH-Wert <7,3 oder Erfüllung folgender Trias: Quick-Wert <7 % (INR >6,5, PTT >100 s), Serumkreatinin >3,4 mg/dl und Enzephalopathie Grad III oder IV

  • Patienten ohne Paracetamolintoxikation – allgemeine Gruppe: Quick-Wert <7 % (INR >6,5, PTT >100 s) oder Erfüllung von mindestens 3 der folgenden 5 Kriterien: ungünstige Ätiologie (kryptogene Hepatitis, Non-A-Non-B-Hepatitis, Halothanreaktion, idiosynkratische Medikamentenreaktion), Ikterus >7 Tage vor Enzephalopathie, Alter <10 oder >40 Jahre, Quick-Wert <15 % (INR >3,5 bzw. PTT >50 s), Serumbilirubin >17,5 mg/dl

Clichy-Kriterien :

  • Hepatische Enzephalopathie Grad III/IV und

  • Faktor V <20 % bei Patienten <30 Jahren oder

  • Faktor V <30 % bei Patienten ≥30 Jahren

Die drei häufigsten Indikationen zur Lebertransplantation stellen die alkoholtoxische Leberzirrhose, das hepatozelluläre Karzinom und die Zirrhose nach Virushepatitis dar.

4.3 Kontraindikationen

  • Kontraindikationen für eine Lebertransplantation sind „dynamisch“ – sie verändern sich mit der Zeit und sind z. T. abhängig vom Transplantationszentrum und dessen lokaler Expertise (Tab. 24.22).

  • Die endgültige Entscheidung, ob sich ein Patient für eine Lebertransplantation qualifiziert, sollte von einem multidisziplinären Team (Hepatologe, Transplantationschirurg, Anästhesist, Intensivmediziner, Kardiologe, Neurologe etc.) im Transplantationszentrum getroffen werden.

Tab. 24.22 Kontraindikationen für eine Lebertransplantation

4.4 Management vor Lebertransplantion

4.4.1 Hepatitis-B-Virus (HBV)

  • Therapie mit Nucleot(s)idanaloga: Tenofovir oder Entecavir.

  • Verbessert die Leberfunktion und macht dadurch evtl. eine Lebertransplantation (LT) überflüssig, und die Viruslast zum Zeitpunkt der Transplantation korreliert mit dem Risiko einer HBV-Reinfektion.

4.4.2 Hepatitis C-Virus (HCV)

  • Um das erneute Auftreten einer Hepatitis-C-Infektion nach Lebertransplantation zu vermeiden, sollte nach Möglichkeit vor der Lebertransplantation eine Therapie durchgeführt werden.

  • Eine negative Viruslast kann die Leberfunktion vor Transplantation verbessern.

  • Neue, interferonfreie Therapien sind besser verträglich, erfolgreicher und bei dekompensierter Leberzirrhose möglich.

  • Patienten, die nicht oder nicht erfolgreich vor der Transplantation behandelt werden konnten, sollten nach Transplantation behandelt werden.

4.4.3 Äthyltoxische Lebererkrankung

  • Eine 6-monatige Alkoholabstinenz ist in Deutschland immer noch Voraussetzung für eine Lebertransplantation (s. Richtlinien der Bundesärztekammer http://www.bundesaerztekammer.de/richtlinien/richtlinien/transplantationsmedizin/). International weicht diese Grenze immer mehr auf, da in Studien die Dauer der Alkoholabstinenz vor Transplantation nicht mit dem Rückfallrisiko nach Transplantation korrelierte. Das Rückfallrisiko schien mehr von psychosozialen Faktoren abzuhängen, die vor der Transplantation erfasst werden können.

  • Eine 6-monatige Alkoholabstinenz führt jedoch zu einer Verbesserung der Leberfunktion (diese verbessert sich hauptsächlich in den ersten 3 Monaten). Eine LT kann somit in manchen Fällen vermieden werden.

  • Eine LT ist auch eine Option für Patienten mit einer akuten Alkoholhepatitis.

4.4.4 NAFLD („non-alcoholic fatty liver disease“) und NASH (“non-alcoholic steatohepatitis”)

  • Beides sind zunehmend Gründe für eine LT. Hier sollten die Komorbiditäten, insbesondere des metabolischen Syndroms (Übergewicht, arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus und Dyslipidämie), sorgfältig erfasst und behandelt werden, da diese sowohl das Operationsrisiko steigern als auch nach der LT exazerbieren können.

  • Die Komorbiditäten führen nicht selten zum Ausschluss eines Patienten für eine LT, z. B. führt massives Übergewicht (BMI >35 kg/m2) zu einem Anstieg infektiöser Komplikationen.

4.4.5 Primär sklerosierende Cholangitis (PSC)

  • Neben einer Leberfunktionseinschränkung können auch eine rezidivierende Cholangitis, die auf eine Antibiotikabehandlung nicht/unzureichend anspricht, oder Komplikationen der portalen Hypertonie ein Grund für eine LT sein.

  • Das Risiko für ein cholangiozelluläres Karzinom (CCC) ist bei PSC-Patienten erhöht (Prävalenz 10–15% nach 10 Jahren Erkrankungsdauer, 10–20% unerwartete CCC in Explantatlebern).

  • Die Diagnose des CCC bei PSC-Patienten ist deutlich erschwert.

  • Ein CCC kann eine Indikation für eine LT, sowohl als auch – im fortgeschrittenen Stadium – eine Kontraindikation sein.

  • Das Risiko für ein CCC-Rezidiv nach LT ist hoch und die Langzeitprognose schlecht.

  • Bei gleichzeitigem Vorliegen einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung bei PSC, meist Colitis ulcerosa, sollten vor und nach LT jährliche Koloskopien durchgeführt werden, da das Risiko für ein Kolonkarzinom erhöht ist.

4.4.6 Hereditäre Hämochromatose (HH)

  • Weniger als 1 % der Patienten werden wegen einer hepatische Dekompensation transplantiert. Die HH-Patienten haben ein deutlich erhöhtes HCC-Risiko (hepatozelluläres Karzinom), und meist ist das HCC der Grund für die LT.

  • Regelmäßige Aderlässe sind die Therapie der Wahl. Bei Ferritin >1000 ng/ml mit 500 ml/Woche beginnen bis normale Ferritinwerte erreicht werden (<50 ng/ml), dann, je nach Ferritinwert, ca. 3–4/Jahr.

  • Die Eisenüberladung betrifft auch andere Organe, insbesondere das Herz. Hier sollte eine ausführliche Diagnostik erfolgen, um eine Kardiomyopathie auszuschließen bzw. zu quantifizieren.

4.4.7 Hepatozelluläres Karzinom (HCC)

  • Patienten, die innerhalb der Mailand-Kriterien transplantiert werden (solitärer HCC-Herd mit weniger als 5 cm Durchmesser oder bis zu 3 HCC-Knoten mit Durchmessern <3 cm), haben eine 5-Jahres-Überlebensrate nach LT von >70 %.

  • LT außerhalb der Mailand-Kriterien sind möglich, teils auch mit gleich guten Ergebnissen (abhängig von z. B. Downstaging möglich, AFP Level etc.)

4.4.8 Cholangiozelluläres Karzinom (CCC)

  • Meist eine Kontraindikation für eine LT. Einige Zentren transplantieren perihiläre CCC.

4.5 Intensivmedizinische Nachsorge

4.5.1 Postoperative Nachsorge

  • Optimierung und Kontrolle der Hämodynamik, um eine optimale Leberperfusion zu gewährleisten und eine Leberstauung zu vermeiden, wie z. B. Volumenmanagement mit einem Ziel-ZVD von ca. 10 cmH2O

  • Tägliche Doppler-sonographische Kontrollen: Beurteilung der Flussverhältnisse von V. portae und A. hepatica (frühzeitige Detektion einer Pfortaderthrombose oder eines A.-hepatica-Verschlusses)

  • Regelmäßige laborchemische Kontrollen zur kontinuierlichen Kontrolle der Transplantatfunktion: Leberenzyme (GOT, GPT; zum Vorgehen bei erhöhten Leberwerten Abb. 24.1), Bilirubin, Gerinnungsparameter

  • Drugmonitoring: Spiegelbestimmungen der Immunsupressiva

  • Regelmäßige mikrobiologische Diagnostik zur frühzeitigen Detektion von Infektionen: CMV-PCR, Aspergillen- und Candida-Serologie, bakteriologische/mykologische Abstriche von Mundhöhle, Leiste; Urin-Stix/Sediment/Blutkulturen; BAL oder Bronchialsekret

  • Beatmungstherapie: frühe Extubation anstreben; bei weiterem Beatmungsbedarf sollte ein PEEP <6 mm Hg gewählt werden, um den venösen Abfluss aus dem Transplantat nicht zu behindern

  • Ernährungstherapie: frühzeitige enterale Ernährung; ansonsten gängige parenterale Infusionstherapie (laktatfreie Infusionslösungen)

  • Kontrolle der Nierenfunktion: adaptierte Diuretikatherapie oder ggf. CVVH (kontinuierliche venovenöse Hämofiltration)

  • Substitution von Gerinnungsfaktoren: Gabe von FFP bei unzureichender Synthese von Faktor V im Rahmen einer initialen Transplantatdysfunktion, Kontrolle des Fibrinogens und ggf. Substitution

  • Thrombozytensubstitution: bei Thrombozytenzahlen <20.000/µl ohne Blutungszeichen oder 20.000–50.000/µl mit Blutungszeichen

  • Thromboseprophylaxe: Heparin über i.v.-Perfusor oder niedermolekulare Heparine s.c.

Abb. 24.1
figure 1

Vorgehen bei Patienten nach orthotoper Lebertransplantation (OLT) und erhöhten Leberwerten (BZ = Blutzucker, oGTT = oraler Glukosetoleranztest, HbA = Hämoglobin-A, TSH = thyroideastimulierendes Hormon, NASH = nicht alkoholische Steatohepatitis, MRCP = Magnetresonanz-Cholangiopankreatikographie, ERCP = endoskopische retrograde Cholangiopankreatikographie, PTCD = perkutane transhepatische Cholangiodrainage)

4.5.2 Immunsuppression

Zur Immunsuppression nach Lebertransplantation stehen verschiedene Protokolle zur Verfügung.

  • Induktionstherapie:

    • Steroide und ggf. Mycofenolatmofetil (MMF) in Kombination mit Basiliximab oder ATG

    • Die Induktion mit Antikörpern und MMF wird gewählt, um bei kritischer Nierenfunktion ein Nierenversagen durch Tacrolimus zu vermeiden.

  • Erhaltungstherapie bzw. Basisimmunsuppression (ab dem 1. postoperativen Tag):

    • Tripeltherapie bestehend aus Calcineurininhibitoren (Tacrolimus, Ciclosporin A), Mycofenolatmofetil (MMF) oder mTOR-Inhibitoren (Sirolimus/Everolimus) und Steroiden

    • Häufige Dreifachkombination: Tacrolimus, Prednisolon und Mycophenolat

    • Ausschleichen der Steroide innerhalb von 14 Tagen (Ausnahme: Autoimmunhepatitis)

    • Stabilisierung der Nierenfunktion durch Reduktion der Tacrolimusdosierung und Kombination mit MMF oder Sirolimus/Everolimus

    • Die Gabe von Interleukin-2-Rezeptor-AK (CD25, Basiliximab) und erst späterer Einsatz von Tacrolimus plus MMF und Steroiden verbessert die Nierenfunktion nach LT

    • Tacrolimustalspiegel: ca. 8 ng/ml

    • Sirolimus-/Everolimustalspiegel: 3–6 ng/ml

4.6 Komplikationen nach Lebertransplantation

(Tab. 24.23)

Tab. 24.23 Komplikationen der Lebertransplantation

4.6.1 Primäre Non-Funktion (PNF)

  • Inzidenz: 1–8 % der Fälle

  • Auftreten: Tag 1–2 nach orthotoper Lebertranplantation (OLT)

  • Ursachen: lange Ischämiezeit (>12 h), Organspenderalter >65 Jahre sowie Ischämievorschädigung des Transplantats (z. B. A.-hepatica-Verschluss)

  • Zeichen der PNF: initial schlechte Leberfunktion, starker Anstieg der Leberenzyme, kein oder geringer Gallefluss, Enzephalopathie und/oder Koagulopathie bis hin zum hepatischen Koma

  • Therapie: Retransplantation

4.6.2 Nachblutungen

  • Inzidenz: 10–15 % der Fälle

  • Ursachen:

    • Verletzungen bei der Spenderoperation (rechter Leberlappen, Gallenblasenbett, A. cystica, kleine Veneneinmündungen im Bereich der V. cava)

    • Verletzungen bei der Empfängeroperation (rechte Nebenniere, Gefäßanastomosen)

    • Meistens unzureichende Transplantatfunktion – Sistieren der Blutung nach Substitution mit Gerinnungsfaktoren (FFP/PPSB/Fibrinogen) und Aufnahme der Transplantatfunktion

    • Ausgeprägte Thrombozytopenien oder Thrombozytenfunktionsstörungen

    • Selten heparinassoziierte Blutungen

    • Im späteren Verlauf sind Nachblutungen bedingt durch Interventionen (z. B. Leberpunktion) oder Ruptur eines mykotischen Aneurysmas (meist A. hepatica).

  • Maßnahmen: Hämatomausräumung nach Konsolidierung der Gerinnungssituation beschleunigt den Heilungsprozess und vermindert das Risiko von intraabdominellen Infektionen/Abszessentwicklung.

4.6.3 Abstoßung

(Tab. 24.24)

Tab. 24.24 Einteilung der Abstoßungsreaktionen

4.6.4 Vaskuläre Komplikationen

4.6.4 A.-hepatica-Thrombose
  • Inzidenz: 2,5–10 %

  • Erhöhtes Risiko: bei Verwendung eines A.-iliaca-Interponats zur Rekonstruktion oder falls Interponat auf die infrarenale Aorta und nicht auf die suprazöliakale Aorta anastomosiert wurde

  • Weitere Risikofaktoren: Anatomie von Spender und Empfänger (abberierende Arterien), initiale Transplantatfunktion (Ödem) sowie immunologische Faktoren (akute oder chronische Abstoßung)

  • Frühpostoperative A.-hepatica-Thrombose: sofortige Thrombektomie in 50–88 % erfolgreich, anderenfalls führt sie zum akuten Transplantatversagen mit erforderlicher akuter Retransplantation. Symptome: deutlicher Anstieg der Transaminasen und Funktionsverlust des Transplantats (Cholinesterase, Quick-Erniedrigung, Bilirubinanstieg)

  • Späte A.-hepatica-Thrombose: kompromittiert die Transplantatfunktion geringer, hier ist das führende klinische Zeichen die progrediente Schädigung des Gallenwegesystems

    • Symptome: Erhöhung der Cholestaseparameter, Cholangitiden, Ausbildung von intrahepatischen Abszessen, Sepsis

    • Therapie: endoskopische retrograde Cholangiopankreatikographie (ERCP) + Dilatation + Stentimplantation (s. unten: Gallenwegskomplikationen), perkutane transhepatische Cholangio-Drainage (PTCD)

    • Mit der Zeit (Wochen, Monate, Jahre) kommt es jedoch zur kompletten Destruktion des Gallenwegesystems mit der Notwendigkeit zur elektiven Retransplantation. Indikation frühzeitig stellen, bevor (septische) Komplikationen eine Retransplantation unmöglich machen.

4.6.4 A.-hepatica-Stenose oder Spender-Truncus-coeliacus-Stenose
  • Führen ebenfalls zu Veränderungen des Gallenwegesystems

  • Bei frühem Auftreten: ggf. chirurgische Revision, ansonsten Versuch der Ballondilatation

4.6.4 Portalvenenthrombose
  • Inzidenz: 0,3–3,0 %

  • Risikofaktoren: zuvor angelegter portokavaler Shunt, vorangegangene Pfortaderthrombose, hypoplastische Empfänger- oder Spenderpfortader

  • Frühpostoperativ kann es zu einer deutlichen Transplantatdysfunktion mit hämodynamischer Instabilität, Aszitesbildung und Varizenblutung kommen. Bei guter Transplantatfunktion kann eine Thrombektomie mit gutem Erfolg durchgeführt werden. Bei ausgeprägter Transplantatdysfunktion/Leberversagen Retransplantation.

  • Späte Thrombose: meist asymptomatisch, gelegentlich Aszites- und Varizenbildung. Therapie: evtl. rt-PA-Lysetherapie, chirurgische Thrombektomie meist nicht erfolgreich. Bei Miteinbeziehung der V. mesenterica superior ist in der Regel dann auch eine Retransplantation nicht mehr möglich. Ggf. Anlage eines Warren-Shunts (splenorenaler Shunt).

4.6.4 Pfortaderstenose
  • Symptomatische Stenosen

  • Überwiegend im Anastomosenbereich lokalisiert

  • Diagnostik: Doppler-Sonographie, ggf. weiterführende Diagnostik (Angio-CT, Angiographie)

  • Dilatation transhepatisch mittels Ballondilatation möglich

  • Evtl. chirurgische Neuanlage der Anastomose

4.6.4 V.-cava-Stenose (infra- oder suprahepatisch)
  • Inzidenz: selten 1–2 %

  • Hohe Mortalität: 50–75 %

  • Suprahepatische V.-cava-Stenose:

    • Besonders gefährlich, da hier der lebervenöse Abfluss kompromittiert ist: fulminantes Leberversagen/Verschlechterung der Transplantatfunktion, Aszitesbildung, akutes Nierenversagen, hämodynamische Instabilität (gleiche Symptomatik wie Budd-Chiari-Rezidiv)

    • Diagnose: Doppler-Sonographie kann Hinweise liefern, Methode der Wahl ist die Cavographie

    • Therapie bei geringgradigen Stenosen: Ballondilatation und Stentimplantation, häufig jedoch operative Revision der Anastomose (oftmals technisch schwierig), Retransplantation

  • Infrahepatische V.-cava-Stenose:

    • Weniger gefährlich, da sie in der Regel nicht zur Transplantatdysfunktion führt, leichter Anstieg der Transaminasen

    • Jedoch therapierefraktärer Aszites, akutes Nierenversagen/Niereninsuffizienz, Einflussstauung der Extremitäten

    • Diagnostik: s. oben: suprahepatische V.-cava-Stenose

    • Therapie: falls symptomatisch, dann Cavographie plus Dilatation plus Stentimplantation oder Rekonstruktion

4.6.5 Gallenwegskomplikationen

Gallenwegskomplikationen bilden die häufigsten Komplikationen nach Lebertransplantation (10–25 %).

  • Inzidenz: eine Abhängigkeit des Auftretens konnte in randomisierten Studien nicht einer spezifischen Technik zugeordnet werden (Seit-zu-Seit versus End-zu-End, mit/ohne T-Drainage oder biliodigestiv), 6 randomisierte Studien zeigen widersprüchliche Ergebnisse

  • Weitere Risikofaktoren: akute A.-hepatica-Thrombose oder späte Thrombose/Stenose (Minderperfusion der Gallenwege s. oben), verlängerte Ischämiezeit des Transplantats bzw. Reperfusionsschaden („ischemic type biliary lesions“), Infektionen (CMV), AB0-Mismatch (chronische Abstoßung), „Non-heart-beating“-Spender, primär sklerosierende Cholangitis

  • Zu den Komplikationen gehören: Insuffizienzen (T-Drainage, Anastomose [zusammen 1,3–10 %], Zystikusstumpf, Biliome), Strikturen und Stenosen (Anastomosenstrikturen [2,5–20 %], Nicht-Anastomosen- und diffuse intrahepatische Strikturen), Gallensteine/Casts

Patienten mit Gallenwegskomplikationen müssen auch nach zunächst erfolgreicher Therapie regelmäßig überwacht werden. Die Indikation zur chirurgischen Intervention/Retransplantation sollte immer wieder neu überdacht werden, da die Letalität durch septische Gallenwegskomplikationen hoch ist.

  • Diagnostik:

    • Laborchemie: Transaminasen, GGT, AP, Bilirubin

    • Sonographie und Doppler-Sonographie der Lebergefäße:

      • Thrombosenangiographie, Angio-CT: bei Verdacht auf A. hepatica-Stenose

      • Abdomensonographie: bei Verdacht auf Gallenwegsobstruktion, ggf. MRCP (Magnetresonanz-Cholangiopankreatikographie), ERCP (endoskopische retrograde Cholangiopankreatikographie), PTC (perkutane transhepatische Cholangiographie)

    • Leberbiopsie: ggf. um Abstoßung oder Rekurrenz der Grunderkrankung auszuschließen

  • Therapie:

    • Insuffizienzen/Leckage: ERC (endoskopische retrograde Cholangiographie) mit Stentanlage (Verbleiben des Stents für 2–3 Monate), falls kein Erfolg chirurgisches Vorgehen

    • Biliome: große Biliome, die nicht mit dem Gallenwegesystem kommunizieren und so mittels ERC und Stenting nicht versorgt werden können, sollten perkutan drainiert werden, zusätzlich Antibiotikagabe

    • Anastomosenstenose (AS): wiederholte ERC mit Ballondilatation (6–8 mm) und Platzieren von mehreren Plastikstents (7–11,5 Fr) mit geplantem Stentwechsel alle 2–3 Monate und Steigerung der Anzahl und Größe der platzierten Stents; meist 3–5 oder mehr Sitzungen notwendig

    • Nicht-Anastomosenstenosen (NAS), diffuse intrahepatische Strikturen: schwieriger zu behandeln als AS. ERC plus Ballondilatation (4–6 mm) plus Stentanlage plus programmierter Stentwechsel; ca. 30–50 % dieser Patienten müssen im weiteren Verlauf jedoch erneut transplantiert werden

    • Gallensteine, Sludge, Casts: ERC plus Papillotomie plus Extraktion

    • Papillenstenose, Sphincter-oddi-Dysfunktion: endoskopische Papillotomie

    • Sonstiges: Pleuraerguss, subkapsuläre Nekrosen

4.6.6 Infektionen

Aufgrund der Immunsuppressiva können Zeichen und Symptome einer Infektion oftmals fehlen oder abgeschwächt auftreten.

  • Antiinfektiöse Medikamente können Wechselwirkungen mit Immunsuppressiva haben.

  • Infektionen können schwerer und rascher verlaufen als bei Immunkompetenten.

  • Kolonisationen vor Transplantation mit MRSA (Methicillin-resistenter Staph. ausreus) und VRE (Vancomycin-resistenter Enterokokkus) können nach Transplantation zu Infektionen führen, stellen jedoch keine Kontraindikation für eine Transplantation dar.

4.6.6 Identifikation von Risikofaktoren für eine Infektion vor einer Transplantation
  • Serologie: CMV (Status von Empfänger und Spender), HSV, VZV, EBV, HIV, Hepatitis B, D und C, Treponema pallidum

  • Urinuntersuchungen inklusive Urinkultur

  • Tuberkulosetest

  • Röntgen-Thorax

  • Sputumkulturen

  • Spezielle Tests, je nach Patient/Endemiegebiet → Serologie: Strongyloides stercoralis, Leishmaniose, Histoplasma capsulatum, Trypanosoma cruzi etc.

4.6.6 Prävention von Infektionen/Impfungen
  • Patienten auf der Warteliste sollten geimpft werden, da das Ansprechen auf eine Impfung nach Transplantation aufgrund der Immunsuppression nicht optimal sein kann und Lebendimpfstoffe unter Immunsuppression kontraindiziert sind.

  • Aber auch nach Transplantation sollten Patienten regelmäßig geimpft werden.

  • In der Regel sollten Lebendimpfstoffe nach Transplantation vermieden werden.

  • Impfungen: Tetanus, Diphtherie, Polio, Hepatitis A und B, Pneumokokken, Neisseria meningitidis, Influenza

4.6.6 Prophylaktische antibiotische Therapie
  • Indikation: Patienten mit einem erhöhten Risiko für Infektionen

  • Posttransplant werden Antibiotika verabreicht, um die mit der Operation assoziierten Infektionen (Wundinfektionen, intraabdominelle Infektionen) zu minimieren.

  • In einigen Zentren wird Trimethoprim-Sulfamethoxazol für 3–12 Monate prophylaktisch gegeben (Dosis: 1 Tablette/Tag oder 2 Tabletten 3 ×/Woche) um Pneumocystis-jirovecii-Pneumonien zu verhindern. Diese Therapie hilft auch gegen: Listeria monocytogenes, Nocardia asteroides, Toxoplasma gondii und viele der gewöhnlichen Erreger von Harnwegs-, Bronchial- und Magen-Darm-Infektionen.

  • Alternativen: Dapsone, Pentamidin, jedoch weniger breites Spektrum

  • CMV: Prophylaktische Therapie bedeutet, dass Anti-CMV-Medikamente den Patienten mit einem deutlich erhöhten Risiko für eine Reaktivierung/Infektion bereits prophylaktisch verabreicht werden. Ein besonders hohes Risiko für eine Reaktivierung/Infektion mit CMV haben CMV-negative Empfänger mit einem CMV-positiven Spenderorgan (CMV R–/D+), sodass hier eine prophylaktische Therapie empfohlen wird. Alle übrigen Konstellationen erhalten eine präemptive Therapie (Valganciclovir oder Ganciclovir).

  • Patienten, die keine prophylaktische Therapie gegen CMV erhalten, erhalten speziell in amerikanischen Zentren eine Therapie gegen HSV und VZV für die ersten 3–6 Monate (Aciclovir, Valaciclovir etc.)

4.6.6 Prophylaktische antimykotische Therapie/Pilzinfektionen
  • Pilzinfektionen stellen einen wesentlichen Grund für die hohe Mortalität im ersten Jahr nach Transplantation dar.

  • Folgende Risikofaktoren indizieren nach einem Konsensuspapier die prophylaktische Therapie: Nierenversagen, Retransplantation oder 2 der folgenden Kriterien: Kreatinin >2 mg/dl, >40 Erythrozytenkonzentrate, biliodigestive Anastomose, >11 h Operationsdauer, präoperative Pilzkolonisation

  • Randomisierte Studien zeigen einen positiven Effekt für liposomales Amphotericin B.

  • Prospektive Beobachtungsstudien in Hochrisikogruppen liegen für Echinocandine vor.

  • Konazole werden wegen resistenter Candida-Stämme und Aspergillus-Infektion als ungeeignet beurteilt.

  • Die meisten Zentren setzen Echinocandine ein.

4.6.6 Tuberkulose
  • Isoniazid und Rifampicin sind sicher und sollten Patienten mit einer latenten Tuberkulose und einem Risiko für eine Reaktivierung nach der Transplantation bereits vor der Transplantation gegeben werden.

4.6.6 Präemptive CMV-Therapie
  • Die (R–/D+)-Situation macht eine prophylaktische Therapie mit Ganciclovir/Valciclovir erforderlich (TTS-Leitlinie Level II/III).

  • Anti-CMV-Medikamente werden nur präemptiv gegeben, wenn es Anhalt für eine Replikation (CMV-pp65 oder PCR positiv) gibt.

  • Auch diese Strategie reduziert das Risiko von CMV-Reaktivierung und Infektion.

4.6.6 Infektionen bis 1 Monat nach Lebertransplantation
  • Es treten im Wesentlichen die gleichen Infektionen auf wie bei immunkompetenten Patienten nach Operationen: v. a. bakterielle Infektionen, meist nosokomial aufgrund von Kathetern, Stents, zentralen Venenkathetern, Drainagen, anderen Fremdkörpern, Nekrosen oder längerer endotrachealer Beatmungsdauer.

  • 2 Prädilektionsstellen: Lungen und Bauchraum

  • Lunge: v. a. bei verlängerter Beatmungsdauer: Pseudomonas aeroginosa, Enterobacter spp., Staph. aureus, Klebsiella pneumoniae, Stenotrophomonas maltophila, Citerobacter freundii

  • Abdomen: intraabdominelle Abszesse, Peritonitis aufgrund von Operationskomplikationen, v. a. Darmkeime; intrahepatische Abszesse: möglicherweise assoziiert mit A.-hepatica-Thrombose, Cholangitis: möglicherweise T-Drain-Okklusion, Wundinfektionen

  • Therapie: Bei Verdacht auf eine Infektion sollte mit einem Breitspektrumantibiotikum begonnen werden, bevor die Identifikation des Keims und das Resistogramm vorliegen.

  • Auch Candida-Infektionen treten gehäuft innerhalb des ersten Monats nach Transplantation auf. Eine Fungämie geht mit einer hohen Mortalität einher (s. unter prophylaktische Therapie).

  • Außer HSV sind virale Infektionen in dieser Zeit selten. Patienten die vor orthotoper Lebertranplantation HSV-positiv sind und keine Prophylaxe erhalten, bekommen in 50 % der Fälle eine Reaktivierung.

4.6.6 Infektionen 1–6 Monate nach Lebertransplantation
  • Aufgrund der hohen kumulativen Dosis an Immunsuppressiva treten in dieser Zeit v. a. opportunistische Infektionen auf.

  • CMV-Infektion:

    • Auftreten einer CMV-Infektion ohne Prophylaxe: bei 50–60 % kommt es zur Reaktivierung.

    • 20–30 % von diesen Patienten entwickeln eine CMV-assoziierte Erkrankung (Pneumonitis, Enteritis, Hepatitis).

    • Mit Prophylaxe: Oftmals wird die CMV-Reaktivierung durch die Prophylaxe nur verschoben und nicht verhindert, sodass diese nach Absetzen der Prophylaxe auftritt.

    • Symptome: Fieber, Leukopenie, Thrombopenie, Malaise, Arthralgien, Pneumonie, Gastroenteritis, Hepatitis

    • Differenzialdiagnostik: Abstoßung, Retinitis

    • Diagnostik: CMV-pp65, CMV-DNA, ggf. Leberbiopsie etc.

  • Andere Virusinfektionen: EBV, VZV, RSV, HHV-6, Influenza, Adenovirus

    • EBV: wichtigste Virusinfektion, verschiedene klinische Symptome bis hin zum „mononucleose-like syndrome „ oder „posttransplantation lymphoproliferative disease „ (PTLD)

    • Aspergillus-Infektionen: Möglicherweise führt die CMV-Prophylaxe zu einem späteren Auftreten von Aspergillus-Infektionen, da die CMV-Reaktivierung der größte Risikofaktor für eine Aspergillus-Infektion ist (meist Lunge, andere Manifestationen: ZNS).

4.6.6 Infektionen über 6 Monate nach Lebertransplantation
  • Das Auftreten von opportunistischen Infektionen in diesem Zeitraum ist selten bei Patienten mit guter Transplantatfunktion, da die immunsuppressive Therapie deutlich reduziert ist.

  • Patienten nach OLT entwickeln in dieser Zeit die gleichen Infektionen wie die Allgemeinbevölkerung, jedoch häufiger. Infektionen wie Streptococcus pneumoniae oder Haemophilus influenza können sehr rasch und schwer verlaufen (s. auch unter Impfung).

  • Bei schlechter Transplantatfunktion oder hoher Immunsuppression treten die gleichen Infektionen wie in der Zeit von 1–6 Monate nach OLT auf.

Infektionen nach Transplantation

<1 Monat nach OLT

  • Infektionen mit resistenten Keimen:

    • MRSA

    • VRE

    • Candida spp. (non-albicans)

  • Aspiration

  • Katheterinfektionen

  • Wundinfektionen

  • Anastomoseninsuffizienzen/Ischämie

  • Clostridium-difficile-Kolitis

  • Vom Spender übertragene Infektionen (selten, ungewöhnlich): HSV, Rhabdovirus, HIV, Trypanosoma cruzi etc.

  • Empfängerassoziierte Infektionen/Kolonisation: Aspergillus, Pseudomonas

1–6 Monate nach OLT

  • Mit PCP und Antiviralprophylaxe (CMV, HBV):

    • BK-Polyomavirus

    • Clostridium-difficile-Kolitis

    • HCV-(Re-)Infektion

    • Adenovirus

    • Influenza

    • Cryptococus neoformans

    • Mycobacterium tuberculosis

  • Ohne Prophylaxe:

    • Pneumocystis jirovecii

    • HSV, VZV, CMV, EBV

    • HBV

    • Listeria, Nocardia, Toxoplasmose, Strongyloides, Leishmania, T. cruzi

  • Anastomosenkomplikationen

>6 Monate nach OLT

  • Ambulant erworbene Pneumonie, Harnwegsinfekt

  • Aspergillus

  • Nocardia, Rhodococcus

  • Späte Virusinfektionen:

    • CMV

    • Hepatitis B, C

    • HSV-Enzephalitis

  • Hautkrebs

  • Lymphome

4.7 Nebenwirkungen und Wechselwirkungen von Medikamenten

(Tab. 24.25, Tab. 24.26)

  • Die primäre Immunsuppression kann von Zentrum zu Zentrum variieren.

  • In der Regel erhalten Patienten nach einer Lebertransplantation in den ersten Monaten eine Dreifachkombination mit Tacrolimus (oder Ciclosporin), Prednisolon und Mycophenolat.

  • Die einzelnen Immunsuppressiva werden nach entsprechenden Spiegelkontrollen, Wirksamkeit, Zeit nach Transplantation und Verträglichkeit individuell angepasst.

Tab. 24.25 Nebenwirkungsprofil wichtiger Immunsuppressiva
Tab. 24.26 Häufig verabreichte Medikamente mit Wechselwirkungen mit Calcineurininhibitoren (CNI: Ciclosporin A, Tacrolimus)

5 Stammzelltransplantation

5.1 Allgemeines

  • Autologe Transplantation:

    • Bei der autologen Transplantation werden patienteneigene, zuvor mittels Leukapherese gesammelte und kryokonservierte Stammzellen nach einer sequenziellen Hochdosistherapie transplantiert.

    • Ziel ist eine schnellere Rekonstitution nach Chemotherapie.

  • Allogene Transplantation:

    • Hierbei werden nach einer Chemotherapie – ggf. kombiniert mit einer Ganzkörperbestrahlung – Stammzellen eines gesunden Spenders transplantiert. Alternativ kann auch eine reduzierte Konditionierung durchgeführt werden („reduced intensity conditioning“, RIC-Transplantation).

    • Der therapeutische Effekt der Stammzelltransplantation (SZT) entsteht durch die Immunantwort der Stammzellen gegen Tumorzellen.

    • Es kommen bevorzugt Stammzellen eines verwandten Spenders zum Einsatz, die mittels einer Leukapherese aus dem peripheren Blut gesammelt werden (seltener auch durch repetitive Knochenmarkpunktionen gewonnen)

    • Steht kein geeigneter verwandter Stammzellspender zur Verfügung, wird in weltweiten Stammzellregistern nach einem passenden, nicht verwandten Spender gesucht.

    • Voraussetzung für eine Stammzellspende ist die HLA-Typisierung, für die eine einfache Blutentnahme ausreicht.

5.2 Indikationen

  • Autologe SZT: Hodgkin- und Non-Hodgkin-Lymphome, multiples Myelom

  • Allogene SZT: akute myeloische Leukämie, akute lymphatische Leukämie, chronische lymphatische Leukämie, chronische myeloische Leukämie, Hodgkin- und Non-Hodgkin-Lymphome, multiples Myelom, myelodysplastische Syndrome, aplastische Anämie, Fanconi-Anämie, angeborene Immundefekte

5.3 Komplikationen nach Stammzelltransplantation

Komplikationen nach Stammzelltransplantation

  • Infektiöse Komplikationen (häufigster ICU-Aufnahmegrund)

  • Graft-versus-Host-Erkrankung (GvHD) ; allogen Stammzelltransplantierte

  • Neurologische Komplikationen (meist medikamentös-immunologisch vermittelt, z. B. Mikroangiopathie)

  • Andere Komplikationen: gastrointestinale Blutungen, Arrhythmien, Thrombosen, transplantationsassoziierte Mikroangiopathie (TAM), „veno-occlusive disease“ (VOD) bzw. sinusoidales Obstruktionssyndrom (SOS)

5.3.1 Infektiöse Komplikationen

(Abb. 24.2)

  • Sowohl der Infektionserreger als auch der Zeitpunkt ist individuell sehr unterschiedlich.

  • In der Regel kommt es zu einer intensivmedizinischen Aufnahme aufgrund einer bakteriellen Infektion, die häufig mit einer Sepsis bzw. septischem Multiorganversagen einhergeht.

  • SZT-Patienten sind häufig Patienten mit komplexen Krankheitsbildern. Es ist daher dringend erforderlich, dass nach Aufnahme auf eine Intensivstation sofort Kontakt mit dem Transplantationszentrum aufgenommen und die Therapie eng abgestimmt wird.

  • SZT-Patienten benötigen häufig eine zum Teil sehr lange Infektionsprophylaxe.

Abb. 24.2
figure 2

Übersicht über mögliche infektiöse Komplikationen und ihr zeitliches Auftreten. Die Abbildung stellt eine grobe Übersicht dar. Sowohl die Dauer der Infektion als auch das Auftreten der Infektion kann individuell deutlich variieren. (Mod. nach Fishman u. Rubin 1998)

Dosierung

Infektionsprophylaxe nach autologer SZT

  • Nur Valaciclovir: 500 mg 1–1–1 bis Tag 100a

  • ZVK-Infektionsprophylaxe: mittels lokalem Chlorhexidin

Infektionsprophylaxe nach allogener SZT

  • Valaciclovir:

    • Dosierung: 500 mg 1–1–1 (Niereninsuffizienz!)

    • Gabe bis Tag 100

    • Schutz vor HSV und VZV, aber nicht vor CMV und EBV, daher PCR-Monitoring und präemptive Therapie für CMV und EBV

  • Trimethoprim/Sulfamethoxazol:

    • Dosierung: 1–0–0 montags, mittwochs und freitags

    • Ab sicherer Erholung des Knochenmarks („Engraftment“) aufgrund potenzieller Stammzelltoxizität bis Tag 365

    • Bei Unverträglichkeit oder anhaltender Knochenmarktoxizität alternativ Pentamidin-Inhalation alle 4 Wochen

  • Posaconazol-Saft:

    • Dosierung: 5 ml (= 200 mg) 1–1–1

    • Gabe bis Tag 100

    • ZVK-Infektionsprophylaxe: mittels lokalem Chlorhexidin

    • Das Tragen von Mundschutz (ggf. Atemmaske) und Schutzkittel ist nur bei besonderen Infektionserregern notwendig.

a Die Tage der Hochdosis- bzw. Konditionierungstherapie werden rückwärts gezählt (z. B. Tag –12 bis Tag –1). Der Tag der Stammzelltransplantation ist Tag 0. Anschließend wird wieder aufwärts gezählt.

5.3.2 Diagnostik bei Verdacht auf eine Infektion nach SZT (Differenzialdiagnostik Infektion/GvHD)

  • Bei Mukositis: 1 × Abstrich → Hygiene (Erregeranzucht inklusive Pilze und Resistenzbestimmung) und 1 × Virologie (PCR für: HSV, VZV, CMV)

  • Bei Diarrhö: Stuhl → Mikrobiologie (Clostridium-difficile-Toxin) und 1 × Virologie (PCR für: HSV, VZV, CMV, Adenovirus)

  • Bei Fieber (>38°C): Blutkulturen (BK) zentral und peripher

  • Bei persistierendem Fieber >96 h:

    • BK zentral und peripher wiederholen

    • Bestimmung von Procalcitonin

    • Aspergillus-Antigen (Galaktomannan) 2–3 ×/Woche

    • CT-Thorax nativ

    • Ggf. BAL-Material zur mikrobiologischen Abklärung auf pathogene Erreger, inkl. Mykobakterien, Mykoplasmen, Pneumocystis carinii bzw. Pneumocystis jirovecii, Toxoplasma gondii, Aspergillen (Galaktomannan aus BAL-Material), Candida; Virologie-PCR für: CMV, HSV, VZV, HHV-6, RSV, Influenza-, Parainfluenza; Urin: Legionella-Antigen

  • Zusätzlich bei allogener SZT:

    • Bei Diarrhö: Stuhl → Virologie (PCR für: HSV, VZV, CMV, Adenovirus, Norovirus, Rotaviren)

    • Bei hämorrhagischer Zystitis :

      • Urin → Hygiene (Erregeranzucht und Resistenzbestimmung)

      • Urin → Virologie (PCR für: BK-Virus, Adenovirus, CMV)

      • Blut → Virologie (PCR für: BK-Virus)

    • Bei persistierendem Fieber nach Eskalation: Toxoplasmoseserologie

    • Unklarer Transaminasenanstieg: PCR für HBV, HCV, HSV, VZV, EBV, CMV, Adenovirus

  • Maßnahmen generell bei Fieber unter autologer/allogener SZT:

    • Stationäre Aufnahme und i.v.-Antibiotikatherapie nach Materialgewinnung (mindestens 2 BK-Paare, Urin, ggf. Stuhl, Schleimhaut oder Hautabstriche)

    • Gründliche körperliche Untersuchung zum Ausschluss von Abszessbildung

    • Monitoring nach allogener SZT:

      • Montags + donnerstags: CMV- und EBV-PCR aus Blut

      • Montags: BK-Virus-PCR aus Blut und Urin, Adenovirus-PCR aus Blut

Dosierung

Empirische Therapie einer Infektion nach SZT:

Fieber bei autologer Stammzelltransplantation

  • Piperacillin/Tazobactam 3 × 4,5 g i.v.

    • Bei ESBL-Kolonisation: Meropenem 3 × 1 g

    • Bei VRE-Kolonisation: zusätzlich Linezolid 2 × 600 mg

    • Bei MRSA-Kolonisation: zusätzlich Vancomycin 2 × 1000 mg

  • Bei Fieberpersistenz >96 h:

    • Eine automatische Eskalation auf ein Glykopeptid ist nicht notwendig. Bei Soor: Fluconazol 200 mg 1–0–0 (Tag 1), gefolgt von Fluconazol 100 mg 1–0–0 (Folgetage) (falls noch kein anderes Antimykotikum!)

    • Bei unklarem, nicht pilzverdächtigem Lungeninfiltrat und erwarteter weiterer Neutropeniedauer >2 Tage: Caspofungin 70 mg 1–0–0 (Tag 1), gefolgt von Caspofungin 50 mg 1–0–0 (Folgetage), Patienten über 80 kg bekommen weiter 70 mg täglich

Fieber bei allogener Stammzelltransplantation

  • Piperacillin/Tazobactam 3 × 4,5 g i.v. (Prophylaxe absetzen!)

  • Bei Fieberpersistenz >96 h: zusätzlich Vancomycin 1000 mg 1–0–1

  • Bei unklarem, nicht pilzverdächtigem Lungeninfiltrat im CT:

    • Beibehalten von Posaconazol bei guten Plasmaspiegeln

    • Alternativ nach Rücksprache mit der Infektiologie liposomales Amphotericin B (Ambisome) 3 mg/kg KG i.v., Absetzen von Posaconazol

  • Bei weiterer Fieberpersistenz: Meropenem 1 g 1–1–1 statt Piperacillin/Tazobactam

Cave

Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz und Leberinsuffizienz. Therapeutisches Drugmonitoring sinnvoll.

5.3.3 CMV-Reaktivierung

  • Nach Erstnachweis von Virusgenomen engmaschiges Monitoring (quantitative PCR montags, mittwochs und freitags)

  • Bei wiederholtem Nachweis von >1000 Kopien/ml oder einmalig >5000 Kopien/ml Therapiebeginn mit:

    • Pre-Engraftment: Foscarnet 60 mg/kg KG 1–0–1 für 14 Tage (Cave: Nierentoxizität, Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz [s. Fachinformation], genitale Ulzera). Alternativen: Ganciclovir oder Cidofovir bei ausbleibendem therapeutischem Erfolg

    • Post-Engraftment: Ganciclovir i.v. 5 mg/kg KG 1–0–1 für mindestens 14 Tage, dann Ganciclovir 5 mg/kg KG 1–0–0, bis CMV-PCR 14 Tage negativ ist. Alternativ: Valganciclovir 450 mg 2–0–2 für 21 Tage, dann Erhaltungstherapie mit Valganciclovir 450 mg p.o. 2–0–0. Die Therapie mit Ganciclovir und Valganciclovir muss von engmaschigen Blutbildkontrollen begleitet und die Dosis evtl. angepasst werden. Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz erforderlich. Cave: Ganciclovir/Valganciclovir in Kombination mit Mycophenolatmofetil (Cellcept) mit deutlich erhöhter Myelotoxizität!

  • Bei Nichtansprechen sollte eine Resistenztestung angestrebt werden.

  • Flankierend, wenn möglich, Reduktion der Immunsuppression.

Cave

Response-Beurteilung normalerweise erst nach 7–10 Tagen.

5.3.4 EBV-Reaktivierung

  • Nach Erstnachweis von Virusgenomen engmaschiges Monitoring (quantitative PCR montags, mittwochs und freitags)

  • Bei positiver EBV-PCR (2 × >5000 Kopien/ml): Rituximab 375 mg/m² i.v., Wiederholung wöchentlich für bis zu 4 Gaben bei EBV-Persistenz

  • Flankierend, wenn möglich, Reduktion der Immunsuppression

5.3.5 Hämorrhagische Zystitis (HC)

  • Diagnostik:

    • Urin → Hygiene (Erregeranzucht und Resistenzbestimmung)

    • Urin → Virologie (PCR für BK-Virus, Adenovirus, CMV)

    • Blut → Virologie (PCR für BK-Virus)

  • Auftreten bis Tag 7 meist als Folge einer Cyclophosphamid-Exposition, nach Tag 14 meist als BK-Virus-Cystitis

  • Grad 1: Makrohämaturie

  • Grad 2: Makrohämaturie plus Koagel

  • Grad 3: Makrohämaturie plus Koagel plus Kreatininanstieg und Blasentamponade

  • Patienten, die länger als 2 Wochen einen positiven BK-Virus-Nachweis im Urin haben, entwickeln zu 50 % eine HC

  • Ein Anstieg der BK-Virus-Last im Blut auf über 10.000 Kopien/ml hat eine Sensitivität von 63 % und eine Spezifität von 95 % für die Entwicklung einer HC

  • Anlage eines Blasenspülkatheters durch die Urologie; Spülmenge sollte ausreichend sein, sodass keine Koagel mehr auftreten (mindestens 1 Beutel [3 l] pro Tag)

  • Bei BK-Virus-Nachweis und HC: Cidofovir intravesikal über Spülkatheter, 5 mg/kg KG auf 50 ml, 1 h belassen; ggf. auch lokale analgetische Begleittherapie notwendig (Lidocainzusatz o. Ä.). In Einzelfällen kann eine systemische Therapie mit Cidofovir oder Leflunomid (Loading-Dosierung: 100 mg über 3 Tage, dann 20 mg; Cave: zahlreiche Nebenwirkungen, inklusive Knochenmarksuppression) erwogen werden.

5.3.6 Enterokolitis

  • Diagnostik: Stuhl in Mikrobiologie und Virologie, Koloskopie anstreben (Biopsien in Virologie [CMV, Adenovirus, Rotavirus, HSV, VZV, EBV] und Mikrobiologie)

  • Bei allogenen Stammzelltransplantationen möglichst Stuhlvisite durch SZT-erfahrenen Arzt, da sich GvHD-Stuhl häufig sicher identifizieren lässt (stark übelriechend, „grünlich gehackt“ oder wässrig mit Schleimhautfetzen)

  • Bei starken Schmerzen regelmäßig Sonographie der Blase auf Restharn

  • Therapie entsprechend Ursache:

    • Clostridium difficile: Vancomycin 125 mg p.o. 1–1–1–1, Alternative bei Unverträglichkeit: Metronidazol 400 mg p.o. 1–1-1; falls keine orale Zufuhr möglich, Metronidazol 400 mg i.v. 1–1-1 (schwache Datenlage); bei Rezidiven oder progredienten Beschwerden: Fidaxomicin 2 × 200 mg/Tag p.o.

    • CMV: s. oben: CMV-Reaktivierung. Eine negative CMV-Last im Blut schließt eine CMV-Kolitis nicht aus!

    • Adenoviren: Therapie der ersten Wahl ist die Reduktion der Immunsuppression. Im Einzelfall kann die Gabe von Cidofovir 5 mg/kg KG 1 × wöchentlich mit flankierender Probenezid-Gabe erwogen werden.

  • Wichtige Differenzialdiagnose: GvHD (andere Manifestationen? Zeitpunkt nach Engraftment? Histologische Sicherung anstreben [s. oben]!).

Cave

Eine zu spät behandelte GvHD, insbesondere des Darms, hat eine äußerst schlechte Prognose. (s. auch: akute GvHD des Darms).

Weitere Eskalation nur nach Rücksprache mit dem Zentrum!

Therapie einer Infektion bei autologer SZT:

  • Bei Patienten nach autologer Transplantation und vollständigem Engraftment ist von einem bis zu 12 Monate dauernden leichten Immundefekt auszugehen.

  • Ohne Vorliegen von Aplasie sind sie jedoch wie immunkompetente Tumorpatienten zu behandeln (gezielte Fokussuche, Asservation von Urin, Blut, Stuhl, Abstriche bei Mukositis etc.), dann gerichtete Antibiotikatherapie.

  • Anders als bei Fieber in Aplasie oder immunsupprimierten, allogen transplantierten Patienten ist eine empirische, antiinfektive Soforttherapie nicht prinzipiell indiziert.

  • Daher auch hier unbedingt Rücksprache mit dem Transplantationszentrum halten.

5.3.7 Graft-versus-Host-Disease (GvHD)

  • Die GvHD ist eine lebensbedrohliche Komplikation für den Transplantatemfänger nach einer allogenen SZT.

  • Bei der GvHD reagieren die im Transplantat enthaltenen T-Lymphozyten des Spenders gegen den Empfängerorganismus.

  • Ein erhöhtes Risiko einer GvHD besteht bei einem nicht verwandten Spender, bei unterschiedlichem Geschlecht von Spender und Empfänger und in Abhängigkeit von der Art des Transplantats (periphere Blutstammzellen >Knochenmark).

  • Die verwendeten Chemotherapeutika zur Konditionierung sowie die Immunsuppression können ebenso eine entscheidende Rolle spielen.

  • Man unterscheidet eine akute GvHD, die meist innerhalb der ersten 3 Monate auftritt, von einer chronischen GvHD, die nach Tag 100 nach SZT auftritt.

  • Im Allgemeinen verläuft eine chronische GvHD blander, erfordert dafür aber eine mitunter dauerhafte Immunsuppression.

  • Prinzipiell können alle Organsysteme befallen sein, am häufigsten aber äußern sich die Symptome an Haut, Leber und Gastrointestinaltrakt.

  • Um einer GvHD vorzubeugen, benötigen Patienten einer allogenen SZT eine optimale immunsuppressive Therapie (Tab. 24.27, Tab. 24.28)

Speziell Ciclosporin A, aber auch die anderen Medikamente weisen eine Vielzahl von Arzneimittelinteraktionen auf. Vor der Erweiterung der Medikation müssen unbedingt die Fachinformationen beachtet werden, um gefährliche Spiegelschwankungen zu vermeiden!

Tab. 24.27 4 Stadien des Organbefalls (Arora et al. 2009)
Tab. 24.28 Aktuell eingesetzte Immunsuppressiva
  • Praktische Anwendungen (Tab. 24.29):

    • Generell erfolgt die GvHD-Prophylaxe bei allogener Stammzelltransplantation ab Tag –1 i.v.

    • Je nach Protokoll besteht die GvHD-Prophylaxe aus einer 2er-Kombination: Ciclosporin A + Mycophenolat(mofetil) oder Ciclosporin A + Methotrexat.

    • Nach stabilem Engraftment und suffizienten Vollblutspiegeln kann eine sukzessive Umstellung auf eine orale Applikation erfolgen.

    • Bei mangelnder Resorptionsfähigkeit des Darms (Enteritis mit Diarrhö oder Darm-GvHD) wird die i.v.-Gabe belassen.

    • Bei i.v.-Gabe von spiegelgesteuerten Immunsuppressiva ist zu beachten:

      • Calcineurin- und mTOR-Inhibitoren sind lipophil und sollten daher mit der parenteralen Ernährung über einen Schenkel laufen.

      • Die Gabe des Calcineurininhibitors/mTOR-Inhibitors sollte streng alle 12 h erfolgen, jeweils über 4 h.

      • Der Medikamentenspiegel wird als Talbestimmung gemessen. Es ist auf die Blutentnahme vor Medikamentengabe aus einem anderen Schenkel zu achten!

    • Nebenwirkungen von Ciclosporin A:

      • Akute (exazerbierte) Niereninsuffizienz

      • Unkontrollierbare Hyperbilirubinämie/Leberinsuffizienz

      • Neurotoxizität (starker Tremor, ausgeprägte akrale Parästhesien/Schmerzen, Verwirrtheit, Somnolenz, epileptiforme Störungen)

      • Arterielle Hypertonie

      • Mikroangiopathie, Fragmentozytose

    • Umstellung des Calcineurin-/mTOR-Inhibitors von i.v. auf p.o.:

      • Erfahrungsgemäß kann die Dosis 1:1 übernommen werden (z. B. bei CSA Sandimmun Optoral Lösung 1 ml = 100 mg; Sandimmun Optoral Kapseln à 25 mg oder 100 mg).

      • Es sollten nie beide Immunsuppressiva gleichzeitig umgestellt werden.

    • Posaconazol (häufig zur antimykotischen Prophylaxe gegeben) erhöht den Ciclosporin-A-Spiegel.

    • Ciclosporin A führt zu renalen Mg2+-Verlusten. Daher empfiehlt sich ein tägliches Monitoring von Mg2+ und Ciclosporin A. Eine Substitution kann i.v. oder p.o. erfolgen.

Tab. 24.29 Vorgehen bei GvHD-Formen

Aufgrund der Nebenwirkungen von Immunsuppressiva ist eine tägliche laborchemische Kontrolle des Differenzialblutbilds, der Retentionswerte, der Elektrolyte, der Leberwerte und des verabreichten Immunsuppressivums (Ciclosporin-A-/Tacrolimus-Intoxikation: s. Übersicht) essenziell. Die Kontrolle der Gerinnungsparameter kann 2 × pro Woche erfolgen. Einmal wöchentlich empfiehlt sich die Bestimmung von Fragmentozyten und des Haptoglobins.

Cave

Bei Verdacht auf immunsuppressivuminduzierte Toxizität unbedingt Rücksprache mit Transplantationszentrum halten, bevor eine Änderung der Medikation erfolgt. Ein unzureichender Immunsuppressivumspiegel kann zu einer GvHD Grad III–IV führen, die dann evtl. nur noch sehr schwierig zu behandeln ist.

Vorgehen bei immunsuppressivuminduzierten Nebenwirkungen

Verdacht auf Ciclosporin-A-induzierte Nebenwirkungen/Intoxikation

  • Ciclosporin-A- Spiegel in den unteren Zielbereich senken; ggf. Pausieren der Gabe bis zum Erreichen des Zielspiegels, ansonsten Reduktion um 1/3 der zuletzt gegebenen Dosis; Gabe von Opiaten bei starken Schmerzen

  • Umstellen von Ciclosporin A auf Tacrolimus (nicht zum Zeitpunkt des Engraftments); Beginn mit Tacrolimus 1 mg 1–0–1 (Zielspiegel: 8–12 ng/ml), sobald Ciclosporin-A-Spiegel unter 100 μg/ml gefallen ist

  • Wenn Umstellung zum Zeitpunkt des Engraftments notwendig, dann zusätzliche Gabe von Prednisolon über 3 Tage (1 mg/kg KG)

  • Umstellen von Ciclosporin A auf MMF (CellCept) 500 mg 1–1–1–1, falls noch nicht appliziert

  • Umstellen von Ciclosporin A auf Sirolimus: Loading-Dosis 4–6 mg 1–0–0, dann Erhaltungsdosis 2 mg 1–0–0 (Zielspiegel: 8–12 ng/ml)

Verdacht auf Tacrolimus-induzierte Nebenwirkungen/Intoxikation

  • Ähnliche Nebenwirkungen wie unter Ciclosporin A, aber weniger Neuro-/Hepatotoxizität

  • Dosisreduktion in unteren Zielbereich

  • Umstellung auf Alternativpräparate, falls noch nicht gegeben: Sirolimus (Loading-Dosis 4–6 mg 1–0-0, dann Erhaltungsdosis 2 mg 1–0–0, Zielspiegel 8–12 ng/ml)

  • Diagnostik und Primärtherapie der akuten GvHD:

    • Die sichere Differenzialdiagnose zwischen infektiöser – insbesondere viraler – und einer anderen akuten Organschädigung (GvHD) kann nur bioptisch erfolgen.

    • Der Therapiebeginn darf bei klinisch begründetem Verdacht auf eine akute GvHD jedoch nicht durch eine verzögerte Biopsieentnahme aufgeschoben werden!

    • Geringfügige oder nur grenzwertig positive Virusnachweise gehen oft mit einer GvHD einher (als Trigger).

  • Allgemeingültige Prinzipien der Primärtherapie einer akuten GvHD:

    • Zusätzlich zur GvHD-Prophylaxe wird Prednisolon 2 mg/kg KG als tägliche Einmaldosis verabreicht

    • Steroide hochdosiert beginnen und dann zügig wieder reduzieren (bei milder/gut kontrollierter GvHD rasche Prednisolon-Reduktion: alle 3 Tage Tagesdosis halbieren, bei GvHD Stadium III plus GvHD eines weiteren Organs langsameres Ausschleichen: alle 5 Tage um –10 % der Tagesdosis)

    • Ciclosporin-A-Spiegel im hohen Zielspiegelbereich halten

  • Steroidbegleitmedikation bei Langzeittherapie (>14 Tage):

    • Regelmäßige Blutzuckerkontrollen, ggf. Acarbose 50–100 mg 1–1–1 oder Insulin s.c.; bei Blutzuckerentgleisungen oder anderen Unverträglichkeiten (Unruhe) auch auf 2 Tagesdosen aufteilbar

    • Bei hohem CMV-Risiko (CMV-negativer Spender und CMV-positiver Empfänger): Prophylaxe mit Valganciclovir (Valcyte) 450 mg 1–0-1 oder 1–0–0 (bei Knochenmarkinsuffizienz)

    • Osteoporoseprophylaxe mit Vitamin D3 (Vigantoletten 1000 E. 1–1–1) und Kalzium (z. B. Calcium-D3-Ratiopharm BT 1–0–1)

    • Infektionsprophylaxe mit Chinolonen erwägen in Abhängigkeit von der begleitenden Immunsuppression und der Infektionsrate

  • Beurteilung des Therapieansprechens: Die akute GvHD gilt als steroidrefraktär:

    • Progress innerhalb der ersten 3 Tage nach Therapiebeginn

    • Keine Besserung nach 7 Tagen

    • Keine komplette Remission nach 14 Tagen

5.3.8 Neurologische Komplikationen

  • Folgende neurologische Komplikationen können auftreten:

    • Epilepsie (fokal, generalisiert)

    • Fokal neurologische Paresen (motorisch, sensorisch)

    • Intrazerebrale Blutungen

    • Meningitis/Enzephalitis

    • Posteriores reversibles enzephalopathisches Syndrom (PRES)

  • Alle neurologischen Komplikationen können Ausdruck derselben Ursache bzw. Erkrankung sein und müssen daher diagnostisch entsprechend abgeklärt werden, da unterschiedliche Therapieoptionen bestehen.

  • Empfohlenes diagnostisches Workup:

    • Neurologische Untersuchung

    • CT-Schädel mit KM, wenn möglich

    • Liquorpunktion, wenn möglich (Cave: Gerinnung und Thrombozytenzahl): Zellzahl, Zucker, Eiweiß, LDH, Virologie, Bakteriologie, FACS-Untersuchung („fluorescence activated cell sorting“ = Durchflusszytometrie), Zytospin

    • EEG

    • NMR („nuclear magnetic resonance“)

  • In der Regel kann man mit diesem Untersuchungsgang die Hauptdifferenzialdiagnosen abklären und dann eine entsprechende Therapie einleiten.

  • Bei Nachweis einer intrakraniellen Blutung ist die Durchführung eines NMR nicht mehr zwingend erforderlich.

5.3.9 Transplantationsassoziierte Mikroangiopathie (TAM)

  • Mikroangiopathie mit Hämolyse und Thrombozytopenie, die grundsätzlich zu jedem Zeitpunkt nach Transplantation auftreten kann

  • Diagnosekriterien (International Working Group Definition 2007):

    • Fragmentozyten im peripheren Blut >4 % (Cave: übliche Angabe in Promille)

    • De novo, prolongierte oder progressive Thrombozytopenie <50.000/µl oder Abfall um >50 %

    • Abrupter und anhaltender Anstieg der LDH

    • Hämoglobinabfall oder Anstieg des Transfusionsbedarfs

    • Abfall des Haptoglobins:

      • Wenn alle Kriterien erfüllt sind, Sensitivität und Spezifität >80 %!

      • Unter Ciclosporin A findet sich häufig eine diskrete Vermehrung von Fragmentozyten auf wenige Promille, jedoch ohne Hb-relevante Hämolyse und ohne renale oder neurologische Symptome. Dies ist eine dosisabhängige Nebenwirkung von Ciclosporin A und in der Regel allein durch ein Absenken der Plasmaspiegel von Ciclosporin A zu beherrschen. Dies ist keine TAM!

  • Therapie der TAM (nach Batts et al. 2007):

    • Absetzen von Ciclosporin A und Tacrolimus (auch Sirolimus, wenn in Kombination verabreicht)

    • Ersetzen durch MMF oder Steroide

    • Evtl. Plasmainfusionen; Plasmaaustausch nur im Einzelfall (Rücksprache mit Transplantationszentrum)

5.3.10 Sinusoidales Obstruktionssyndrom (SOS) bzw. „vena occlusiv disease“ (VOD)

  • Schädigung des sinusoidalen Endothels durch toxische Metabolite der Chemotherapeutika, besonders bei hepatischer Vorschädigung

  • Diagnosekriterien (Baltimore-Kriterien):

    • Tag 0–21 nach allogener SZT

    • Bilirubin >2 mg/dl

    • Hepatomegalie mit Leberdruckschmerz

    • Aszites (Verifizierung durch Sonographie)

    • Gewichtszunahme >5 %

    • SOS besteht, wenn Bedingungen 1 und 2 sowie mindestens 2 der Bedingungen 3–5 erfüllt sind.

  • Prophylaxe (Abb. 24.3):

    • Unfraktioniertes Heparin: 100 U/kg KG/Tag als kontinuierliche Infusion ab Konditionierung bis Tag 30; Beachte: Perfusor an Thrombozytenzahl anpassen (Thrombozytenzahl >100.000/µl → 10.000 I.E. Heparin pro 24 h, Thrombozytenzahl <100.000/µl und >50.000/µl → 5.000 I.E. Heparin pro 24 h, Thrombozytenzahl <50.000/µl → 2.500 I.E. Heparin pro 24 h

    • Ursodesoxycholsäure (Ursofalk) 600–900 mg/Tag p.o. ab Konditionierung bis Oralisierung von Ciclosporin A (kann sonst Resorption von Ciclosporin A aus Darm erhöhen) bei Patienten mit erhöhtem SOS-Risiko wie Zweittransplantation (auch Auto-allo-Konzept), Lebererkrankung, Konditionierung mit Busulfan oder Cyclophosphamid

  • Monitoring:

    • Plasminogenaktivatorinhibitor-1 (PAI-1) im Serum (Sonderanforderung, ggf. nicht in jedem Haus zu bestimmen), höchste Spezifität und Sensitivität, ggf. Testergebnis erst nach mehreren Tagen

    • Täglich: Fibrinogen, Quick, PTT

  • Therapie (supportiv, spezifische Therapie → Defibrotide [geringe Evidenz, in Deutschland nur über internationale Apotheke zu erhalten]):

    • Flüssigkeits- und Natriumrestriktion, Gabe von Diuretika (Schleifendiuretika und Spironolacton)

    • Erhalt des intravaskulären Volumens und der Nierenperfusion mit Albumin und Transfusionen (Hämatokrit >30 %)

Abb. 24.3
figure 3

Management der allogenen SZT. 1 In der Regel reduzieren ab Tag 30, ausschleichen bis Tag 50. 2 In der Regel reduzieren ab Tag 100, ausschleichen bis Tag 180. TT = Thrombozytenkonzentrate, BKV = BK-Virus, MMF = Mycophenolatmofetil, CsA = Ciclosporin A

5.3.11 Differenzialdiagnose Hyperbilirubinämie bei allogener SZT

  • Ciclosporin-A-Intoxikation: isolierte Bilirubinerhöhung, Kreatininanstieg, ggf. Kopfschmerzen, Hand-Fuß-Syndrom, Mikroangiopathie (Fragmentozyten ↑, LDH ↑, Haptoglobin ↓), neurologisch auffällig

  • SOS: siehe oben, positive Baltimore-Kriterien, selten bei RIC („reduced intensity conditioning“), häufig bei Lebervorschädigung

  • Akute GvHD: Anstieg häufig kurz nach beginnendem Engraftment, parallel meist Haut-GvHD, Transaminasen relativ niedrig, γ-GT erhöht, ggf. Steroide als diagnostischer Test/Therapie

  • TAM: Fragmentozyten plus Hämolysezeichen

  • Intoxikation: häufig, nicht immer auch Transaminasen erhöht, meist nur Leber betroffen, diagnostischer Test: Kandidatenmedikamente (besonders Antimykotika) pausieren, danach rasch Abfall

Alle intensivpflichtigen Komplikationen eines Nicht-SZT-Patienten können auftreten. Man sollte bei der Komplexität gerade der allogenen SZT „allgemeine“ Komplikationen nicht übersehen, wie z. B. Myokardinfarkt, Lungenembolie, Harnstau etc.

5.3.12 Transfusion von Blutprodukten bei SZT

Transfusionen von Erythrozyten, Thrombozyten und Plasma können jederzeit unmittelbar vor und nach einer Stammzelltransplantation notwendig werden. Folgende Besonderheiten sind bei SZT-Patienten zu beachten:

  • Aufgrund der heutigen Standards zur Aufbereitung von Blutprodukten sind alle Produkte leukozytendepletiert, sodass das Risiko einer transfusionsassoziierten GvHD und einer CMV-Übertragung reduziert wird.

  • Es sollten keine gepoolten Thrombozytenkonzentrate transfundiert werden, weil diese von mehreren Spendern stammen und das Risiko einer transfusionsassoziierten GvHD erhöhen. Nur Thrombozytenapheresate eines Spenders verwenden.

  • Zusätzlich müssen alle zellulären Blutprodukte (nicht FFP) – außer dem Stammzellpräparat und den Donorlymphozyten – für folgende Zeiträume bestrahlt werden (mindestens 25 Gy – bewirkt eine Inaktivierung noch vorhandener Leukozyten):

    • Autolog: 14 Tage vor Leukapherese bis Tag 100 (Abb. 24.4)

    • Allogen: ab Konditionierung auf Dauer

  • Bei allogenen Transplantationen mit CMV-negativem Spender und Empfänger: CMV-negative Blutprodukte anfordern! Wenn nicht möglich, kann auch CMV-unbekannt transfundiert werden, da bereits leukozytendepletiert.

  • Bei AB0-Inkompatibilität zwischen Spender und Empfänger gilt die Transfusionstabelle (Tab. 24.30) für Blutprodukte ab Tag 0 (Blutbank über SZT informieren!).

  • Bezüglich Rhesus-Faktor vgl. Tab. 24.31

Abb. 24.4
figure 4

Management der autologen Stammzelltransplantation

Tab. 24.30 Transfusionstabelle für Blutprodukte ab Tag 0
Tab. 24.31 Rh-D-Tabelle